Skip to content

#Leerstand in #Stuttgart: Kundgebung am 2. Juli - Kein Spaß: Bürgermeister trifft sich mit Spekulanten um Wohnungskrise zu lösen

Am 2. Juli lädt die Stadtverwaltung Spekulanten, Banken und Baukonzerne zum „11. Immobilien-Dialog“ ins Stuttgarter Rathaus ein. Beteiligung von Bürgern oder Kritikern der Wohnungspolitik der vergangenen Jahrzehnte? Fehlanzeige. Die Teilnahme kostet 460 Euro pro Person –“ zuzüglich Umsatzsteuer.

Der Veranstalter „Heuer Dialog“ wirbt damit, „Netzwerk für die Immobilienwirtschaft“ zu sein. Die Partner und Mitveranstalter sind neben den Immobilenablegern großer Banken, Baukonzernen und Immobilienfirmen auch die Stadt Stuttgart, die staatliche Wirtschaftsförderung Region Stuttgart und die Stuttgarter Zeitung. Was unter „netzwerken“ verstanden wird ist klar: Nicht nur ein Austausch der Immobilienbranche untereinander, sondern auch Einfluss auf die Politik, die Stadtplanung und die öffentliche Meinung darüber.

Genau die Spekulanten, die an Mietenwahnsinn, Wohnungsnot und Verdrängung Millionen und Milliarden verdienen, debattieren mit und vor Politikern, Verwaltungsvertretern und JournalistInnen. Die Themen sind tatsächlich existenziell für die meisten Menschen in Stuttgart: „Mehr Wohnraum für den Normalverdiener“, „Sozialverträgliche Stadtentwicklung“oder „Wohnen wird teurer, auch im Umland“. Tatsächlich sind diese Problemstellungen auch für die Immobilienwirtschaft interessant. Als Lösungsansätze präsentieren sie etwa „Nachverdichtung“, was für sie neue, lukrative Möglichkeiten schafft, auch in dicht bebauten Gegenden noch mehr zu bauen. In die gleiche Kerbe schlägt die Forderung nach effizienterem und zügigerem Bauen. Das alles sind durchaus interessante Ansätze um die Wohnraumproblematik zu lösen. Das Problem ist nur, dass eben jene, die sich am 2. Juli treffen bei allem einzig und allein eine Triebfeder haben: Profit. Darum sind auch die Lösungsansätze die sie präsentieren und wohl auch umsetzen werden einzig und allein danach ausgerichtet. Sie haben gar kein Interesse, die realen Probleme zu lösen, sie wollen damit lediglich Geld verdienen. Viel Geld. Ganz pragmatische und kurzfristige Lösungen wie eine Mietobergrenze oder Enteignungen von leerstehenden Wohnungen kommen natürlich nicht von ihrer Seite.

Denn an den horrenden Mieten verdienen die Spekulanten und Konzerne natürlich prächtig, das wollen sie sich nicht nehmen lassen und das ist für sie alles andere als ein Problem. Es ist ein Zustand, den ihr Wirtschaften erst geschaffen hat und von dem sie profitieren. Und egal was sie in Zukunft machen, es wird wieder nur auf ihren Profit herauslaufen. Und weil dieser Profit auch irgendwo herkommen muss, werden öffentliche Kassen, vor allem aber die aller meisten Menschen, die für Wohnraum eben Geld ausgeben müssen, dafür bezahlen.

Damit diese gemeinwohlfeindliche Logik des Kapitalismus funktioniert, müssen deren Profiteure aber natürlich Einfluss auf die Politik und die öffentliche Meinung haben. Neben losen Vernetzungstreffen wie dem Immobilien-Dialog geschieht dies durch Beratung von Städten, Ländern und dem Bund. Darüber beeinflussen Berater von Banken und Immobilienfirmen Gesetzesänderungen, Stadtplanungen und Auftragsvergabe. So sichern sich die Immobilienhaie Milliarden. Ebenso profitieren sie von der Abhängigkeit und der Mentalität die so in Politik und Verwaltung Einzug hält. Daneben propagieren kapitalfreundliche Think-Tanks und Wissenschaftler seit Jahrzehnten den Neoliberalismus. Sein Mantra vom „schlanken Staat“ und der haushaltspolitischen „schwarzen Null“ bedeuten nichts anderes als den Ausverkauf des Staates und der Daseinsfürsorge zugunsten von neuen Märkten und riesigen Profiten für die, die ohnehin schon mehr als genug haben. Dabei spitzt sich die Situation für die allermeisten Menschen zu, nicht nur in Deutschland.

