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Alles Terroristen

"Am 22. Oktober 2021 hat Israel sechs palästinensische Zivilgesellschaftsorganisationen als terroristische Organisationen eingestuft. Terrorismusvorwürfe oder Vorwürfe, Verbindungen zu terroristischen Gruppen zu unterhalten, müssen ausnahmslos mit der größtmöglichen Ernsthaftigkeit behandelt werden. Daher war es geboten, diese Einstufungen sorgfältig und umfassend zu überprüfen. Aus Israel gingen keine wesentlichen Informationen ein, die es rechtfertigen würden, unsere Politik in Bezug auf die sechs palästinensischen zivilgesellschaftlichen Organisationen auf der Grundlage der Entscheidung Israels, diese Organisationen als „terroristische Organisationen“ einzustufen, zu widerrufen. (...)"

Quelle: Auswärtiges Amt, Presseerklärung 12. Juli 2022: Gemeinsame Erklärung der Außenministerien Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Frankreichs, Irlands, Italiens, der Niederlande, Schwedens und Spaniens zur Listung palästinensischer Zivilgesellschafts­organisationen als terroristische Organisationen

200. Todestag: The Masque of Anarchy - Percy Bysshe Shelley

Percy Bysshe Shelley
Gemälde von Amelia Curran, 1819
Heute vor 200 Jahren ertrank der britische Dichter und Atheist Percy Bysshe Shelley. Der mit Mary Wollstonecraft Godwin, Tochter der Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft und des Philosophen William Godwin und spätere Autorin des bekannten Romans Frankenstein verheiratete Shelley hatte stets ein kritisches Auge auf die sozio-ökonomischen Umstände des frühindustriellen England und die damit verbundenen politischen Unruhen: 1819 etwa kam es bei einem Aufstand von Arbeitern der baumwollverarbeitenden Industrie in Manchester zu einer blutigen Niederwerfung der Protestbewegung, die als Peterloo-Massaker für Aufsehen sorgte. Shelley verfasste daraufhin in direkter Bezugnahme auf den Vorfall das politisch radikale Gedicht The Masque of Anarchy. A Poem. Der erst zehn Jahre nach seinem Tode veröffentlichte Text konnte zu seinen Lebzeiten auf Grund der politischen Lage zu dem Zeitpunkt nicht erscheinen. Shelley beeinflußte nicht nur den später entstandenen Marxismus sondern über Walter Benjamin auch die kritische Therorie.

Eine Vorbemerkung zum Text, den ich in der Originalfassung hier schon mal gebloggt hatte: Der Bezug auf die Anarchie als Abwesenheit von Herrschaft ist umgangssprachlich und war damals wie heute irreführend. Korrekt wäre "Anomie (griechisch: Kompositum aus α privativum zur Verneinung und der Endung -nomie von νόμος, „Ordnung, Gesetz“). Diese bezeichnet in der Soziologie einen Zustand fehlender oder schwacher sozialer Normen, Regeln und Ordnung. Vor allem in England war der Begriff ursprünglich ein theologischer Ausdruck für das Brechen religiöser Gesetze." (Wikipedia) Ich habe den Text so belassen, wie Shelley ihn benannte und wie er 1844 von Julius Seybt im großen und ganzen schlüssig übersetzt wurde. Abweichend von Seybt habe ich die Namen der damaligen Verantwortlichen, sofern von Shelley erwähnt, jedoch ausgeschrieben. Die oben genannte damalige Zensur oder diplomatische Rücksichtnahme gelten nicht mehr. Die Grammatik wurde ebenso wie die damalige Rechtschreibung übernommen. Der Poesie wegen.

Die Maske der Anarchie

Als in Italien ich lag im Schlaf
Mein Ohr ein Ruf vom Meer her traf
Er führt mich mit gewaltiger Hand
Zu wandeln in der Dichtung Land.

Den Mond sa ich vorübergehen
Wie Castlereagh war er anzusehen
Gar sanf schaut er, doch heimlich grimm
Bluthunde, sieben, folgen ihm.

Fett sind Alle; sicherlich
Konnten Sie wohl mästen sich,
Denn er wirft aus weitem Kleide
Menschenherzen hin zur Beute.

Dann sah ich den Trug vorüberziehn,
Wie Lord Eldon in Hermelin.
Seine großen Thränen werden
In Mühlsteinen auf der Erden.

Die Kindlein, welche zwischen seinen
Füßen spielen, denn es scheinen
Gleich Demanten jene Thränen,
Daß sie hastig danach jagen
Wird damit das Hirn zerschlagen.

In der Bibel Licht gehüllt,
Doch mit Finsternis erfüllt.
Sidmouth gleich, kam die Heuchelei
Auf einem Krokodil herbei.

Des Verderbens mancherlei
In dem Zuge kam vorbei;
Doch gehüllt in Prunk und Staat
Wie Bischof, Spione, Advokat.

Zuletzt die Anarchie, sie sitzt
Auf weißem Rosse, blutbespritzt;
Ich Angesicht, ihre Lippe bleich,
Dem Tod, den St. Johann sah, gleich.

Eine Krone ihre Stirn umspannt,
Ein Zepter glänzt in ihrer Hand,
Auf der Stirne steht: "Ich bin Euch,
Gott, König und Gesetz zugleich!"

Schnell und stattlich war der Schritt,
Mit dem sie über England ritt
Und wie die Meng' auf ihrem Pfad
Zu einer Blutespfütze trat.

