Skip to content

Ein literarisches Mahnmal: Zur Novelle »Dunkelnacht« von Kirsten Boie

Das Bild zeigt das Buchcover»Wollten ihre Männer nicht gehen lassen, die Weiber!« sagt der Dritte. Die Fleissner Agathe auch nicht! Sie ist schwanger, hat sie gesagt, wir dürfen ihn ihr nicht nehmen! Die Männer lachen.

»Ja mei, da mussten s’ halt mitkommen, die Weiber«, sagt der Führer der Jagdgruppe. »Das nenn ich Liebe!« ruft irgendwer und hebt sein Glas. »Jetzt hängen s’ gemeinsam.«

Faschismus bedeutet unerbittliche und maßlose Gewalt. Diese Gewalt in einem Jugendbuch zu zeigen hat sich Kirsten Boie, die bekannteste und erfolgreichste Kinderbuchautorin im deutschsprachigen Raum (u. a. »Die Kinder vom Möwenweg«, »Ritter Trenk«, »Sommerby«), zur Aufgabe gemacht.

Kirsten Boie hat mit »Dunkelnacht« ein erschütterndes Buch zur Penzberger Mordnacht am 28. April 1945 geschrieben. Drei fiktive Jugendliche führen die Lesenden als Zeug:innen des Geschehens durch die Ereignisse. Marie, Schorsch und Gustl sind über ihre Eltern mit den Akteur:innen verbunden. Mit Ausnahme der drei Jugendlichen ist das gesamte Geschehen verbürgt, so hat es sich im oberbayerischen Penzberg 48 Stunden vor der Befreiung durch die US-Armee abgespielt.

Drei Rundfunksender besetzt
In der Nacht vom 27. auf den 28. April besetzte die antifaschistische »Freiheitsaktion Bayern« drei Rundfunksender und forderte über Radio die Bevölkerung auf, die durch den »Nero-Befehl« angeordnete Zerstörung von Fabriken und Infrastruktur zu verhindern, den Faschist:innen die Macht zu entreißen und den Krieg zu beenden.

In Penzberg setzt nun Hans Rummer, SPD-Bürgermeister bis 1933, mit vertrauten Männern aus der Arbeiter:innenbewegung gewaltlos den Nazibürgermeister ab. Die unmittelbaren Maßnahmen der freien Administration sind der Schutz des Bergwerkes und die sichere Ausfahrt der Frühschicht, die Befreiung und der Schutz der sowjetischen und französischen Zwangsarbeiter und die Einberufung einer demokratischen Versammlung für alle.

Der in die »Alpenfestung« fliehende Truppenteil der Wehrmacht lässt Rummer zunächst gewähren, setzt die Demokraten im Laufe des Tages dann aber doch fest und erwirkt beim Münchner Gauleiter den Hinrichtungsbefehl. Sieben Antifaschisten, darunter Hans Rummer, werden am frühen Abend des 28. April von der Wehrmacht erschossen, gleichzeitig wird die Werwolf-Gruppe des prominenten Naziliteraten Hans Zöberlein nach Penzberg beordert. In der Nacht wüten circa einhundert Faschisten in Zivilkleidung, vermummt und betrunken, aber systematisch in Penzberg. Nach Zurufen Ortskundiger werden Listen von Antifaschist:innen erstellt, und das Suchen und Zerstören beginnt. Mit Schildern um den Hals werden neun Menschen in der Ortsmitte an Balkonen und Bäumen erhängt, darunter zwei Frauen, eine war schwanger.

US-Armee befreit Penzberg
Angeleitet von der Werwolf-Gruppe funktioniert ein letztes Mal die Zusammenarbeit von NSDAP, SS, Volkssturm, Polizei, Stadtwache unter dem Schutz der Wehrmacht. Am 30. April zieht die US-Armee in Penzberg ein.

Im Handeln der Täter in diesen Stunden gab es immer wieder die Möglichkeit, sich anders zu entscheiden, immer die Freiheiten, die Morde zu verhindern. Die Verantwortlichen des Naziregimes haben diese Möglichkeiten nicht genutzt, sie haben entweder die Eskalation vorangetrieben, haben zögernd mitgemacht oder sind passiv geblieben. Nach der Befreiung gehen die Prozesse den in der BRD üblichen Weg von Revision und Freispruch oder Haftverschonung. Mit Schutzbehauptungen und Lügen vertauschen die Angeklagten Opfer und Täter, stellen sich als reine Befehlsempfänger dar.

Überall, in jedem Stadtviertel, in den kleinsten Orten gab es unzählige faschistische Verbrechen, zunächst nur in Deutschland, später im ganzen besetzten Europa. Stellvertretend beschreibt Kirsten Boie die Verbrechen in Penzberg. Sie hilft dem Gedenken, der Trauer und vor allem der Mahnung mit ihrer Stimme. »Sechzehn Ermordete und kein einziger Mörder. Das soll man verstehen«, schreibt Boie im Nachwort. Ihr kommt das große Verdienst zu, die schrecklichen Ereignisse für junge Menschen in »Dunkelnacht« in die Gegenwart zu holen. Helfen wir mit, dass »Dunkelnacht« in den Kanon der Schulbuchlektüre aufgenommen wird.

ISBN: 978-3-7512-0053-0
Erscheinungstermin: 06.02.2021
Umfang: 128 Seiten
Verlag: Oetinger


Erstveröffentlichung 9. Januar 2022

Couplet der Schwarz-Drucker

Karl Kraus
Im Anfang war die Presse
und dann erschien die Welt.
Im eigenen Interesse
hat sie sich uns gesellt.
Nach unserer Vorbereitung
sieht Gott, daß es gelingt,
und so die Welt zur Zeitung
er bringt.

Die Welt war es zufrieden,
die auf die Presse kam,
weil schließlich doch hienieden
Notiz man von ihr nahm.
Auch was sich nicht ereignet,
zu unserer Kenntnis dringt;
wenns nur fürs Blatt geeignet —
man bringt.