Wie dieses System der Ausbeutung und der undemokratischen Einflussnahme funktioniert, zeigt sich unter anderem am Beispiel des „Immobilien-Dialogs“. Gleichzeitig zeugt diese Veranstaltung im Rathaus einer Stadt, die besonders unter den herrschenden Zuständen auf dem Wohnungsmarkt zu leiden hat, von der Ignoranz dieser hohen Herrschaften. Klar ist: Für Gering- und Normalverdienende wird dabei nichts herauskommen, zumindest nichts Gutes.

Darum kommt zur Kundgebung des Aktionsbündnisses Recht auf Wohnen vor dem Rathaus:

Montag, 2. Juli | 19 Uhr | Marktplatz Stuttgart

Programm und Infos zum Immobilien-Dialog auf der Website der Stadt Stuttgart


Quelle

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick

ECUADOR
Das ecuadorianische Parlament hat ein Gesetz zur Stärkung der Wirtschaft mit Stimmen aus dem Regierungslager und der Opposition verabschiedet. Es sieht zahlreiche Maßnahmen vor, die vor allem finanzielle Erleichterungen für große Unternehmen bedeuten. So sollen Steuerschulden, Strafen und Zinsen erlassen und die Steuer für Devisentransfer ins Ausland schrittweise gesenkt werden. Zudem befindet sich momentan eine Delegation des Internationalen Währungsfonds (IWF) im Land, um eine mögliche direkte Zusammenarbeit in die Wege zu leiten. Auch die Weltbank einigte sich mit Präsident Lenín Moreno auf eine Erhöhung der Finanzhilfen.

EL SALVADOR
Vergangene Woche haben in der Hauptstadt San Salvador Proteste gegen die vom Parlament geplante Privatisierung der Wasserversorgung stattgefunden. Verantwortlich für den Reformvorschlag der Verwaltung des Wasser in der neuen Legislaturperiode ist die rechtsgerichtete Partei Alianza Republicana Nacionalista (Arena), die seit den Wahlen im März 2018 die Mehrheit im Parlament kontrolliert und somit Maßnahmen beschließen lassen kann, die jahrelang von den anderen Parteien blockiert worden waren.

KOLUMBIEN
Kolumbien ist mit 7,7 Millionen das Land mit den weltweit meisten internen Flüchtlingen. Diese Zahl nennt der am vergangenen Dienstag veröffentlichte Jahresbericht des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR.

KUBA
Der neue kubanische Präsident Miguel Díaz-Canel ist in der vergangenen Woche zu seiner ersten Inlandsvisite außerhalb Havannas aufgebrochen.

MEXIKO
Am kommenden Sonntag finden in Mexiko Präsidentschafts-, Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen statt. Als Favorit für das höchste Staatsamt geht der Kandidat der Mitte-links-Partei Morena, André Manuel López Obrador, in das Rennen. Umfragen sagen ihm ein Ergebnis um die 50 Prozent voraus.

NICARAGUA
Auf die Versuche eines Dialogs zwischen Regierung und Oppositionsgruppen mit ersten konstruktiven Schritten folgen in Nicaragua weitere Morde, Gewalt und Anschläge.

VENEZUELA
Die Europäische Union verschärft mit weiteren Sanktionen den Druck auf Venezuela. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Montag meldete, haben sich die EU-Staaten darauf verständigt, elf Vertreter von Regierung und Behörden des südamerikanischen Landes mit Einreise- und Vermögenssperren zu belegen.

