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"Die Bundesrepublik Deutschland hat weltweit das rückständigste und restriktivste Streikrecht."

"Die Bundesrepublik Deutschland hat weltweit das rückständigste und restriktivste Streikrecht. Das Streikrecht in Deutschland ist lediglich Richterrecht. Im Grundgesetz (GG) findet sich außer der Koalitionsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 kein konkreter Hinweis. Daraus ist keinesfalls abzuleiten, dass dieses Recht nicht vorhanden ist oder irgendeiner Einschränkung unterliegt. In sieben Bundesländern ist das Streikrecht in den Landesverfassungen verankert.

In den allermeisten Staaten ist das Recht auf Streik durch die Verfassungen und/oder durch Gesetze garantiert und geregelt. In einigen Ländern haben Gewerkschaften dieses Recht durch Tarifverträge zusätzlich abgesichert und zum Teil noch über den Verfassungs- und/oder Gesetzesstatus hinaus verbessert.

Im Jahr 2010 war in der Bundesrepublik Deutschland lediglich nur in einem einzigen Tarifvertrag eine Regelung enthalten, die das Streikrecht ausgeweitet hat. In allen weiteren registrierten 73.958 Tarifverträgen finden sich keine Regelungen zum Streikrecht.

Neben der Schweiz und Japan ist Deutschland bei Arbeitskämpfen, die auf den Abschluss von tariflichen Regelungen abzielen, der streikärmste Staat. Auch bei sonstigen Streikformen und deren Häufigkeit gehört Deutschland zu den Schlusslichtern.

Von den 27 Staaten der Europäischen Union ist der politische Streik nur in England, Österreich und Deutschland illegalisiert. Ein Verbot ist indes nirgendwo festgeschrieben. Auch mit den Illegalisierungen von Beamtenstreiks, wilden Streiks, Blockaden, Boykotts, dem Streikverbot durch die christlichen Kirchen, der Einengung von Streikmöglichkeiten nur auf tarifvertraglich regelbare Ziele und den Einschränkungen bei Sympathiestreiks, sind Defizite in unserer politischen und wirtschaftlichen Demokratie verankert.

Diese Illegalisierungen, Einengungen, Einschränkungen und Verbote stehen im krassen Widerspruch zu dem Art. 23 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, den Übereinkommen 87 und 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), dem Artikel 6 Abs. 4 der Europäischen (Menschenrechts- und) Sozialcharta.

Insbesondere das Verbot aller Streiks, die nicht auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind, bildet eine schwere Verletzung dieser Bestimmungen. Diese Verbote bedrohen unsere Demokratie, da sie als schwere Menschenrechtsverletzung zu qualifizieren sind.

Die Europäische Sozialcharta (ESC) beispielsweise, wurde 1965 für die Bundesrepublik Deutschland verbindlich und stellt einen völkerrechtlichen Vertrag dar, der unter anderem die Gewährung von Arbeitskampffreiheit thematisiert. Nach Art. 6 Ziff. 4 ESC ist es „das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechts im Falle von Interessenkonflikten“. Die ESC ist eine von Deutschland eingegangene Verpflichtung, an der die Gerichte ebenso gebunden sind wie der Gesetzgeber, der die in der ESC eingegangenen Verpflichtungen in innerstaatliches Recht umzusetzen hat.

Die Arbeitgeberverbände, einzelne Arbeitgeber und wesentliche Teile der Politik  versuchen mit unterschiedlichen Maßnahmen die wenigen Streikrechte immer weiter einzuschränken und zurück zu drängen. Große Teile der Massenmedien berichten meist tendenziell gegen Streikmaßnahmen.

Die Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland haben seit den 50er Jahren zu geringe Anstrengungen unternommen das Streikrecht oder weitere Kampfformen auszuweiten, oder zu verbessern. Meistens wurden die wenigen bestehenden Rechte eher verteidigt." (...)

Mehr zum "Wiesbadener Appell - für ein umfassendes Streikrecht"

Landgericht Karlsruhe verhandelt über Demonstrationsfreiheit Kampagne 19. Mai ruft zu Kundgebung auf

Kampagnenflyer
Nach der bundesweiten Demonstration am 19. Mai 2007 in Karlsruhe, die anlässlich von Repressionen gegen Kritiker des G8-Gipfels in Heiligendamm stattfand, erhielt der Anmelder einen Strafbefehl über 4800 Euro. Er soll nicht ausreichend für die Durchsetzung der Auflagen gesorgt haben. Zum Verfahren kommende Woche erschien eine Pressemitteilung der Kampagne 19. Mai:

Am kommenden Dienstag, 6.3.2012 muss sich der Anmelder einer Demonstration am 19. Mai 2007 in zweiter Instanz vor dem Karlsruher Landgericht verantworten. Während der Demonstration gegen Razzien bei Gegnern des G8-Gipfels 2007 sollen einzelne Teilnehmer gegen Auflagen verstoßen haben. In dem Prozess wird die Frage verhandelt, ob der Anmelder wegen diesen Vorwürfen bestraft werden kann. Ihm selbst wird kein Vergehen zur Last gelegt.

In erster Instanz hatte das Amtsgericht Karlsruhe den Angeklagten im Juni 2008 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Begründet wurde das Urteil mit einer vermeintlichen Untätigkeit des Angeklagten. Seine Verteidigung hatte Freispruch beantragt, weil eine "stellvertretende" Verurteilung nicht zulässig ist und legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein.

Der Anwalt des Angeklagten Martin Heiming sieht in der Verurteilung nach dem fragwürdigen Prinzip "Einer haftet für Andere" eine Einschränkung der Demonstrationsfreiheit. Sollte sich das Urteil bestätigen, wird es in Zukunft unmöglich sein, eine Demonstration anzumelden und durchzuführen, ohne mit einer Strafverfolgung rechnen zu müssen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Verfahrens für die Versammlungsfreiheit wird das "Komitee für Grundrechte und Demokratie" durch persönliche Anwesenheit von Elke Steven den Prozess begleiten.

Der Prozess vor dem Landgericht ist auf zwei Prozesstage angesetzt. Für den ersten Verhandlungstag am 6. März ruft die "Kampagne 19. Mai" ab 8:30 Uhr unter dem Motto "Demonstrationen gehören den Demonstranten" zu einer Kundgebung vor dem Landgericht auf. Der zweite Verhandlungstag findet am 15. März, 9 Uhr statt.