Wenn auch das Blatt die Laus hat,
die Leser gehn nicht aus;
denn was man schwarz auf weiß hat,
trägt man getrost nachhaus.
Was wir der Welt auch rauben,
sie bringt uns unbedingt
dafür doch ihren Glauben;
sie bringt.

Sie lesen, was erschienen,
sie denken, was man meint.
Noch mehr läßt sich verdienen,
wenn etwas nicht erscheint.
Wir schweigen oder schreiben,
ob jener auch zerspringt —
wenn uns nur unser Treiben
was bringt.

Die Welt, soweit sie lebend,
singt unsere Melodie.
Wir bleiben tonangebend
von aller Gottesfrüh.
Nach unsern notigen Noten
die Menschheit tanzt und hinkt,
weil Dank sie für die Toten
uns bringt!

Die Zeit lernt von uns Mores,
der Geist ist uns zur Hand,
denn als Kulturfaktores
sind wir der Welt bekannt.
Kommt her, Gelehrte, Denker,
komm, was da sagt und singt,
daß hoch hinauf der Henker
euch bringt!

Wir bringen, dringen, schlingen
uns in das Leben ein.
Wo wir den Wert bezwingen,
erschaffen wir den Schein.
Schwarz ist’s wie in der Hölle,
die auch von Schwefel stinkt,
wohin an Teufels Stelle
man bringt!

Karl Kraus
, in "Literatur oder Man wird doch da sehn"

Vernissage am 15.02. mit Werken von Renate Barth-Engelhorn

Das Bild zeigt eines der Werke von Renate Barth-Engelhorn
Eines der Werke von Renate Barth-Engelhorn
Am Donnerstag, den 15.02. um 19.00 Uhr zeigen wir Werke von Renate Barth-Engelhorn.

Ihre Themen sind das Netzwerk, Verbindungen, aber auch aktuelle Themen wie Zerstörung und Flucht. Dabei handelt es sich meist um spontane Ausarbeitungen, welche immer eine hohe Qualität der eigenen Reflexion und der Suche nach einer bewussten Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit sichtbar machen.

Ein sehr wichtiges künstlerisches Mittel ist für Renate Barth-Engelhorn das Künstlerbuch. Damit passt sie wunderbar zu uns.

Buchladen Die Zeitgenossen
Strohstraße 28
73728 Esslingen

Blogkino: Les Diaboliques (1955)

Heute zeigen wir im Blogkino den Thriller Les Diaboliques (Die Teuflischen) von aus dem Jahr 1955. Als Vorlage diente der Roman Die Teuflischen (Celle qui n'était plus, 1952) von Pierre Boileau und Thomas Narcejac: Der Direktor eines tristen Jungeninternats in der französischen Provinz ist ein sadistischer Tyrann, unter dem neben dem Kollegium und den Schülern vor allem seine herzkranke Frau Christine leidet. Auch seine Geliebte, eine attraktive Lehrerin, ist vor seinen Schikanen nicht gefeit. In einem Anflug von Solidarität planen beide Frauen den perfekten Mord. Doch bald darauf geschehen mysteriöse Dinge in dem Internat, die Christine in den Wahnsinn treiben...


Sternbrücke: Aufruf an Bahn, Senat der FHH und den Bezirk Altona

Flyer der Initiative Sternbrücke
Flyer der Initiative Sternbrücke
„Wir wollen eine ‚atemberaubend schöne‘ Sternbrücke, auf die Hamburg auch in 100 Jahren noch stolz sein kann, nicht eine Monsterbrücke, für die sich alle schämen. Darum unterstützen wir die Forderung nach Baustopp, die Klage und das Ziel einer Neuplanung mit Beteiligung auf Augenhöhe.“

Hamburgs Bürger:innen haben ein Recht darauf, die umstrittene Planung der neuen Sternbrücke vor Gericht prüfen zu lassen und auf eine Neuplanung hinzuwirken. Dafür haben über 600 Menschen bereits über 40.000 EUR gespendet, fast 20.000 Menschen haben die entsprechende Petition unterstützt. Die Klage ist allerdings erst möglich, wenn der Planfeststellungsbeschluss vorliegt.

Der überdimensionierte Neubau an der Sternbrücke ist so schlecht geplant wie am ersten Tag. Obgleich bessere Alternativen bekannt sind, bestehen Bahn und Senat darauf, die ursprüngliche Planung praktisch unverändert durchzuziehen. Ein sofortiger Baubeginn nach Planfeststellung schafft vollendete Tatsachen, obgleich gute Chancen bestehen, dass die Monsterbrücke vor Gericht gestoppt wird. Es besteht kein Grund zur Hektik: Die Bahn selbst geht davon aus, dass die bestehende Sternbrücke auch ohne Sanierung noch mindestens 10 Jahre sicher zu betreiben ist.

Wir fordern daher Bahn, Senat der FHH und den Bezirk Altona auf,

  • dafür zu sorgen, dass an der Sternbrücke nicht gebaut wird, bevor nicht die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses abschließend festgestellt ist

  • zumindest dafür zu sorgen, dass während der vorgesehenen Klagefrist, also mindestens vier Wochen nach Vorlage des Planfeststellungsbeschlusses, keine Gebäude abgerissen und keine Bäume gefällt werden

  • eine Neuplanung vorzubereiten und dabei

  • Bürger:innen auf Augenhöhe zu beteiligen

  • über einen Wettbewerb je zwei Lösungen für Sanierung und Neubau zu entwickeln, die dem besonderen Ort Sternbrücke angemessen sind.


Unterzeichner:innen:

Initiative Sternbrücke, Prellbock e.V. (angefragt), Sternbrücke, aber richtig! e.V., weitere Unterzeichner:innen angefragt - bitte per Mail melden an: info@initiativesternbruecke.org (Einzelpersonen, Gruppen, Vereine, Verbände, Unternehmen)

Hintergrund

Der geplante Neubau der Sternbrücke ist in der Hamburger Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit hoch umstritten, vor allem, weil er massiv in die Stadtteile Altona Altstadt und Schanze eingreift und eine verheerende Klimabilanz hat.

