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Lévy: Ein Jauchefass rollt den Abhang hinunter - bis es doch einmal platzt

Bernard-Henry Lévy
Foto: Itzik Edri (Eigenes Werk)
Lizenz: CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons

Einer, dem der Schaum immer schon auf den Lippen stand, wenn er das Maul aufriss, ist nach seinem Ergebnis in Libyen immer noch nicht zufrieden. Jetzt heult er durch die Katakomben, dass Syrien mit ran muss. Und ganz unbeeindruckt von den Schwüren der Grünen und der SPD in Deutschland, sieht er die Flugverbotszonen von der Türkei aus mit PATRIOTS ganz leicht zu installieren. Und wenn es die mal gibt - dann drauf los auf die "Banden" Assads.

Dass Lévys Stolz auf "sein" Ergebnis in Libyen ihm weder Reue verschafft noch Ruhe lässt, darf nicht verwundern. Selbstvergafft bleibt selbstvergafft - oder gleich blind. Was wirklich beängstigt: der große Schreihals spricht nicht mehr wahrheitsgemäß von seinem EGO, sondern pausenlos wird ein "Wir" erwähnt, um dessen Sieg oder Niederlage es gehen könnte. Wer ist dieses "Wir"? Es ließe sich denken: Wir, der menschenwertliche Westen. Noch deutlicher: Wir, das Tugendvollzugskommando! Die letzten Sätze - Russland eins in die Schnauze - deuten auf das WIR des kalten Krieges hin. Eine Leiche im Keller des immer schon antisozialistischen Grölers. Wie auch immer - es handelt sich um ein WIR als absolutes MUSS. Das gleiche, das herumgereicht wird, wenn die Pflichten zur Sprache kommen, die alle Immigranten - mehr noch: alle Überflüssig gemachten - UNS gegenüber zu erfüllen haben.

Es gibt keinen eitlen Sarkozy mehr, der dem Schwätzer auf den Leim gehen könnte. Es gibt auch keine Scharfrichter mehr, die ganz von ferne erkennen, wer im Bürgerkrieg zu Unrecht fiel. In Wirklichkeit geben die westlich Herrschenden sich ihren Phantasien hin und hoffen, dass die bestehende Regierung Syriens von alleine stürzt!

Eine Schande wird bleiben: Dass eine einst angesehene Zeitschrift wie die ZEIT einem leeren Kriegshetzer wie Lévy ihre Seiten zur Verfügung stellte.

Parastou Forouhar: Rückreise absehbar?

Parastou Forouhar

Quelle: Parastou Forouhar

Wir hatten bereits über den Fall von Parastou Forouhar berichtet. Die iranische politische Künstlerin lebt seit 1991 in Deutschland. Sie reist jedes Jahr in den Iran um an den jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltung für ihre ermordeten Eltern, die 1998 ermordeten Dariush und Parvaneh Forouhar teilzunehmen. Ihr Vater Dariush Forouhar gehörte als Arbeitsminister zum weltlichen Kabinett von Premierminister MehdÄ« Bāzargān. Beide gehörten zu den führenden oppositionellen Politikern im Iran.

Parastou Forouhar wird regelmäßig bei den Besuchen im Iran vom iranischen Geheimdienst erwartet. Trotz der jahrelangen Repression gegen sie tritt sie weiterhin für die Aufklärung des Mordes an ihren Eltern ein. Inzwischen fand die mehrfach verschobene Vorladung beim iranischen Geheimdienst statt. Dazu erreichte uns folgende Nachricht:

"Parastou verliess die heutige Vorladung beim Geheimdienst mit gemischten Gefühlen. Sie hat ihren Pass nicht zurückbekommen. Der Ton bei diesem Treff war im Vergleich zum letzten Mal schärfer und erinnerte an die ersten Vorwürfe bei ihrer Ankunft in Iran. Ihr wurde angedroht, dass ihre Aktivitäten (Ihre Interviews, ihre öffentlichen Erklärungen, die Besuche in ihrem Elternhaus und die Gegenbesuche, etc.) juristische Konsequenzen für sie haben könnten. Sogar ihre künstlerische Arbeit und ihre Ausstellungen wurden in diese allgemeine Drohung mit einbezogen.

