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Diskussionsveranstaltung: Stuttgart 21 und die Versammlungsfreiheit

Veranstaltungsflyer
Zuständig für das Versammlungsrecht ist demnächst offenbar der Stuttgarter Einzelhandel. Dieser hat via Stuttgarter Zeitung einen Brandbrief abgesetzt, das es zwar „ein Demonstrationsrecht“ (!) gäbe, aber das mit den ganzen Demos gegen Stuttgart 21 sei doch nicht mehr verhältnismäßig.

Trotz neuerlicher Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes NRW (5 A 2288/09) werden auch in Baden - Württemberg DemonstrantInnen nach wie vor von der Polizei gefilmt, auch ohne die dazu notwendigen "tatsächliche(n) Anhaltspunkte die Annahme gerechtfertigt hätten, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen." Wie zuletzt bei der Demonstration in Schorndorf gegen die Nazikneipe "Linde". Oder bei der Protestkundgebung gegen Stuttgart 21 am 4.12.2010.

Insbesondere bei den Protesten gegen Stuttgart 21 aber auch bei den Aktionen gegen den Castortransport oder das Gelöbnis kam es in den vergangenen Monaten zu Blockaden. Immer wieder behaupten Politiker blockieren sei rechtlich unzulässig und kein legitimes Mittel einer Demonstration. In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1995 stellt das Bundesverfassungsgericht klar fest, welche Blockaden dem Straftatbestand der „Nötigung“ entsprechen und welche durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt werden. Entscheidend hierbei ist, dass „[...] die Strafbarkeit einer derartigen Handlung von der Wahl bestimmter Nötigungsmittel abhängig gemacht [wird], nämlich Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel“ (Beschluss des Ersten Senats vom 10. Januar 1995).

Dennoch gibt es in Baden-Württemberg eine sogenannte Wegtragegebühr. Menschen die sich an einer Blockade beteiligen begehen dieser Regelung nach eine Ordnungswidrigkeit und müssen 40 Euro Strafe bezahlen.

Was tun zum Erhalt des Rechtes auf Versammlungsfreiheit? Darüber wollen wir auf der Veranstaltung der Piratenpartei Stuttgart diskutieren:

Zeit:14.12.2010 um 19:00

Ort: Altes Feuerwehrhaus, Stuttgart-Heslach (U-Bahnhaltestelle Schreiberstrasse U1/U14), Seiteneingang, Untere Klingel benutzen, falls Türe nicht offen, Raum 2, erstes Obergeschoss

Thema: Versammlungsfreiheit im Bezug auf Stuttgart 21

Referenten: Markus Spreitzer und Thomas Trüten, Sprecher des Stuttgarter Bündnisses für Versammlungsfreiheit

Flyer: 14.12.2010



Stuttgart: Solidaritätsveranstaltung "Oben bleiben"

Flyer
Stimmen desWiderstandes - für eine neue demokratische Kultur

Solidaritätsveranstaltung "Oben bleiben"
3. Dezember 2010, 20 Uhr, DGB-Haus
Stuttgart
Ein Fest von Allen für Alle - aus der Bewegung für die Bewegung. Es gibt Raum für eine vielfältige Ausgestaltung und Vernetzung. Wir wollen das Jahr mit Filmen und Fotos Revue passieren lassen.

Kabarett, Texte, Bilder, Plakate, Musik, Lieder, Essen und Trinken etc. sind erwünscht!
Bitte viel kreatives Material mitbringen!

Die griechische Gruppe OMEGA wird mit Liedern und Musik auf das Thema einstimmen.

Vorschläge, Ideen, Beiträge bitte rückmelden bei:
Gesellschaft Kultur des Friedens, Mehr Direkte Demokratie, email: info@kulturdesfriedens.de, tel.01727406310

Schlichtung ohne Urabstimmung? - Schleunigst nachholen!

Montagsdemo ein Tag vor dem Schlichterspruch Foto: Alex Schäfer
Geissler selbst war es, der auf den Ritualien einer gewerkschaftlichen Schlichtung von Anfang an bestand. Zum Beispiel, als er zu Beginn den Baustopp durchsetzte. Nur ganz am Ende vergaß er - tat so, als vergesse er - was zu einer Schlichtung auch gehört. Die Möglichkeit nämlich, den Schlichtungsvorschlag - um mehr kann es sich nicht handeln - einer Urabstimmung zu unterziehen. Zuzustimmen oder abzulehnen. Anschließend möglicherweise zu streiken.