Rundum ihrer Söldner Heere
Von ihren Tritten bebt die Erde.
Ein Jeder schwang ein blutiges Schwert,
Für der Herrin Dienst bewehrt.

Und in stolzen Siegesprunken
Ziehen sie durch England, trunken,
Also ob sie in Rauschbethörung
Von dem Weine der Zerstörung.

Von Meer zu Meer, durch Stadt und Feld
Anarchie die Siegs'zug hält.
Ihre Spur sind Blut und Leichen,
Bis sie Londons Stad erreichen.

Jeder Bürger schreckbefangen
Fühlt sein Herz in Graus erbangen
Als mit Donneruf empfangen
Wird des Siegeszuges Nahen.

Denn es naht der Söldner Meute
Im goldnen und blutigen Kleide,
Alle singend jubeltönig:
"Du bist Gott, Gesetzt und König!"

"Oh, wie lange harren wir,
Mächtige, auf Dein Panier!
Leer die Beutel, die Schwerter kalt,
Gib Ruhm, Blut, Gold uns tausendfalt!"

Advokaten und Pfaffen beugen
Zur Erde nieder die Stirnen, die bleichen
Leis tönt's wie heuchlerisch Gebet:
"In ihr Gesetz und Herrin seht!"

Und laut rief es tausendtönig:
"Du bist Herr, Gesetz und König!
Anarchie, Dir huldigen wir,
heilig sei Dein Ruhm hinfür!"

Und Anarchie, ein Knochenmann ,
Knixt und grinsed Jeden an,
Als hätte, seinen Erzieher zu lohnen,
Das Volk gezahlt zehn Millionen.

Denn als König auf dem Throne
Sitzet er in jeder Nacht;
Sein ist Zepter, Kugel, Krone,
Sein des goldnen Kleides Pracht.

Seinen Sklaven er gedeut,
Einzunehmen Bank und Tower heut,
Und er selbst gedenkt zu seinem
Perlamente hinzueilen.

Eine Irre da vorüberrannte -
Hoffnung sie ihren Namen nannte -
Der mehr sie wie Verzweiflung schaut
Und durch die Lüfte rief sie laut:

"Mein Vater, die Zeit, war alt und schwach
Vom Harren auf einen besseren Tag;
Sieh, gichtisch ihm die Hand erhebt,
Zum Kind ist er zurückgelebt.

Geboren ward ihm Kind nach Kind.
Ihren Staub verwehte längst der Wind.
Ich allein bin jetzt noch hier -
Wehe mir, ach, Wehe mir!"

Sie wirft sich vor die Rosse hin,
Und harret mit gedultigem Sinn
Und ruhigem Auge auf denm Zug
Von Anarchie und Mord und Trug.

Da setiegt vor ihr ein Nebelsflor,
Ein Glanz ein Lich, Ein Bild empor -
Zart erst, wie den feuchten Gründen
Nebelschleier sich entwinden.

Bis, wie der Sturm aus Wolken ballt
Manch thurmgekrönte Riesengestalt,
Deren Augen Blitze senden,
Deren Lippen Donner spenden:

Ein Wesen und vorüberschreitet
Den Leib in glänzend Erz gekleidet;
Seine Schwingen, weiß und rein
Glänzen, gleich sonnigen Regens Schein.

Auf dem Helme strahlet fern
Ein Stern, hell wie der Morgenstern,
Und wie Purpurthau hernieder
Fällt der Lichtglanz durch's Gefieder.

Leise wie der Lenzes Wind
Eilt es hin, und so geschwind,
Daß sie wußten, es sei nah -
Und schauten, und nur Luft war da.

Wie Blumen, vom Fuße des Mais erwacht,
Wie Sterne, entschüttelt dem Haar der Nacht,
Wie von Windesruf geweckte Wogen,
Gedanken sprießen, wo sie gezogen.

Und vom Staub empor die Schaar
Schaut: - die Hoffnung, hehr und klar,
Eine Maid, sie schreitet muthig
über Leichen, starr und blutig.

Auf der Erde, Staub wie sie,
Lag mißgestalt die Anarchie:
Des Todes Roß vorüberschoß
Und zermalmt die Assasinen;
Die sich drängten, ihr zu dienen.

Ein blendend Licht- und Wolkenspiel,
Einn stachelnd und süß Gefühl
Durchdringt sie, bis ein Ruf ertönt
Der Alle mit Freud' und Bangen durchdröhnt.

Als hätt' das eigne Vaterland,
Ob solcher Schmach in Zorn entbrannt,
Auf der Stirn ihr Blut gefühlt,
Und, vom Mutterschmerz durchwühlt,

Aus jedem Tropfen, das vergossen
Von seiner Söhne Blut, entsprossen
Ließ ein gewaltig Sturmeswort,
Als ob sein Herz rief fort und fort:

"Erben ewigen Ruhmes, Britten,
Die namenlosen Kämpf gerstritten.
Mächtiger Mutter Schooß entsproßt
Ihr und einer andern Trost!!

"Auf, wie audem Schlaf der Leu!
Schüttelt ab der Tyrannei
Joch, wie leichten Morgenthau,
Das wie Schlummer auf euch fiel!
Sie sind wenige, ihr seid Viel'!

"Was ist Freiheit? Ja ihr wißt
Nur zu gut, was Knechtschaft ist,
Denn auf eures Namens Schall
Reimt das Wort als Wiederhall.

"Mühn sich heißt's um so viel Geld,
Daß das Leben grad aushält
In dem Körper, drin zu wohnen
Um der Tyrannei zu frohnen.