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 29. Juni 2018

Alle Jahre wieder. Oder: Wenn ich doch nur eine Kreditkarte der Sparkasse hätte...

... dann würden mich derartige Mails auch nicht verunsichern1. Wie André Westphal in Caschis Blog berichtet, ist zur Zeit mal wieder eine Welle von Malware unterwegs. Als Vorsichtsmaßnahme empfehle ich wie immer neben einem aktuellen Virenscanner vor allem Brain 1.0 einzuschalten, bevor panisch auf irgendwelchen Links herum geklickt wird.



1 Virusmeldung durch unseren Mailserver:

VIRUS ALERT

Our content checker found
virus: PhishTank.Phishing.5705579.UNOFFICIAL
in an email to you from probably faked sender:
?@[94.130.79.xx]

claiming to be: <SRS0=jvif=JP=sparkasse-ffb.de=sicherheit@sparkasse-ffb.de>
Content type: Virus
Our internal reference code for your message is 03363-15/r_wL7vrsk91x

First upstream SMTP client IP address: [::1] localhost
According to a 'Received:' trace, the message apparently originated at:
[94.130.79.xx], xxxxxxxxx localhost [IPv6:::1]

Return-Path: <SRS0=jvif=JP=sparkasse-ffb.de=sicherheit@sparkasse-ffb.de>
From: Sparkasse sicherheit@sparkasse-ffb.de
Message-ID: 19ca79595280f1549a9fff8886bc1475@localhost.localdomain
X-Mailer: PHPMailer 5.2.7 (https://github.com/PHPMailer/PHPMailer/)
Subject: =?iso-8859-1?Q?Konto:ThomasTr=FCten|Fall:S71548D9?=
The message has been quarantined as: r/virus-rwL7vrsk91x

Please contact your system administrator for details.

Offener Brief von Lifeline an den Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, Horst Seehofer: Wir retten Leben, wen retten Sie?

Die Lifeline
Foto: The Righteous of the Med Sea / Committee for the nomination to the Nobel Peace Prize for 2018

Offener Brief von Lifeline an den Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, Horst Seehofer

Betreff: Wir retten Leben, wen retten Sie?

Sehr geehrter Herr Minister Seehofer,

der Presse entnehmen wir, dass Sie sich dafür einsetzen, dass das Schiff unserer Seenotrettungs-NGO beschlagnahmt werden soll und gegen die Crew strafrechtlich ermittelt wird. Wir entnehmen der Presse, dass Sie von "Shuttle"-Service sprechen. Unabhängig davon, dass wir darauf hinweisen wollen, dass wir Menschen im tödlichsten Seenotrettungsgebiet der Welt aus Lebensgefahr retten und dafür angeklagt werden, haben wir einige Anmerkungen und Fragen:

Es fühlt sich beschämend an, dass die Bundesregierung durch die Behinderung der Seenotrettung dazu beiträgt, dass mehr Menschen im Mittelmeer sterben. Haben Sie Studien, eine Statistik oder ein Bauchgefühl, mit dem Sie diese Toten rechtfertigen können?

Stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Menschen gefoltert und versklavt und vergewaltigt werden - ganz bildlich in Libyen. Stellen Sie sich vor, wie diese Menschen in ihrer Verzweiflung alles tun, um Libyen entkommen zu können. Stellen Sie sich vor, dass der einzige Weg ein Schlauchboot ist und dass man für diesen lebensgefährlichen Weg dann noch viel Geld bei kriminellen und gewalttätigen Schlepperbanden bezahlen muss.

Stellen Sie sich vor, dass dort Männer, Frauen und Kinder - die nie schwimmen gelernt haben - auf überfüllten Booten ins Wasser fallen - ohne Schwimmweste. Stellen Sie sich den Kampf gegen das Wasser vor, das langsam aber sicher ihre Lungen füllt, bis sie ertrinken. Stellen Sie sich vor, dass Sie fordern, dass diesen Menschen nicht geholfen wird.

