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Broder - der hartmäuligste in der Karawane

“Ist über eine Sache endlich Gras gewachsen, kommt sicher ein Kamel und frisst es ab–. Selbst im SPIEGEL haben sie es inzwischen gemerkt. Nachdem sie erst zu Sarrazins Tischlein-Deck-Dich freigiebig eingeladen hatten, ist ihnen in der letzten Nummer doch noch eingefallen, dass es vielleicht gar kein Intelligenz-Gen gibt, vor allem keines, das bestimmten Volksgruppen exklusiv zugeteilt wäre. Der Reiz Sarrazins besteht in seiner bedenkenlosen Inkonsequenz: Alles, was er so vorbringt, wenn der Tag lang ist, darf nach Belieben entweder als erblich angeboren und damit relativ unveränderlich- oder als angelernt und demnach veränderlich angesehen werden. Insofern ist immer für jeden ein Schüsselchen gedeckt.

Kaum war das soweit bereinigt, blieb es dem bekannten Großkritiker Broder vorbehalten, genau den Unterschied zwischen “angeboren– und “angelernt– wieder zuzuschütten. Ist doch ganz egal, was man sagt, Hauptsache, es ist bequem! –Wir bewundern die Spanier für ihr Temperament, die Engländer für ihre Gelassenheit und machen Witze über den Geiz der Schotten. Es sind Klischees, aber sie haben ihren Charme und erleichtern die Orientierung–(SPIEGEL Nr.36/S.163 unter der Überschrift –Thilo und die Gene–).

Als Beispiel für eine selbstverständliche - als wahr anzusehende - Behauptung erwähnt der kritische Kopf, “muss auch die Frage erlaubt sein,warum Juden- von Ausnahmen abgesehen- schlechte Sportler und gute Schachspieler sind– (ebd,S.163).

Früher hatten sie im SPIEGEL ein sehr gutes Archiv mit Kontrolleuren, die angeblich jede Sachbehauptung überprüften. Die scheinen inzwischen eingespart. Sonst hätten sie Broder darauf aufmerksam gemacht, dass es seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die jüdischen Sportwettkämpfe, Makkabiade genannt, gegeben hat mit regem Zuspruch. Auch wären die bekannten militärischen Erfolge Israels kaum erklärlich, wenn das Unsportliche dort immer noch die Regel wäre.

Erinnert sei der gewissenhafte Historiker des Festhaltens am Klischee auch an den Kampf jüdischer Organisationen während der ganzen Zeit der Weimarer Republik. Es ging um die Frage, wie viel Tote die jüdischen Soldaten aufzuweisen gehabt hätten - gemessen an ihrem prozentualen Anteil an der Einwohnerzahl Deutschland. So ein Wetteifer kommt einem nachträglich komisch bis peinlich vor; damals kam er aus Notwehr gegen die damaligen deutschnationalen Liebhaber des “Klischees–, Juden seien von Natur aus Feiglinge und Drückeberger - mit entsprechenden Folgerungen.

Welchen weiteren Klischees über Eigenheiten der Juden ein bedenkenloser Schwätzer Tür und Tor öffnet mit seinem Erlaubnisschein für das “Klischee–, muss nicht weiter ausgeführt werden. Es sind genau die Behauptungen, gegen welche sich Broders “Achse des Guten– - dieses eine Mal mit Recht - erbittert wenden würde und müsste.

Am Ende seiner Eröffnungen überbietet Broder Sarrazin um einiges. Er schüttet den Trog Jauche, den er stets in Vorrat hält, aus über die ganze Religion des Islam. Es muss wohl sein, um vor aller Welt den markigen Kerl zu markieren, der “Unbequemes offen ausspricht–.

Broder mag an der ihm von Sarrazin freundlich zugedachten angeborenen Intelligenz durchaus teilhaben. Geltungssucht und der Hang zur Angeberei hindern ihn immer öfter, diese Intelligenz produktiv einzusetzen. Und zwar ihn als langjährig zu studierende und bekannte Einzelperson, ohne weitere Schlussfolgerungen aufs Angeborene oder Antrainierte.

Sarrazin als Mauerbrecher ist unangenehm, aber auch auffällig ungeschickt. Zum Parteiführer wird es nicht reichen. Wirklich Abscheu erregend ist die Heerschar, die durch die Bresche nachkriecht, und - unter mehr oder weniger strenger Absetzung vom Vorbild - dieses überbietet.