"Als ihr für sie nur wär't
Webstuhl, Spaten, Pflug und Schwert;
Euer Leib als Schild müßt' dienen,
Euer Werk zur Nahrung ihnen.

"Wenn die Winterstürme wehen
Eure Kinder siechen sehen,
Sehn der Mutter Todesnoth -
Während ich spreche, sind sie todt!

"Hungern heißt's nach solcher Spende,
Wie des Reichen voller Hände
Der Meute bieten, die sich satt
Vor seinem Auf' geschwelgt schon hat.

"Erlauben heißt's dem Goldesschemen
Tausenmal mehr noch zu nehmen,
Als was was sein Leib in längstverrolten
Knechtschaftsjahren hat gegolten.

"Bankpapier, die nachgelognen
Rechte, die ihr, die Betrognen,
Habet an des Reichtums Werth,
Das die Erde euch bescheert.

"Knechtisch heißt's im Geist sich beugen,
Selbst das Wollen nicht sein eigen
Nennen mehr - die That nur Wählen,
Welche Andre euch befehlen.

"Und zuletzt, wenn eure Klagen
Schüchtern nur zu lispeln wagen,
Des Herrschers Söldnerschaaren treten
Seh'n auf eu'r Geschlecht und euch: -
Blut deckt das Gras, dem Thaue gleich!

"Dann heißt's, auf in Rache lodern
Und mit heißer Gier zu fordern,
Blut um Blut und Schlag um Schlag!
Thut nicht so am Rachetag!

"Vögel in dem Neste rasten,
Wenn vom Zug sie heimwärts hasten;
Wild in schattiger Waldeschlucht
Schutz vor Schnee und Sturmwind sucht.

"Obdach hat so Ochs wie Pferd,
Wenn es heim vom Pfluge kehrt
Selbst der Hund zum warmen Haus'
Fliehet vor des Wetters Graus.

"Schwein und Esel finden Streu
Und zur Nahrung Mast und Heu;
Alles, Alles findet Obdach,
Alle Wesen nur nicht eines,
Du, o Britte Du hast keines!

"Das ist Knechtschaft. Nimmer würde
Tragen solchen Joches Bürde
Wilder oder Wildes Thier,
Wie's auf dem Nacken lastet Dir.

"Was bist Du, Freiheit? Könnt' der Knecht
Aus lebendigem Grab sein Recht
Fordern, flöhe der Tyrann
Wie ein Bild des Traumes dann.

"Du bist nicht, wie Lug verkündet
Ein Schattenbild, das halb verschwindet,
Ein Trugbild und ein leerer Schall,
Des Ruhmes bloßer Wiederhall.

"Du bist, wenn zur trauten Hütte
Der Arbeitsmann lenkt seine Schritte
Müde von des Tages Qual,
Ihm das karge Abendmahl.

"Du bist, was Speise, Feu'r und Kleid
Dem jochbedrückten Volk verleiht -
Nein, in freien Länderrn kann
Solche Noth nie sein, wie jetzt
In England meinem Blick entsetzt.

"Dem Reichen bist ein Zügel Du,
Und machst, wenn er mit stolzer Ruh
Tritt des Armen Nacken nieder
Daß er tritt auf eine Viper.

"Du bist Recht - denn nie für Schätze
Bietest feil Du die Gesetze,
Wie in England - Arm und Reich
Ist vor Deinem Auge gleich.

"Weisheit bist Du - Freie wähnen
Nummer, daß Gott ewig denen
Zürne, die nicht das verehren,
Was der Priester Sprüche lehren.

"Friede bist Du - Deine Hände
Böten nie so blutige Spende
Dem Altar des Krieges dar,
wie die, die gegen Gallien Alle
Finden sich zu Deinem Falle.

"Ward auch Englands Fleich und Blut
Ausgegossen eine Fluth -
Freiheit, matter ward Dein Glanz
Doch verlöschest Du nicht ganz!

"Liebe bist Du - Demuthsvoll
Brachten wird der Erfurcht Zoll
Reiche, wie die, welche nach
Christus seligem Reiche trachten,
All ihr Geld und Gut verachten.

"O, schaff ihr Gold in Waffen um,
Und führe Krieg zu Deinem Ruhm
Mit Gold und Streit und Trug, die ihnen
Als Bronnen ihrer Herrschaft dienen.

"Wissenschaft und Dichtkunst sind
Leuchten Dir; Durch sie gewinnt
Selbst der Ärmste so viel Glück,
Daß er flucht nicht dem Geschick.

"Geist, Sanftmuth und Seelenruh,
Jeder Seelenreiz bist Du:
Thaten laß, nicht Wortgetöse
Künden Deine hohe Schöne!

"Auf unabsehbaren Plan
Möge jeder wackre Mann,
Jeder Freie dann erscheinen
Um zum Tagen sich zu einen.

"Über euch des Himmels Blau,
Unter Euch die grüne Au;
Alles, was unwandelbar
Sei Zeug' an diesem Festaltar.

"Von Englands letzten Gränzen eilt,
Die ihr in Stadt und Dorf verweilt,
Wo ihr lebt und Seufzer weiht
Eurem nur, und andrer Leid.

"Aus Arbeitshaus und aus Verließen
Wo der Darbenden Thränen fließen,
Wo den auferstandnen Leichen
Weiber, Kinder, Männer gleichen.

"Von den Orten, wo der Streit
Niederer Sorgen sich erneut
Tag für Tag, und bittre Schmerzen
Zeuget in der Menschen Herzen.