Und wenn Sie bereit sind, sich das vorzustellen und nun sagen: “Aber ohne die Nichtregierungsorganisationen gäbe es das ja nicht–, dann müssen wir Ihnen sagen: Sie liegen falsch. Nicht weil wir eine andere Meinung haben, sondern weil die meisten Menschen in den letzten Jahren gar nicht von NGOs gerettet wurden und weil wir wissen, dass die Menschen auch höhere Risiken eingehen. Wir haben uns als NGOs gegründet, nachdem tausende ertrunken sind - nicht davor. Wir stimmen unsere Einsätze mit der Seenotrettungsleitstelle ab und folgen den Anweisungen und wir sind schockiert über die Vorwürfe, die uns auch von Ihnen gemacht werden. Sie können den Schmerz nicht fühlen, wenn Menschen sterben, denen man helfen könnte. Und Sie können unsere Wut nicht nachempfinden, die wir angesichts einiger öffentlicher Äußerungen der letzten Tage empfinden. Sie reden von Shuttle nach Europa, wo Menschen aus Seenot gerettet werden. Wie würden Sie sich fühlen, wenn ihre Familienangehörigen in Gefahr wären oder sterben? Wäre es nicht eine Schande?

Wir laden Sie ein. Wir laden Sie ein an einer der Seenotrettungsmissionen teilzunehmen und sich die Situation vor Ort anzuschauen, die Sie nicht kennen. Wir laden Sie ein, sich anzuschauen, wie verzweifelt die Menschen sind, die wir retten und wie sich die Leere anfühlt, wenn Menschen sterben, weil niemand mehr helfen kann. Kommen Sie mit, Sie sind willkommen. Wir sagen Ihnen offen: Wir erwarten, dass Sie mitkommen. Wir erwarten, dass Sie sich der Realität annehmen. Und wir erwarten Antworten.

Sie sagen, wir sollen zur Rechenschaft gezogen werden, doch wir erwarten, dass auch Sie endlich Rechenschaft ablegen. Wir stehen Rede und Antwort, gerne auch vor Gericht. Aber welcher Straftatbestand soll uns vorgeworfen werden? Ist es Ihrer Meinung nach ein Verbrechen, Menschen aus Lebensgefahr zu retten? Ist es ein Verbrechen, das Völkerrecht zu achten? Sollten wir die Menschen nach Libyen bringen und damit eine Straftat begehen?

Achten Sie die Menschen mehr, die gegen uns hetzen, als diejenigen, die vor Ort Menschenleben in Not helfen? Wir retten Menschen. Wen retten Sie? Beten Sie? Wissen Sie, dass in diesem Jahr noch einmal 50.000 Menschen über das Wasser nach Europa geflohen sind? Wissen Sie, dass es nur 17.000 nach Italien waren? Wissen Sie, dass das eine Person pro 10.000 EuropäerInnen ist? Wissen Sie, wie es klingt, wenn Sie über diese Menschen reden - wenn Sie von Wellen, Fluten und Lawinen sprechen? Wissen Sie, dass Sie dazu beitragen, die Realität zu verdecken? Wir dürfen Menschen nicht nach Libyen bringen, auch wenn Sie uns dafür anklagen wollen.

Sie dürften Menschen nicht nach Libyen bringen. Deswegen unterstützen Sie die libysche Küstenwache, die nicht an das Recht gebunden ist, auf das Sie einen Eid geschworen haben. Wollen Sie, dass andere dieses Recht brechen? Unterstützen Sie das? Aber wir sind an dieses Recht gebunden und wir haben keine Scheu dafür auch gegen Widerstände einzutreten. Wir haben keine Regierungskrise verursacht. Wir haben keine Interessen, außer dass Menschenrechte und Menschenwürde nicht im Fleischwolf des Rechtspopulismus zu Grunde gehen.

Wir wollen Leben retten. Was ist Ihr Interesse? Wen retten Sie? Kommen Sie zu uns und reden Sie mit uns. Beantworten Sie bitte die Fragen. Einzeln und präzise. Kommen Sie her. Sie sind willkommen.