Nach Merkels Vertragsbruch: Verschiebung der Fronten!

Merkel möchte vor allem Ruhe einziehen lassen. Ihre Unterwerfung unter die Ansprüche der Energie-Monopole soll Überleben sichern. Wenigstens noch drei Jahre. Mit ihrer jetzigen Imitation der Machtsprüche eines Schröder hat Merkel einen Schritt getan, den sie bald bereuen wird, aber nicht leicht wieder zurücknehmen kann. Schon der erste Vertrag zugunsten der Energie-Monopole unter der Diktatur Schröder war gegen den Willen einer Mehrheit durchgedrückt worden. Immerhin konnten die Schröder / Trittin damals noch die Illusion verbreiten, mit diesem Vertrag sei Verlässlichkeit eingezogen für künftige Zeiten...

Dass die eiskalte Lügnerin, die bei uns das Kanzleramt wahrnimmt, für ihren neuesten Trick wieder gelogen hat, wird für sich allein niemand schocken. Ihre Behauptungen und die des Hilfsphantasten Brüderle über Arbeitsplätze, Strompreise und Versorgungsqualitäten erstaunten deshalb wenig. Wer schon einmal an der Besichtigung eines KKW teilgenommen hat, wird sich an fast menschenleere Katakomben erinnern. Energieproduktion verlangt weniger Einsatz lebendiger Arbeit als jede andere Produktion. Rührend die Sorge um den Strompreis. Monopolen muss man nicht sagen, wie sie die Gewinne erhöhen. KKW weiß es. Und die Versorgung der Aluminiumwerke mit Energie? Reden wir nicht davon. Die kriegen, was sie brauchen.

Neu an der gegenwärtigen Stufe der Vergewaltigung ist nicht die Lüge. Es ist der endgültige Verzicht auf die Theatralik der Gerechtigkeit. Viele hielten- mehr oder weniger aus Verzweiflung- immer noch an der Illusion fest, die gütige Landesmutter kümmert sich um alle. Das ist inzwischen vorbei. Jeder Vertragsbruch gilt ab jetzt als automatisch gerechtfertigt, wenn nur den großen Monopolen geopfert wird. Das Wort der jeweils letzten Bundesverwalter gilt nicht mehr. Änderungs-Schneiderei nach Bedarf.

Nur: Wer soll da auf die weitere Zukunft bauen? Warum nach der letzten Frist nicht wieder ändern? Wie Eon es nötig hat! Wie es RWE gefällt!

Damit greift Merkel bedenkenlos das letzte Fundament des heutigen Staatslebens an, das in bürgerlichen Kreisen noch trägt. Bürgerlich im eigentlichen Sinn ist vor allem eins: Vertrauen auf eine Sicherheit und Berechnung, die durch Gesetz und Vertrag verbürgt werden . Wird das verletzt, ist alles möglich.

Zwar haben die Atom-Werke ihre Angestellten wohl angetrieben, bei den Umfragen in ntv noch einmal Hurra zu brüllen. Aber das wird nicht vorhalten.

Merkel teilt offen mit: letzter Imperativ ist “deutscher Aufschwung– - das heißt die Zusammenfassung der Interessen der wichtigsten Monopole.

Damit bekennt sie zugleich in wünschenswerter Offenheit: Der Staat kennt keine bürgerlichen Einzelinteressen mehr. Er kennt nur noch die der Gesamtwirtschaft. In der gegebenen Situation: des Exports.

Damit werden auch solche niedergetrampelt, die ihren subjektiven Wünschen nach eigenheimhungrig, aufstiegsgeil und ruhebedürftig sein mögen. Nur: sie kriegen das nicht mehr, was sie begehren. Und finden keine Methode mehr heraus, das möglicherweise noch Erreichte zu sichern.

Bisher regten sich vor allem die Leute um Fessenheim oder Neckarwestheim wegen der Atomgefahr auf. Leute, die weiter weg lebten, konnten sich immer auf die Hoffnung zurückziehen: vielleicht bin ich schon tot vor dem nächsten Tschernobyl. Das geht nicht mehr, wenn die Grundlagen der Gesamtordnung aufs billigste verramscht werden. Insofern ist es nicht unmöglich, dass ganz andere Schichten - weit weg von der unmittelbaren Gefahr- in Bewegung kommen. Gerade solche, die bisher sich immer noch zur Nachtrabkompanie Merkels meldeten. Damit könnte es bald vorbei sein.