Demo-Anmelder-Prozess
Landgericht Karlsruhe
Hans-Thoma-Str. 7, Saal 126, 1. OG
6. März 2012, 8:30 Uhr

Update: Heute Vormittag (5.3.2012) wurde der für morgen angesetzte Prozesstermin schon wieder kurzfristig abgesagt. Das Landgericht Karlsruhe teilte diesmal als Grund eine Erkrankung des zuständigen Richters mit. Damit fallen beide Termine (6.3. und 15.3.) aus. Ein neuer Termin wurde nicht genannt.

Weitere Informationen und Hintergründe zum Prozess



Streik am Flughafen: Sündenfall gegen das Grundgesetz

Wir alle genießen volles Streikrecht! Natürlich nur, wenn es gelungen ist, mit Fleisch, Blut und voller Arbeitskraft einen Käufer zu finden. Dann müssen wir noch auf einige Regeln achten. Nicht wie Italienische oder gar griechische Arbeiterinnen und Arbeiter angeblich einfach loslegen - von Dienstag auf Mittwoch! Sondern nach Recht und Gesetz. Die sind manchmal so kompliziert, dass sogar die richterlichen Pressestellen sich über die Gründe eines Verbots nicht sicher sind. Das Gericht, das schließlich den Streik einer kleinen Gewerkschaft am FRAPORT Frankfurt ganz verboten hatte, musste das - tränenblind! - tun, nicht etwa wegen "Unverhältnismäßigkeit", wie es den ganzen Tag televisionär geheißen hatte: "Zur Verhältnismäßigkeit des Streiks äußerte sich das Gericht nicht".

Mit anderen Worten: die genaue Begründung im Einzelfall interessierte niemand. Es ging wieder einmal um das Tiefste der Bundesrepublik: die Sozialadäquanz. Kaum war in den fünfziger Jahren ein Bundesarbeitsgericht entstanden, wurde dieses als Prinzip ausgegeben. Der erste Präsident - Nipperdey - der sich unter dem "Führer" schon tief und eingreifend zur Gefolgschaftsbindung der Arbeiterschaft im Betrieb geäußert hatte, gab dem gleichen Prinzip seinen heutigen flotter klingenden Namen. (Nipperdey Die Pflicht des Gefolgsmannes zur Arbeitsleistung, in: Deutsches Arbeitsrecht 1938)

Wie sich herausstellte, redete gestern und vorgestern kaum ein kommentierendes Wesen über die Gründe des Verbots. Viele aber mit aufgeblasenen Backen von seiner Wünschbarkeit. Von der bekennenden Kapitalistenseite war nichts anderes zu erwarten. Unerwartet offenherzig aber auch unsere Arbeitsministerin, nach Merkel bekanntlich eine der griffgenauesten Umarmerinnen der Arbeiterklasse.

"Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat einen «Rahmen» gefordert, mit dem die Macht kleiner Gewerkschaften beschränkt werden kann. «Ich glaube das ist nötig», sagte sie im ARD-«Morgenmagazin» mit Blick auf den Streik am Flughafen in Frankfurt am Main. Bislang habe es das Einverständnis in Deutschland gegeben, dass in einem Betrieb immer nur ein Tarifvertrag gelte. Dies habe in der Vergangenheit gut funktioniert.

«Wenn jetzt aber dieses Frankfurter Beispiel Schule macht, dass eine ganz kleine Gewerkschaft nicht nur einen Betrieb lahmlegen kann, sondern auch massive volkswirtschaftliche, auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen hat, dann glaube, dann müssen wir neu nachdenken», sagte von der Leyen. Die Politik müsse deshalb «Regeln aufstellen». Diese sollten Verhandlungen kleiner Gewerkschaften erlauben, es müsse aber Bedingung werden, «dass zum Schluss auch eine Lösung herauskommt, die der Mehrheit nutzt.» Zugleich müsse dabei der Minderheitenschutz für kleine Gewerkschaften garantiert bleiben." (Flughafen-Streik: Ein Lernprozess)

Das alles natürlich nur Auftakt zu den großen Niederwalzungen, die mit den Auseinandersetzungen im ganzen öffentlichen Dienst und bei der IG Metall beabsichtigt werden. Die Aussichten für das Kapital stehen nicht schlecht. Zu öffentlichem Schreck und Abscheu werden die ungeheuren Streiks in Griechenland vorgeführt, die doch die Massenlage nicht wesentlich verbessern konnten. Also doch lieber den Hals einziehen und wieder Zuflucht suchen unter dem Schutzschild des heimischen Monopols - so lange das eben hält! Kann das aber unendlich durchhalten? Oder wird die Taktik des Katastrophenaufschubs von Merkel und Sarkozy nicht doch einmal schneller an ihr unvermeidliches Ende geraten als manche der Leitenden uns vormachen - und als viele Ausgelieferte es glauben .

Stuttgart: Antirepressionsdemo zum 18.03. - dem Tag der politischen Gefangenen

Der 18. März als Kampftag für die Freilassung aller politischen Gefangenen knüpft an die Tradition der ArbeiterInnenbewegung an. Der 18. März 1848 steht für die Kämpfe des neu entstandenen Proletariats gegen die alten Herrscher und auch die neu entstandene Bourgeoisie. Am 18. März 1871 übernahm die Nationalgarde in Paris die Macht und läutet somit den Beginn der Pariser Commune ein. Beide Versuche, sich von den Fesseln der Herrschaft zu befreien, werden brutal niedergeschlagen. So kostete die Rache der französischen Bourgeoisie 25000 Menschen das Leben, 3000 starben in den Knästen, 13700 wurden verurteilt, die meisten zu lebenslänglichen Strafen. Dieser Tag wurde zuerst Tag der Pariser Kommune genannt.

1922 wurde auf dem IV. Weltkongress der kommunistischen Internationale die Internationale Rote Hilfe (IRH) gegründet und u. a. die Durchführung eines internationalen Tages der politischen Gefangenen beschlossen, der am 18. März 1923 erstmals ausgerufen werden konnte. Mit diesem Tag sollte vor allem das Bewusstsein und die Solidarität für die Lage der politischen Gefangenen weltweit erzeugt und verankert werden und auf diese Weise auch praktisch zum Ausdruck kommen.

Seitdem 1996 Libertad! und andere Initiativen sowie die Rote Hilfe e.V. wieder einen Tag für die Freiheit der politischen Gefangenen und gegen Repression und staatliche Unterdrückung initiierten, finden jedes Jahr bundesweit vielfältige Aktionen, Veranstaltungen und Demonstrationen zum Thema statt.