Am Ende der aufschlussreichen Diskussionen nämlich, brach Geissler in die Knie und sprach nur eines heilig: Die schon geschaffenen Tatsachen. Vor allem das ausgegebene Geld und  die brutale Verweigerung der Mehrheit des gegenwärtigen Landtags, eine Volksabstimmung zuzulassen.  Vergessen dabei, dass bei der Rücknahme der Projekte Wackersdorf oder Kalkar oder beim kommentarlosen Einzug der Magnet-Eisenbahn  auf ganz erkleckliche Summen hatte verzichtet werden müssen.

Sabine Leidig aus Karlsruhe hat bei ihrem Diskussionsbeitrag im Bundestag am Mittwochabend  für die LINKE mit Recht pointiert, dass der gründlich aufgeklärte Mitbürger im Augenblick der Schlichtung wieder in den Stand des Mund- und Nase-aufsperrenden Fernsehzuschauers  zurückversetzt wurde. Stand dessen, der alles hinzunehmen, aber nichts zu entscheiden hat. Klar, dass sie und alle Kopfbahnhofanhängerinnen und - anhänger  das von Geissler Unterschlagene einklagten. Volksabstimmung!

Die Abgeordneten der CDU und der FDP im Bundestag taten in der gleichen Diskussion ganz unbefangen so, als hätten sie von Geissler einen Freifahrschein erhalten- für alle Sauereien, die sie von Anfang an im Kopf gehabt hatten. 

Die Lage hat sich verschlechtert
Dass die Lage sich für die Abrissgegner nicht verbessert hat, lässt sich kaum bestreiten. Gemäß der Inszenierung bei Plasberg am Mittwoch-Abend folgen wohl viele auch außerhalb der Beschwichtigungsrunde der Heiligsprechung des Schlichters. Und nehmen eine bloße Meinung als Gesetz hin. Unterwerfen sich dem Unvermeidlichen. Oder trösten sich mit der Hoffnung auf ein Scheitern der "Stress-Simulation". Bis sie auch bei dieser wieder erfahren, dass - wie bei den Banken - bei voller Identität des Prüflings und der Prüfer  das Ergebnis das bestätigen wird, was die vorlaute Frau Gönner schon vorher wusste: Stress-Test bestanden! Weitere Geleise überflüssig! ( Selbst diese schamlose Vorwegnahme einer erst noch anzustellenden Untersuchung und des Ergebnisses wurde von Geissler bei Plasberg  altersmilde akzeptiert. Dabei sollte gerade er als Kantianer wissen, dass genau das die Todsünde beim Forschen darstellt- das Rechenergebnis vor der Rechnung zu präsentieren.)

Klar, dass  der künftige Kampf der Abrissgegner sich um genau das anreichern muss, was bei Geissler fehlte: Es muss um das prinzipielle Recht auf Volksabstimmung gehen in einer alle berührenden Frage. Die verwerflichen Beispiele, die die Schweiz im letzten Jahr und in diesem mit der Abstimmung zur Ausschaffung lieferte, dürfen dabei nicht dauerhaft abschrecken. Was Brutalos festlegen, können vernünftiger Gewordene auch immer wieder korrigieren und zum Besseren wenden.

GRÜNE und SPD haben zwar halbherzig versprochen, Volksabstimmung einzuführen, wenn man sie nur in Regierungs-Höhe hieven würde. Nach den Erfahrungen in Hessen ist mit Sicherheit damit zu rechnen, dass die Gerichte eine Volksabstimmung verbieten werden. Es  muss - so hart sich das anhört  - dann an die Verfassungs selbst gehen. Verfassungsänderung nach den vorgesehenen Regeln.

Diese freilich setzt  einen langen Kampf in den dunkelsten Minen des westdeutschen Rechtsdenkens voraus. Denn schon 1949 entstand unter dem Beifall  eines Autokraten wie Adenauer - aber auch der westlichen Besatzungsmächte - die ziemlich einhellige Meinung, Volksabstimmungen würden unweigerlich zum Faschismus führen, weil angeblich Hitler über solche zur Macht gekommen sei. Vergessen dabei, dass die Nazis mit ihrer Massenagitation  gegen den Dawes - Plan und gegen die Fürstenenteignung gar nicht zum Zug gekommen waren. Und dass etwa die Volksabsstimmung  Herbst 1933 zum Austritt aus dem Völkerbund am schon bestehenden Schreckensregiment nichts geändert hatte. Eigentlich war auch die Angst vor den Faschisten nur vorgeschoben. Nach den Erfahrungen in Hessen mit Volksabstimmung und nachgeordneter Sonderabstimmung zu  sozialistischen Möglichkeiten  der Verfassungsgestaltung hatten gerade auch die Amis genug von Wallungen der verdächtigen Volksseele. Ab damals waren Plebiszite dann nicht nur faschistoid, sondern auch "populistisch". (Auch wenn es den Fachausdruck in dieser Bedeutung damals noch gar nicht gab. Wenn ich mich recht erinnere, war "rattenfängerisch" einzusetzen)