Es war keine Befragung, konnte auch mangels offener Fragen keine sein, denn alles was sie in den letzten Jahren an Aktivitäten entfaltet hatte, war offen, öffentlich und ohne irgendeine "politische" Aussage im herkömmlichen Sinne gewesen, sondern konsequent auf die Wahrung ihrer Grundrechte und die der Menschenrechte im Hinblick auf die Aufdeckung der politischen Verbrechen gegen ihre Eltern und andere Intellektuelle orientiert. Das ergab und ergibt sich aus der Natur ihres Anliegens. So hat sie es auch gegenüber dem Beamten vorgebracht.

Sie wies darauf hin, dass ihre künstlerische Arbeit und ihre Ausstellungen auf ihrer Website einzusehen sind, dass die politische Biographie ihrer Eltern, die sie in diesem Jahr auf Persisch herausgegeben hat, überall zugänglich und zu lesen seien und dass es dabei keine Geheimnisse gäbe. Es sei ihre Sicht der Dinge und der Beamte solle das Buch (das in Iran immer mehr Verbreitung findet) ruhig ganz durchlesen und nicht nur oberflächlich durchblättern (wie der Agent angegeben hatte) um sich selber ein vollständiges Bild davon machen zu können. Insofern bietet sie dem Geheimdienst auch keinen konkreten Angriffspunkt und die Herren sind darauf angewiesen, ihr ganz allgemein zu drohen. Sie hat den Eindruck, dass der Repressionsapparat sie nicht so "billig davonkommen lassen" möchte, dass sie ihrer starken Präsenz stärkere Sanktionen entgegen setzen möchten und sei es dadurch, dass sie sie mit ihrer Rückreise hinhalten. Es hat den Anschein, dass sie ihr gegenüber ihre erprobte Drohung mit der "Roten Linie" anwenden möchten aber nicht so recht das Gelände dafür finden. Sie wurde gefragt, wann sie denn eigentlich geplant hätte, zurückzufliegen. Parastou wollte ursprüglich am morgigen Dienstag zurückfliegen, meinte aber, dass es ihr recht wäre, wenn sie am Wochenende wieder nach Deutschland reisen könnte, um ihrer Arbeit und ihren Verpflichtungen nachzugehen.

Eine Stunde nach unserem Telefongespräch rief mich Parastou wieder an und meinte, das Amt hätte sie angerufen und ihr die Rückgabe des Reisepasses "in den nächsten Tagen" in Aussicht gestellt. Sie könne schon Vorbereitungen für ihre Rückreise treffen.

Das ist der gegenwärtige Stand und ich wage zu hoffen, dass sie am Wochende hier sein wird. Aber hier hat ja ein Geheimdienst mit vielen uneingeschränkten Befugnissen das Sagen und morgen kann sich der Wind schon wieder wie heute um 180 Grad drehen."

Siehe auch:


Parastou Forouhar: Vorladung durch Geheimdienst verschoben
Freiheit für Parastou Forouhar!

Parastou Forouhar: Vorladung durch Geheimdienst verschoben

Parastou Forouhar

Quelle: Parastou Forouhar
Vor einigen Tagen hatten wir über den Fall von Parastou Forouhar berichtet. Inzwischen wurde eine Vorladung durch den Geheimdienst verschoben. Dazu erreichte uns folgende Nachricht von Freunden Parastou Forouhars:

"Parastous Vorladung für den heutigen Tag ist auf nächsten Montag morgen verschoben worden. Mit Grund. Die Umweltwerte in Teheran sind laut offiziellen Angaben um 200 Mal höher als normal! Daher sind alle Behörden und Schulen, etc. für zwei Tage, inklusive des heutigen Tages geschlossen, darunter natürlich auch die Behörde der "Unbekannten Soldaten des Imams der Zeiten" - so die pathetisch-religiös gefärbte Bezeichnung für Geheimdienstagenten.