Für Stuttgart gibt es einen Aufruf zu einer Demonstration:

Demoplakat für Stuttgart
Linke Politik verteidigen! Weg mit den §129, 129a/b!
Das Jahr 2011, ein Jahr der Revolutionen und revolutionären Prozesse. Weltweit steigen die Proteste gegen den Kapitalismus und die bestehenden Klassenverhältnisse. Sei es in Frankreich, England, Irland, Spanien, Griechenland, Italien, sei es im Nahen Osten, in Kurdistan oder in vielen Ländern Nordafrikas. Eins haben diese Proteste gemeinsam: es ist der Kampf der Unterdrückten, der ausgebeuteten Arbeitermassen und Jugendlichen gegen die Missstände des Kapitalismus. Aber immer dann, wenn Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse anwächst, die Unzufriedenheit der tagtäglichen Ausbeutung auf die Straße getragen wird greifen die Herrschenden verstärkt zu Repression, um AktivistInnen abzuschrecken und revolutionäre bzw. fortschrittliche Ansätze bereits frühzeitig zu zerschlagen. Dass sich die Repression also gerade jetzt – in Zeiten der Krise – verschärft ist weniger überraschend, als vielmehr im kapitalistischen System als Basis angelegt.

Die Möglichkeiten der Behörden sind dabei vielfältig: Vor allem jedoch die „Antiterrorgesetze“ werden mehr und mehr eingesetzt, um gegen linke Bewegungen oder Organisationen in aller Härte vorzugehen.

Anhand von drei aktuellen Fallbeispiele möchten wir einen Ausschnitt der Bandbreite der Repression in der BRD aufzeigen, der eine neue Qualität der Repression anzeigt: Mit Hilfe der „Antiterrorgesetze“ §129, §129a und §129b soll der legitime Kampf gegen Faschismus, Ausbeutung und Unterdrückung nicht nur deligitimiert, sondern zerschlagen werden – sei es durch Prozesse gegen aktuell kämpfende Gruppen oder – wie im Fall der RZ – gegen bereits aufgelöste Gruppen, um dadurch diesen Teil der Geschichte für sich vereinnahmen zu können.

§129 Verfahren gegen AntifaschistInnen

44 AntifaschistInnen aus Sachsen sind momentan in einem Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§129) angeklagt. Vorgeworfen wird ihnen, dass sie im Zeitraum zwischen 2010 und 2011 militant und organisiert gegen Nazis vorgegangen seien – unter anderem im Vorfeld des jährlich stattfindenden Naziaufmarschs in Dresden.

An dem §129 Verfahren in Dresden zeigt sich gerade im Kontext der großangelegten Funkzellenauswertung während des Naziaufmarschs, den Hausdurchsuchungen in Sachsen, Stuttgart und Berlin und der sich verschärfenden Repression gegen AntifaschistInnen der Wille des Staates antifaschistischen Widerstand zu kriminalisieren mehr als deutlich. Mit dem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung wird damit die Aktion auf der Straße zum Organisationsdelikt stilisiert, um somit umfangreiche Ermittlungsbefugnisse zu erlangen und mit hohen Urteilen ein Exempel zu statuieren.

§129a Verfahren gegen ehemalige Militante der Revolutionären Zellen

Sonja Suder und Christian Gauger wird vorgeworfen Mitglieder der Revolutionären Zellen (RZ) gewesen und an Aktionen der RZ gegen den Rüstungskonzern MAN, gegen das Heidelberger Schloss und im Fall von Sonja an der OPEC-Aktion beteiligt gewesen zu sein.

1978 gingen die beiden, nachdem in Folge der Großrazzien Ende der 70er Jahren nach ihnen gefahndet wurde, ins Exil. Mitte September 2011 wurden Sonja Suder und Christian Gauger von Frankreich nach Deutschland ausgeliefert. Sonja sitzt als 79-jährige Frau seither in U-Haft in Frankfurt. Christian wurde wegen seiner stark angeschlagenen gesundheitlichen Situation nach einigen Wochen in U-Haft gegen Auflagen entlassen.
Momentan wird entschieden ob ein Prozess wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ (§129a) gegen sie eröffnet wird.

An diesem Fall, wie auch am Fall der Zeugenvorladungen ehemaliger Militanter der RAF im Prozess wegen der Tötung von dem damaligen Generalbundesanwalt Buback im April ’77 durch ein RAF Kommando, zeigt sich der ungebrochene Wille des Staates auch die Geschichte des bewaffneten Kampfes an sich zu reissen, zu entpolitisieren und in ihrem Sinne umzudeuten.

Die Anwendung der Antiterrorgesetze in der Türkei

Seit dem 11.09.2001 wurden auf der Welt 35.000 Menschen wegen Terrorverdachts verurteilt. 12.000 Verurteilungen haben allein nur in der Türkei stattgefunden. Momentan sind in der Türkei 7.000 Personen inhaftiert, 6 davon sind Abgeordnete des türkischen Parlamentes, 35 Journalisten, über 600 StudentInnen, zahlreiche Bürgermeister, SchriftstellerInnen und linke AktivistInnen wie z.b von der BDP oder ESP.
Mit den Antiterrorgesetzen wird die revolutionäre Bewegung in der Türkei und ebenso auf der Welt angegriffen um die unvermeidlichen Aufstände auf der Welt zu bekämpfen und oppositionelle Bewegungen niederzuschlagen. Gleichzeitig sind sie Ausdruck der internationalen Zusammenarbeit der Repressionsbehörden und Regierungen bei der Bekämpfung von Aufständen.


§129b-Prozesse gegen türkische und kurdische Linke

Bereits seit März 2008 stehen in regelmäßigen Abständen türkische Linke vor Gericht, denen die „Bildung oder Mitgliedschaft in einer ausländisch terroristischen Vereinigung“ (§129b) vorgeworfen wird. Die AktivistInnen werden gleichzeitig auch mit Hilfe des §129a angeklagt. In 5 Prozessen wurden insgesamt 11 politische AktivistInnen der Prozess gemacht. Allen wurde vorgeworfen Mitglieder in der verbotenen, in der Türkei kämpfenden DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) zu sein. Die Urteile in den abgeschlossenen Prozessen erstreckten sich von 2 Monaten und 11 Monate bis zu lebenslänglich. Ein Prozess läuft momentan noch und ein weiterer Prozess gegen eine Frau, der ebenfalls die Mitgliedschaft in der DHKP-C vorgeworfen wird, ist in Vorbereitung.