Es kommt eins hinzu: auch die Kunst des Lügens erschöpft sich. Allein Merkels Bild der “Brückentechnik– ist- genau betrachtet- hals-und beinbrecherisch. Brücke- ja- aber wohin? Nur wer die bescheidenste Ahnung vom anderen Ufer hat, kann sie betreten.

Brave Schülerinnen und Schüler erinnern sich noch an Christian Fürchtegott Gellert's Geschichte von Vater und Sohn. Der Sohn lügt her, er hätte eine Fabrik gesehen, größer als Papas Dorf. Der Vater drauf: Gibt überall erstaunliche Dinge. Die Brücke vor uns zum Beispiel hat die Eigenheit, dass unweigerlich diejenige sich dort das Bein bricht, die am selben Tag gelogen hat. Für eine Angela deswegen: Unbetretbar.

Die Fabel endet:

“Sie gingen noch ein gutes Stücke;
Der Merkel schlägt das Herz. Wie konnt es anders sein?
Denn niemand bricht doch gern ein Bein.
Sie sah nunmehr die richterische Brücke,
Und fühlte schon den Beinbruch halb.
.....
Die Brücke kömmt. Wie, Merkel, wird dirs gehen!
Der Vater geht voran; Angela hält geschwind.
»Ach Vater!«, spricht sie, »seid kein Kind,
Und glaubt, daß ich ein technisch Wunderwerk gesehen.
Denn kurz und gut, eh wir hinüber sind.
Das Werk strahlt eben so, wie alle : tödlich und blind.–


(Winzige Veränderungen an Gellert's Grundtext vorgenommen.)

Sind wir schon zu alt, um für unsere Lebenszeit Merkels Letztgeständnis erwarten zu dürfen? Abwahl allein wird dazu wohl noch nicht reichen.

FFM: Voltaire - Eingemauert in Bunkern aus Sprache. Erstickungsgefahr.

[Es geht hier um eine Diskussionsmethode, die wir für prinzipiell verfehlt halten. Die Vorgänge um die Verweigerung des Zutritts zu "Club Voltaire" sollen - weil noch in bester Erinnerung - nur als Beispiel dienen]

Verstehbar ist es schon: Die gesamte Linke befindet sich in der Defensive. Wer schon vor dem Aufstieg der "LINKEN" auf Sozialismus gesetzt hatte, sieht sich betrogen. Im Grunde besiegt. Was liegt da näher, als auf Teilgebieten mit aufgesetzter Unerbittlichkeit Siege erwerben zu wollen, die im Ganzen total verwehrt scheinen.

In der neuen Unübersichtlichkeit werden Koordinaten eingezogen, die um so erbitterter verteidigt werden, je willkürlicher sie erstellt wurden. Man orientiert sich in allen Fällen an den USA - um nach dem Zusammenbruch der Hoffnung auf vollständigen Umsturz wenigstens das “Zivilisatorische– zu retten, wie man dann sagt.

So ähnlich stellt sich von außen der Streit um unbehinderten Zugang zum Club Voltaire dar. Linke Gruppen um Bockenheim in Frankfurt fühlten sich verpflichtet, zu retten, was zu retten ist: die bürgerlichen Freiheiten. Die in dieser Blickweise allerdings nichts mehr für die ganze Menschheit bleiben, sondern zu Privilegien in einer Festung werden.

Zu diesem Zweck sind ganz neue Definitionen entwickelt worden - zum Beispiel vom zu bekämpfenden Anti-Amerikanismus. Bedeuten soll der Begriff: Kampf um das freie Bürgerleben in der Großstadt. Dieses scheint bedroht durch potentielle Angriffe finsterer Mächte, gegen die die USA zusammen mit dem bedrohten Israel als absolut zu verteidigende Potenzen letzten Schutz bieten.

Logische Konsequenz: Es müssen alle Angriffe zurückgewiesen werden, die auch nur von fern die Integrität der beiden Schutzmächte bedrohen könnten. Also auch Theorien, die dazu dienen könnten, die Schutzbereitschaft in der Bundesrepublik für diese beiden Mächte zu untergraben - durch die Neigung, anerkannte Glaubenssätze, auf die "unsere" Verteidigungsgemeinschaft setzt, auch nur zur Diskussion zu stellen.

