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"Respekt, Gleichberechtigung, Integrität"

Sinn Féin mobilisiert die Zivilgesellschaft und überwindet zum ersten Mal in der Geschichte Nordirlands die absolute Mehrheit der pro-britischen (unionistischen) Parteien.

Der große Wahlerfolg der irisch-republikanischen Linkspartei Sinn Féin bei den Wahlen zum nordirischen Regionalparlament am 2. März 2017 fand auch international Beachtung. Mit 27,9% der Stimmen und 27 Sitzen trennen sie nur 1.168 Stimmen und ein Sitz von der stärksten Partei, der pro-britischen, unionistischen DUP. Drittstärkste Partei ist mit deutlichem Abstand die sozialdemokratische SDLP mit 12 Sitzen und 11,9% der Stimmen.

Die wichtigste Wahl seit dem Friedensabkommen von 1998

Newsletter der internationalen Abteilung von Sinn Féin, März 2017, deutsche Übersetzung
Drei große Themenblöcke bestimmten die Wahl. Zum einen hatte sich die Mehrheit der nordirischen Wähler/innen im Juni letzten Jahres gegen den Brexit, also für den Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. Auch pro-britische Wähler fürchten eine EU-Außengrenze, die mitten durch Irland geht und die nordirische Wirtschaft vom Süden abkoppelt. Zum anderen ist das nordirische Regionalparlament keine gewöhnliche politische Institution. Es wurde im Friedensvertrag von 1998 als Parlament mit Allparteienregierung festgelegt, um die im Karfreitagsabkommen und in späteren Ergänzungsabkommen ausgehandelten Kompromisse gemeinsam umzusetzen. Von der dominierenden DUP wird diese Aufgabe seit längerem blockiert. Die pro-britische und in vielen Bereichen erzkonservative Partei blockierte wichtige Themen wie Aussöhnung, Aufarbeitung des Konflikts, und die Demokratisierung Nordirlands. Nach dem Friedensabkommen sollte nicht nur die Gleichberechtigung der irisch-katholischen Bevölkerungshälfte erreicht werden, sondern auch eine offene Gesellschaft, die Diversität als Reichtum und nicht als Belastung sieht.

Als die DUP Regierungschefin Arlene Foster auch noch Vorwürfe der Vetternwirtschaft und der Korruption ohne Konsequenzen aussitzen wollte, zog Sinn Féin die Reißleine. Mit dem Rücktritt des stellvertretenden nordirischen Regierungschefs Martin McGuinness erzwang die Linkspartei Neuwahlen, die sie unter dem Motto „Respekt, Gleichberechtigung, Integrität“ führte. Damit traf sie den Nerv des progressiven Teils der Bevölkerung und schaffte es, viele Menschen zu aktivieren, nicht nur zur Wahl zu gehen, sondern sich auch aktiv im Wahlkampf einzusetzen.

Relikt der kolonialen Vergangenheit

In vielen deutschsprachigen Berichten zur Wahl wird Sinn Féin (SF) als „katholisch“ oder als „republikanisch-katholisch“ bezeichnet. Diese falsche Bezeichnung resultiert aus einem falschen Verständnis des Nordirlandkonflikts als eines Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten. Tatsächlich hatten die englischen Kolonialherren in Irland schon in den vergangenen Jahrhunderten „protestantische“ Einwanderer gegen die irisch-katholischen Eingeborenen instrumentalisiert, wurden Protestanten in militanten Organisationen wie den Oranierorden organisiert, um Forderungen nach Gleichberechtigung gewaltsam zu unterdrücken. Nach dem Osteraufstand von 1916, dem SF-Wahlsieg von 1918 und dem Unabhängigkeitskrieg von 1919-1922 war Irland als Ganzes für das britische Empire nicht länger zu halten. Das britische Unterhaus schuf 1920 Nordirland als neuen Kunststaat und spaltete ihn von Irland ab, ohne die irische Bevölkerung einzubeziehen. Sie schuf damit einen protestantischen Apartheid-Staat, der 50 Jahre lang von einer einzigen Partei, der Unionist Party regiert wurde.