Darüber hinaus wird seit Oktober 2010 auch die kurdische Arbeiterpartei (PKK) mit Hilfe des §129b verfolgt, was nichts anderes als die Verschärfung der Repression gegen kurdische Strukturen bedeutet.
Bereits jetzt gab es mindestens 4 Verhaftungen von kurdischen AktivistInnen mit Hilfe des §129b und seit August 2011 läuft in Frankfurt ein Prozess gegen einen kurdischen Aktivisten.

Der §129b ist dabei die deutsche Ausformung der europaweit durchgesetzten „Antiterrorgesetzgebung“, die mit Hilfe von „Antiterrorlisten“ versuchen die Betätigung von revolutionären, fortschrittlichen Strukturen in der EU zu verhindern. Konkret bedeutet das, dass AktivistInnen im Exil verfolgt und kriminalisiert werden, um einerseits die privilegierte (Wirtschafts-)Partnerschaft zur Türkei zu manifestieren aber vor allem um sich mit Hilfe des §129b ein neues Mittel zur Bekämpfung von Aufständen zu schaffen und zu etablieren.

Unsere Solidarität gegen ihre Repression

An diesen drei Beispielen werden nicht nur die Möglichkeiten der Herrschenden deutlich gegen fortschrittliche/revolutionäre Ansätze vorzugehen, sondern vor allem zeigt sich daran, dass jegliche Form des Widerstands mit Repression beantwortet werden soll – sei es mit Hilfe der Antiterrorgesetzen unmittelbar als Antwort auf (erfolgreiche) Aktionen und Aktivitäten oder auch mehrere Jahrzehnte danach.

Für uns ist klar: Terrorist ist der der verhungern lässt, bombardiert und verhaftet! Und nicht diejenigen, die in jeder Konsequenz für eine klassenlose Gesellschaft, für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen.

Wir möchten den 18.03. – den Tag der politischen Gefangenen – dafür nutzen über diese Fälle zu informieren, Solidarität aufzubauen und ein Zeichen zu setzen, um gemeinsam gegen diese Angriffe vorzugehen.

Gerade angesichts der sich verschärfenden internationalen Repression gilt es zusammen gegen Repression, Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen und auch gemeinsam für diejnigejn auf die Straße zu gehen, die eingesperrt und isoliert worden sind.

Linke Politik verteidigen! Weg mit den §§129, 129a/b!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!


Demonstration anlässlich des Tags der politischen Gefangenen:
Linke Politik verteidigen! Weg mit den §§129, 129a/b!


Samstag, 17.03.2012 || 14 Uhr
Schlossplatz, Stuttgart


www.linkepolitikverteidigen.tk


Netzwerk Freiheit für alle politischen Gefangenen Stuttgart
Young Struggle
Zusammen Kämpfen [Stuttgart]

Prozessbericht zur Berufungsverhandlung gegen den Stuttgarter Antifaschisten Chris

Foto: Solikreis
Am heutigen Mittwoch, dem 29. Februar, fand vor dem Stuttgarter Landgericht die Berufungsverhandlung im Verfahren gegen den Antirassisten Chris statt. Der ursprünglich auf drei Termine angesetzte Prozess endete mit einem Vergleich zwischen Anklage und Verteidigung. Die Haftstrafe wurde letztlich um vier Monate auf ein Jahr und drei Monate erhöht und im Gegenzug zur Bewährung ausgesetzt.

Kundgebung vor dem Landgericht
Wie bereits bei den vorherigen Prozessen wurde auch dieses Mal auf eine Kundgebung vor dem Prozess hin mobilisiert. Diese fand ab acht Uhr in der Urbanstraße statt. Anwesend waren ca. 30 Personen, die sich mit Chris solidarisch zeigten und durch Parolen, Transpis, etc. den wahren Charakter des Prozesses und der Klassenjustiz entlarven wollten.

Es gab verschiedene Reden, u.a. von der Ver.di Jugend, vom Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschafter, der MLPD und uns als Solikreis. Außerdem gab es einen Infotisch mit Materialien zum Prozess, Solishirts und Pullis, die im Voraus für die Verhandlung gemacht wurden.

Prozessverlauf
Aufgrund der peniblen Kontrollen vor dem Gerichtssaal konnte die Gerichtsverhandlung erst mit 15 minütiger Verspätung, mit der Feststellung der Personalien des Angeklagten, beginnen. Anschließend wurde das Urteil des Amtsgerichts auszugsweise verlesen. Der vorsitzende Richter Helwerth stellte anschließend die Position des Gerichtes dar: „Ich teile die Rechtsauffassung ihres Verteidigers, nach aktuellem Wissensstand, nicht“ und stellte klar, dass nach seiner Ansicht das „Urteil des Amtsgerichtes nicht nach einem Freispruch schreit“. Nachdrücklich wirkte er auf eine Einigung hin und betonte in Richtung Verteidigung, dass es „manchmal auch auf Schadensbegrenzung“ ankomme.

Bereits nach 15 Minuten wurde die Verhandlung unterbrochen, damit Staatsanwaltschaft und Verteidigung sich absprechen können.

Gegen 10 Uhr schloss sich der Richter den Gesprächen über eine mögliche Verständigung an. Knapp 45 Minuten später wurde die Verhandlung fortgesetzt. Richter Helwerth fasste die Ergebnisse zusammen, dass man zu dem Ergebnis kam, dass die Verteidigung ihre Berufung auf die Rechtsfolgen beschränkt und im Gegenzug die Staatsanwaltschaft einer Aussetzung zur Bewährung zustimmt.

Im Anschluss wurde Chris zu seiner Person befragt und der Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen. Aufgrund von Erheiterung im Publikum, stellte Richter Helwerth klar, dass er in dieser Hinsicht „vielleicht ein alter, repressiver Sack“ sei und forderte die Prozessbeobachter auf, sich ruhig zu verhalten.

Plädoyers
In seinem Plädoyer stellte Staatsanwalt Dr. Friedrich klar, dass man seiner Ansicht nach „den moralischen Zeigefinger nicht zu einer Faust“ machen dürfe und betonte: „Wir haben hier einen politisch engagierten Menschen (…), dessen Engagement strafrechtlich nicht zulässig ist“.