Insgesamt 90 Bäume sollen gefällt, 7 Gebäude abgerissen, und die denkmalgeschützte Sternbrücke soll durch einen 4x so hohen, völlig überdimensionierten, massiven Stahlbau ersetzt werden.

Die zerstörerischen Ausmaße der neuen Brücke gehen vor allem auf die Anforderungen der Verkehrsbehörde zurück, die seit 2016 von der Bahn eine stützenfreie Aufweitung der Stresemannstraße für den Autoverkehr verlangt. Damit würde die Stresemannstraße nur direkt unter der Brücke stark verbreitert, direkt vor und hinter der Brücke bliebe sie so beengt wie heute. Dementsprechend liegt auch 8 Jahre später keine Verkehrsplanung vor, die die Aufweitung begründen könnte. Die geringen Vorteile stehen in keinem Verhältnis zur massiven Zerstörung durch den Neubau.

Dabei sind angemessene Alternativen für Verkehrsführung und Brückensanierung oder Neubau ohne weiteres möglich und der Öffentlichkeit bekannt. Eine echte Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planung hat aber ebenso wenig stattgefunden wie ein städtebaulicher Wettbewerb.

Zitat Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur, Potsdam, am 17.12.2020 in der Expert:innenanhörung der Bürgerschaft zur Sternbrücke:

(…) „wenn es uns gelingt, eine atemberaubend schöne Brücke zu machen unter den Rahmenbedingungen, dann klären sich die anderen Fragen von selbst. Und da müssten wir nicht immer abschichten, geht nicht, dürfen wir nicht, können wir nicht, wollen wir nicht, sondern wir gehen auf ein gutes Ziel zu.“

Quelle: Initiative Sternbrücke

Pam Africa: Aktuelles zum Gesundheitszustand von Mumia Abu Jamal

Das Foto zeigt Mumia Abu-Jamal zusammen mit Noelle Hanrahan
Das Foto zeigt Mumia Abu-Jamal zusammen mit Noelle Hanrahan
Seit September verschlechtert sich der Gesundheitszustand des politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal zusehends. Er hat an Gewicht verloren, ist blutarm, hat hohen Blutdruck und einen extremen Ausbruch seiner Schuppenflechte, und seine Haare sind ausgefallen. Im April 2021 unterzog sich Mumia einer Operation am offenen Herzen. Seitdem wird ihm eine kardiologische Rehabilitationsmaßnahme, einschließlich gesunder Ernährung und körperlicher Betätigung, verweigert. Dazu das Transkript eines Radiobeitrags bei Prison Radio, in dem Pam Africa dazu berichtet.

Noelle Hanrahan: Mein Name ist Noelle Hanrahan. Ich bin Anwältin, Ermittlerin und arbeite für Prison Radio, und ich bin hier mit Pam Africa für die International Concerned Family and Friends of Mumia Abu Jamal. Pam, was gibt es Neues?

Pam Africa: Richtig, letzte Woche hatte ich einen Anruf von Wadiya Jamals ältestem Sohn, der gerade von einem Besuch bei Mumia zurückkam, und er war sehr aufgebracht.

Er sagte sogar, er sei weinend den Flur hinuntergegangen. Als er zu seinem Auto kam, sagte er, er sei so durcheinander gewesen, als er sein Auto anließ, dass er anhalten musste, weil er unkontrolliert geweint hatte. Weißt du, weil Mumia einfach so schlimm aussieht. Und, seine Haare waren ausgefallen, aber das Wichtigste war nicht die Tatsache, dass Mumia die Haare ausgingen, und, es war der Ausschlag, er hatte diesen schwarzen Ausschlag, der in seinem Gesicht begann, und er hatte gesehen, dass Mumia sich so sehr gekratzt hatte, dass seine Augenbrauen, die Hälfte davon, weg waren.

Mumia juckt es rund um die Uhr und er hatte einen schrecklichen Ausschlag. Er ist da, und das war sehr beunruhigend für mich. Also kontaktierte ich einige der Leute, die mit mir zusammenarbeiten, und traf Vorkehrungen, um an unserem letzten Montag zum Gefängnis zu fahren. Ich meine, dieser Montag ist gerade vergangen und ich war schockiert, als ich ihn sah.

Ich war schockiert, als ich ihn sah. Ja. Wissen Sie, er war dünn, er hatte viel abgenommen, und als er von dem Ausschlag erzählte, musste ich daran denken, wie wir gegen diese Regierung gekämpft haben, wissen Sie. Und alles, um sie davon abzuhalten, Mumia durch medizinische Vernachlässigung zu ermorden. Als ich da saß und Mumia beobachtete, dachte ich daran, dass man, wenn man Mumia in seinem Podcast mit Marc Lamont Hill hört, keine Ahnung hat, dass man das Gesicht, das Gesicht von Mumia, den Körper von Mumia nicht mit dem in Verbindung bringen kann, was man im Radio hört, weil man denkt, dass es ihm gut geht.

Diese Regierung tötet Mumia langsam, absichtlich, durch medizinische Vernachlässigung. Ich spreche von seiner Diät, über die Noel noch mehr sagen wird. Und von der Tatsache, dass er keinen richtigen Hof bekommt, er hat ein schlechtes Herz, und sie geben ihm nicht die richtige Ernährung, die richtigen Dinge, die er zum Überleben braucht.

Und vor allem möchte ich, dass die Menschen verstehen, dass so etwas niemandem passieren sollte, aber Mumia ist zu 100% unschuldig. Und Sie werden im Laufe der Jahre all die illegalen Dinge sehen, die sie getan haben, um ihn im Gefängnis zu halten und so weiter. Aber zu diesem Zeitpunkt weiß ich, was ich sehe, und Wadias Sohn Issa wusste, was er sah.