Demgegenüber sieht sich Sinn Féin in der antikolonialen Tradition der United Irishmen (Vereinigte Iren) des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die „Katholiken, Protestanten und Atheisten“ aufriefen, gemeinsam ein demokratisches und freies Irland zu schaffen. Auf dem Jugendkongress seiner Partei in Derry rief der Sinn Féin Präsident Gerry Adams in Erinnerung, dass die DUP aus der Politik gegen die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre entstanden sei. Sie war die „Verkörperung des Aufwiegler-Unionismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das sind ihre Ursprünge, ihre Politik ist Teil unserer kolonialen Vergangenheit. Sie basiert auf Sectarianism (religiös verbrämtem Rassismus). Einige ihrer Mitglieder sind der festen Überzeugung, Katholiken seien das Problem. Nicht wir (in Sinn Féin), sondern Katholiken im Allgemeinen. Für sie ist tatsächlich jeder, der nicht Freier Presbyterianer ist, das Problem und der Feind.“ (Eine Zusammenfassung der Rede von Gerry Adams findet sich im Newsletter der internationalen Abteilung von SF, der in deutscher Übersetzung beiliegt).

Hohe Wahlbeteiligung

Hatten im Vorfeld Kommentatoren vom Desinteresse der nordirischen Wähler/innen gesprochen und davor gewarnt, dass die Wahlbeteiligung unter 50% sinken könnte, wurden sie am letzten Donnerstag, den 2. März 2017 eines besseren belehrt. Fast 10% mehr Wähler/innen gingen zur Wahl als bei der letzten Wahl im Mai 2016, insgesamt 64,8% der stimmberechtigten und im Wahlregister eingetragenen Bevölkerung.

In 18 Wahlbezirken standen jeweils fünf Sitze zur Wahl, die nach einem System der Persönlichkeitswahl ermittelt werden, bei dem Wähler Stimmen durch Angabe einer zweiten, dritten, ... Präferenz transferieren können. Die Stimmen der nach Vergabe aller Sitze unterlegenen Kandidaten verfallen.

Ergebnisse der Wahlen zum nordirischen Parlament
Wikipedia, März 2017 (in englischer Sprache)


Bemerkenswert

Das Wahlergebnis ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Der Abstand der führenden unionistischen Partei DUP zu Sinn Féin als zweitstärkste Partei ist von bisher zehn Sitzen auf gerade einmal einen Sitz geschrumpft. Die SF-Nordirland-Chefin Michelle O–™Neill erzielte das beste Ergebnis aller Kandidaten. Und zum ersten Mal haben die pro-britischen Parteien DUP und UUP gemeinsam nicht mehr die absolute Mehrheit im Parlament. Das gute Abschneiden von Sinn Féin ging nämlich nicht auf Kosten der kleineren Partei des irischen Lagers, der sozialdemokratischen SDLP, die trotz leichter Verluste ebenfalls einen Sitz zulegen konnte.

Eine solche Änderung der Mehrheitsverhältnisse war lange als irisch-republikanische Utopie abgetan worden. Sie hätte Konsequenzen. Denn im Friedensvertrag ist festgelegt, dass Großbritannien in Nordirland ein Referendum zum Austritt aus dem United Kingdom zulassen muss, wenn es die Mehrheit der nordirischen Bevölkerung wünscht. Die Diskussion um die Wiedervereinigung Irlands wird nach diesem Wahlergebnis und der Auseinandersetzung um den Brexit wohl an Fahrt gewinnen.


Titelfoto (Omagh, 3.3.2017): Sinn Féin feiert Erfolg der Regionalwahlen 2017 –“ im Wahlbezirk West Tyrone gewinnt die irisch-republikanische Partei 3 von 5 Sitzen.

Newsletter der internationalen Abteilung von Sinn Féin vom März 2017: Download in deutscher Übersetzung (450 KB)

Quelle: Info-Nordirland.de

Auch 2016: An guten Traditionen festhalten!

Anarchistisches Poster aus den 50er Jahren

Beispielsweise den heutigen Guy Fawkes Day, in dem in Britannien des einzigen Mannes gedacht wird, der je mit ehrlichen Absichten ins Parlament gegangen ist.