Quelle: Offener Brief, 27. Juni 2018

Blogkino: Night Owls (1929)

Bekanntlich fördern wir gerne alternative Methoden, ohne viel eigenes Zutun zu Reichtum zu kommen die Polizei auf's Glatteis zu führen. Daher zeigen wir heute in unserer Reihe von Filmen des Komikerduos Laurel und Hardy im Blogkino den 1929 entstandenen Kurzfilm "Night Owls". "Der Polizeichef ist wütend über die vielen Einbrüche in letzter Zeit und beschuldigt den Offizier Kelley der Unfähigkeit. Um den Chef davon zu überzeugen, dass er seiner Verantwortung gewachsen ist, engagiert Kelley Stan und Ollie, zwei Landstreicher, als Einbrecher. Sie sollen beim Polizeichef einbrechen, während er danach als „tapferer Polizist“ bei diesem wieder Ansehen hätte. Während dieses Clous passieren eine Menge turbulente Dinge, angefangen vom Überqueren der Gartenmauer. Durch die Unfähigkeit Stans sperren die beiden sich nach erfolgreichem Eindringen in das Haus immer wieder aus und müssen von vorne anfangen. Schlussendlich geraten sie beide ans elektrische Klavier, das darauf folgend laut von selbst spielt. Aufgeweckt vom Lärm stürmen der Polizeichef und dessen Butler Meadows ins Wohnzimmer. Stan und Ollie können rechtzeitig entkommen, während Kelley genau im falschen Moment ins Haus platzt und er den Eindruck erweckt, er stecke hinter dem Einbruch." (WikiPedia)

Wenn Dich die bösen Buben locken



Theodor W. Adorno, Heidelberg 1964

Foto: Jeremy J. Shapiro

Lizenz: CC BY-SA 3.0

Es gibt einen amor intellectualis zum Küchenpersonal, die Versuchung für theoretisch oder künstlerisch Arbeitende, den geistigen Anspruch an sich selbst zu lockern, unter das Niveau zu gehen, in Sache und Ausdruck allen möglichen Gewohnheiten zu folgen, die man als wach Erkennender verworfen hat. Da keine Kategorie, ja selbst die Bildung nicht mehr dem Intellektuellen vorgegeben ist und tausend Anforderungen der Betriebsamkeit die Konzentration gefährden, wird die Anstrengung, etwas zu produzieren, was einigermaßen stichhält, so groß, daß kaum einer ihrer mehr fähig bleibt. Weiter setzt der Druck der Konformität, der auf jedem Produzierenden lastet, dessen Forderung an sich selbst herab. Das Zentrum der geistigen Selbstdisziplin als solcher ist in Zersetzung begriffen. Die Tabus, die den geistigen Rang eines Menschen ausmachen, oftmals sedimentierte Erfahrungen und unartikulierte Erkenntnisse, richten sich stets gegen eigene Regungen, die er verdammen lernte, die aber so stark sind, daß nur eine fraglose und unbefragte Instanz ihnen Einhalt gebieten kann. Was fürs Triebleben gilt, gilt fürs geistige nicht minder: der Maler und Komponist, der diese und jene Farbenzusammenstellung oder Akkordverbindung als kitschig sich untersagt, der Schriftsteller, dem sprachliche Konfigurationen als banal oder pedantisch auf die Nerven gehen, reagiert so heftig gegen sie, weil in ihm selber Schichten sind, die es dorthin lockt. Die Absage ans herrschende Unwesen der Kultur setzt voraus, daß man an diesem selber genug teilhat, um es gleichsam in den eigenen Fingern zucken zu fühlen, daß man aber zugleich aus dieser Teilhabe Kräfte zog, sie zu kündigen. Diese Kräfte, die als solche des individuellen Widerstands in Erscheinung treten, sind darum doch keineswegs selber bloß individueller Art. Das intellektuelle Gewissen, in dem sie sich zusammenfassen, hat ein gesellschaftliches Moment so gut wie das moralische Überich. Es bildet sich an einer Vorstellung von der richtigen Gesellschaft und deren Bürgern. Läßt einmal diese Vorstellung nach - und wer könnte noch blind vertrauend ihr sich überlassen -, so verliert der intellektuelle Drang nach unten seine Hemmung, und aller Unrat, den die barbarische Kultur im Individuum zurückgelassen hat, Halbbildung, sich Gehenlassen, plumpe Vertraulichkeit, Ungeschliffenheit, kommt zum Vorschein. Meist rationalisiert es sich auch noch als Humanität, als den Willen, anderen Menschen sich verständlich zu machen, als welterfahrene Verantwortlichkeit. Aber das Opfer der intellektuellen Selbstdisziplin fällt dem, der es auf sich nimmt, viel zu leicht, als daß man ihm glauben dürfte, daß es eines ist. Drastisch wird die Beobachtung an Intellektuellen, deren materielle Lage sich geändert hat: sobald sie sich nur einigermaßen einreden können, daß sie mit Schreiben und nichts anderem Geld verdienen müßten, lassen sie bis auf die Nuance genau den gleichen Schund in die Welt gehen, den sie als Wohlbestallte einmal aufs heftigste verfemten. Ganz wie Emigranten, die einmal reich waren, in der Fremde oft nach Herzenslust so geizig sind, wie sie es zu Hause schon immer gern gewesen wären, so marschieren die Verarmten im Geiste begeistert in die Hölle, die ihr Himmelreich ist.