Neben einer Bestrafung im Rahmen des vereinbarten Strafrahmens, regte er für die Bewährungsauflagen an, „dass das Gericht sich Gedanken macht, wie der Kontakt zu bestimmten Gruppierungen untersagt“ werden könne. Dies begründete er damit, dass sein angeblich gewalttätiges Verhalten durch sein politisches Umfeld bedingt sei.

Der Verteidiger des Angeklagten hielt sich in seinem Plädoyer eher kurz und verwies darauf, während der Verständigungsgespräche bereits seinen Standpunkt dargelegt zu haben und dies zu Protokoll gegeben zu haben. Er sprach sich jedoch gegen ein politisches Betätigungsverbot aus und betonte, dass dies willkürlich sei und auch „nicht realisierbar wäre“.

Urteil
Nach einer 30 minütigen Unterbrechung verkündete das Gericht um 12 Uhr das Urteil: „1 Jahr und 3 Monate auf Bewährung.“ Diese wurden auf drei Jahre Bewährungszeit festgelegt. Zusätzlich wurden 150 Stunden gemeinnützige Arbeit, ein Antiaggressionstraining sowie das Verbot sich an „gewalttätigen Aktionen der Antifaschistischen Aktion oder ähnlichem zu beteiligen oder diese zu planen“ auferlegt. Desweiteren wurde ihm aufgetragen, sich von Demonstrationen, die sich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zu entwickeln drohen, sofort zu entfernen.

Der Richter betonte während der Urteilsbegründung ebenfalls, dass man lernen müsse, dass die Polizei nicht immer gleich der Feind sei, „zumindest nicht der wahre Feind“. Außerdem konnte er nicht davon absehen, über die Charaktereigenschaften des Stuttgarter Antirassisten zu urteilen und meinte, dass Chris ein „Heißsporn sei, der geneigt ist schnell um sich zu schlagen“. Dies ginge aus dem vorgelesenen Auszug des Bundeszentralregisters hervor. Wenn innerhalb einer Woche keiner der beiden Seiten Revision gegen das Urteil einlegt, so wird dieses rechtskräftig.

Politische Einschätzung des Urteils
Das heutige Urteil stellt aus Sicht des Solikreises keinen Sieg dar, aber einen Teilerfolg, der ohne den politischen Druck nicht zustande gekommen wäre. Die mediale Öffentlichkeit von Naziumtrieben durch das Auffliegen des Terrors der NSU und der momentan ebenfalls im Landgericht Stuttgart stattfindende Prozess wegen des Mordversuchs vonseiten der Nazis in Winterbach haben hierbei ebenso eine Rolle gespielt, wie die spektrenübergreifende Solidaritätsarbeit in Stuttgart.

Es gibt sicher keinen Grund, dem Richter oder der Stuttgarter Staatsanwaltschaft dankbar zu sein. Vielmehr ist die Bereitschaft auf eine Haftstrafe zu verzichten, als Resultat der politischen und juristischen Arbeit zu betrachten. Der entschlossene Verfolgungswille gegen antifaschistisch und links Engagierte konnte durch eine Welle der Solidarität nich ausgebremst, aber zumindest abgefedert werden.

Weder dem Gericht noch der Staatsanwaltschaft ging es um die Klärung der “Schuldfrage”. Der Prozess wurde von Anfang an von beiden Seiten als politischer Prozess geführt. Die Verurteilung von Chris kann und muss letztendlich als Resultat im Spannungsfeld von Druck und Gegendruck bewertet werden. Es ist uns gelungen, hier als Akteur deutlich wahrnehmbar zu sein und Zugeständnisse zu erzwingen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Tatsache dass es weder vom Angeklagten noch seiner Verteidigung zu einer politischen Distanzierung von den vorgeworfenen Taten kam werten wir dabei als Selbstverständlichkeit.

Vorläufige Nachbereitung unserer Solidaritätsarbeit
In den vergangenen sieben Monaten haben wir als Solikreis versucht Öffentlichkeit zu schaffen und Druck aufzubauen. Es war schön für uns zu erleben, wie diese Arbeit spektrenübergreifend von vielen Akteuren aufgegriffen und unterstützt wurde. In den kommenden Wochen werden wir das Verfahren gegen Chris und unsere Arbeit intensiv nachbereiten.

Doch auch mit der Beendigung des Verfahrens gegen Chris ist die Kriminalisierung von Antifaschistinnen und Antifaschisten weiterhin ein aktuelles Thema. Die Verurteilung des Antifaschisten Smily am 17. Februar durch das Amtsgericht Stuttgart zu einer zehnmonatigen Haftstrafe, die hierzu anstehende Berufungsverhandlung, aber auch die vielen „kleinen“ Verfahren fordern weiterhin unsere Solidarität. In welcher Form wir als Stuttgarter Solikreis hierfür einen Rahmen darstellen können, werden wir ebenfalls in den kommenden Wochen diskutieren.

Stuttgarter Solikreis, 29. Februar 2012

Aktionskonsens 2.0 - Ein Vorschlag an die S21 Bewegung

Blockade des TGV am "Tag X" ,Mittwoch, 25. August 2010
Diskussionsbeitrag von Wolfgang Hänisch, aktiv im Bündnis für Versammlungsfreiheit und AK S21 ist überall!

"Denn der so diszipliniert gelebte Protest, dieser geradezu devot vorgetragene Verzicht auf Gewalt, stieß ihn immer mehr ab..." (Heinrich Steinfest: Wo die Löwen weinen, S.93)

Nicht nur Steinfests Romanfigur Tobik hat so seine Schwierigkeiten mit der "unbedingten Gewaltlosigkeit" (Hannes Rockenbauch), die doch schon sehr nach "unbedingtem Gehorsam" klingt.

Die, die damit Schwierigkeiten haben, halten nichts davon, mit Steinen zu schmeißen oder mit Züfles geschickt platzierten Molotow-Cocktails herum zu zündeln.

Sie fragen sich aber, ob es nicht von einem sehr eingeschränkten Verständnis des zivilen Ungehorsams zeugt, wenn die Besetzung von Baustellen ,sei es am Nordflügel oder am GWM, regelmäßig zu wahren Distanzierungsorgien der "Häuptlinge" der Bewegung führt. Das "Fußvolk" denkt anders darüber: von "Befreiungsschlag" war die Rede, davon, dass die "Würde des Widerstands" wieder hergestellt wurde.