Wissen Sie, sie foltern, wenn es einen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche juckt. Und während wir hier sprechen, wird William gerade gefoltert. Es gibt keinen Teil seines Körpers, der nicht juckt und an dem er sich nicht gräbt und kratzt, wissen Sie, ähm. Wir brauchen Hilfe. Wir brauchen Hilfe, um ihm eine Diät zu besorgen, wissen Sie, die, wissen Sie, während wir arbeiten und wir müssen die Arbeit aufnehmen, wir müssen wirklich die Arbeit aufnehmen, weil, wenn Sie die Beweise für die Unschuld haben, müssen wir den Druck auf diese Regierung ausüben, diesen erwiesenermaßen unschuldigen Mann freizulassen.

Richter Griffin. Sie wissen schon, aus Arkansas, sagte, dass diese Leute einen Blutrausch haben, und das ist es, was sie haben, einen Blutrausch. Sie haben Rachegelüste, wissen Sie. Mumia ist, wissen Sie, ein Black Panther, und, wissen Sie, er hat die MOVE-Organisation unterstützt, wissen Sie, seit Jahren. Mumia ist eine Ikone in der Weltgemeinschaft für die Arbeit, die er für die Menschheit, für die Menschlichkeit getan hat.

Und diese Leute wollen ihn umbringen. Und das tun sie auch. Sie tun es langsam. Wisst ihr, Mumia hatte eine Operation, bei der, der beschriebene Wärter, der, wisst ihr, mit Mumia zu dieser Operation an seinem Herzen ging, wisst ihr. Er sieht Mumias Herz auf dem Tisch schlagen. Mumia, wissen Sie, auf einer Trage oder, wissen Sie, auf dem medizinischen Tisch und so, wissen Sie. Ihm wurde fast schlecht, als er in dem Raum war, um das zu sehen.

Es gibt Bilder von Mumia aus dem Jahr 2023, die auf der Welt-Website und anderen Websites zu sehen sein werden, um den Menschen den Verfall von Mumias Gesundheit zu zeigen, also bitten wir die Menschen, sich zu erheben, aufzustehen und das Richtige zu tun und zu ihrem Kongressabgeordneten zu gehen, das Gefängnis anzurufen und alles zu tun, was notwendig ist.

Dies ist nur der Anfang dieses besonderen Kampfes. Wir werden mehr Details darüber haben, was jeder tun kann. Ich werde Noel jetzt reden lassen und die Zeit mit ihm teilen, aber bitte, bitte, ich sage Ihnen, was ich sehe, und er, er sollte nie den Punkt erreichen, den er letztes Jahr erreicht hat. Ich meine, vor ein paar Jahren, weißt du, sein Körper kann nicht mehr viel aushalten und ich muss das sagen, bevor ich Noel anschnauze.

An dem Tag, an dem Mumia aus dem Todestrakt entlassen wurde, und an dem Tag, an dem Mumia von Richter Parker eine Berufung bewilligt wurde, sagte er sehr deutlich über die Arbeit, die sie tun würden, sobald er in die allgemeine Bevölkerung überführt würde, wisst ihr, er sagte, er würde seine gerechte Strafe bekommen, und wisst ihr, dass er in der Hölle schmoren würde.

Wissen Sie, wir reden immer noch über einen unschuldigen Menschen. Das war der Zeitpunkt, als Mumia anfing, krank zu werden. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits seit über 30 Jahren im Gefängnis. Und ja, er hatte Erkältungen und solche Dinge. Aber als er in den normalen Vollzug kam, als er herausfand, dass er in den normalen Vollzug kommen würde, da begann seine Krankheit, wissen Sie.

Und dann, als er, als Richter Tucker ihm das Recht auf Berufung gab, da hat er, und wir werden später mehr ins Detail gehen, wissen Sie, aber sie sind entschlossen, Mumia zu töten. Wir müssen das stoppen, was vor sich geht. Wir konnten nichts gegen Malcolm unternehmen, weil wir den Plan nicht kannten. Wir kannten den Plan nicht.

Wir konnten nichts gegen Shea Combear unternehmen, weil es dasselbe ist. Was Martin Luther King betrifft, so wissen wir, was wir wissen, und wir sind Zeugen dessen, was hier geschieht. Es ist an der Zeit, dass wir uns erheben und ihnen sagen: "Zur Hölle, nein!".

Noelle Hanrahan: Okay, hier ist Noelle Hanrahan. Heute ist der 9. Februar. Wir möchten, dass Sie auf dem Laufenden bleiben, um Updates und Aktionswarnungen zu erhalten. Noelle Hanrahan, Prison Radio, im Gespräch mit Pam Africa von der International Concerned Family and Friends of Mumia Abu Jamal. Schauen Sie auf Instagram, schauen Sie auf Facebook, recherchieren Sie und engagieren Sie sich.

Quelle: Prisonradio
Übersetzung: Thomas Trueten


Der politische Gefangene Mumia Abu-Jamal ist 69 Jahre alt. Mehr als 42 Jahre seines Lebens hat er inzwischen im Gefängnis verbracht, über 30 Jahre davon in der Todeszelle.

Am 09. Dezember 1981 wurde Mumia Abu Jamal in Philadelphia, USA verhaftet, nachdem bei einem Schusswechsel ein Polizist getötet und er selbst schwer verletzt wurde. Er wurde verurteilt für einen Polizistenmord, der ihm untergeschoben wurde, wie ein bereits vor Jahren bekannt gewordenes Geständnis des mutmaßlichen Täters deutlich machte. Der afroamerikanische Aktivist kämpft seit seiner frühesten Jugend - damals als Pressesprecher der Black Panther Party - und bis heute als freier Journalist - gegen Rassismus, Polizeigewalt, Klassenherrschaft und Krieg. Dabei ist Mumia „nur“ einer von zahlreichen Gefangenen, die vom rassistischem Apparat der USA in die Knäste gesteckt wurden. Unter anderem zahlreiche AktivistInnen der Black Panther Party oder des American Indian Movement sitzen bereits mehrere Jahrzehnte hinter Gittern ohne dass ihnen jemals etwas nachgewiesen werden konnte.

Seine staatliche Hinrichtung konnte zwar 2011 endgültig verhindert werden, Mumia Abu-Jamal schwebt dennoch in Gefahr. So erkrankte er schwer an Covid 19 und überstand eine Herzoperation.

