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Fukushima: Erinnerung an die inzwischen fast prophetischen Bücher Gudrun Pausewangs

"Die letzten Kinder von Schevenborn" und "Die grüne Wolke".

Vorbemerkung: Aus traurigstem Anlass übernehmen wir aus dem Archiv von stattweb einen Artikel vom März 2008 - zum achtzigsten Geburtstag der Autorin:

Sie lebt nach wie vor in der kleinen Stadt Schlitz, in Oberhessen, nahe der ehemaligen Zonengrenze. Mit ihren zwei Büchern “Die letzten Kinder von Schevenborn– und “Die Wolke– rief sie in den achtziger Jahren die sonst unfassbare Gefährdung durch Atombomben und zugleich durch KKWs den dort Wohnenden unerbittlich in die persönlichste Vorstellung.

Vom naheliegenden “Hattenbacher Dreieck– an der Zonengrenze hieß es damals, dass es sowohl atomvermint vom Westen her als bedroht vom Osten her wäre. Es muss daran erinnert werden, dass die Schmidt-Regierung trotz erbitterter Proteste sich damals der Reagan-Politik unterwarf und den Nachrüstungsbeschluss brutalstmöglich durchboxte.

Es war Zeitungen zu entnehmen, dass in den USA die ganze Gegend in größtem Maßstab im Modell nachgebildet existierte, um die Kriegsplanung zu perfekt wie möglich auszugestalten.
Ich damals in einem Internat zwölf Kilometer entfernt tätig, hatte mit den Schülerinnen und Schülern mehrfach Gelegenheit, Frau Pausewang sowohl in der Schule selbst zu hören wie auch in einer “Kulturscheune– im nahegelegenen Dorf Wehrda.

In die “Letzten Kinder von Schevenborn– wird eine Katastrophe vorausgesetzt - durch welche Partei auch ausgelöst - die topographisch genau auf die alte Burgenstadt Schlitz übertragen werden konnte. Auch wenn der Name verändert worden war, konnte jeder sich Straße und Platz der zerstörten Stadt vorstellen.

Grauenhaft der Weg der Familie der Hauptpersonen durch ein vollkommen menschenleeres Land. Sie wollen zurück nach Frankfurt: doch als sie sich auf der Autobahn der Stelle nähern, wo die Abfahrt nach Frankfurt hätte sein sollen, ist nichts mehr zu sehen. Auf dem Boden liegend, lässt sich eine Schwelle ertasten. Dorthin hätte der Weg führen sollen. Die Familie schleppt sich zurück. Die Mutter bekommt ein Kind ohne Augen, das der Vater schweigend “entsorgt–.

Das Ende: es sind nur noch wenig Kinder übrig, alle versehrt und beschädigt. Sie wenden sich insgesamt gegen die Erwachsenen, die es noch gibt. Hätten sie nicht rechtzeitig eingreifen können und müssen?

Der Roman “Die Wolke– spielt nach einem Atomunglück in der Gegend Hanau/Aschaffenburg. Unvergesslich die Heuchelei und Lüge der offiziellen Beruhigungspolitik. Schluss: Eine Fernseh-Nachricht über Frankreich: Dort sei ein ganz neues KKW errichtet worden, ganz anders als die bisherigen. Völlig ungefährlich.....

Gudrun Pausewang hat lange Jahre in Südamerika verlebt. Auch von dort hat sie einen eindrucksvollen kleinen Roman mitgebracht: “Kindergeburtstag–. In diesem Buch wird der dortige Festungskapitalismus minutiös geschildert: Streng bewachte, von Gräben und Hundestreifen umgebene Villen und Villenviertel dienen den Reichen als Rückzugsgebiet. Ein Kind gibt arglos den Verzweifelten und Armen Einlass:Die Gierigen überschwemmen die Satten. Alles so eindrucksvoll, dass von den Internatsinsassen, die selbst zum Teil aus fernen Ländern stammten oder deren Eltern auf Montage dort arbeiteten, sich an die Situation erinnerten, in der sie selbst in abgeschirmten Gebieten fern von den gewöhnlichen Leuten die Ferien verbracht hatten.

Gudrun Pausewangs Bücher- Beispiele eindringlichster Wirklichkeit. Ein BeispieL. Als die großen Friedensdemonstrationen in Bonn anstanden, meldeten sich ganze Klassen zur Hinfahrt. Mit ausdrücklicher Erlaubnis der Eltern. Vielleicht eins der wenigen Beispiele,wo praktisch eine ganze -private- Schule mit Lehrern, Schulproviant, über die Schule bestellten Bus sich geschlossen zur Friedensdemo aufmachte. Ohne die vorherige Vertiefung in Pausewangs Bücher kaum vorstellbar! Der großen Schriftstellerin gilt an diesem Tag unsere Erinnerung und unser Dank. Quelle: taz, 1.3.08

Bibliographische Angaben:
"Die Wolke" von Gudrun Pausewang von Ravensburger Buchverlag (Taschenbuch - 1. April 2010)
224 Seiten
ISBN-10: 3473580147
ISBN-13: 978-3473580149

Die Verfilmung des Buches: "Die Wolke". Darsteller: Paula Kalenberg, Franz Dinda, Hans-Laurin Beyerling, Regie: Gregor Schnitzler

"Die letzten Kinder von Schewenborn: oder ... sieht so unsere Zukunft aus?" von Gudrun Pausewang von Ravensburger Buchverlag (Taschenbuch - Juli 2003)
189 Seiten
ISBN-10: 9783473580071
ISBN-13: 978-3473580071

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Kommentare

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Daniel Weigelt am :

Von "Die Wolke" gibt es ja bekanntlich eine Verfilmung. Die ist immer wieder sehenswert.

Wer sagt, bei uns kann sowas nicht passieren, leidet eindeutig unter Realitätsverlust. Es gibt schlichtweg keine 100%ige Sicherheit. Niemals.

Fritz Güde am :

Danke für den Hinweis.
Wenn Du eine Bestelladresse für DVD oder ähnliches hättest, würden wir sie gern aufnehmen. Gruß Fritz

Thomas Trueten am :

Der Film ist jetzt bei den bibliografischen Angaben ergänzt. Danke für den Hinweis.

Gruß,
Thomas

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