"Endlich aus des Reichen Halle
Wo mit dumpfem, trüben Schalle
Schmerzensrufe wiedertönen,
Wie des Windes fernes Stöhnen.

"Wo in Kerkern voller Prangen,
Für die, die vor Müh'n erbangen
Karge Thränen niederthauen,
Daß erblassen, die es schauen.

"Ihr, die stumme Thräne zollt
Eurem Schmerze, daß für Gold
Und für Blut von Hand zu Hand
Feil ist Euer Vaterland.

"Alle laßt zusammenkommen
Und sprecht aus, wie nie vernommen
Vorher ward, mit lautem Ruf
Daß ihr frei, wie Gott Euch schuf.

"Laßt eu're einfach kräftig Wort
Schützen euch, wie Schildes Hort,
Laßt es scharf sein, wie ein Schwert,
Daß ihr gen Tyrannen kehrt.

"Lasset um euch des Tyrannen
Bunte, stahlbewehrte Mannen
Tosen, wie des Meeres Wogen
Die den Uferdamm durchbrochen.

"Laßt die nahn mit Donnerdröhnen
Die Geschütze, bis zu stöhnen
Scheint die Luft von der Geschosse
Prasseln und dem Huf der Rosse.

"Lasst die Bajonette blitzen
Gierig, ihre scharfen Spitzen
In der Brüder Blut zu tauchen -
Sie glühn, wie hungergrimme Augen.

"Laßt die Schwerter um Euch Schwirren,
Kometen, die am Himmel irren,
Gierig, zu löschen ihre Gluth
In einem Meer von Thränen und Blut.

"Stehet ruhig, Kampfgenossen,
Wie ein Wald, stumm und geschlossen.
Verschränkt die Arme, das Aug' voll Trutz,
Das sind Eure Waffen zu Whr und Schutz.

"Entsetzen, das mit schnellrer Hast
Eilt, als Kriegsrosse, laßt
Durch eure muthige Phalanx gehen -
Ein Schatten, ungefürchtet, ungesehen.

"Laßt, was Britten gilt als Recht,
Ob es gut sei oder schlecht,
Schiedsmann eures Kampfes sein -
Eures Kampfes, her und rein.

"Englands alte Rechte, deren
Häupter wurden grau mit Ehren -
Kinder weisheitsvoller Zeit; -
Deren herer Ruf vor Allen,
Freiheit, Dich muß wiederhallen.

"Wer zuerst verletzen sollte
Solchen heiligen Kampf's Herolde,
Auf sein Haupt das Blut dann lasse -
Möget schuldlos sein ihr Alle.

"Und wenn's die Tyrannen wagen
Laßt sie kommen, laßt sie schlagen,
Laßt sie morden für und für;
Was sie thun, duldet ihr.

"Die Arme verschränkt, das Aug' voll Ruh,
Es schauet ihrem Morden zu,
Mit keinem Staunen, wenig Zagen,
Bis ihr Schwert sich müd geschlagen.

"Und sie werden schmachbeklommen
Kehren wo sie hergekommen;
Aus dem Blut, daß sie vergossen,
Wird das Roth der Scham ersprossen.

"Jedes Weib wird auf sie deuten,
Wie sie schnell vorüberschreiten;
Und sie wagen kaum zu grüßen
Die sie Freunde voreinst hießen.

"Und die Tapfern und die Treuen
Jener Krieger zu den Freien
Werden treten, vor der Schmach
Zitternd, die dem Mord folgt nach.

"Und der blutige Völkermord
Wird wie ein Prophetenwort
Rufen auf gen Himmel dann,
laut, ein donnernder Vulkan.

"Und dies Wort zur Losung sei
Zu dem Sturz der Tyrannei;
In den Herzen aller Brüder
Hall' es wieder - wieder - weider:

"Auf, wie aus dem Schlaf der Leu,
Schüttelt ab der Tyrannei
Joch wie leichten Morgenthau,
Das im Schlummer auf euch fiel:
Sie sind Wenige, Ihr seid Viel'!

Quellen:
Eigene Übersetzung
de.wikipedia.org
en.wikipedia.org
libcom.org





Blogkino: Bastards of Utopia (2009)

Heute zeigen wir im Blogkino mit Filmen zum Thema Ⓐnarchismus den Dokumentarfilm Bastards of Utopia. Ed erforscht die Erfahrungen und die politische Vorstellungskraft junger radikaler Aktivisten im ehemaligen Jugoslawien, die sich an dem beteiligen, was sie Alterglobalisierung oder "Globalisierung von unten" nennen. Der Ethnograf Maple Razsa folgt einzelnen Aktivisten von den transnationalen Protesten gegen die Globalisierung in den frühen 2000er Jahren bis hin zu den Occupy-Lagern. Sein Porträt des Aktivismus ist sowohl einfühlsam als auch unerschrocken - eine engagierte, elegante Meditation über den Kampf um eine neue Vorstellung von linker Politik und die Macht der Jugend eines Landes. Siehe auch das dazugehörende Buch.

Blogkino: Atheism - A Rough History of Disbelief - Part 3 - The Final Hour (2004)

Heute zeigen wir im Blogkino mit Filmen zum Thema Ⓐnarchismus den dritten Teil der dreiteiligen BBC Dokuserie "Atheism – A Rough History of Disbelief", in den Vereinigten Staaten bekannt als Atheism: A Brief History of Disbelief (Eine kurze Geschichte des Unglaubens). Die Serie ist eine 2004 von Jonathan Miller für die BBC geschriebene und moderierte Fernsehdokumentationsserie, die die Geschichte des Atheismus nachzeichnet. Sie wurde zuerst auf BBC Four ausgestrahlt und auf BBC Two wiederholt. In den USA wurde sie erstmals 2007 auf PBS ausgestrahlt.