Seit der Zeit tropfte aus Lehrplänen , Büchern und Unterrichtshilfen der Schulämter Indoktrination pur. Volksabstimmung - viel zu gefährlich!

Und zum hundertsten Mal wurde die Idee totgeritten, bei einer Volksabstimmung wäre die Mehrheit für Todesstrafe gewiss. Symptomatisch für den allgemeinen Zustand: Weder das Grundgesetz noch der Anschluss der DDR ans allgemeine Deutschtum unterlagen je einer Volksabstimmung. Wen regte so etwas auf?

Es wird also ein harter und langer Kampf nötig sein, um über das Ornamentale im Stuttgarter Bahnhof hinauszukommen.  Behindertentreppen zum Abstieg in die Tiefe hätten sich vielleicht auch ohne Geissler durchsetzen lassen. Es wird vielmehr einen recht brutalen Willen zur Veränderung der ganzen gesetzlichen Grundlagen brauchen. Und zwar unabhängig davon, ob SPD und GRÜNE nach getaner Wahl bei der Stange bleiben.  So, wie sich die Vertreter der SPD bei der Diskussion am Mittwoch im Bundestag anstellten, ist gar nicht ausgeschlossen, dass sie sich von Mappus doch noch zur Füllung der letzten Lücken einkaufen lassen.

Ein günstiger Umstand lässt sich für weitere Demonstrationen immerhin ausrechnen: Vor den Wahlen wird auch ein Mappus davor zurückschrecken, etwas wie den Polizeiüberfall vom 30. 9. zu wiederholen.

Es muss sich im Verlauf der Auseinandersetzungen selbst die Erkenntnis verbreitern und vertiefen, dass Demokratie hinter Gittern nicht funktionieren kann. Hinter den Gittern von als unüberwindlich hingestellten Gesetzen. Auch wenn nicht alle, die sich das jetzt so denken, den Augenblick selbst noch erleben werden.


P.S.: Kultur als Totengräber: Bauzaun ins Mausoleum.
Die alten Ägypter nahmen riesige Kosten in Kauf, damit ihr Pharao magischerweise fortlebe, auch wenn er schon tot war. Kultur zusammen mit Religion sollte der dauernden Wirksamkeit dienen.

Inzwischen hat Kultur sich gewendet: Sie entzieht das eben Umstrittene jedem weiteren Streit. Ist etwas erst mal ins Mausoleum gewandert, haben alle zu staunen. Ruhet in Frieden. Streit war gestern. Heute herrscht Kontemplation. Debords Spektakel hält Einzug.

Es gibt Mitglieder der Geissler-Runde, die das einfach toll finden. Alles aufbewahrt, worum gestritten wurde. Wurde! Offenbar hat sich für die das Bahrtuch über die Erinnerung gelegt. Während zu Demos aufgerufen wird in diesem Jahr und darüber hinaus, soll für solche alles vergangen sein. Eingemacht. Im Glas mit Datenangabe. Früher als Marmor, heute im Archiv mit kleinen Erklärschildchen. "Erinnerungszettel einer Person, weiblich, 38 Jahre, nach ihrer Massakrierung durch Pfefferspray". (Mit Photo). Eintritt von 10-18 Uhr. Schulklassen mit Führung zu Sonderbedingungen.

So soll der zum Gespenst werden zu Lebzeiten, der jetzt noch die Stimme erhebt und sein Transparentlein schwenkt. Aber "Ein- dieses- Gespenst geht um in Europa"- wie Karl Marx schon wusste gegen alle Totengräber. Die zu seiner Zeit, die späteren und die immerbereiten. Die Schaufel wird ihnen aus den Händen fallen...