Mumia Abu-Jamal betonte seinerseits stets, dass es ihm nicht um sich, sondern um die zahlreichen anderen InsassInnen in den Todestrakten und Knästen geht. Eine breite und weltweit aktive Solidariätsbewegung fordert seit seiner Festnahme seine Freiheit:
"Die Forderung nach Freiheit für Mumia Abu-Jamal beinhaltet auch die Analyse der Gründe für seine Verurteilung, die alle in der US Gesellschaftsordnung begründet liegen:

  • institutioneller Rassismus in Verfassung, Justiz und Polizei

  • Klassenjustiz durch „Nichtverteidigung“ (oft auch Pflichtverteidigung genannt) armer Angeklagter, hauptsächlich People Of Color

  • Kriminalisierung von People Of Color (stop and search policies)

  • Anpassung der US Verfassung durch „Plea Bargains“ und „Three Strikes“ Regeln

  • Fortführung der Sklaverei unter anderem Namen (der Gefängnisindustrielle Komplex inhaftiert überwiegend People Of Color und das ist systematisch)

  • die Todesstrafe

  • politische Repression und (ehemals geheimdienstliche - COINTELPRO - inzwischen aber offizielle) Aufstandsbekämpfung"


Mehr Information:

www.freiheit-fuer-mumia.de
Free Mumia Berlin
Um in den USA die Bewegung zu seiner Freilassung bei den politischen und juristischen Auseinandersetzungen zu unterstützen, werden dringend Spenden gebraucht:

Rote Hilfe e.V.
Sparkasse Göttingen
IBAN:
DE25 2605 0001 0056 0362 39
BIC: NOLADE21GOE
Stichwort: "Mumia"

Darüber hinaus freut Mumia sich über Briefe:

Smart Communications / PADOC
Mumia Abu-Jamal, #AM 8335
SCI Mahanoy
P. O. Box 33028
St Petersburg, FL 33733
USA

Sternbrücke: Kleine Atempause; ruppige Bahn-Bagger zerren ungeduldig an der Kette

Foto einer Postkarte der Deutschen Bahn, die an die Haushalte rund um die Sternbrücke ging
Erschreckende Postkarten von der Deutschen Bahn flattern aus den Briefkästen der Haushalte rund um die Sternbrücke. Es gibt noch keinen Planfeststellungsbeschluss (Baugenehmigung) für den Neubau der Sternbrücke. Und dennoch plant die Bahn bereits Abrisse von teils denkmalgeschützten Gebäuden (z. B. Waagenbau) und sie will etwa 40 Bäume im Bereich Eifflerstraße fällen.
„Wir sind ernsthaft besorgt. Die letzten Tage haben gezeigt, wie rücksichtslos die Bahn an der Sternbrücke vorgeht: gerne an der Grenze des Rechtsstaates, und möglichst schnell unwiderrufliche Fakten schaffen“, erklärt Marlies Thätner, Sprecherin der Initiative Sternbrücke. „Dass ein öffentliches Unternehmen hier anscheinend vorsätzlich das eigene Planfeststellungsverfahren unterläuft, ist ein starkes Stück. Wir sind froh, dass die Bahn einen Rückzieher machen musste.“

Während die Vorbereitungen auf Hochtouren und gut sichtbar weiterlaufen, hat die Bahn nun erklärt, sofort nach Planfeststellung mit dem Fällen der 40 Bäume und Abriss der 5 Gebäude beginnen zu wollen. Aus Sicht der Initiative ohne jede zeitliche Not - die Sternbrücke hält nach Angaben der Bahn noch mindestens 10 Jahre. Vor allem aber ist der sofortige Baubeginn rechtlich hoch problematisch. Abriss und Baumfällungen betreffen den Kern der mangelhaften Planung, und gerade die soll ja vor Gericht geprüft werden.

„Wir wollen nicht zulassen, dass die Bahn das Viertel zerstört, bevor wir überhaupt eine Chance gehabt haben, die aktuelle Planung zu lesen, zu verstehen, und dann Klage einzureichen“, so Thätner. „Die Menschen in Hamburg haben ein Recht darauf, diese schlechte Planung vor Gericht prüfen zu lassen, bevor Fakten geschaffen werden. Darum: Wir sind wachsam, wir sind bereit, und wir mobilisieren für den „Tag B“ - B wie Brückentag.“

Mehr Informationen. Die Sternbrücke bei WikiPedia
Quelle: Pressemitteilung

Olga Taruta

Das einzige bekannte Foto von Olga Taratuta
Das einzige bekannte Foto von Olga Taratuta
Olga Iljitschnina Taratuta (Ukr: Ольга Іллівна Таратута; 21. Januar 1876 [oder möglicherweise 1874 oder 1878] - 8. Februar 1938) war eine ukrainische Anarchokommunistin. Sie war die Gründerin des Ukrainischen Anarchistischen Schwarzen Kreuzes.

Wer kennt das Schicksal von Olga Taruta in der russischen Geschichte? Am 8. Februar 1938 wurde Olga Taratuta von einem Sondergericht wegen anarchistischer und antisowjetischer Aktivitäten zum Tode verurteilt. Sie wurde noch am selben Tag von der Tscheka hingerichtet. Sie war einige Monate zuvor, am 27. November 1937, in Moskau festgenommen worden. Die stalinistische Justiz geht im Schnellverfahren vor. Wie die Prawda zur gleichen Zeit klar ankündigte: "Die Säuberung der katalanischen Trotzkisten und Anarchisten wird mit der gleichen Energie durchgeführt, mit der sie in der UdSSR durchgeführt wurde". In Wirklichkeit sind die Ziele in der UdSSR bereits erreicht: Es sind die letzten Prozesse gegen militante Anarchisten. Die Zerstörung der Bewegung ist abgeschlossen; die schwarze "Gefahr" ist beseitigt. In Spanien wird die kommunistische politische Polizei aktiv... Die spanischen Republikaner, die den Fehler begehen, im "Vaterland des Proletariats" Zuflucht zu suchen, treffen 1939 in Gefangenenlagern auf die letzten russischen Anarchisten, die nicht erschossen wurden.