Die Serie enthält Auszüge aus Interviews mit Arthur Miller, Richard Dawkins, Steven Weinberg, Colin McGinn, Denys Turner, Pascal Boyer und Daniel Dennett. Die Serie enthält auch viele Zitate aus den Werken von Atheisten, Agnostikern und Deisten, die alle von Bernard Hill gelesen werden.

Der größte Teil der Präsentation ist ein historischer Rückblick auf den Atheismus im Westen, wobei der Autor auch auf seine persönlichen Erfahrungen eingeht. Miller stellt fest, wie der Titel bereits andeutet, dass der Atheismus im modernen Westen erst vor kurzem öffentlich anerkannt wurde, wobei bis zu Baron d'Holbach (1723-1789) niemand bereit war, religiöse Überzeugungen rundweg abzulehnen. Er geht der Frage nach, warum d'Holbach nicht besser bekannt ist oder gefeiert wird.

Die erste Folge, "Shadows of Doubt", beginnt mit Miller im Lesesaal des Britischen Museums, wo er den Zweck der Serie beschreibt und einen kurzen Zusammenschnitt der Interviewpartner zeigt. Miller beginnt seine Reise in New York City und erklärt, dass die Anschläge vom 11. September 2001 "ohne Religion nicht denkbar" waren. Miller beschreibt weiter, wie er die Serie durchführt, um die Geschichte des Atheismus zu erforschen, aber er sagt, er sei eher "widerwillig", sich selbst als Atheist zu bezeichnen, weil "es kaum lohnenswert erscheint, einen Namen für etwas zu haben, das mir kaum in den Sinn kommt". Es folgt ein kurzer Zusammenschnitt von Menschen, die ihren Atheismus erklären: Sir Geoffrey Lloyd, Polly Toynbee, Gore Vidal, Steven Weinberg und Colin McGinn. Dann beschreibt Miller seine jüdische Erziehung in den Kirchenbänken der New London Synagogue in St John's Wood.

Um die Philosophie zu erforschen, worüber die Menschen reden, wenn sie über Überzeugungen sprechen, spricht Miller mit Colin McGinn, der feststellt, dass das Wort "Überzeugung" so unterschiedliche Dinge umfasst wie "Ich glaube, dass vor mir ein Tisch steht" bis hin zu "Ich glaube an die Demokratie", und der auch argumentiert, dass Überzeugungen eher dispositionell oder implizit sind als zufällig. McGinn erklärt weiter, dass sich die Frage nach den Überzeugungen nur dann stellt, wenn man mit einer Frage konfrontiert wird, die strittig ist, und nennt Religion und Politik als Beispiele. Miller stellt dann fest, dass es in der Politik anders als in der Religion darum geht, was sein sollte, während es in der Religion in erster Linie darum geht, was der Fall ist.

Miller stellt dann die Frage, ob es möglich ist, den Glauben freiwillig herbeizuführen (ein Thema, das Philosophen als doxastischen Voluntarismus bezeichnen).



Zwangshandlung

Slacker auf einer Highline im Ammergebierge
Foto: Christian Ettl - http://www.slackline-session.com
Lizenz: CC BY-SA 3.0
„... »Wir haben den tödlichsten Risikofaktor in der Arbeitswelt gefunden. Es sind nicht die Maschinen, nicht der Feinstaub, es sind zu viele Arbeitsstunden«, wird Frank Pega, der Leiter der Studie im Spiegel zitiert. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als verständlich, dass die Generation der sogenannten Millennials, also der heute 27- bis 41jährigen, offenbar nicht mehr bereit ist, ihr ganzes Leben der Karriere zu opfern und in allen anderen Lebensbereichen zurückzustecken. (...) Deutlich wird allerdings auch, dass diese skeptische Haltung zur Arbeit sehr individualistisch geprägt ist. Nicht die Erwerbsarbeit als solche wird in Frage gestellt, wie es zumindest ansatzweise in den achtziger Jahren im Rahmen der Neuen Sozialen Bewegungen der Fall war, vielmehr wird eine ausgeglichene »Work-Life-Balance« angestrebt –“ man will also neben der Arbeit noch Zeit und Energie für Freizeit und Familie haben. Außerdem soll die Arbeit »sinnhaft« sein, wobei freilich sehr vage bleibt, was darunter zu verstehen ist. Wenn der »Sinn« aber gegeben scheint, identifizieren sich die Millennials umso mehr mit ihrer Tätigkeit und sind durchaus zu überlangen Arbeitszeiten bereit. Von einer grundsätzlichen Ablehnung des kapitalistischen Arbeits- und Leistungszwangs kann also nicht die Rede sein, auch wenn dieser durchaus partiell kritisiert wird...“

Artikel von Norbert Trenkle vom 16. Juni 2022 aus der Jungle World 2022/24 (via LabourNet)

Blogkino: Atheism - A Rough History of Disbelief - Part 2 - Noughts and Crosses (2004)

Heute zeigen wir im Blogkino mit Filmen zum Thema Ⓐnarchismus den zweiten Teil der dreiteiligen BBC Dokuserie "Atheism –“ A Rough History of Disbelief", in den Vereinigten Staaten bekannt als Atheism: A Brief History of Disbelief (Eine kurze Geschichte des Unglaubens). Die Serie ist eine 2004 von Jonathan Miller für die BBC geschriebene und moderierte Fernsehdokumentationsserie, die die Geschichte des Atheismus nachzeichnet. Sie wurde zuerst auf BBC Four ausgestrahlt und auf BBC Two wiederholt. In den USA wurde sie erstmals 2007 auf PBS ausgestrahlt.