Remember, remember, the 5th of November
The Gunpowder Treason and plot ;
I know of no reason why Gunpowder Treason
Should ever be forgot.

Guy Fawkes, Guy Fawkes,
'Twas his intent.
To blow up the King and the Parliament.
Three score barrels of powder below.
Poor old England to overthrow.
By God's providence he was catch'd,
With a dark lantern and burning match

Holloa boys, Holloa boys, let the bells ring
Holloa boys, Holloa boys, God save the King!

Hip hip Hoorah !
Hip hip Hoorah !

A penny loaf to feed ol'Pope,
A farthing cheese to choke him.
A pint of beer to rinse it down,
A faggot of sticks to burn him.
Burn him in a tub of tar,'
Burn him like a blazing star.
Burn his body from his head,
Then we'll say: ol'Pope is dead.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick

BOLIVIEN
In Bolivien erhalten mehr als 8.800.000 Menschen in 306 Verwaltungsbezirken eine kostenlose ärztliche Versorgung. Dies ist das Ergebnis einer Auswertung des Sozialprogrammes „Meine Gesundheit“, das unter Mitarbeit kubanischer Spezialisten seit dem 1. Juli 2013 in dem Andenstaat mit rund zehn Millionen Einwohnern umgesetzt wird.

BRASILIEN
Am 23. September 1936 wurde die jüdische Kommunistin Olga Benario aus Rio de Janeiro ausgewiesen –“ das war ihr Todesurteil.

CHILE
Victor Jara wurde am 16. September 1973 von den Militärs Augusto Pinochets ermordet. Bei der Veranstaltung »1.000 Gitarren für Victor Jara« am Samstag auf der Plaza La Paz in Santiago wurde an Jara erinnert.

KOLUMBIEN
In Kolumbien haben am Montag abend (Ortszeit) die Regierung und die FARC-Rebellen nach mehr als einem halben Jahrhundert Krieg ihren historischen Friedensvertrag unterzeichnet.

Die kolumbianische Guerillagruppe „Nationale Befreiungsarmee“ (ELN) wird vom 30. September bis zum 5. Oktober auf militärische Operationen verzichten. Damit solle die Teilnahme der Bevölkerung an der Volksabstimmung über den Friedensvertrag zwischen den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc) und der Regierung erleichtert werden, heißt es in einer Bekanntmachung ihrer Leitung.

Kurz vor dem Referendum am 2. Oktober, bei dem in Kolumbien über eine Zustimmung zum Friedensvertrag zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla entschieden wird, hat Präsident Juan Manuel Santos die staatliche Verantwortung für das Schicksal von Politikern und Sympathisanten der linksgerichteten Partei Unión Patriótica (UP) eingeräumt.

KUBA
Der chinesische Regierungschef Li Keqiang beendet Anfang dieser Woche einen mehrtägigen Aufenthalt in Havanna. Mit dem ersten Besuch eines chinesischen Ministerpräsidenten in Kuba seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahr 1960 hätten die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen eine neue Qualität erreicht, sagte Li laut der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua zum Abschluss seiner Reise.

Zahlreiche Schüler und Studenten haben am Freitag in verschiedenen Bildungseinrichtungen Havannas gegen den jüngsten Versuch der US-Regierung protestiert, Jugendliche anzuheuern, um in Kuba einen Systemwechsel herbeizuführen. Die jungen Kubaner wehren sich mit ihren Protesten gegen ein Programm der Organisation »World Learning« mit Sitz in Washington und Vermont.

MEXIKO
Grün, beliebt, zerstörerisch: Die hohe Nachfrage nach Avocados hat in Mexiko verheerende Folgen. Wälder werden abgeholzt und die Kartelle verdienen mit.

Was erwarten KämpferInnen vom Frieden zwischen Farc und Regierung? Die taz sprach mit Gueriller@s auf einer Konferenz im Dschungel.