Kein Schönreden: Niederlage bei Schlichtungsfarce

"Die Gegner von »Stuttgart 21« wurden bei der von Heiner Geißler geleiteten Schlichtung über den Tisch gezogen. Dies wiegt besonders schwer, wenn sie es nicht erkennen

Das Ergebnis der letzten Runde der Schlichtung zu »Stuttgart 21« (»S21«) stellt eine schwere Niederlage für die Bewegung gegen dieses, die baden-württembergische Landeshauptstadt und den Bahnverkehr im Stuttgarter Raum zerstörende Großprojekt dar. Die Bahn AG, die CDU und die Landesregierung in Stuttgart sind die Sieger. Bahn-Chef Rüdiger Grube und Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) wußten, warum sie am Dienstag in der Schlichterrunde Präsenz zeigen konnten. In Verkennung der Realitäten versucht das Aktionsbündnis »K21« (für Kopfbahnhof 21) die Niederlage als einen Teilerfolg zu verkaufen. Die ersten Sätze der Erklärung des Aktionsbündnisses vom 30.11.2010 lauten: »Wir haben es geschafft zu beweisen, daß –ºK21–¹ im ganzen Land als die bessere Alternative erkennbar wurde. Unser Konzept ist leistungsfähiger, ökologischer und finanzierbar.« Warum bloß hat man dann dem Schlichterspruch, der eben nicht »K21«, sondern »S21« als Grundlage hat, weitgehend zugestimmt? (...)"


Weiterlesen im Artikel von Winfried Wolf in der heutigen Onlineausgabe der Tageszeitung "junge Welt"

Geisslers Ornamente - geflochten um die Gitterstäbe des Knasts

Geissler hat geboten und gegeben, was innerhalb des betonierten Systems des Rechts und der Verträge möglich war. Sein eines Argument für Stuttgart 21: Die Bahn hat schon viel gezahlt und ein Baurecht. "Vertrag ist Vertrag"

Sein anderes: Zumutbarkeit. Gegenüber der Bahn, versteht sich. Nachdem das Grundsätzliche geregelt war, gab es reichlich Schokolädle für die S21-Gegner. Sie waren aufgeschlossen, konnten zuhören und waren echte Bürger- als Mitdenker eines unveränderten Projekts.

Auflage an die Bahn: Zwei Gleise mehr. Auflage an die Stadt: Immobilien in eine Stiftung. Angebot an die Naturschützer: Bäume nur dann absägen, wenn schon todgenagt und erdgeneigt. (Allerdings Vorsicht vor Baumärzten, die die Stadtplanung zur Tod-Erklärung einsetzt). Ein schon der Benennung nach urkomischer Stress-Test der Bahn. Man erinnert sich freudig an den Banken-Stress-Test in ganz Europa. Fiel vor acht Wochen in Irland besonders toll aus. Was wurde da gemessen?

Geissler ist der geringste Vorwurf zu machen. Außer dem einen, sich als Darsteller im Zirkus des Unmöglichen verkauft zu haben. Innerhalb unanfechtbarer bürgerlicher Regeln und Gesetze ist mehr als Ornament unmöglich.

Bismarck hat seinerzeit das Muster geliefert. Nachdem er zwei Kriege gewonnen hatte, den Norddeutschen Bund gegründet und alles aus der Diskussion genommen, was den Bund gründen sollte, bat er 1867 nach dem Krieg gegen Österreich die Liberalen und das Zentrum im preußischen Parlament um "Indemnität". Das heißt um Vergebung seiner verfassungswidrigen Durchsetzung der Steuer- und Militärgesetze ohne Bewilligung durch die Mehrheit. Geändert wurde nichts. Die Liberalen schmunzelten geschmeichelt. Eine Abart des Rechtsstaats war gegründet. Leicht zu handhaben. Der zu erwartende Widerstand gegenüber weiteren Maßnahmen wurde durch das Sozialistengesetz vorbeugend bekämpft.

Die Analogie zur Auswerfung Uneinsichtiger und Widerspenstiger zeichnet sich schon ab. Der Kommentator des Senders PHOENIX meinte am Ende in aller Unschuld, Fundamentalisten gäbe es ja immer - und die seien nicht einzufangen. Vom "Fundamentalisten" zum "Terroristen" ein kurzer Denkweg. Für die Polizei leicht zu beschreiten. Aber nicht nur für sie. Ministerpräsident Mappus wird die quälende Schmunzelgrimasse schneller wieder los als erwartet.Dann haben die restlichen Unzufriedenen, die noch demonstrieren, nicht mehr viel zu lachen.