Die Serie enthält Auszüge aus Interviews mit Arthur Miller, Richard Dawkins, Steven Weinberg, Colin McGinn, Denys Turner, Pascal Boyer und Daniel Dennett. Die Serie enthält auch viele Zitate aus den Werken von Atheisten, Agnostikern und Deisten, die alle von Bernard Hill gelesen werden.

Der größte Teil der Präsentation ist ein historischer Rückblick auf den Atheismus im Westen, wobei der Autor auch auf seine persönlichen Erfahrungen eingeht. Miller stellt fest, wie der Titel bereits andeutet, dass der Atheismus im modernen Westen erst vor kurzem öffentlich anerkannt wurde, wobei bis zu Baron d'Holbach (1723-1789) niemand bereit war, religiöse Überzeugungen rundweg abzulehnen. Er geht der Frage nach, warum d'Holbach nicht besser bekannt ist oder gefeiert wird.

Die erste Folge, "Shadows of Doubt", beginnt mit Miller im Lesesaal des Britischen Museums, wo er den Zweck der Serie beschreibt und einen kurzen Zusammenschnitt der Interviewpartner zeigt. Miller beginnt seine Reise in New York City und erklärt, dass die Anschläge vom 11. September 2001 "ohne Religion nicht denkbar" waren. Miller beschreibt weiter, wie er die Serie durchführt, um die Geschichte des Atheismus zu erforschen, aber er sagt, er sei eher "widerwillig", sich selbst als Atheist zu bezeichnen, weil "es kaum lohnenswert erscheint, einen Namen für etwas zu haben, das mir kaum in den Sinn kommt". Es folgt ein kurzer Zusammenschnitt von Menschen, die ihren Atheismus erklären: Sir Geoffrey Lloyd, Polly Toynbee, Gore Vidal, Steven Weinberg und Colin McGinn. Dann beschreibt Miller seine jüdische Erziehung in den Kirchenbänken der New London Synagogue in St John's Wood.

Um die Philosophie zu erforschen, worüber die Menschen reden, wenn sie über Überzeugungen sprechen, spricht Miller mit Colin McGinn, der feststellt, dass das Wort "Überzeugung" so unterschiedliche Dinge umfasst wie "Ich glaube, dass vor mir ein Tisch steht" bis hin zu "Ich glaube an die Demokratie", und der auch argumentiert, dass Überzeugungen eher dispositionell oder implizit sind als zufällig. McGinn erklärt weiter, dass sich die Frage nach den Überzeugungen nur dann stellt, wenn man mit einer Frage konfrontiert wird, die strittig ist, und nennt Religion und Politik als Beispiele. Miller stellt dann fest, dass es in der Politik anders als in der Religion darum geht, was sein sollte, während es in der Religion in erster Linie darum geht, was der Fall ist.

Miller stellt dann die Frage, ob es möglich ist, den Glauben freiwillig herbeizuführen (ein Thema, das Philosophen als doxastischen Voluntarismus bezeichnen).

Blogkino: Atheism - A Rough History of Disbelief - Part 1 - Shadows of Doubt (2004)

Heute zeigen wir im Blogkino mit Filmen zum Thema Ⓐnarchismus den ersten Teil der dreiteiligen BBC Dokuserie "Atheism –“ A Rough History of Disbelief", in den Vereinigten Staaten bekannt als Atheism: A Brief History of Disbelief (Eine kurze Geschichte des Unglaubens). Die Serie ist eine 2004 von Jonathan Miller für die BBC geschriebene und moderierte Fernsehdokumentationsserie, die die Geschichte des Atheismus nachzeichnet. Sie wurde zuerst auf BBC Four ausgestrahlt und auf BBC Two wiederholt. In den USA wurde sie erstmals 2007 auf PBS ausgestrahlt.

Die Serie enthält Auszüge aus Interviews mit Arthur Miller, Richard Dawkins, Steven Weinberg, Colin McGinn, Denys Turner, Pascal Boyer und Daniel Dennett. Die Serie enthält auch viele Zitate aus den Werken von Atheisten, Agnostikern und Deisten, die alle von Bernard Hill gelesen werden.

Der größte Teil der Präsentation ist ein historischer Rückblick auf den Atheismus im Westen, wobei der Autor auch auf seine persönlichen Erfahrungen eingeht. Miller stellt fest, wie der Titel bereits andeutet, dass der Atheismus im modernen Westen erst vor kurzem öffentlich anerkannt wurde, wobei bis zu Baron d'Holbach (1723-1789) niemand bereit war, religiöse Überzeugungen rundweg abzulehnen. Er geht der Frage nach, warum d'Holbach nicht besser bekannt ist oder gefeiert wird.