Parastou meint, dass sie nun langsam in den Iran angekommen sei. Entgegen ihres ersten Eindrucks, entdeckt sie bei ihren zahlreichen Besuchen bei Oppositionellen, Intellektuellen und literarischen Runden und bei ihren Gesprächen mit den Menschen, dass viele mit allen möglichen Mitteln bestrebt sind ihre Würde und Integrität aber auch ihre Fähigkeiten zu bewahren und zu pflegen. Die Qualität der oppositionellen Bewegung habe sich auf eine weniger auf Aktionen orientierte Ebene verschoben. Es gäbe zahlreiche gute Kulturzeitschriften in denen die Verfasser versuchten, sich zu orten, ihre Werte und Anschauungen zu verteidigen und zu entwickeln und durch die Schaffung neuer geistiger Lebensräume gegen die vermeintliche politische Agonie zu kämpfen. Auch gäbe es viele "Runden" und "Treffs" von allen möglichen Oppositionellen, alten, wie neuen, explizit politischen wie literarischen oder philosophischen Diskussionsrunden. Für sie ist eine solche Entwicklung keineswegs ein Eskapismus, eine Flucht in nicht politische Felder, sondern ein Kampf um die menschlichen und gesellschaftlichen Werte, der sich im Umfeld der konkreten politischen Opposition entwickelt.

Beispielsweise habe ihr eine einfache Krankenschwester im Hinblick auf den erfolgreichen Hungerstreik der Rechtsanwältin Nasrin Sotoodeh (Näheres bitte bei iranischen Freunden erfragen) gesagt: "Solange es solche Frauen und solche Männer gibt, kann uns kein Regime niederringen". Sie und viele andere sind nicht nur stolz auf solche Menschen, sondern sähen deren Siege als ihren Sieg an. Sie beanspruchten so die Widerständigkeit dieser Einzelpersonen für sich und sähen sich insofern in einer gemeinsamen Bewegung. Überall bemerke man die Sprossen einer solchen lebendigen Entwicklung. Das freut sie sehr. Sie freut sich auch darüber, dass ihr Buch schon auf dem Schwarzmarkt zu finden ist und dass einige ihr gesagt hätten, sie hätten es entweder bei einem Bekannten gesehen oder sogar schon gelesen.

Sie ist auch insofern in den Iran angekommen, dass sie mit ihrer in den letzten Tagen noch einmal verstärkten Observation gut zurecht kommt. Sie geht mit den zahlreichen Spitzeln, die zu ihr gesandt werden, eloquent um. Ihnen gegenüber beklagt sie in den Gesprächen das unverschämte und würdelose Verhalten der Sicherheitsleute am Tag des Gedenkens an das politische Verbrechen gegen ihre Eltern. Anderen Fragen weicht sie höflich - oder um ihr Lieblingswort zu benutzen - "weich" - aus. Sie glaubt nicht, dass der Sicherheitsapparat jetzt ein Interesse daran hat, ihr gegenüber härter vorzugehen. Ganz sicher kann man aber nicht sein. "Schlagartigkeit" und das Moment der "bösen Überraschung" war zumindest Anfang der 80-er Jahre eine Spezialität des Repressionsapparates, das zumindest ist meine Erfahrung.

Sie nutzt ihre Zeit in Iran gerne aus, um zu beobachten und viele Besuche zu machen. Wie immer ist sie dankbar für die passionierte Begleitung ihrer Reise durch Sie/euch."


Mehr Information:

• Frankfurter Rundschau: Parastou Forouhar: Ohne Pass in Teheran
"aspekte" Gespräch
Die iranische Künstlerin Parastou Forouhar | Kultur.21

Freiheit für Parastou Forouhar!

Parastou Forouhar

Quelle: Parastou Forouhar
Die iranische politische Künstlerin Parastou Forouhar lebt seit 1991 in Deutschland. Sie reist jedes Jahr in den Iran um an den jährlich stattfindenden Gedenkveranstaltung für ihre ermordeten Eltern, die 1998 ermordeten Dariush und Parvaneh Forouhar teilzunehmen. Ihr Vater Dariush Forouhar gehörte als Arbeitsminister zum weltlichen Kabinett von Premierminister MehdÄ« Bāzargān. Beide gehörten zu den führenden oppositionellen Politikern im Iran.