Theodor W. Adorno - Minima Moralia

Wortmeldung: Willi Mernyi zum 12 Stundentag

Der 8 Stundentag wurde vor über 100 Jahren erkämpft, jetzt soll die Uhr um 100 Jahre zurückgestellt werden. Wenngleich die Reproduktion der Arbeitskraft auch hier leider unter den Tisch fällt: Sehr hörens- und nachdenkenswerte Wortmeldung von Willi Mernyi zu Kapitel 1 des Leitantrags des ÖGB-Bundesvorstands „Faire Arbeit 4.0“ am ÖGB-Bundeskongress 2018: Was ArbeitnehmerInnen brauchen –“ gute Arbeit –“ gutes Einkommen –“ Demokratie und Mitbestimmung.



nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick

LATEINAMERIKA
Der US-Justizminister Jeff Sessions hat angekündigt, dass häusliche Gewalt zukünftig kein Grund mehr sein solle, um Asyl in den USA zu beantragen. Diese Entscheidung könnte eine weitreichende Verschärfung der US-Einwanderungspolitik bedeuten, die vor allem tausende Frauen betrifft, die aus Zentralamerika vor geschlechtsspezifischer Gewalt flüchten müssen.

ARGENTINIEN
Das argentinische Parlament hat ein Gesetz zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen beschlossen. Dem gingen viele Jahrzehnte feministischen Kampfes voraus.

BRASILIEN
Luiz Inácio Lula da Silva, der Arbeiterführer, der Mann, der als Präsident Gesetze und soziale Programme durchsetzte, durch die an die 30 Millionen Brasilianer der Armut entrissen wurden und der bei allen Meinungsumfragen für die Präsidentschaftswahlen 2018 mit großem Vorsprung vorne liegt, beantwortete die Fragen eines Granma Interviews, die ihm ein brasilianischer Freund zukommen ließ.

CHILE
Nachdem nun die ersten Untersuchungsergebnisse in den Missbrauchsfällen in Chile feststehen, hat der Papst die ersten drei Rücktritte angenommen. Nach einem weitläufigen Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche boten Mitte Mai alle 34 chilenischen Bischöfe dem Papst ihren Rücktritt an. Gesandte des Papstes bitten die Missbrauchsopfer um Vergebung.

In Chile haben Studentinnen die größte feministische Bewegung der letzten Jahre ausgelöst. Seit Monaten halten sie Universitäten besetzt

KOLUMBIEN
Der Kandidat der ultrarechten Partei »Demokratisches Zentrum«, Iván Duque Márquez, ist neuer Präsident Kolumbiens. Er setzte sich am vergangenen Sonntag in einer historischen Stichwahl gegen den Kandidaten der linken Wahlbewegung »Menschliches Kolumbien«, Gustavo Petro Urrego, durch. Während Duque 54 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, entfiel auf Petro ein Stimmanteil von 41,8 Prozent.