Die Besetzung des Bauplatzes oder der Versuch dazu, ist die ultima ratio jeder Protestbewegung, die sich gegen unnütze Großprojekte richtet:
• Von Wyhl bis Brokdorf, von Wackersdorf bis zur Startbahn West, vom Susatal bis zum Baskenland (Widerstand gegen Hochgeschwindigkeitstrassen) - überall war und ist diese Form des zivilen Ungehorsams als völlig legitim anerkannt.
• In Stuttgart scheinen sich die "Häuptlinge" nicht entscheiden zu können, was sie eigentlich wollen: Das Projekt stoppen oder eine gute Presse. Nach dem 14./15.2. hatten wir eine tolle Presse, von Züfle bis Kretschmann gab es Schulterklopfen und Lobeshymnen auf die Friedlichkeit der S21-Gegner.

Aber leider sind jetzt eben die Bäume weg. "Wenn der Gegner uns lobt, haben wir einen Fehler gemacht !?"

Um diese längst fällige Diskussion zu führen, ist es vielleicht sinnvoll, den schon in die Jahre gekommenen Aktionskonsens der aktiven Parkschützer im Lichte der gemachten Erfahrungen auf seine Tauglichkeit zu überprüfen.

Deshalb hier ein Vorschlag, wie ein Aktionskonsens aussehen kann, der versucht, diese Erfahrungen zu verarbeiten: (Die fett gedruckten Passagen sind jeweils die Änderungen bzw. Ergänzungen)

Aktionskonsens 2.0
Stuttgart21 steht dem Willen und dem Interesse der Bevölkerung entgegen. Deshalb sehen wir uns in der Pflicht, alle gewaltfreien Mittel zu nützen, um dieses Projekt zu stoppen.
Gesetze und Vorschriften, die nur den reibungslosen Projektablauf schützen, werden wir nicht beachten.
Durch Einschüchterungsversuche , mögliche Demonstrationsverbote und juristische Verfolgungen lassen wir uns nicht abschrecken.
Wir werden offensiv politisch und juristisch dagegen vorgehen.
Bei unseren Aktionen des Zivilen Ungehorsams sind wir gewaltfrei und achten auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel.
Diese Mittel werden wir gegen alle Einrichtungen, die nur den ungehinderten Projektablauf schützen, entschlossen zum Einsatz bringen.
Unabhängig von Meinung und Funktion respektieren wir unser Gegenüber und erwarten selbstverständlich denselben Respekt gegenüber uns. Insbesondere ist der einzelne Polizeibeamte nicht unser Gegner. Wir verkennen aber nicht, dass die Polizei als Institution des Staates den einzelnen Polizeibeamten durch vielerlei Abhängigkeiten als Werkzeug seiner Machtausübung missbraucht und wir uns dieser Machtausübung erwehren müssen.
Bei polizeilichen Maßnahmen werden wir besonnen und ohne Gewalt handeln.
Wir werden entschlossen unter Einsatz unsrer physischen Präsenz diesen Maßnahmen entgegentreten und durch geeignete Vorkehrungen unsere körperliche Unversehrtheit verteidigen.
Bei Einstellung des Bauvorhabens Stuttgart21 werden wir unsere Blockade- und Behinderungsaktionen sofort beenden.

Die Basis des S21 Widerstands erweitern!

Besetzung des Nordflügels am "Tag X", Mittwoch, 25. August 2010
Diskussionsbeitrag von Wolfgang Hänisch, aktiv im Bündnis für Versammlungsfreiheit und AK S21 ist überall!

Die OB-Wahl zu einer "Oben-Bleiber Wahl" machen will Hannes Rockenbauch, mit einem "Bürgerkandidaten" zu "neuen Mehrheiten" kommen.

Was aber macht der "Bürgerkandidat" im zweiten Wahlgang? Zurückziehen zu Gunsten des grünen Kandidaten, um einen CDU-OB zu verhindern?

Dann wäre der S21-Widerstand wieder dort gelandet, wo er bei der Landtagswahl war - als Wahlhelfer der Grünen. Diesmal mit dem "Umweg" über einen Bürgerkandidaten.

Und was sollte ein grüner OB bezüglich S21 anders machen als ein grüner Ministerpräsident ?

Seien wir realistisch: "Es ist keine etablierte politische Kraft in Sicht, die Willens und in der Lage wäre, diese gefährlichen Prozesse ( Stadtzerstörung, Demokratieabbau) zu stoppen. Die Bürger, die citoyens, werden es wohl selbst richten müßen." (mcmac in freitag vom 23.11.2011)

Der S21-Widerstand sollte sich als das verstehen, was er tatsächlich ist: eine außerparlamentarische Protestbewegung. Auch in anderer Hinsicht ist eine Weiterentwicklung des Selbstverständnisses von Nöten:

Die soziale Frage muss stärker herausgearbeitet werden: S21 ist ein gigantisches Umverteilungsprojekt, bei dem es kurz gesagt darum geht, wie 10 Milliarden € oder mehr Steuergelder in den Taschen von Großkonzernen und Immobilienhaien landen. Das Geld wird also nicht einfach "vergraben", sondern von unten nach oben umverteilt.

Die Vernachlässigung dieser Frage hat zu der grotesken Situation geführt, dass diejenigen, die von steigenden Steuern und Abgaben im Zuge von S21 in besonderem Maße betroffen sind, die auf kommunale Dienstleistungen, die dann wahrscheinlich gestrichen werden,z.T. existenziell angewiesen sind, nämlich ArbeiterInnen, Erwerbslose, MigrantInnen, noch gar nicht von der S21-Bewegung erfasst worden sind bzw. leichte Beute der Projektbetreiber bzw. ihres politischen und medialen Anhangs geworden sind.

Die Stadtgesellschaft ist eben nicht nur deutsch, wohlhabend und kreativ tätig, sondern auch türkischer Herkunft, arm und Fließbandarbeiter.

Weiter gilt es die Bewegung gegen S21 zu verbinden mit dem Widerstand gegen alle anderen Formen der Stadtzerstörung, für das Recht auf Stadt,für die Befreiung der Daseinsfürsorge aus den Fängen der neoliberalen Privatisierung.

Auf der einen Seite wird mit dem gesamten Repertoire polizeilicher und gerichtlicher Repression gegen die S21-Bewegung vorgegangen, auf der anderen Seite erleben wir, wie die Projektbetreiber quasi diktatorisch unter Mißachtung geltenden Rechts, geschützt durch eine willfährige Justiz, schalten und walten können, wie es ihnen beliebt.