Parastou Forouhar wird regelmäßig bei den Besuchen im Iran vom iranischen Geheimdienst erwartet. Sie hat für den nächsten Dienstag eine Vorladung beim Geheimdienst. Trotz der jahrelangen Repression gegen sie tritt sie weiterhin für die Aufklärung des Mordes an ihren Eltern ein. Freunde von ihr schreiben uns dazu:

"(...) Zentral ist für sie das Thema der Isolation. Sie berichtet über Vorfälle, bei denen Geheimdienstleute bei Oppositionellen anrufen, wenn dort nur einige Freunde oder Angehörige zusammen sitzen und diese übers Telefon auffordern, die "Versammlung" aufzulösen. Das bedeutet, dass der Sicherheitsapparat versucht, das Versammlungsverbot und die hermetische Abriegelung des öffentlichen Raums von der Straße hinein in Privatwohnungen und Häuser, die verwanzt sind und abgehört werden, durchzusetzen. Dieses Eindringen in die privatesten Nischen mit dem Kalkül die Isolation auf die Spitze zu treiben, verstört Parastou im Moment am meisten. Es ist eine nicht neue aber jetzt verstärkt angewandte Variante der Terrorisierung und Ermüdung von unliebsamen Dissidenten, um dieses Wort mal zu gebrauchen, das wir alle bestimmt schon seit Jahrzehnten nicht mehr gehört haben.

Parastou ist auf alles gefasst. Wir haben sogar die Möglichkeit ihrer Inhaftierung besprochen, allerdings nicht aus der Perspektive einer ängstlichen und bangen Erwartung, sondern eher als mögliche repressive Konsequenz eines Weges, den sie nun persönlich, politisch, künstlerisch in den letzten 14 Jahren seit dem politischen Verbrechen an ihren Eltern gegangen ist. Es ist die Einsicht da, dass dieser Weg eine kleine aber bemerkenswerte historische Struktur und eine gewisse politische Logistik geschaffen hat, die über ihre eigene Person hinausgeht und sie in einer bestimmten Weise institutionalisiert hat. Auch die Klarheit ihrer Positionen, ob in ihrer Kunst (darüber wollen die Geheimdienstler am Dienstag auch reden!) oder, sehr umfangreich, in der von ihr verfassten politischen Biographie ihrer Eltern, die kürzlich erschienen ist und in den zahlreichen Interviews weltweit, lässt keine Nachfrage in geheimdienstlicher Manier offen. Insofern ist diese Klarheit der Meinungsäußerung eine Linie, die ihr erlaubt, die Initiative des Handelns nicht dem Repressionsapparat zu überlassen, sondern ihre Selbstbestimmung zu wahren. Diese Einsicht, so habe ich das Gefühl gehabt, gibt ihr einen weiteren Schub in der Gewissheit das Richtige zu tun.

Es geht ihr gut, sie grüßt alle und hofft auf ein baldiges Wiedersehen."

Mehr Information:

"aspekte" Gespräch
Die iranische Künstlerin Parastou Forouhar | Kultur.21

Panzer für Katar! Natürlich Sauerei - aber reicht das als Argument?

Als es in Deutschland wieder los ging mit der Rüstung - in den Adenauertagen - gab es immerhin noch ein wenig Kritik. Ein Kabarettvers ist in mir steckengeblieben: "Wer andern in der Nase bohrt, ist selbst ein Schwein. Wer anderen Kanonen baut, ist selbst kein Pazifist". Das reichte damals aus. Als beträchtlicher Knüppel ans Schienbein.