Immerhin ein Verdienst hat Geissler. Er hat allen, die an grundsätzliche Änderungen denken, eines gezeigt: Veränderungen, die die Grundfesten der Rechtsordnung nicht angreifen, bleiben immer nur ornamental.

Die wirklich brutalen Umstürzungen versprochenen Rechts bleiben bei uns immer den Herrschenden und Oberen vorbehalten.Wenn die Verträge gebrochen werden, die das Atomrecht begründeten,soll das gar nicht wahrgenommen werden. Auf keinen Fall dürfen sie als Grundsatzproblem gesehen werden. Vor diesem Problem werden sich vor allem die GRÜNEN vorfinden. Bis jetzt nahmen sie mit einem verschämten "besser
als nix"
zufrieden am Katzentisch Platz. Der wird ihnen gewaltsam entzogen werden, wenn sie nicht endlich aufstehen und jenes "mehr" verlangen, das einst Oliver Twist im Waisenhaus forderte.

Kurz vom dem Verhungern trat er mit der leeren Schüssel an den Herrentisch- und wurde als hoffnungsloser Widerling erkannt und ausgeschafft.

Argumente gegen die Tieferlegung

Stuttgart 21 - oder: Wem gehört die Stadt
Kurz vor der Verkündung von Heiner Geißlers Schlichterspruch erschien im Kölner PapyRossa-Verlag das Buch "Stuttgart 21 - oder: Wem gehört die Stadt". Der Sammelband, herausgegebenen von Volker Lösch, Gangolf Stocker, Sabine Leidig und Winfried Wolf, widmet sich dem milliardenschweren Immobilienprojekt mit tiefergelegtem Bahnhof, hinterfragt es kritisch und zeigt Alternativen auf.

Im Vorwort erklärt der Schauspieler Walter Sittler, worum es bei dem Protest geht: Es soll „der Wille und die Interessen der Bevölkerung, des Souveräns, die von unseren gewählten Vertretern eigentlich geschützt werden sollten, wieder ins Recht gesetzt werden.“ Das Buch wolle den Protest aus verschiedenen Blickrichtungen beleuchten und soll unter anderem auch helfen, ihn besser zu verstehen.

„Lügenpack, Lügenpack“ schallt es durch die Stuttgarter Straßen, wenn die S21-Gegner demonstrieren. Winfried Wolf, ein ausgewiesener Bahnexperte, der in den neunziger Jahren verkehrspolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion war, und bei „Bürgerbahn statt Börsenwahn“ und „Bahn für alle“ aktiv ist, beschäftigt sich in seinem Beitrag mit sieben Lügen der Projektbefürworter. Detailliert erklärt er, warum Stuttgart 21 weniger leistungsfähiger ist als der optimierte Kopfbahnhof, sich die Neubaustrecke Stuttgart - Ulm nicht rechnen und das Projekt eben kein „grünes“, ökologisch sinnvolles, Projekt ist.

Dass sich an dem Projekt eben nicht nur die gern von den Medien präsentierten wohlsituierten Bürger beteiligen, zeigt das Interview des junge Welt-Journalisten Daniel Behruzi mit drei Aktivisten der Jugendoffensive gegen Stuttgart 21. Diese organisierte auch den Schulstreik gegen das Projekt am 30. September, der in einem brutalen Polizeieinsatz endete. Mehrere hunderte Menschen wurden verletzt. Polizei und Landespolitikern versuchten gleich, den Protestierern den schwarzen Peter zuzuschieben. Damit scheiterten sie jedoch auch dank der offensichtlichen Beweise, die über die Bildschirme der Republik flimmerten. Auf die Frage, welche Wirkung die Erlebnisse auf sie und ihre Mitschüler gehabt hätten, antwortet Florian, dass er denke, solche Erfahrungen würden Menschen extrem politisieren. An diesem Tag habe sich gezeigt, dass es die Aufgabe der Polizei sei, gefällte politische Entscheidungen auch gegen den Willen und das Interesse der Bevölkerung durchzuboxen.

Egon Hopfenzitz weiss, was der Stuttgarter Kopfbahnhof leisten kann. Der Bundesbahn-Oberrat a.D. leitete 14 Jahre den Hauptbahnhof der Landeshauptstadt und beschreibt an Hand von Zahlen, dass der Kopfbahnhof nicht nur leistungsfähiger ist, sondern auch im Zukunft noch ausbaubar. Mit einem tiefergelegten Durchgangsbahnhof sei eine Erweitung nicht machbar.