Soviel, um sich die Erbitterung des Einsatzes überhaupt verständlich zu machen gegen eine Ausstellung mit Hip-Hop-Zugaben, die normalerweise kaum eine Lokalmeldung in der "Frankfurter Rundschau" bewirkt hätten. Gesehen, Gehört, Vorbei. Das sollte dieses Mal nicht so über die Bühne gehen.

Philologische Abwehrbarrikaden

Zum Zweck der Abwehr wurde an Schutzmaßnahmen nicht gespart. Die Widerlegung der Texte von "DIE BANDBREITE " wurde von Anmerkungen begleitet, die mindestens für einen Bachelor gereicht haben sollten.

Nur dass etwas vergessen wurde, was normalerweise in der elften Klasse der mir bekannten höheren Schulen eingebimst wird. Bevor man über einen Text spricht, müsste über die Textsorte und die Redeabsicht des Sprechenden Auskunft gegeben werden können.

"Hänsel und Gretel - verirrten sich im Wald" - als lückenhafter Teil eines Polizeiprotokolls gelesen, würde zu irrigen Sachverhaltsvermutungen und Handlungsfolgen führen. Umgekehrt die Mitteilung der Gruppe. "Adolf Hitler war homosexuell/ und traf sich mit Hess in einem Hotel" wird auch der erbittertste Kritiker nicht für eine ernstgemeinte Mitteilung über die Zeit des deutschen Faschismus halten, sondern allenfalls für eine parodistische Anspielung auf die vermutete Schwulenfeindschaft der heutigen Nazis. Bei den Kritikern der Gruppe wird aber anfallsweise immer wieder so ein Satz für eine historische Aussage gehalten.

Es sollte klar sein, dass von einer Darbietung der hier zurückgewiesenen Gruppe keine Sätze mit "denn" und "weil" und "also" erwartet werden können. Musik sagt mir persönlich gar nichts, weder die hohe noch die niedere. Es ging mir immer wie Troubadix. Ich wurde nach der ersten Strophe von "Stille Nacht" genau wie bei der "Internationale" sehr früh gebeten, mich intensiv zurückzuhalten. Insofern kann es unverschämt wirken, etwas über Songs sagen zu wollen. Auch zur Frage, ob die Texte sexistisch wirken, möchte ich mich nicht äußern. (Auf mich schon, nur ist das gar nicht Gegenstand der Hauptangriffe). Mir geht es nur darum, dass sämtliche mir bekannt gewordenen Kritiken die Texte der Gruppe so behandeln, als seien sie linear zu übertragende Aussagen über den wirklichen Hergang der Geschichte in den letzten siebzig Jahren.

So wird mit Ausdrücken äußerster Erbitterung die Unterstellung der Gruppe angegriffen, Roosevelt habe im Jahr 1941 die Vernichtung der Flotte vor Pearl Harbour billigend in Kauf genommen, um die Bürger der USA kriegswilliger zu machen. Diese Behauptung wird zum Beispiel in WIKIPEDIA in Abschnitt 4 der dortigen Ausführungen gewissenhaft diskutiert, scheint also - unabhängig von rechtem oder linken Vorwissen - durchaus begründet mit "ja" "nein" oder "vielleicht" zu beantworten.

Das Kurzschnappige der moralischen Empörung gerade in diesem Punkt macht deutlich, dass jede folgende Überlegung entfällt. War das Opfern eigener Leute nicht geradezu nötig, um ein Ergebnis zu erreichen, das bei Deutsch und Antideutsch bisher unbestritten als erwünscht gegolten hat: die Niederlage Deutschlands, die ohne ausdrückliche Kriegsbeteiligung der USA nicht zu erreichen gewesen wäre?

Die gleiche Überlegung wäre anzustellen nach der dann folgenden Salvenserie gegen die Vermutung, Geheimdienste - vor allem zwei, die hier nicht weiter erwähnt werden müssen - hätten an der Sprengung der Twin Towers mehr oder weniger mitgewirkt. Auch das ist für sich allein wieder einmal eine Hypothese, auf die mit "ja" "nein" oder vor allem mit "vielleicht" zu antworten wäre. Auch hier müssten sich ganz entschlossene Verteidiger Israels und des WESTENS fragen lassen, ob die damit unterstellte Untat nicht um höherer Zwecke willen entschuldbar/ nötig/ gerechtfertigt erscheint.