"Etwas scheint hier in Richtung eines neuen Totalitarismus mit benutzerfreundlicher, bunter I-Pad-Oberfläche zu driften, nicht sicht-und greifbar das Darunter, kopflos und anonym auf den ersten Blick, ohne aber ( und das scheint der Trick zu sein) das Auge zu beleidigen. Am Ende könnte eine Art schwer durchschaubarer, netzwerkartiger Designer-Faschismus in hellen Pastelltönen stehen (...)" (mcmac s.o.)

Diese Entwicklung läuft auf vielen Ebenen, denken wir nur an die aktive und passive Förderung neonazistischer Aktivitäten durch den Verfassungsschutz, was nicht etwa zur Trockenlegung dieses Sumpfes geführt hat, sondern zu Verbotsdrohungen gegen die Linkspartei(!). Orwell lässt grüßen.

Diese Entwicklung muss stärker thematisiert werden, insbesondere die Repression gegen S21-Gegner muss politisch und juristisch offensiv bekämpft werden. Eine - wen auch gut gemeinte - "Märtyrer-Haltung" oder der bloße Verweis auf den Rechtshilfe-Fonds verkennt die Brisanz der Entwicklung.

Den Blick über den Tellerrand des Stuttgarter Talkessels weiten:

Ob in München oder Frankfurt, in der Bretagne, im italienischen Susatal oder im Baskenland - überall leisten Menschen Widerstand gegen unnütze Großprojekte. Die gegenseitige Hilfe und Unterstützung, der Erfahrungsaustausch, die Organisierung landes - und europaweiter Aktionen, erweitert den Horizont und stärkt den Widerstand insgesamt.

Die organisatorische Struktur , die bisher hauptsächlich nach Berufsgruppen und aktionsbezogenen Bezugsgruppen stattfindet, sollte ergänzt werden durch Gruppen, die nach Stadtteilen organisiert sind. Diese existieren z.T. schon (Vaihingen, Cannstatt etc.) , in anderen Stadtteilen gibt es Schwabenstreich - Stammtische und ähnliches.

Die Vorteile dieser Struktur liegen auf der Hand:

- der Widerstand kann in der Masse der Bevölkerung geerdet werden
- sie bietet die Möglichkeit, neue Schichten der Bevölkerung ( im Sinne der oben angesprochenen inhaltlichen Schwerpunktsetzung) für den Widerstand zu erschliessen
- mehr Menschen können sich aktiv einbringen, die "Hemmschwelle" ist niedriger, die Aufgaben übersichtlicher
- die Möglichkeit dezentraler Aktionen wird verbessert
- die basisdemokratischen Strukturen innerhalb der Bewegung können weiterentwickelt werden.

Val di Susa: Rede von Stuttgarter AktivistInnen

Zwischen Turin und Lyon soll für 20 Milliarden Euro eine Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut und in die Alpen hinein geschlagen werden, obwohl die bestehende Bahnstrecke überhaupt nicht ausgelastet ist. Was in Stuttgart der Gipskeuper, ist im Val di Susa asbest- und uranhaltiges Gestein, das durch den Tunnelbau freigesetzt würde.

Seit 20 Jahren protestieren die BewohnerInnen dort und leisten Widerstand. Am heutigen Samstag findet eine von Bussoleno nach Susa führende Grossdemonstration gegen die Kriminalisierung der Widerstandsbewegung von NO TAV statt. Mit dabei sind mehrere AktivistInnen der Stuttgarter S21 Bewegung und überbringen Solidaritätsgrüsse aus Stuttgart. Am 26.01.2012 hat die italienische Polizei landesweit 32 Verhaftungen vorgenommen und weitere Ermittlungsverfahren u.a. wegen Körperverletzung und Widerstand gegen die öffentliche Ordnung eingeleitet. Die AktivistInnen der NO TAV Bewegung werden zu den Vorkommnissen vom 03.08.2011 in Chiomante als Kriminelle entdeckt, sowie als Extremisten verunglimpft, ohne einen Bezug auf eine kriminelle Tat.

Sämtlichen Beschwerden und Einsprüche seitens der NO TAV Bewegung ihrerseits gegen den Einsatz vom 03.08.2011 an die Justiz prallen an den Institutionen ab, es werden ausweichende Antworten gegeben und Anhörungen auf unbestimmte Zeit verschoben.

Die von den AktivistInnen heute gehaltene Rede:

"Hallo liebe Aktivistinnen und Aktivisten von NO TAV
Wir sind für Euch den langen Weg aus Stuttgart gekommen um Euch unsere Solidarität gegen die Kriminalisierung der NO TAV Bewegung zu überbringen. Es ist auch für uns nicht hinnehmbar, dass Aktivisten einer Bürgerbewegung die sich für ihr Land, für ihre Kultur, für ihre Natur und ihre Zukunft einsetzen inhaftiert und unter Hausarrest gestellt werden.

Es ist nicht hinnehmbar, dass eine Bewegung kriminalisiert wird, und gleichzeitig die Justiz auf dem Auge der Projektbetreiber blind ist.

Es ist nicht hinnehmbar, dass illegale Baustellen gegen die Interessen der Bevölkerungen geschützt werden.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Konzerne und Parlamente freie Berichterstattungen einschränken und behindern.

Wir sind empört, dass die Regierungen, unter Verweis auf leere Kassen und Staatsverschuldung diese unnützen Grossprojekte weiter vorantreiben.

Wir sind empört, dass die Bürgerinteressen und Bürgerrechte den Spekulanten aus Finanz- und Bauwirtschaft untergeordnet werden.

Wir verurteilen die Verfolgung von NO-TAV Aktivisten und fordern die sofortige Einstellung aller Verfahren.

Auch wir in Stuttgart erleben fast täglich die Kriminalisierung unserer Bewegung. Bei uns gibt es mittlerweile mehr als 4500 Verfahren gegen uns, gleichzeitig werden Strafverfahren gegen Verantwortliche der Polizeigewalt vom 30.09.2010 aus dem Stuttgarter Schlossgarten verschleppt und eingestellt.

Wir erleben auch wie die Pressefreiheit eingeschränkt wird und wir eigene Medien aufbauen mussten um unsere Themen zu transportieren.

Bei den jüngsten Ereignissen in Stuttgart, mit dem Beginn des Abrisses des Südflügels von unserem Bahnhof vor 1 Monat, wie auch der Schlossgartenräumung vor 10 Tagen gab es sogenannte “inbeded Journalists“, das heisst eine von Regierung und Polizei handvoll ausgelesene Anzahl an Journalisten durften dann in Polizeibegleitung “freie Pressearbeit– ausführen, andere Journalisten wurden nicht zugelassen.