Warum wurde Olga Taratuta ausgewählt, eine verkannte Figur des sowjetischen Widerstands, wenn Tausende von Libertären das gleiche Schicksal erlitten wie sie? Die Gründe für eine Auswahl sind schwer zu erklären. Wahrscheinlich wegen der Tragik ihres Schicksals und der Stärke ihres Engagements; wahrscheinlich auch, weil sie eine der Gründerinnen des "Schwarzen Kreuzes der Anarchisten" war, einer Hilfsorganisation für politische Gefangene. Ich werde Ihnen demnächst von anderen tragischen Schicksalen berichten, wie dem von Zenzi Mühsam, der Frau des deutschen Anarchisten Erich Mühsam. Der eine starb in Orianenburg, einem Konzentrationslager der Nazis; die andere verbrachte einen Großteil ihres Lebens im Gulag, nachdem sie in der UdSSR Zuflucht gesucht hatte. Sie starb dort zwar nicht, aber ihr Schicksal war nicht gerade beneidenswert. Viele Anarchisten, z. B. in Bulgarien, waren in faschistischen, stalinistischen und, um das Maß voll zu machen, royalistischen oder republikanischen Kerkern. Kehren wir vorerst zur Biografie von Olga Taratuta zurück.

Olga Taratuta, eigentlich Elka Ruvinskaja, wurde am 21. Juli 1876 im Dorf Novodmitrovka, nicht weit von Cherson, in der Ukraine geboren (es gibt Zweifel an der Jahreszahl, die von Quelle zu Quelle variiert). Ihre Familie war jüdischer Abstammung und ihr Vater betrieb einen kleinen Laden. Nach Abschluss ihres Studiums wurde sie Lehrerin. Ihre Schwierigkeiten mit den zaristischen Behörden begannen schon früh. Sie wurde 1895 zum ersten Mal verhaftet; die Geheimpolizei des Kaisers schätzte ihre politischen Ansichten, die sie im Rahmen ihrer Arbeit äußerte, nicht. Zwei Jahre später schloss sie sich einer sozialdemokratischen Agitationsgruppe in Elisawetgrad an, die von den Brüdern Grossman gegründet worden war. Um die Jahrhundertwende wurde sie Mitglied des Vorstands der Sozialdemokratischen Partei in Jelisawetgrad und trat dem Südrussischen Arbeiterverband bei. 1901 muss sie ins Ausland fliehen und findet Zuflucht in der Schweiz. Sie lernte Lenin kennen und arbeitete regelmäßig an der Zeitung Iskra mit. Das helvetische Klima beeinflusst ihre Ideen (wie die ihres Landsmannes Kropotkin) und sie wird Anarchistin-Kommunistin. Das allzu ruhige Leben in der Emigration passte jedoch kaum zu ihrem dynamischen Charakter. 1904 kehrte sie nach Russland, Odessa, zurück und schloss sich einer Gruppe von Aktivisten mit dem Namen "Kompromisslos" an. Im April 1904 wurde sie erneut von der Polizei wegen revolutionärer Propaganda verhaftet, aber im Herbst wieder freigelassen, da es in ihrer Akte keine wirklich überzeugenden Beweise für eine Anklage gab. Sofort nahm sie ihre militante Tätigkeit in der anarchistisch-kommunistischen Gruppe in Odessa wieder auf. Sie wurde zu einer der Berühmtheiten der Bewegung in Russland. Sie ist unter dem Pseudonym "Babuschka" (Großmutter) bekannt, was ziemlich lustig ist, wenn man bedenkt, dass sie erst 30 Jahre alt ist. Dieser liebevolle Spitzname wird ihr ihr ganzes Leben lang erhalten bleiben und passt ein wenig besser in die Zeit, in der sie zu den letzten überlebenden Anarchisten im Land gehören wird!

Gruppe Chernoe Znamia

Ab Oktober 1905, nach einer erneuten Verhaftung, gefolgt von einer kurzen Haftstrafe und einer spektakulären Flucht, radikalisierte sich ihre Aktion. Sie wurde als Mitglied einer 1903 in Byalistok gegründeten anarchistischen Gruppe namens Chernoe Znamia gemeldet, die dafür bekannt war, zahlreiche terroristische Aktionen zu verüben. Ziel der angewandten Strategie war es, die zaristische Macht durch Angriffe auf die verschiedenen Institutionen, die sie repräsentierten, zu destabilisieren. Die Gewalt der russischen Anarchisten mag überraschen, ist aber leicht zu erklären, wenn man bedenkt, welcher Gewalt sie selbst von Seiten der Behörden ausgesetzt waren: Folter, Schnellgerichte, Deportation und Erhängen waren das gemeinsame Los vieler revolutionärer Aktivisten in dieser Periode der Geschichte. Von allen Anschlägen, die von der Gruppe Chernoe Znamia verübt wurden, ist der berühmteste der Anschlag auf das Café Libman im Dezember 1905 in Odessa - ein Anschlag, an dessen Vorbereitung Olga aktiv beteiligt war. Die anarchistische Bewegung erlebte zu dieser Zeit eine ihrer spektakulärsten Entwicklungsphasen in Russland. Der Historiker Paul Avrich schätzt, dass es in den großen Städten über 5000 aktive Aktivisten und eine große Anzahl von Sympathisanten gab. Die Gruppen der Aktivisten betrieben intensive Propaganda an den Arbeitsplätzen und Olga Taratuta zahlte viel Geld. Um einer erneuten Verhaftung zu entgehen, flüchtete sie im März 1907 erneut in die Schweiz, aber das Exil und das Verlassen des sozialen Kampfplatzes waren definitiv nicht mit ihrem Temperament vereinbar. Sie kehrte nach Odessa zurück, nachdem sie in Jekaterinoslaw und Kiew Station gemacht hatte. Sie war erneut in mehrere Attentate auf Generäle des Kaiserreichs verwickelt, zunächst auf Kaulbars, den Militärkommandanten der Region Odessa, und dann auf Tomalchov, den Gouverneur der Stadt. Ende Februar 1908 scheute sie keine Schwierigkeiten und plante einen Massenausbruch von Anarchisten, die in der Lukjanowka, der Festung in Kiew, inhaftiert waren. Der Versuch scheiterte, da die Gruppe von Spitzeln infiltriert wurde. Die meisten Aktivisten werden verhaftet; wieder einmal gelingt es Olga, durch die Maschen des Netzes zu schlüpfen, aber ihr Glück wird sich ändern. Ende 1909 wurde sie in Jekaterinoslaw festgenommen. Diesmal war ihre Akte schwer belastet und sie entging nur knapp der Todesstrafe, die häufig gegen Revolutionäre verhängt wurde. Sie wird zu 21 Jahren Haft verurteilt. Sie blieb bis März 1917 in der Lukianowka, dem Gefängnis, dessen Mauern sie sprengen wollte, um die Insassen zu befreien. Die zaristische Repression setzte der Ausbreitung der libertären Bewegung ein vorübergehendes Ende.