Denn: das scheint in der Brandung der Angriffe vergessen worden zu sein: zielbestimmte und zu allem entschlossene Politik nahm bisher immer dunkle Dinge in Kauf, um größere Ziele zu erreichen, die um ihrer Wünschbarkeit willen im majestätischen Rückblick der Geschichte alles Vorherige entschuldigen sollten.

Verschwörung und "Verschwörungstheorie"

Hauptvorwurf der Kritiker der gesamten Veranstaltung im Club Voltaire: alle drei Beteiligten hätten sich dadurch schuldig gemacht, dass sie einer "Verschwörungstheorie" aufgesessen wären - oder sogar eine solche böswillig gegen eigne Überzeugung verstärkt hätten. Mitgedacht zugegebenermaßen: eine Verschwörungstheorie zuungunsten von CIA und MOSSAD. Andersgerichtete werden oder wurden bisher mit größtem Gleichmut hingenommen. Etwa die von der WELT bis heute vertretene: Stalin hätte unmittelbar vor Hitlers Zuschlag selbst seine Truppen zum Angriff aufgestellt und ohne die Weitsicht des FÜHRERS so Deutschland überrollt. (Eine Ansicht, die zu allem voraussetzt, dass Stalin dumm war, wofür sonst nichts spricht. Sonst hätte er kaum im Augenblick von Hitlers Triumph über Europa so etwas anstellen wollen).

Im Streit um Club VOLTAIRE bleiben die Aufklärer bei einer veralteten Vorstellung von der Verbreitung der Wahrheit stehen.

Der Namenspatron des Clubs - Voltaire - und seine Zeitgenossen verstanden nämlich den gedanklichen Austausch unter den Menschen nach dem Muster des freien Warenaustausches, wie ihn Adam Smith gepredigt hatte. Jeder Denkende ist genau so Privatproduzent wie jeder Zuckerbäcker.

Die Menschen bringen demnach allerlei Vorstellungen, auch Erfindungen, auch Selbsttäuschungen auf den weltweiten Markt der Wissenschaft. Jeder einzelne, den solche Botschaften erreichen, überprüft diese im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Erfahrungen. Dabei sollten die unzutreffenden Meinungen nach Überprüfung herausfallen

Wer nach Durchsetzung eines gewissen Erkenntnisstandards immer noch Falsches behauptet, kann dann individuell haftbar gemacht und aus der Diskutantengemeinschaft ausgeschlossen werden.

Je mehr sich die Kommunikationsformen kollektivierten, musste sich auch die Theorie der Entstehung von Meinungen und Wahrheiten ändern. Zugegebenermaßen gibt es heute riesige staatliche und nicht-staatliche Bürokratien, in welchen gemeinsam Verabredungen getroffen werden, bevor auch nur ein Wort nach außen dringt. Insbesondere bestehen Geheimdienste, wie der Name sagt, aus solchen Bürokratien.

Dass diese sich mit gemeinsamem Meinen nicht begnügen, sondern auf gemeinsames Handeln aus sind, dürfte auch von niemand bestritten werden. Vom Celler Loch im Kleinen bis zu den koordinierten Gerüchten gegen Irak im Großen durch die Bush-Administration wimmelt es von Beispielen. Was vorher gemeinsam geplant, wird nachher gemeinsam vertuscht.

Wenn das so ist, ist die grundsätzliche Annahme von internen Abmachungen, Planungen und zielführenden Handlungen innerhalb von Bürokratien (staatlich) oder Konzernen (wirtschaftlich) - kurz von "Verschwörung" (conspiracy) nichts Vorwerfbares, sondern notwendige Voraussetzung jeder historischen Untersuchung. Es muss immer und grundsätzlich mitbedacht werden: Was wollen die jetzt am Ruder sitzenden, dass ich über den Sachverhalt denke - bevor ich prüfe: wie war es möglicherweise wirklich? Ein Service wie MEINUNGSSEITEN unternimmt eine solche Prüfung bei uns von Montag bis Freitag.

Folge für den Voltaire-Streit: Die Kritiker der Veranstaltung hängen, ohne es zu merken, immer noch an der alten Vorstellung der "Aufklärer" und meinen, mit der Ausstoßung eines verhärtet Falsches Behauptenden sei die Reinheit der Erkenntnis gesichert. Statt sich einzugestehen: Ob ARBEITERPHOTOGRAPHIE und die Song-Gruppe jetzt etwas Richtiges oder Falsches sagen: darauf kommt es gar nicht mehr an.