VENEZUELA
»Referendum wird gigantische Niederlage der Opposition«: Venezuelas Regierung ergreift Maßnahmen gegen den Wirtschaftskrieg. Opposition tief gespalten. jW-Gespräch mit Jesús Faría, Minister für Außenhandel und internationale Investitionen der Bolivarischen Republik Venezuela.

Ein Gemeinschaftsprojekt von Einfach Übel und redblog, Ausgabe vom 30. September 2016

Ein Volk in Waffen - un pueblo en armas

"Die Geschichte Spaniens: Die Revolution 1936-39

Am 18. Juli 1936 kamen aus der Kolonie Marokko die Nachrichten über den Putsch der Kolonialarmee, der sich nach dem Willen der Generäle innerhalb von 48 Stunden in ganz Spanien ausbreiten sollte. Die Regierung wartete ab und verweigerte dem Volk Waffen, um gegen das Militär kämpfen zu können.

Das Volk bediente sich inzwischen selbst, und in fast allen Orten Spaniens warteten die Militanten der CNT in ihren Gewerkschaftslokalen auf die Nachricht, daß die Truppen die Kasernen zum Putsch verlassen werden.

Im Morgengrauen des 19. Juli gaben die Wachen in Barcelona Alarm. Die Fabriksirenen heulten und die Bevölkerung errichtete über 1000 Barrikaden. Die Arbeiter, an den Kampf in den Straßen gewöhnt, belagerten die Kasernen.

Viele Soldaten und sogar Teile der berüchtigten Guardia Civil desertierten und liefen zu den mit Schrotflinten Dynamitpatronen und Beutewaffen ausgerüsteten Arbeitern über. Nach 36 Stunden ununterbrochenem Kampf, 600 Toten und 3000 Verwundeten waren die faschistischen Offiziere in Barcelona geschlagen.

Am Abend des 20. Juli wehte die schwarz-rote Fahne der CNT auf allen öffentlichen Gebäuden. Die Anarchisten kontrollierten die ganze Stadt."

"Es ist allgemein bekannt, dass über die soziale Revolution und den Bürgerkrieg in Spanien mehr Bücher geschrieben wurden als über den 2. Weltkrieg.

Weniger bekannt ist die extreme Produktivität, welche die Kollektivierung der Filmindustrie nach dem 23. Juli 1936 entfaltete, als die vorwiegend in der anarchistischen Gewerkschaft CNT-FAI organisierten, spanischen Arbeiter das Privateigentum an Produktionsmitteln abschafften. Allein in Madrid und Barcelona wurden in den 10 Monaten zwischen Juli 1936 und Mai 1937 über 80 vorwiegend dokumentarische Filme hergestellt.

Der „blutige Mai 1937" beendete diese Phase, als die stalinistische Repression in den Straßen tobte und -- neben vielen anderen Errungenschaften der sozialen Revolution -- auch die Selbstverwaltung der Betriebe durch die Arbeiter wieder zurückgenommen wurde. Die CNT fuhr zwar noch bis 1939 mit der Filmproduktion fort, konnte jedoch kein annähernd hohes Niveau mehr erreichen wie zu den Zeiten, als sich die Filmindustrie in Selbstverwaltung durch die Arbeiter befand.


In dieser Zeit entstanden die Aufnahmen zu diesem Film, die auch in vielen anderen Filmdokumenten dieser Zeit zu sehen sind. „Un pueblo en armas" erschien zuerst 1937 in den USA unter dem Titel „Fury over Spain". Das europäische Material lagerte über 30 Jahre in Paris und wurde 1971, als sich das Ende der Franco-Ära abzeichnete, in Italien als 16mm-Streifen realisiert.

„Un pueblo en armas" unterscheidet sich von vielen anderen dieser Filmproduktionen, wie z.B. „The Will of a People" (USA 1939), indem er weniger die Details des Krieges als mehr die soziale Revolution in den Vordergrund stellt. Er ist damit auch eine authentische Vorlage für Ken Loach's „Land and Freedom" (GB 1995)."



Via Syndikalismus

Wer stoppte den Putsch? Wer war auf der Straße?