Golos Truda
Die sieben Jahre im Gefängnis haben die Frau, die auf die 40 zugeht, schwer geprägt. Nach ihrer Freilassung zog sie sich aufgrund der bekannten revolutionären Ereignisse aus dem aktiven politischen Leben zurück und distanzierte sich von der russischen anarchistischen Bewegung. Der Grund für ihren vorzeitigen Rückzug war größtenteils Müdigkeit und Entmutigung, aber auch das Bedürfnis, ihren Lebensgefährten Sascha und ihr gemeinsames Kind wiederzusehen. Sie hielt sich nur kurze Zeit aus dem politischen Leben zurück. Im Mai 1918 engagierte sie sich für das Rote Kreuz in Odessa, das politischen Gefangenen unabhängig von ihrer politischen Herkunft half. Dieser Besuch in den Gefängnissen löste in ihr einen Sturm der Entrüstung aus, als sie sah, wie Anarchisten von den neuen politischen Machthabern behandelt wurden. Sehr schnell verspürt sie das Bedürfnis, ihre alten, kurzzeitig unterbrochenen militanten Aktivitäten wieder aufzunehmen. Eine neue Phase in ihrem Leben beginnt, die sie mit den neuen Herrschern des Landes, den Bolschewisten, konfrontieren wird. Sie verlässt die Ukraine und geht nach Moskau. Im Juni 1920 arbeitet sie an der Zeitung "Golos Truda" mit - eine anarchistische Äußerung, die kurzzeitig toleriert wurde! Außerdem trat sie dem Gewerkschaftsbund Nabat bei. Im Frühjahr 1918 wurden Aktivisten inhaftiert, gefoltert und hingerichtet, während der Kreml den Arbeiterdelegationen, die nach Moskau reisten, erklärte, dass in der besten aller Welten alles in bester Ordnung sei und Anarchisten völlig frei ihre Meinung äußern könnten...

Makhno
Im Herbst hatte die Sowjetregierung in der Ukraine ernsthafte Schwierigkeiten, sich der von den "weißen" Russen unter General Wrangel geführten Konterrevolution entgegenzustellen. Es wurde ein Pakt zwischen der Regierung in Moskau und den anarchistischen Rebellentruppen unter der Führung von Nestor Mahkno unterzeichnet. Um zu diesem Abkommen zu gelangen, wurden zahlreiche Verhandlungen und enge Gespräche geführt. Die Mahknower forderten unter anderem die Freilassung der Gefangenen, die in die Zwangsarbeitslager in Sibirien geschickt worden waren und deren Zahl sie bereits auf 200.000 schätzten. Darunter sind viele ukrainische Bauern, aber auch eine große Anzahl deportierter anarchistischer Aktivisten. Olga Taratuta nutzte den kurzen Frühling in den Beziehungen zwischen Bolschewisten und Mahknowisten, um in die Ukraine zurückzukehren. In Guliay Polye traf sie den Anführer der Bewegung, Mahkno. Der Generalstab dieser einzigartigen "schwarz-roten" Armee übergibt ihr eine hohe Summe, mit der sie die Gründung eines anarchistischen "Schwarzen Kreuzes" mit Sitz in Charkow finanzieren wird. Ziel dieser Organisation ist es, den politischen Gefangenen der Bewegung zu helfen, die immer zahlreicher in den bolschewistischen Kerkern sitzen. Im November 1920 wurde Olga Taratuta offiziell zur Vertreterin der Mahknowisten in Charkow und Moskau ernannt. Eine schwere Verantwortung, denn diese standen in den Gängen der Macht nicht im Geruch der Heiligkeit! Jeder weiß, dass das zwischen den feindlichen Brüdern geschlossene Bündnis nur von geringem Wert und von kurzer Dauer ist: Nur wenige sind naiv genug, um an die guten Worte der Bolschewisten zu glauben, zumal selbst während der Zeit des angeblichen Bündnisses die Verhaftungen weitergehen, insbesondere unter den Anarchisten, die in den Gewerkschaften und Sowjets aktiv sind.

Kropotkin
In ihrem Buch "Das Epos einer Anarchistin" würdigt Emma Goldman Olga sehr schön: "Die Charkower Genossen mit der heroischen Persönlichkeit Olga Taratutas an der Spitze dienten alle der Revolution aufs Beste, kämpften an allen Fronten, ertrugen die Unterdrückung durch die Weißen ebenso wie die Verfolgung und Inhaftierung durch die Bolschewiki. Nichts hat ihren revolutionären Eifer und ihre anarchistischen Überzeugungen entmutigt."