Das Gebiet um unseren Bahnhof und um unseren Schlossgarten herum wurde mit Polizei-Überwachungskameras übersäät um jeden Schritt von uns genauestens zu beobachten.

In der Nacht vom 14. auf 15.2.2012 sind wir der Parkräumung durch die Polizei mit einer Besetzung von 2.000 Aktivisten zuvor gekommen. Die Polizei hat 12 Stunden gebraucht, um den Platz zu räumen. Danach wurden unsere wunderschönen bis zu 200 Jahre alten Parkbäume abgeholzt und geschreddert.

Aber sie bekommen uns in Stuttgart und Euch im Susatal und alle anderen Bürgerbewegungen nicht klein.

Am Samstag nach der Abholzung des Schlossgartens hat es wieder eine Demonstration von 5.000 gegeben unter dem Motto "Ihr macht alles kaputt - uns nicht". Und bei der Montagsdemo diese Woche sind wieder 4.000 auf die Straße gegangen.

Und Eure heutige Demo zeigt, auch im Susatal geht der Widerstand weiter.

Wir fordern Baustopp in Stuttgart und im Susatal

Wir kämpfen weiter für unsere Rechte, für die Umwelt, für unsere Kultur.

Wir legen unsere Zukunft und unsere Umwelt in die eigenen Hände.

Wir stärken uns untereinander und stützen uns durch Solidarität, durch Vernetzung in Italien, in Deutschland und in ganz Europa.

Immer mehr Menschen sind Teil dieser Bewegungen in ganz Europa und wir in Stuttgart sagen immer : "Ihr kriegt uns nicht los - wir Euch schon."

Liebe Grüsse aus Stuttgart, a sara düra und OBEN BLEIBEN!"


Infos unter stuttgart21international.wordpress.com

Siehe auch unsere weiteren Beiträge zum Val di Susa:

Links zu verschiedenen Initiativen gegen den TAV:

Info und Diskussionsveranstaltung zur Berufungsverhandlung von und mit Chris

Solidaritätskundgebung für Chris vor dem Amtsgericht
Am 29. Februar beginnt die Berufunsverhandlung gegen einen Stuttgarter Antifaschisten, der wegen seiner Teilnahme am Protest gegen Rechtspopulisten mehr als 4 Monate in U-Haft war. Nicht zuletzt durch diesen Fall ist die staatliche Repression in den letzten Monaten wieder stark in den Fokus linker Politik geraten.
Kann in diesem Zusammenhang von einer neuen Qualität der Repression gesprochen werden? Welche Verbindungen bestehen zwischen immer häufigeren Haftstrafen für linke AktivistInnen, der Krise des Kapitalismus und dem Auftauchen des politischen Phänomens des sog. Rechtspopulismus? Was können wir der Klassenjustiz entgegensetzen?

Diese und andere Fragen, diskutieren VertreterInnen des Solikreises und der Ver.di-Jugend. Außerdem berichtet der Betroffe von seinen Erlebnissen, über die Solidaität die er erfahren hat und das anstehende Berufungsverfahren.

Info- und Diskussionsveranstaltung:

Dienstag, 21.Februar 2012, 19.00 Uhr
DGB-Haus Stuttgart, Willi-Bleicher-Str.20

Siehe auch:
"Hartes Urteil gegen den Stuttgarter Antifaschisten Chris"

Stuttgart 21 Gegner nach viertägiger Gewahrsamnahme freigelassen

Stuttgart, 16. Februar 2012: Einen Tag nach der Schlossgartenräumung und somit nach fast 24 Stunden unrechtmäßiger Inhaftierung wurde ein 19-jähriger Aktivist gegen S21 wieder freigelassen. Dieser war am Montag, 13.2. nach der Durchsuchung des Parkschützerbüros in Beseitigungsgewahrsam genommen worden, um ihn daran zu hindern, sich an der Besetzung des Mittleren Schlossgartens zu beteiligen. Zusätzlich wurde behauptet, er habe sich an der Herstellung eines Molotowcocktails beteiligt. Nach der Räumung des Schlossgartens stellt sich dieser Vorwurf als nicht haltbar heraus und der Aktivist musste wieder freigelassen werden.

Nach gängiger Rechtssprechung hätte der Gefangene schon am gestrigen Tag wieder freigelassen werden müssen. Er wurde jedoch fast einen ganzen Tag länger unter äußerst fragwürdigen Bedingungen (kein Kontakt nach außen, kalte Transportzelle) im Stammheimer Gefängnis festgehalten. Vor der Gewahrsamnahme wurde er vom Richter nicht angehört.  Im  polizeilichen Verhör wurde er massiv unter Druck gesetzt: Falls während seiner Gewahrsamnahme ein Molotowcocktail fliege, so würde er der Beihilfe beschuldigt. Stuttgarter Polizei, Staatsanwaltschaft und Richter nahmen mit diesem Vorgang wieder einmal in Kauf, sämtliche Rechte von Beschuldigten zu übergehen, um Aktivisten gegen Stuttgart 21 zu kriminalisieren und in der Öffentlichkeit als gewaltbereit darzustellen.

Tobias S. kommentiert die Vorgänge um seine Gewahrsamnahme wie folgt: „Ich weiß ja selbst, dass ich mit der Herstellung eines Molotowcocktails nichts zu tun habe. Deshalb habe ich versucht, das Ganze mit Humor zu sehen. Ich lasse mich weder kriminalisieren noch mit Drohungen unter Druck setzen.“

Nicht nur die Umstände der Gewahrsamnahme zeichnen ein bedenkliches Bild im Umgang mit politisch engagierten Bürgern. Schon auf der Fahrt zum Haftrichter sah sich der Aktivist mit einem Anwerbungsversuch als Informant durch den Staatsschutz konfrontiert, da er der führende Kopf der Bewegung sei.

Tobias S. dazu: „So etwas wie einen führenden Kopf gibt es bei unserer Bewegung gar nicht. Wir sind dann alle wohl eher viele kleine Gehirnzellen, die kreativ zusammenarbeiten. Das passt der Stuttgarter Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Richtern offensichtlich überhaupt nicht. Schon das Wort Beseitigungsgewahrsam zeigt, worauf hier eigentlich abgezielt wird: Wenn es allein nach ihnen ginge, würden wohl sämtliche politisch Engagierte schon im Vorfeld von Aktionen „beseitigt“ werden.“

Quelle: Pressemitteilung

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