In den neunziger Jahren war Stuttgart 21 keine einzigartige Idee. Überall wollte die Bahn 21er-Projekte durchsetzen, so zum Beispiel in München oder Frankfurt am Main. Auch in der Bankenmetropole gab es die Idee, den Bahnhof unter die Erde zu legen und 90 Grad zu drehen. Wie hier die Bürgerinitiative Frankfurt 22 die Tieferlegung verhinderte, berichtet der Autor und Regisseur Klaus Gietinger.

Am Ende des Buches setzt sich Winfried Wolf mit der Bahnprivatisierung auseinander, die 1993 mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen verabschiedet worden war. Durch einen Trick sei es der Bahn gelungen, dass nicht mehr bahnbetriebsnotwendiges Gelände im Eigentum der Bahn bleiben konnte. Diese konnte die privatisierte Bahn verkaufen und so mit den Milliarden ihre Bilanzen aufhübschen.

Abgerundet wird der faktenreiche Sammelband mit einer Chronologie des Projektes, der Ausschnitten aus Bundestagsreden vom September und Oktober 2010 und einer Linksammlung.
Das Buch ist verständlich geschrieben und stellt die Positionen der S21-Gegner und ihre Kritik an dem Megaprojekt dar und ist somit ein gelungenes Agitationsmittel.

Der für Dienstag erwartete Schlichterspruch wird keine Einigung bringen. Es kann keinen Kompromiss zwischen oben und unten geben. Der Kampf um den Erhalt des Kopfbahnhofes wird noch etwas andauern, das Buch liefert die Argumente ihn fortzusetzen und auszuweiten. Die Milliarden gehören nicht verbuddelt sondern investiert in eine soziale Infrastruktur, Bildung, Kultur, ...

Volker Lösch/Gangolf Stocker/Sabine Leidig/Winfried Wolf (Hg.): Stuttgart 21 –“ Oder: Wem gehört die Stadt, PapyRossa-Verlag, 200 Seiten, 10,00 Euro, ISBN 978-3-89438-450-0

Inhaltsverzeichnis [pdf]
Autorinnen und Autoren [pdf]

Wir bleiben auf der Strasse! Weg mit Stuttgart 21!

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Auch am kommenden Samstag findet eine Demontration gegen Stuttgart 21 statt. Zu der Demo ruft die AG Demonstration der Aktionskonferenz gegen S21 auf:

"Nur die massiven Demos haben zu den Gesprächen geführt. Aber diese Gespräche werden von der Gegenseite genutzt, um aus dem Druck herauszukommen und ihrerseits Druck aufzubauen. Sie wollen, dass Ruhe einkehrt, sie steigern die Hetze in den Medien, sie greifen die Parkbesetzung an.

In den Schlichtungsgesprächen haben die guten Argumente von unserer Seite überwogen. Aber der Gegenseite, den Baulöwen, den Banken und ihren Politikern geht es nicht um Vernunft oder ein gutes Verkehrssystem. Es geht um ihre Interessen, also Macht und Geld.

Dagegen müssen weiter unsere einzige Gegenmacht stellen: Widerstand auf der Straße, im Park, in der ganzen Stadt!

Demonstration am 27.11. 2010 um 14.00 auf der Schillerstr.

Auftaktkundgebung mit :
  • RednerInnen aus dem Widerstand!
  • der ParkbewohnerInnen
  • von Bezugsgruppen
  • für Volksabstimmung
Musik aus dem Widerstand

Demonstration 15.00 Uhr

Ende gegen 17.00 im Schlossgarten zum Advent Resist
V.i.S.d.P.: Matthias Fritz, Gehrenwaldstr. 58, 70327 Stutgart"

Stuttgart 21: Dritte Aktionskonferenz

Am Donnerstag 2.12.2010 18 Uhr findet die 3. Aktionskonferenz des Widerstands gegen Stuttgart 21 im DGB- Haus, Willy - Bleicher- Str. 20 Stuttgart –“ Mitte statt.

Themen:

• Bewertung der Schlichtungsgespräche
• Perspektive des Widerstands nach Ende der Schlichtung

Ablauf:


• kurze Referate zur Bewertung der Schlichtungsgespräche
• Diskussion in Kleingruppen
• Rückmeldungen ins Plenum
• Vorstellungen von Aktionsgruppen
• Austausch mit den Aktionsgruppen

Wer seine Aktionsgruppe auf der Aktionskonferenz vorstellen will sollte dies beim Vorbereitungsteam per Mail anmelden.
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