Der Verrat der Kommunisten lässt tatsächlich nicht lange auf sich warten. Eine beispiellose Repressionswelle bricht über die Mahknowisten herein. Das Schwarze Kreuz wird aufgelöst; Olga Taratuta wird verhaftet. Im Januar 1921 wurde sie nach Moskau überstellt. Sie gehörte zu den Aktivisten, die für einige Stunden freigelassen wurden, um an der Beerdigung von Peter Kropotkin teilzunehmen, bevor sie wieder in ihre Zellen zurückkehrten. Am 26. April 1921 wurde sie zusammen mit anderen Kameraden in das Orel-Gefängnis gebracht und während des Transports von ihren Bewachern verprügelt. Der Staatsanwalt des Gerichts, das ihren Fall bearbeitet, lässt sie wissen, dass sie freigelassen werden kann, wenn sie sich bereit erklärt, ihre politischen Verpflichtungen in der Öffentlichkeit zu verleugnen. Wir ahnen natürlich, welche Antwort sie ihren Peinigern schickt. Ihre moralische Stärke und ihre Integrität sprechen dagegen, dass sie eine solche Vereinbarung unterschreibt. Im Juli 1921 gehörte sie zu einer Gruppe von Häftlingen, die aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in einen elftägigen Hungerstreik traten. Sie erlitt einen heftigen Skorbut-Angriff und verlor fast ihr gesamtes Gebiss. In einem Brief an Freunde schreibt sie, dass die zwei Jahre, die sie gerade im Gefängnis verbracht hat, sie mehr Leben gekostet haben als all die Jahre, die sie während der Zarenzeit in Zwangsarbeitslagern verbracht hat.

Im März 1922 wurde sie für zwei Jahre nach Velikii Ustiug in der weit entfernten Wolodga-Regierung verbannt. Anfang 1924 wurde sie (vorübergehend!) freigelassen und kehrte nach Kiew zurück. Sie war nicht mehr politisch aktiv, hielt aber Kontakt zu den wenigen anarchistischen Aktivisten, die noch nicht hinter Gittern saßen. Zurück in Moskau fand sie noch die Energie, sich an der Kampagne zur Unterstützung von Sacco und Vanzetti zu beteiligen. Bei dieser Gelegenheit zeigen die Führer der Kommunistischen Partei, zu welchem Zynismus sie fähig sind. Nach Saccos Hinrichtung lud die Regierung seine Frau zu einem Aufenthalt in der UdSSR ein. Gleichzeitig schmoren viele, die die Ansichten der beiden Märtyrer teilen, in den Gefängnissen der UdSSR! Wahrscheinlich als Trost taufte Stalin eine Fabrik, die in einem Vorort von Moskau Kugelschreiber und Bleistifte herstellte, auf den Namen "Sacco & Vanzetti", damit die kleinen sowjetischen Schulkinder diese großen Helden der Arbeiterklasse nicht vergessen sollten. Parallel zu dieser Kampagne bemüht sich Olga Taratuta um die Organisation eines internationalen Protests für die Freilassung ihrer in der UdSSR inhaftierten Genossen. Man kann sich vorstellen, dass diese Haltung den Behörden nicht gefällt. Sie wurde 1929 erneut inhaftiert, diesmal beschuldigte die Tscheka sie, anarchistische Zellen unter den Eisenbahnern organisieren zu wollen.

Gulag
Bis 1937 ging ihr Leben so weiter, von Verhaftung zu Freilassung. Diesmal scheinen die Machthaber entschlossen zu sein, dieser Verhinderin einer friedlichen Unterdrückung ein Ende zu setzen. Sie lebt in Moskau und arbeitet in einer metallurgischen Fabrik. Wie bereits zu Beginn dieser Kolumne erwähnt, wird sie am 27. November 1937 unter dem Vorwurf anarchistischer und antisowjetischer Umtriebe verhaftet, vor Gericht gestellt und am 8. Februar 1938 erschossen. So endete das Leben der Babuschka der russischen Anarchisten auf tragische Weise. Im Gegensatz zu anderen hinterließ sie nur wenige "Spuren" in der Geschichte, da sie in erster Linie eine Aktivistin war: keine "Memoiren" oder "philosophischen Abhandlungen". Sie schrieb jedoch viel und übte im Laufe ihres abenteuerlichen Lebens mehrmals den Beruf des Journalisten aus. Wäre ihre Korrespondenz erhalten geblieben, hätte man wahrscheinlich eine Fülle interessanter Details über das Sowjetregime und die Lebensbedingungen der Landbevölkerung in ihrer Heimatregion, der Ukraine, erfahren können. Dies ist nicht der Fall, aber das Fehlen von Aufzeichnungen ist kein Grund, sie zu vergessen. Sie gehört zu jener Kohorte fast anonymer Menschen, die mutig für ihre Ideen gekämpft haben. Die Anzahl der Gegner, mit denen sie es zu tun hatten, sowohl von links als auch von rechts, ist beeindruckend. Wie ich bereits in dieser Kolumne erwähnt habe, werde ich in Kürze über eine weitere deutsche Aktivistin berichten, Zenzi Mühsam, die in den Konzentrationslagern der Nazis landete und danach lange Zeit im Gulag verbrachte.

Quellen: Im Internet das Lexikon der anarchistischen Aktivisten, der Blog libcom.org - Viele dieser Seiten beziehen sich tatsächlich auf das Buch des Historikers Paul Avrich, "Russische Anarchisten" - Ich habe auch die Broschüre "Repression des Anarchismus in Russland" konsultiert, die 1923 von Volin ins Französische übersetzt wurde.

Fotos: Das Bild am Anfang dieser Kolumne ist das einzige bekannte Porträt von Olga Taratuta. Sie ist wahrscheinlich auch auf anderen Gruppenfotos zu sehen, aber ihre Gesichtszüge sind schwer zu identifizieren.

Hinweis: Es war schwierig, die biografischen Daten für diese Chronik zusammenzustellen. Falls Ihnen ein Fehler auffällt, teilen Sie mir diesen bitte mit!

Quelle: Olga Taratuta ; destin d’une militante anarchiste russe (Histoire russe) par Paul Chion
Übersetzung: Thomas Trueten

Siehe auch: 85. Todestag von Olga Taratuta - Ольга Іллівна Таратута


cronjob