"... Seit den folgenschweren Geschehnissen des 15. Juli kursiert unter den Unterstützern der Regierung und in einigen Teilen der Opposition die Behauptung: „Der Putschversuch des 15. Juli wurde vom Volk gestoppt, das sein Recht zur Verteidigung der Demokratie wahrgenommen hat.“ Das ist doppelt falsch. Erstens waren es nicht die Zivilisten auf der Straße, die den Putsch stoppten. Zweitens erfolgte der Widerstand auf der Straße nicht im Namen der Demokratie..."

Zu Mut und Entschlossenheit der Erdogan-Unterstützer heißt es dort: "... Die Militanz dieses Mobs war beschränkt auf die Orte, wo sich die Soldaten ergeben hatten, nicht geschossen wurde und keine Panzer rollten. Diese „Militanz“ zeigt sich im Lynchmord an Wehrpflichtigen, die sich ergeben hatten: Ihnen wurde die Kehle durchgeschnitten. Diese „Militanz“ zeigte sich im Posieren für Fotos auf den Panzern –“ nachdem die Gefahr vorüber war. Dieser Mob wurde von der regierenden wie von den Oppositionsparteien in einer Parlamentssitzung am 16. Juli leichtfertig als „demokratische Widerstandskämpfer“ bezeichnet. Tatsächlich bestand dieser Mob aus einer faschistischen Menge, die in der anti-demokratischen Regierung kein Problem sah, selbst wenn sie diese Regierung gegen einen anti-demokratischen Putsch verteidigte. Es waren keine Widerstandskämpfer gegen den Putsch, sondern fanatische AKP-Anhänger. Sie riefen Losungen für die Sharia und die Wiedereinführung der Todesstrafe, nicht für die Demokratie. Dieser Mob würde keinen Kampf aufnehmen, den er verlieren könnte. Aber er zeigte sich barbarisch als der Sieg sicher war, mit einem Messer an der Kehle derer, die kapituliert hatten..." Weiter in der Übersetzung eines Beitrags von Ali Ergin Demirhan, sendika.org/ LabourNet Türkei vom 17. Juli 2016 von Sebastian Gerhardt bei LabourNet

Erich Mühsam zur Empfehlung von Bernie Sanders, Hillary Clinton zu wählen.

Erich Mühsam (Fotografie aus dem Jahr 1928, kurz vor seinem 50. Geburtstag)

Tja. War wohl wieder nix mit der Hoffnung mancher "Linker", die lieber auf Bernie Sanders anstatt auf selbstorganisierte, klassenkämpferische Bewegungen wie #BlackLivesMatter setzen. Sanders ruft nun auch offiziell zur Wahl von Clinton auf. Den Teufel konnte man eben noch nie mit dem Belzebub austreiben. Wer hat uns nochmal verraten? Auch dazu hätte der anarchistische Schriftsteller, Publizist und politische Aktivist Erich Mühsam etwas zu sagen gewußt. Daher mal wieder der Klassiker:

Der Revoluzzer
(Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet)

War einmal ein Revoluzzer,
im Zivilstand Lampenputzer:
Ging im Revoluzzerschritt
Mit den Revoluzzern mit.

Und er schrie: „Ich revolüzze!“
Und die Revoluzzermütze
Schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.

Doch die Revoluzzer schritten
Mitten der Straßen Mitten,
wo er sonst unverdrutzt
alle Gaslaternen putzt.

Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
aus dem Straßenpflaster aus,
zwecks des Barrikadenbaus.

Aber unserer Revoluzzer
Schrie: „Ich bin der Lampenputzer
Dieses guten Leutelichts
Bitte, bitte, tut ihm nichts!

Doch die Revoluzzer lachten,
und die Gaslaternen krachten,
und der Lampenputzer schlich
fort und weinte bitterlich.

Dann ist er zuhaus geblieben
Und hat dort ein Buch geschrieben:
Nämlich, wie man revoluzzt
Und dabei doch Lampen putzt.