Natürlich sind die Exportpraktiken in den sechzig Jahren seither nicht heiliger geworden. Deutsche Lastwagen für die Türkei, als die den Kurden nachsetzte. Waffen für Griechenland und die Türkei zugleich, damit die sich gegenseitig in Schach halten sollten. Und jetzt die Panzer. Das Säuische kann bei den Staaten dieser Welt nicht verschwinden, solange sie Gewaltapparate bleiben nach innen und außen. Damit auf jeden Fall Gebilde, die keine Lüge scheuen, um ihren jeweiligen Handel vor der Menge zu rechtfertigen. Warum dann keine Panzer für Saudi-Arabien, das damit Bahrain immer mal wieder zusammenschießen kann? Oder solche für Katar, das die neugelieferten sicher weiterhin in Libyen einsetzen wird. Und vor allem in Syrien, in dem von jetzt an geplanten Bürgerkrieg für dien nächsten zwanzig Jahre. Natürlich nur für Leute, die westliche Garantiestempel als Freiheitshelden schon erhalten haben.

Reicht das moralische Aufbegehren aber aus? Die strengsten Friedenfreunde, die Kommunisten selbst, konnten nicht ausnahmslos bei der an sich so berechtigten Forderung bleiben: "Die Waffen nieder!" - Oder sollen wir nachträglich unsere Parteinahme für den Vietkong stimmstark bereuen?
Diesen Punkt hat vor allem der gewissenloseste aller neueren Demagogen aufgegriffen: Außenminister Fischer, als er zum Jugoslawien-Krieg aufrief. Nachdem er damit durchgekommen ist, will keiner mehr "unbedingt" Pazifist sein.

Welche Einwände dann gegen profitable und wahltechnisch günstige Geschäfte, wie alle Welt sie ohne schlechtes Gewissen betreibt?

Merkel scheut mit gewissem Recht den Eingriff innerhalb von Bündnissen, die nachher festlegen. Deshalb wohl der Verzicht auf markiges Mittun in Libyen. Sie möchte Hilfsposten in schwierigen Gegenden, in denen selbständige Gruppierungen aus allereigenstem Interesse zuschlagen werden. Das Interesse ist gegeben. Müssen vor allem die materiellen Hilfsmittel nachgereicht werden.

Alles auf den ersten Blick streng nach Macchiavell. Staaten müssen sich mit allen denkbaren Mitteln durchsetzen und verteidigen. Moral darf da nicht stören. Allenfalls zum Zudecken zu benutzen.

Bleibt trotzdem ein letzter Einwand gegen Merkels und de Maizières Sauereien! Alle militärischen Eingriffe der USA und der NATO - als Beispiel genommen - haben in den letzten zwanzig Jahren nur zu einem beigetragen: zum Zerstören immerhin noch vorhandener Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Menschen. Vietnam, Afghanistan, Irak, Syrien, Jugoslawien - blieben als Trümmerfelder zurück. Wo denn ergeben sich die großen Felder der Investition, von denen der Imperialismus vor 1945 noch träumte? Es sind überall nur noch die großen Räuberbanden übriggeblieben, die - nach dem heiligen Augustinus - zwar alle eine notdürftige Lebensregelung hinbrachten, aber nirgendwo einen Anschein von "Gerechtigkeit". Womit in heutigen Begriffen gemeint ist: die Möglichkeit, auch nur nachdenkend eingriffswillig zu fragen, wie denn eine dauerhafte Ordnung aussehen soll.

Von da aus ergibt sich ein Einspruch gegen die gegenwärtige Politik Deutschlands, aber auch aller anderen "westlichen" Staaten: sie machen sich selber die Gegenden kaputt, mit denen sie einmal auskommen müssen. Und wäre es nur über den Handel. Ein Waffenexport in der jetzt geplanten Form hat etwas Selbstmörderisches. Nicht nur - schnell! - für diejenigen, welche die vergifteten Gaben in die Klauen bekommen. Nein - am Ende auch für die heute noch triumphierenden Verkäufer selbst. Und deshalb muss es aufhören damit.