Es müssten Methoden gegen "Meinungs-Verschwörung" selbst gefunden werden, die es im Zeitalter der Konzerne und Bürokratien noch einmal erlauben würden, überhaupt nach dem Gang der Ereignisse zu forschen, wie sie sich einmal dem Historiker darstellen werden. Diese könnten selbst nur kollektiv organisiert werden. Aufgrund gemeinsamer Untersuchungen hat sich zum Beispiel sehr mühsam herausgeschält, dass die deutschen Behörden bis kurz vor dem Ende der Stammheimhäftlinge durch Mit- und Abhören Kenntnis von dem haben mussten, was in den Zellen vorging.

Das ist nicht viel, aber immerhin ein kleiner Sieg der Beharrlichkeit im Zweifeln und Untersuchen gegen alle auch in diesem Fall festgemauerten Behauptungen. Wobei es bei einem solchen Zusammenwirken nicht notwendig auf die politische Voreinstellung der Untersuchenden ankommt. Aust, an sich unterwürfigster Bediener im Meinungskartell SPIEGEL, hat trotzdem - gerade er - einiges Neue zu den letzten Tagen in STAMMHEIM vor dem Ende beigetragen. Im herrschenden Durcheinander dem politischen Gegner ein Wissen zu entreißen, gehört zu den Grundtechniken politischer Erkenntnis. Das neue Wissen tritt dann jedes Mal in einen weiteren Zusammenhang.

Trauriges Ergebnis


Unterstellen wir einmal Waibel, dem bisherigen Vorsitzenden des Club Voltaire, und den Seinigen aufrichtigsten Willen zur Verteidigung einer Wahrheit. Dann muss gesagt werden: sie haben nichts erreicht. Wer bisher an die gängige Theorie über 9/11 glaubte, hält daran fest. Wer berechtigte Zweifel hatte, flüchtet sich weiterhin entweder in eine auch noch nichts erklärende Gegentheorie - oder überlegt weiterführende bessere Untersuchungsmethoden.

Es wird sich schnell herausstellen, dass sie eine mögliche Zukunft des Vereins gefährden. Nach dem "erfolgreichen" Boykott der Veranstaltung, wie es die Gegner wohl sehen, wird bei jeder künftigen Veranstaltung um einen strittigen Gegenstand unweigerlich die Frage auftauchen: Warum gerade die? Sind die denn besser als ARBEITERPHOTOGRAPHIE? Aus einem Ort freier Diskussion wird damit Club Voltaire einer mit Eintrittskarte und Erlaubnisschein werden. Es wird nicht mehr gesagt: Aha! Interessant! Hören wir uns mal an!- sondern angstvoll:Darf ich da rein? Wer geht noch hin?

Club Voltaire ist im Kalten Krieg entstanden. Aus der Defensive. Es sollte auch über das geredet werden, was sonst nirgends eine Stelle fand. Dieser Ansatz ist inzwischen massiv gefährdet. Wenn nicht schon ganz verloren.

Zuerst erschienen in StattWeb

Siehe auch die Beiträge zu den Vorgängen:

Anne Will: Frikadellenschänderin im letzten Augenblick vor Kündigung bewahrt

Der erste Satz Anne Wills: Minuten vor Beginn der Sendung wurde die Sekretärin, die sich an einer Gastfrikadelle vergangen hatte, vor der Kündigungsanlage gerettet. Keusch ließ der Arbeitgeber melden, er habe sich juristisch nicht ausreichend orientiert. In Wirklichkeit ist in all diesen Fällen die gegenwärtige Rechtslage eindeutig: Wer klaut, und wäre es nur ein Pfennig, hat nicht einfach geklaut, sondern "das Vertrauensverhältnis verletzt zwischen sich und dem Arbeitgeber"- und das ist unsühnbar und auf jeden Fall mit sofortiger Kündigung zu bestrafen -auch ohne vorherige Abmahnung.