Bakunin zu Parlamentarismus und Lohnsklaverei

"Da die bürgerlichen Interessen denen der arbeitenden Massen unbedingt entgegengesetzt sind, so ist gewiß, daß ein bürgerliches Parlament nie etwas anderes wird tun können, als die Lohnsklaverei des Volkes gesetzlich zu machen und alle Maßnahmen zu bewilligen, die darauf ausgehen, sein Elend und seine Unwissenheit zu verewigen. Man muß wirklich sehr naiv sein um zu glauben, ein bürgerliches Parlament könne aus freien Stücken für eine geistige, materielle und politische Befreiung des Volkes stimmen." (Bakunin)

Die Schicht Pachulke

Heinrich (links) und Thomas Mann (rechts) um 1902
Foto: Fotografie Atelier Elvira, München
Wer ist Pachulke? Eine Sorte, in Deutschland aufgekommen, vielleicht infolge der Entfernung vom offenen Meer und freien Sinn, jedenfalls aber vermöge einer Geschichte, die einer Schicht von Deutschen nun einmal Minderwertigkeitskomplexe hinterlassen hat. Sie hätten es nicht nötig, aber sie fühlen sich schlecht weggekommen, und schweifen daher vorsätzlich von der Seite des Selbstgefühls aus.

(...)

Sie [die Pachulkes] gereichen ihrem Lande genauso zur Unehre wie der Menschheit, obwohl sie mit dieser nichts gemein haben wollen und jenes sich selber gleich setzen. Sie haben wirklich die Stirn, Deutschland mit sich gleichzusetzen: Pachulke gleich dem Staat, Pachulke total, und kein Deutschland außer Pachulke.

(...)

Sie kommen immer, gesetzt, daß jemand mit Zähigkeit auf sie wartet. Es ist nicht schwer, die Macht zu ergreifen, nur langwierig kann es sein. Es erfordert nicht durchaus Begabung, unerläßlich war im Fall Pachulke ein dickes Fell. Alle die eingesteckten Ohrfeigen seit hundert Jahren! Das Gelächter und Naserümpfen über den treudeutschen Rüpel (...)! Ein Hund hätte sich vor Scham verkrochen.

(...)

Pachulke macht sich zum Schrecknis vermittels des „Nationalen“. Er hat das „Deutschtum“ allen anderen abgenommen, Sozialisten wie „Reaktionären“ –“ warum? Damit er selbst das große Schrecknis ist.

(...)

aus: Heinrich Mann: Die Schicht Pachulke (Auszüge), in: Es kommt der Tag. Essays. Erstausgabe 1936.

Heute vor 410 Jahren: Hinrichtung von Guy Fawkes

Die Hinrichtung der Verschwörer
Zeitgenössischer Kupferstich von Claes (Nicolaes) Jansz Visscher

Heute vor 410 Jahren wurde Guy Fawkes in Britannien hingerichtet. Bekanntlich der einzige Mensch, der je mit ehrlichen Absichten ins Parlament gegangen ist. Er versuchte am 5. November 1605 mit 36 Fässern Sprengstoff in London ein Attentat auf den protestantischen König Jakob I. dessen Familie, die Regierung und das englische Parlament, scheiterte jedoch am Verrat eines Mitverschwörers. "Unter Folter bekannte der in den Tower gebrachte Fawkes sein geplantes Verbrechen und nannte auch seine Mitverschwörer, die am 30. Januar 1606 durch Hängen, Ausweiden und Vierteilen hingerichtet wurden. Einen Tag später sollte auch Guy Fawkes hingerichtet werden. Er verkürzte die Strafe, indem er kurz vor dem Hochziehen mit der Schlinge um den Hals vom Galgenpodest sprang und sich das Genick brach." (WikiPedia)

„Remember, remember the fifth of November
Gunpowder, treason and plot.
I see no reason why the gunpowder treason
Should ever be forgot.“

Zu den politischen Konsequenzen sexualisierter Silvestergewalt: Gegen rassistische Hetze und asylfeindliche Sündenbockpolitik!