Die erste Folge, "Shadows of Doubt", beginnt mit Miller im Lesesaal des Britischen Museums, wo er den Zweck der Serie beschreibt und einen kurzen Zusammenschnitt der Interviewpartner zeigt. Miller beginnt seine Reise in New York City und erklärt, dass die Anschläge vom 11. September 2001 "ohne Religion nicht denkbar" waren. Miller beschreibt weiter, wie er die Serie durchführt, um die Geschichte des Atheismus zu erforschen, aber er sagt, er sei eher "widerwillig", sich selbst als Atheist zu bezeichnen, weil "es kaum lohnenswert erscheint, einen Namen für etwas zu haben, das mir kaum in den Sinn kommt". Es folgt ein kurzer Zusammenschnitt von Menschen, die ihren Atheismus erklären: Sir Geoffrey Lloyd, Polly Toynbee, Gore Vidal, Steven Weinberg und Colin McGinn. Dann beschreibt Miller seine jüdische Erziehung in den Kirchenbänken der New London Synagogue in St John's Wood.

Um die Philosophie zu erforschen, worüber die Menschen reden, wenn sie über Überzeugungen sprechen, spricht Miller mit Colin McGinn, der feststellt, dass das Wort "Überzeugung" so unterschiedliche Dinge umfasst wie "Ich glaube, dass vor mir ein Tisch steht" bis hin zu "Ich glaube an die Demokratie", und der auch argumentiert, dass Überzeugungen eher dispositionell oder implizit sind als zufällig. McGinn erklärt weiter, dass sich die Frage nach den Überzeugungen nur dann stellt, wenn man mit einer Frage konfrontiert wird, die strittig ist, und nennt Religion und Politik als Beispiele. Miller stellt dann fest, dass es in der Politik anders als in der Religion darum geht, was sein sollte, während es in der Religion in erster Linie darum geht, was der Fall ist.

Miller stellt dann die Frage, ob es möglich ist, den Glauben freiwillig herbeizuführen (ein Thema, das Philosophen als doxastischen Voluntarismus bezeichnen).

Mark Twain: Vom Meinungsterror zum Selbstbetrug - Wie man die öffentliche Meinung kippt

Mark Twain, 7. Februar 1871, Foto von Mathew Brady
Mark Twain, 7. Februar 1871
Foto: Mathew Brady
"Das übliche halbe Dutzend - wenige, aber lautstark - werden wie immer nach Krieg schreien. Die Kirchen werden am Anfang widersprechen, lustlos und vorsichtig. Das Volk, der große Riese, reibt sich verschlafen die Augen und versucht herauszubekommen, warum es eigentlich Krieg geben sollte. Voller Empörung und Entschiedenheit wird es sagen: "Das wäre nicht gerechtfertigt und unredlich. Und es gibt keinerlei zwingenden Grund dafür."

Dann wird das halbe Dutzend noch lauter schreien. Einige angesehene Männer auf der anderen Seite werden vernünftige Argumente gegen einen Krieg vortragen, in Reden und Artikeln. Zu Anfang wird man ihnen zuhören und Beifall klatschen. Aber das wird nicht lange andauern. Jene wenigen anderen werden sie überschreien und prompt wird die Zahl der Antikriegsgegner schrumpfen und sie werden an Zustimmung einbüßen.

Binnen kurzem kann man etwas Sonderbares erleben: Diese Redner werden grob vom Podium gestoßen. Die freie Rede wird stranguliert von Horden wütender Männer, die den "Gesteinigten" eigentlich im Grunde ihres Herzens nach wie vor Recht geben, aber das nicht mehr zu sagen wagen.

Und nun stimmt die ganze Nation in das Kriegsgeheul ein - auch die Kirchen und überhaupt alle. Sie schreien sich heiser und verfolgen jeden Aufrechten, der sich noch traut, den Mund aufzumachen. Und schon werden auch diese zunehmend verstummen.

Als nächstes werden die Politiker billige Lügen erfinden und das Land, das angegriffen wird, anprangern. Und alle werden erleichtert sein. Denn diese Fälschungen beruhigen ihr Gewissen. Und sie werden sich sorgfältig damit beschäftigen und sich weigern, jedwede Gegenargumente auch nur zur Kenntnis zu nehmen.

Und am Ende wird jeder von ihnen sich Stück für Stück selbst einreden, dass der Krieg gerecht ist. Und Gott danken dafür, jetzt wieder ruhig schlafen zu können - nach diesem Prozess grotesken Selbstbetrugs."

Aus: "The Mysterious Stranger" von Mark Twain (1835 - 1910), 1916 veröffentlichte, unvollendete Schrift. Übersetzung: Eva Petermann, Hof, via Lebenshaus Alb

Der Krieg, die Ukraine und das Dilemma der Linken mit der Solidarität - Veranstaltung des AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost West

Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Linke gezwungen, Position zu beziehen. Welche Haltung ist angesichts eines brutalen völkerrechtswidrigen imperialistischen Überfalls einer Großmacht angebracht, wenn sich dieser Angriff gegen ein Land richtet, in dem Oligarchen die Regierungspolitik bestimmen und Ultranationalisten Linke attackieren? Wie soll die Linke sich positionieren in einem Verteidigungskampf eines kapitalistischen Landes, das nicht von der Landkarte verschwinden möchte? In der Ukraine findet bekanntlich kein Aufstand der unterdrückten Klasse statt, so scheint es vielen Linken schwer zu fallen, für den Verteidigungskampf eines kapitalistischen Landes Partei zu ergreifen.