Däubler-Gmelin erklärte den Sachverhalt richtig. Zugleich monierte sie, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt worden sei. Daneben einige mehr hausfrauliche Vermutungen: Ging es in der Firma so kärglich zu, dass pro Gast nur eine einzige Frikadelle vorgesehen war. (Erst durch plötzlich festgestellten Mangel soll die betreffende Sekretärin erwischt worden sein). Andere Quellen suggerierten, der Chef der gereifteren bulettenfrohen Sekretärin hätte einfach eine Jüngere gewollt, und die vorhandene ohne großes Aufsehen und große Kosten abzuservieren gewünscht.

Ein Vertreter der Firma, die die bekannte Emmely wegen der zwei geklauten Coupons gekündigt hatte, bezog genau die andere Position: das Gesetz hätte ihm keine Wahl gelassen. Ihn geradezu geknechtet, sofort das Fallbeil heruntersausen zu lassen. Was man eben so sagt, wenn man von Will verhört wird, der Tag lang und man endlich wieder zu seinesgleichen zurück möchte.

Was leider niemand sagte: Es liegt hier ein unverzeihlicher Fehler der Gesetzgebung vor. Die Mehrheit des Bundestags hätte seit Jahren in das Gesetz den Begriff der Verhältnismäßigkeit aus dem Strafrecht einfügen können. Hat es aber nicht getan. Weder in der Diskussion noch sonstwo wurde klar, dass es sich bei all den Prozessen um Kündigung wegen Bagatellfällen nicht um strafrechtliche, sondern um arbeitsrechtliche Verfahren handelt. Im Strafrecht ist der Begriff des Mundraubs allbekannt. Ins Arbeitsrecht hatten schon in den Zeiten der Nazirechtsprechung sich Kategorien eingeschlichen, wie "Bestriebsgemeinschaft", früher "Gefolgschaftstreue", die alle auf die angeblich personale Beziehung zwischen Herr und Knecht/ Magd den größten Wert legten.

Nichts wäre dringlicher, als in einer der ersten Sitzungswochen einen Antrag zu stellen, Begriffe wie "Geringfügigkeit" und "Bagatellfall" auch ins Arbeitsrecht einzuführen. Nebst begrifflicher Reinigung des ganzen Arbeitsrechts. Was soll die personale Bindung eines Manns, der aus dem Abfall ein altes Fahrrad fischt, an einen Konzernchef, der vom Vorhandensein dieses Manns in der Regel keine Ahnung hat?

Zuerst erschienen bei StattWeb

Club Voltaire Frankfurt: Anmerkungen zu einer offensichtlichen Verirrung

Thomas Trueten hat hier seine Auffassung von den Wallungen dargelegt, die in und um den Club Voltaire in Frankfurt entstanden sind anlässlich eines geplanten Auftritts von "Arbeiterphotographie" und anderen.

Dass ich bei Trueten und seinem Blog "www.trueten.de" nie die einschlägigen Verfehlungen und Verirrungen vorgefunden habe, die ihm die Kritiker vorwerfen, muss ich nicht eigens betonen: Wir hätten sonst nie die Idee gehabt, mit ihm zusammenzuarbeiten.

Außerdem genießt Trueten und sein Blog den besten Ruf in traditionell antifaschistischen Kreisen, so zum Beispiel bei VVN/BdA. Ich erinnere mich, mit Leuten aus der Führung von ARBEITERPHOTOGRAPHIE in Berlin im Januar 2006 auf Einladung der VVN an einer Kulturdiskussion teilgenommen zu haben.

Ich habe die Hälfte aller Argumente gegen die geplante Veranstaltung nicht verstanden. Sie scheinen alle nach dem Schema zu verlaufen: A hat B rezensiert, B hat Anschauungen über den Hochhaussturz in NY - hierbei hat er C s Erklärungsversuche gebilligt. Dieser C hat einmal in Verlag D veröffentlicht usw. Es ist klar, dass sich darüber eine ganze Berührungsverbots- und Kontakt-Schuld-Kriminalistik ergibt. Ohne jede Bedeutung für die ursprünglich zur Diskussion stehende Sache.

Inbesondere die Diskussion über den Begriff "Verschwörung" führt notwendig in die Irre. Es ist beim Vorhandensein riesiger Konzerne staatlicher und nichtstaatlicher Art offenbar unsinnig, Verabredungen zu leugnen. Ohne Verabredung keine Zusammenarbeit. Wer will, kann solche Verabredungen auch "Verschwörung" nennen, in dem Augenblick, wo sie handlungsführend sind.