Die gute Nachricht zuerst: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat es bei einer Präsidentschaftswahl in Kolumbien ein linker Kandidat in die zweite Runde geschafft und dort mehr als acht Millionen Stimmen erhalten. Die 41,8 Prozent, die am Sonntag auf Gustavo Petro entfielen, sind eine Demonstration der Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem wirtschaftlichen und Gesellschaftssystem des südamerikanischen Landes, denn der Kandidat des »Menschlichen Kolumbiens« hatte sich zu ihrer Stimme gemacht.

KUBA
Dokumentarfilm: Esther Bejarano ist 93 Jahre alt. Im Januar 2017 unternahm sie mit der HipHop-Band Microphone Mafia eine Konzerttournee durch Kuba.

Mit dem neuen Präsidenten Miguel Díaz-Canel an der Spitze des Staats- und des Ministerrats verstärken die CIA und die aktuelle US-Regierung ihre antikubanischen Aktionen und greifen dabei auf jeden Hanswurst zurück, der ihnen unterwegs begegnet und sich dafür hergibt ihre Befehle auszuführen.

MEXIKO
Hoffen auf den Linksruck: In Mexiko geht López Obrador als großer Favorit in die Präsidentschaftswahl am 1. Juli. Doch er ist nach rechts gerückt

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 22. Juni 2018

Remember Andrew Goodman, James Chaney and Mickey Schwerner, murdered in Mississippi, USA by racists of the KKK

Heute vor 54 Jahren, am 21. Juni 1964, ereigneten sich die Morde an drei Bürgerrechts Aktivisten in Neshoba County, Mississippi, als Mitglieder des Ku-Klux-Klans unter Mithilfe konspirierender Polizeibeamter drei Mitglieder einer US-Bürgerrechtsbewegung in einen Hinterhalt lockten und ermordeten.

Sie töteten den Afroamerikaner James Earl Chaney (21) sowie Andrew Goodman (20) und Michael Schwerner (24), beide New Yorker jüdischen Glaubens.

Die Ermordeten verfolgten das Ziel, schwarze Amerikaner, die unter den rassistischen Jim-Crow-Gesetzen in den Südstaaten litten, über ihre Wahl- und Bürgerrechte aufzuklären.

(...) Im Strafprozess U.S. v. Cecil Price et al. wurde der Fall untersucht. Die Behörden des Staates Mississippi hatten sich geweigert, Anklage wegen Mordes zu erheben. Daher wurde die Klage vor einem Bundesgericht erhoben. John Doar vertrat die Anklage. Insgesamt waren 18 Männer angeklagt.

Am 20. Oktober 1967 wurden Cecil Price, Samuel Bowers, Alton Wayne Roberts, Jimmy Snowden, Billey Wayne Posey, Horace Barnett und Jimmy Arledge verurteilt. Die Strafen gingen dabei von drei bis zehn Jahren. Nachdem die Rechtsmittel gescheitert waren, traten sie 1970 ihre Haftstrafe an. Keiner blieb länger als sechs Jahre in Haft. E. G. Barnett (ein Kandidat für den Posten des Sheriffs) und der christliche Prediger Edgar Ray Killen wurden durch Zeugenaussagen schwer belastet; die rein weiße Jury entschied aber auf nicht schuldig. Erst 2005 wurde Killen erneut angeklagt und zu dreimal 20 Jahren Haft verurteilt. Aus gesundheitlichen Gründen wurde er wenig später gegen Zahlung einer Kaution von 600.000 US-Dollar aus der Haft entlassen, kurz darauf aber erneut inhaftiert, weil er das Gericht mit Angaben über seinen Gesundheitszustand irregeführt habe. 2007 wurde die Strafe durch das Höchstgericht des Staates Mississippi bestätigt.

(...)

Im Jahr 1988 wurde der Fall im Spielfilm Missisipi Burning verarbeitet.



Quelle: WikiPedia
cronjob