Israel vs. Iran - Wie in 'Des Kaisers neue Kleider': Warum Grass recht hat

Es ist ein wenig wie in dem Märchen Des Kaisers neue Kleider[1], in dem ein Kind das ausspricht, was eigentlich alle wissen, aber aus untertänigem Gehorsam gegenüber dem Monarchen und aus Staatsräson verschweigen: Der Kaiser ist nackt. Was im Märchen das Kind aus infantiler Unbedarftheit tut, macht in unserem Fall der gealterte Schriftsteller. Und so wie Franz Kafkas "Mann vom Lande"[2] nach lebenslangem Warten vor dem Gesetz wieder "kindisch" (=natürlich unbefangen) wird, nachdem er endlich den "Glanz, der unverlöschlich aus der Türe des Gesetzes bricht"[3], gesehen hat und ihm schlussendlich die entscheidende Einsicht gewährt wird, so schreibt Günter Grass mit "letzter Tinte"[4], was offensichtlich ist: Der Iran hat keine Atombombe.

Kriegslüge auf Vorrat

Vor einigen Wochen schrieb das Online-Satire-Magazin Der Postillion: "Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe[n] zu stehen."[5] Der Artikel des Satire-Magazins, das in diesem Fall durch den Nachweis entsprechender Medienmeldungen ungewollt seriös war, traf exakt ins Schwarze, was das Topos "Iran und Atombombe" anbelangt. Dabei wird seit zwei Jahrzehnten seitens der Konzernpresse mit folgenden Setzungen gearbeitet: Erstens, der Iran sei generell eine zutiefst vitale Gefahr für den Frieden in der Region. Zweitens, der Iran stelle insbesondere durch Unterstützung von Terroristen eine Gefahr für den Weltfrieden dar. Und schließlich drittens, der Iran strebe die Vernichtung Israels an. Dabei fußt die letzte Behauptung auf einer falsch übersetzten Rede des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad, die eigentlich längst von den Öffentlich-Rechtlichen Sendern zurückgenommen und zum Beispiel von der Süddeutschen Zeitung wie folgt richtiggestellt wurde. "Die Vernichtungsphantasien, die Iran unterstellt werden, gehen auf einen einzigen Satz zurück: 'Israel must be wiped off the map.' […] Ahmadinedschad sagte jedoch wörtlich: 'in rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad.' Das bedeutet: 'Dieses Besatzerregime muss von den Seiten der Geschichte (wörtlich: Zeiten) verschwinden.' Oder, weniger blumig ausgedrückt: 'Das Besatzerregime muss Geschichte werden.' Das ist keine Aufforderung zum Vernichtungskrieg, sondern die Aufforderung, die Besatzung Jerusalems zu beenden."[6] Doch wie die Mär von der angeblichen iranischen Atombombe hält sich auch diese Behauptung, die letztlich als bewusste Verleumdung fungiert, um zukünftig einen Waffengang zu rechtfertigen – gleichsam eine Kriegslüge auf Vorrat.

Einmal davon abgesehen, dass der Iran seit Jahrhunderten kein anderes Land überfallen oder einen Krieg begonnen hat, was man vom wichtigsten Verbündeten des Westens in dieser Region oder von den NATO-Ländern selbst nicht behaupten kann, erstaunt dann doch die Hartnäckigkeit, mit der sich diese Propagandalüge seit zwei Jahrzehnten hält. Das Politikmagazin FOCUS behauptete zum Beispiel bereits 1993: der "Iran hat die Atombombe"[7]. Es musste erst ein gealterter Schriftsteller und kurz zuvor ein Satire-Magazin kommen, um darauf hinzuweisen, wie lange schon mit entsprechenden Setzungen gearbeitet wird …