Solche Verabredungen als an sich unmöglich hinzustellen, könnte auch einem Antideutschen mit Restvernunft nicht einfallen. Es wird den selben Personen nicht gefallen, wenn sie mit der Nase darauf gestoßen werden, dass gerade das erzbürgerliche Organ SPIEGEL genau wie sie den Ausdruck "Verschwörungstheorie" als Unwahrheitsbeweis ohne weitere Kausalitätsvermutungen verwendet.

Die Kritiker von ARBEITERPHOTOGRAPHIE gehen noch weiter und schließen unerbittlich: Goebbels unterstellte den Juden Verfügungsgewalt über die ganze Welt - per Verschwörung. Wer also heute noch von Verschwörung spricht, gibt Goebbels tendenziell recht. Er darf nicht reden.

Das Absurde der ganzen Denkweise zeigt sich vor allem in der Heranziehung von Voltaire als Schutzpatron. Zugegebenermaßen musste Voltaire die längste Zeit seines Lebens mit Leuten reden, die partout nicht seiner Meinung waren. Von daher seine Forderung, mit allen zu reden. Aus der Defensive heraus. Wenn ich mich nicht völlig täusche, geschah die Gründung des Club Voltaire genau aus dem Bewußtsein heraus, wie einst Voltaire aus der Defensive agieren zu müssen. Das Grundprinzip wie damals: Man muss mit jedem reden können. (Mit jeder natürlich auch)

Dann musste sich aus der historischen Herleitung ergeben: Ich bin dann bereit, mit jedem zu reden, wenn ich sicher sein kann, in ein Diskussionsforum einzutreten, in dem jeder ausreden kann. In dem gesichert ist, dass die Gegenrede gehört wird. In dem ich nicht von Brüllchören am Reden gehindert werde.

Im letzten Fall ist klar: Mit denen reden ist überflüssig, nervenschädigend und auch zu verhindern.

In keinem Fall ist nach dieser altertümlichen Denkweise das Verbot einer Veranstaltung zu billigen, bevor man überhaupt die angekündigten Aussagen gehört hat.

Soweit ich die Gegenreden gegen die Veranstaltung lesen konnte, gehen diese genau umgekehrt vor.

Sie wissen im Voraus: Verschwörungstheorien sind potentiell faschistisch. Als solche deshalb aus dem Bereich der hörenswerten Veranstaltungen zu streichen.

Eine solche Denkweise stellt diejenige Voltaires auf den Kopf. Voltaire stand wesentlich Diskutanten gegenüber, die mit Leibniz etwa die vorzügliche Verfassung der geschaffenen Welt als Voraussetzung dafür auffasste, dass einer mitdiskutieren dürfe. Postum haben deshalb die Kritiker der Veranstaltung der "ARBEITERPHOTOGRAPHIE" und ihrer Ausstellung den Namenspatron des Vereins zum Schweigen verurteilt.

PS: Vielleicht böte eine Umtaufe eine Lösung des Problems. Wäre es weniger anstößig, wenn nach dem Satz: "Du bist Volk. Ich bin Volker" der Verein "Club Volker" genannt würde?

Nachtrag:

Bei allen vorgebrachten und berechtigten Einwänden gegen die Argumentation gerade Waibels, aber auch der anderen Veranstaltungsfeinde, stimmt es traurig und ratlos, dass nach so langen Jahren jetzt anhand von Meinungsverschiedenheiten plötzlich ein Redeverbot entwickelt werden soll.

Es hat in den langen Jahren der Existenz des "CLUB" doch weißgott wieviel Streitigkeiten gegeben, ohne dass zugleich oder nachher gefordert worden wäre, der oder die anstößige Rednerin hätte nie eingeladen werden dürfen und ab jetzt Hausverbot. Ich erinnere mich an eine überfüllte Veranstaltung -wohl während des Libanonkriegs- in welcher zu einem Boykott israelischer Waren aufgefordert wurde. Erbitterte Diskussionen bis auf die Straße hinaus - aber nirgends ein Ruf nach Hausverbot.

Woher ist nun auf einmal die Lust am Unerbittlichen gekommen? An der Messerschärfe?

Ich jedenfalls kann den Unterschied zwischen den Meinungsverschiedenheiten von damals und heute nicht erkennen.

Quelle: Stellungnahme Trueten und verschiedene Gegenpositionen in indymedia und anderswo

Fritz Güde, StattWeb

Siehe die bisherigen Beiträge zum Thema:
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