Bundestag soll geplanter Verschärfung des Ausweisungsrechts Absage erteilen

Zur aktuellen politischen und Mediendebatte über Täter und rechtspolitische Folgen der zu Sylvester insbesondere in Köln stattgefundenen sexualisierten Gewalt fordern der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein und der Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein - in Abstimmung mit dem Flüchtlingsrat Niedersachsen - ein seriöses Herangehen bei der Identifizierung der Täter und der Analyse der Tatbestände anstatt kurzschlüssiger Schuldzuweisungen und Sippenhaftgesetzgebungen.

Die Übergriffe gegen Frauen zu Sylvester in Köln, Hamburg und anderen Orten stellen exzessive Formen sexualisierter Gewalt dar. Diese Taten müssen umfassend aufgeklärt und ggf. in diesem Zusammenhang existierende Strafrechtslücken geschlossen werden. Seit vielen Jahren schon offenbart der regelmäßige sexistische bundesdeutsche Alltag hier vielfältige rechtspolitische Handlungsbedarfe. Jedoch wurden Tatbestands- und Opferberichte über Gewalt gegen Frauen, Lesben und Transpersonen in Deutschland genauso regelmäßig von Politik und Medien ignoriert.

Auch Migrant_innen mit und ohne Fluchtmigrationshintergrund sind Leidtragende männlicher Gewalt. Sexismus und sexualisierte Gewalt sind ein fortwährendes Problem unserer Gesellschaft, das alle betrifft. Aus diesem Grund gehören der Einsatz gegen Sexismus und die Weiterentwicklung institutioneller Strukturen zum Schutz von Betroffenen selbstverständlich auf die Tagesordnung.

Notwendig ist Aufklärung der Ereignisse der Silvesternacht und eine nüchterne Analyse: Wer waren die Täter, wie waren sie organisiert, welche Straftatbestände waren erfüllt? Derzeit wird das öffentliche Drama beherrscht von einem Spiel mit Ängsten und von interessengeleiteten Instrumentalisierungen, in deren Windschatten es sich einmal mehr Gesetzesinitiativen wie der „Gemeinsame Vorschlag von BMI und von BMJV zur erleichterten Ausweisung von Straftäter" vom 12. Januar 2016 leicht machen, weitgehend pauschal Flüchtlinge als Sündenböcke verunglimpfen und das Aufenthaltsrecht zum verlängerten Arm der Strafverurteilung missbrauchen wollen.

Flüchtlingsrat und Antidiskriminierungsverband fordern den Bundestag auf, sich am Mittwoch den 13. Januar bei der Plenardebatte zu den Konsequenzen aus den Vorkommnissen der Kölner Silvesternacht deutlich gegen den von den Bundesministerien für Inneres und Justiz aus den Schubladen gezogenen Maßnahmenkatalog zur Verschärfung des Ausweisungsrechts auszusprechen. „Wir wenden uns gegen pauschale Stigmatisierung von Flüchtlingen , und gegen die Instrumentalisierung der Opfer im Interesse populistischer Stimmungsmache, bei der sexualisierte Gewalt und Gewalt gegen Frauen nur dann thematisiert wird, wenn die Täter die vermeintlich –šAnderen–˜ sind“, mahnt Martin Link, Geschäftsführer beim Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein.

Bei jedem deutschen Großereignis wird sexualisierte Gewalt und Gewalt gegen Frauen ausgeübt. Jedes Jahr werden beispielsweise auf dem Münchner Oktoberfest im Schnitt zehn Vergewaltigungen polizeilich erfasst; die Dunkelziffer wird von Polizei und Opferverbänden auf 200 geschätzt. Auch im Karneval kommt es immer wieder zu massiven Übergriffen und zahlreichen sexistischen Verbrechen. Zahlen des Bundesfamilienministeriums zeigen: Knapp 60 Prozent aller Frauen, die in Deutschland leben, wurden bereits sexuell belästigt, jede siebte hat strafrechtlich relevante Formen sexueller Gewalt erfahren. Diese lange bekannten Daten waren Politik und Medien bis dato aber kaum der Rede wert.

Wenig glaubwürdig ist es vor diesem Hintergrund, wenn jetzt ausgerechnet diejenigen, die eben noch ein konservatives Geschlechterrollenbild und Heim und Herd propagiert haben, nun die Rechte der Frauen entdecken und diese für ihre asylfeindlichen politischen Zwecke instrumentalisieren.