Ein Teil der Linken hatte seine Antworten auf diese schwierigen Fragen sehr schnell gefunden. Alle müssten ihre Waffen niederlegen, dann seien Krieg und Tod rasch vorbei, empfehlen die Pazifist:innen. Und die geopolitischen Strateg:innen haben sich auf die Rolle der USA respektive der Nato und ihres Anteils an diesem Konflikt fokussiert. Das eine hat mit der Realität jedoch wenig zu tun und vergisst, dass die Niederlegung der Waffen vor den faschistischen Schlächtern eines Ramsan Kadyrows und russischen Ultranationalist:innen Folter und Tod aller Aktivist:innen einer ukrainischen Identität bedeuteten. Das andere lässt außer acht, dass in Russland ein extrem autoritäres und nationalistisches, ideologisch am Zarenreich und der Neuen Rechten orientiertes Regime herrscht, ein imperialer Staat, der für die Unabhängigkeit aller Anrainerstaaten gefährlich ist.

Was diese und andere linke Kommentatoren des Krieges verbindet, ist, dass sie die Verhältnisse in Russland aus ihren Überlegungen weitgehend ausblenden und dass sie in ihre geopolitischen Analysen das begründete Recht der überfallenen Ukraine und ihrer Bevölkerung auf Eigenständigkeit völlig zu ignorieren scheinen.Viele Linke reden über diesen Krieg als globalem Ereignis, als Konkurrenzkampf zwischen Ost und West, so, als gäbe es da nicht noch dieses angegriffene Land und seine Menschen, die angesichts der Bedrohung durch die russische Armee eine nie gekannte Einigkeit zeigen. Linke Kommentatoren empören sich zurecht, dass die Bundesregierung die Gelegenheit beim Schopf packt und ein Milliardenprogramm für die Bundeswehr auflegt und dass nicht nur Rheinmetall Gewinne aus diesem Krieg zieht. Doch sie drücken sich vor der Frage, wie die Ukraine ohne westliche Waffenlieferung erfolgreich ihre Eigenständigkeit verteidigen kann. Sie verurteilen die beabsichtigten Nato-Beitritte Finnlands und Schwedens, ohne deren realistische Angst vor der aggressiven Politik des Putin-Regimes zu begreifen.

Am bedrückendsten aber ist, dass das Gros der Linken ihre eigenen Bündnispartner:innen in der Ukraine und in Russland nicht zur Kenntnis nimmt. Oder gar, was einer Ignoranz gleichkommt, sich anmaßt, ihnen Ratschläge zu erteilen, was jene zu tun oder zu lassen haben. Diese Sicht auf den Krieg wollen wir versuchen zu durchbrechen. Wir laden zu einer Veranstaltung ein, auf der den ukrainischen Linken eben keine weiteren Ratschläge erteilt werden sollen. Wir wollen erfahren, um welche Positionen sie selbst ringen, wir wollen ihre Fragen und Probleme zur Kenntnis nehmen, nicht zuletzt, um der Diskussion der Linken in Deutschland den internationalistischen Inhalt zu geben, der bisher weitgehend fehlt. Welche, auch unterschiedlichen, Haltungen nehmen ukrainische Linke zum „Kriegszustand“ ein, welche Funktion sehen sie für sich, welche Möglichkeiten solidarischer Unterstützung formulieren sie an uns? Redakteur*innen und Autor*innen der Zeitungen Analyse & Kritik und Jungle World haben in Lwiw an einem Treffen mit ukrainischen Linken teilgenommen, auf dem solche Fragen erörtert wurden. Uns scheint dies ein notwendiger Perspektivwechsel, der unsere eigene Haltung zu diesem Angriffskrieg auf den Prüfstand stellt.

Podiumsteilnehmer*innen:

Jan-Ole Arps, Redakteur Analyse & Kritik

Bernd Gehrke, Arbeitskreis Geschichte sozialer Bewegungen Ost West

Renate Hürtgen, Arbeitskreis Geschichte sozialer Bewegungen Ost West

Johannes Simon, Autor/Redakteur Jungle World

Natascha Lomonosowa, Socialnij Ruch

Oksana Dutschak, Commons (angefragt)

Am 22.06.2022

Um 20 Uhr

Im Buchladen Schwarze Risse

Gneisenaustr. 2a

2. Hinterhof

Metro-Station Mehringdamm

Eintritt: frei!

Wenn die allgemeine Disposition zur Barbarei eine gewisse Methode annimmt

Karl Marx als Student in Bonn 1836, Ausschnitt aus der Lithographie von D. Levy

„Von allen Dogmen der bigotten Politik unserer Tage hat keine mehr Unheil angerichtet, als die, daß "um Frieden zu haben, man sich zum Kriege rüsten muß". Diese große Wahrheit, die sich hauptsächlich dadurch auszeichnet, daß sie eine große Lüge enthält, ist der Schlachtruf, welcher ganz Europa zu den Waffen gerufen und einen solchen Landsknechtsfanatismus erzeugt hat, daß jeder neue Friedensschluß als neue Kriegserklärung betrachtet und gierig ausgebeutet wird. (...) Sobald diese nebensächliche Erwägung von den diplomatischen Parlementairs <Unterhändlern> mit Hülfe des bewährten: "si vis pacem, para bellum <"willst du Frieden, rüste zum Krieg"> befriedigend erledigt ist, beginnt einer jener Zivilisationskriege, deren frivole Barbarei der besten Zeit des Raubrittertums, deren raffinierte Perfidie jedoch ausschließlich der modernsten Periode des imperialistischen Bürgertums angehört.

Unter solchen Umständen dürfen wir uns nicht wundern, wenn die allgemeine Disposition zur Barbarei eine gewisse Methode annimmt, die Unsittlichkeit zum System wird, die Gesetzlosigkeit ihre Gesetzgeber und das Faustrecht seine Gesetzbücher erhält.“

Karl Marx; Invasion! In: "Das Volk" Nr. 13 vom 30. Juli 1859

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