Wir begrüßen die aktuelle Diskussion um Sexismus und sexualisierte Gewalt, doch wir lehnen es ab, sie zur Rechtfertigung von Sündenbockpolitik oder gar für rassistische Hetze zu missbrauchen. Wenn z.B. das aktuelle Fokus-Titelblatt eine weiße nackte Frau mit schwarzen Handabdrücken veröffentlicht, dann stellt das genau die Form der Ethnisierung einer gesellschaftlichen Problemlage dar, die wir für falsch und gefährlich halten. Es ist für alle schädlich, wenn feministische Anliegen instrumentalisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen. Zum einen weil das rassistische Narrativ 'schwarzer Mann vergewaltigt weiße Frau' Hetze gegen migrantische Männer verfestigt und zudem migrantische und geflüchtete Betroffene aus der Diskussion ausblendet. Zum anderen weil diese Debatte den Betroffenen von sexualisierter Gewalt schadet, da sie eine wirkliche Auseinandersetzung über Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen verhindert.

Repression wird beschworen, wo inhaltliche Konzepte nötig wären. Grundsätzliche Fragen bleiben weiterhin unbeantwortet: Wie kann eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in unserer Gesellschaft gewährleistet werden? Wie erreichen wir, dass Frauen in Deutschland unabhängig von ihrer Herkunft nicht diskriminiert und benachteiligt werden? Was müssen wir tun, damit auch Flüchtlingsfrauen, ob in Notunterkünften des Landes oder in kommunalen Unterkünften, institutionell geschützt und systematisch gefördert werden? Wie kann der Benachteiligung von Flüchtlingsfrauen bei der Integrationsförderung nachhaltig begegnet werden?

Doch anstatt zielführende Antworten zu geben, genügt sich die Politik einmal mehr darin, das Ausländerrecht zu verschärfen und eine härtere Gangart gegenüber Flüchtlingen zu fordern. „Null Toleranz gegenüber kriminellen Ausländern“ –“ das ist die Botschaft, die selbst Vertreterinnen der sogenannten bürgerlichen Parteien seit Tagen in die Mikrofone und Notizblöcke der Journalistinnen rufen. „Haft in der Heimat“ (Sigmar Gabriel, SPD), „abschieben, bevor das Asylverfahren zu Ende ist“ (Joachim Herrmann, CSU), „schärfere Gesetze“ (Volker Kauder, CDU), „Hürden für die Abschiebung senken“ (Christian Lindner, FDP), „Schusswaffen gegen diese Horden“ (MdL Frank Oesterhelweg, CDU Niedersachsen). Derartige Aussagen sind in keiner Weise lösungsorientiert, sind allerdings sehr geeignet, rassistische Stimmungen in der Gesellschaft zu fördern.

Gerade weil Staat und Gesellschaft in Deutschland den Menschenrechten verpflichtet sind, und Flüchtlingen eine Orientierung an den Menschenrechten abverlangt wird, müssen Entscheidungen über Ausweisung und Abschiebung straffällig gewordener Flüchtlinge besonderer Aufmerksamkeit unterliegen. Das bedeutet, ein nach der Genfer Flüchtlingskonvention Schutzberechtigter darf nicht einfach in ein Land expediert werden, in dem er politische Verfolgung befürchten muss. Auch ein straffälliger Flüchtling darf gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm Folter, die Todesstrafe oder eine sonstige menschenrechtswidrige Behandlung droht. Bei allen Entscheidungen über ein Aufenthaltsrecht sind die persönlichen Interessen und Bindungen des Betroffenen gegen das öffentliche Interesse abzuwägen. Je länger ein Flüchtling in Deutschland lebt und je stärker seine Verwurzelung in Deutschland ist, desto größer ist das persönliche Interesse zu gewichten. Hau-Ruck-Aktionen und Schnellschüsse darf es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht geben.

Quelle: Gemeinsame Presseerklärung, Kiel, 13.01.2016
Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. • www.frsh.de
Antidiskriminierungsverband Schleswig-Holstein e.V. • www.advsh.de

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