CIA: Keine Beweise für iranische Atombombe

Eigentlich weiß alle Welt, dass im Iran die Existenz nicht einer einzigen Atombombe nachgewiesen ist. Die US-Geheimdienste meldeten bereits 2007, der Iran habe 2003 sein militärisches Atomprogramm eingestellt. So schrieb DER SPIEGEL: "Die US-Geheimdienste haben ein neues Dossier zum Iran-Konflikt veröffentlicht: Das Atomprogramm wurde demnach schon 2003 gestoppt, die Bedrohung ist geringer als gedacht. Für die Regierung Bush ein heikler Bericht - sie wies prompt zurück, die Gefahr aufgebauscht zu haben."[8] Abermals wurde diese Einschätzung vor einigen Wochen erneuert, als sich alle US-Dienste in einer gemeinsamen Analyse darauf verständigten, dass der Iran nicht nur keine Atombombe habe, sondern außerdem gar nicht nach dieser strebe. Die New York Times[9] sowie verschiedene Medien hierzulande berichteten darüber, wie etwa der FOCUS: "Atomwaffen aus Teheran: Iran baut nach US-Berichten nicht an Atombombe."[10] Natürlich kam dies dem israelischen Premierminister Netanjahu, der kurz danach zu AIPAC[11] und Präsident Obama in die USA reiste, um für den kommenden Krieg die Trommeln zu rühren und von Obama den Persilschein für einen "Militärschlag" zu bekommen, so gar nicht zu pass. In offiziellen Verlautbarungen wurde die Geheimdienst-Analyse weitgehend übergangen, denn diese widerstrebt selbstverständlich dem Konzept der gezielten Eskalation des Konflikts.

Doppelte Standards des Westens

Aktuell geht es nicht primär um die Menschenrechtssituation im Nahen und Mittleren Osten, um die vermutete Berechenbarkeit politischer Akteure oder um die innenpolitischen Verhältnisse, dazu, wie prekär diese sind, gibt es eine Menge an Studien und Verlautbarungen. Vielmehr geht es Grass darum, vor der akuten Kriegsgefahr zu warnen, angesichts derer die Frage von Menschenrechtsverletzungen wegen des Risikos einer atomaren Verstrahlung bei Bombardierungen von Atomanlagen bzw. beim Einsatz von Atomwaffen zwangsläufig in den Hintergrund tritt. Denn wenn die atomare Verstrahlung bzw. Vernichtung einer ganzen Region droht, sind Fragen von sexueller Selbstbestimmung und demokratischer Mitbestimmung zwangsläufig sekundär. Nur so viel: Wenn man etwa das politische System der beiden größten Akteure der Region - Saudi-Arabien und Iran - miteinander vergleicht, so kann man das eine System als feudal-absolutistische Monarchie und das andere als semidemokratische Theokratie bezeichnen. Zwar wurde rund ein Drittel der Kandidaten bei den Parlamentswahlen Anfang März im Iran vom sog. Wächterrat nicht zugelassen, gleichwohl bewarben sich für 290 Parlamentssitze weit über 3000 Kandidaten – der Iran ist also mitnichten eine monolithische Mullah-Diktatur, sondern kann am ehesten mit halbdemokratisch charakterisiert werden. In Saudi-Arabien hingegen (wie auch in fast allen Golfstaaten) finden überhaupt keine Wahlen statt. Dass Iran und Saudi-Arabien laut Amnesty International die Menschen- und Frauenrechte verletzten, ist evident, in beiden Staaten existiert übrigens auch die Todesstrafe. Im Iran wird sie allerdings (gemessen an der Bevölkerungszahl) in den vergangenen Jahren leider wieder häufiger verhängt. Laut den aktuellen Jahresberichten von Amnesty International sitzen übrigens auch in den USA rund 3200 Menschen nach entsprechenden Urteilen in sog. Todeszellen, während erst in 16 von 50 Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft wurde. Nur in den USA und in vier kleineren Ländern in ganz Nord-, Mittel- und Südamerika wird die Todesstrafe überhaupt noch verhängt. Woran misst sich eigentlich zivilisatorischer Fortschritt und warum stellen die Politiker der Allparteienkoalition von CSU bis GRÜNE etwa vor einigen Tagen im Bundestag die Todesstrafe in Weißrussland an den Pranger und schweigen zu den USA? Aus eben demselben Grund heraus, aus dem sie eine rein fiktive Atombombe des Iran dramatisieren, die ca. 100-200 realen Atombomben Israels ignorieren und sogar mit der Lieferung von deutschen U-Booten deren Einsatz erst ermöglichen: Doppelte Standards zur Durchsetzung machtpolitischer Interessen.

Der Amis Liebling: Saudi-Arabien

Während dem Iran gegenüber durch die USA und Israel offen mit Krieg bzw. sog. Militärschlägen gedroht wird, erfreut sich Saudi-Arabien einer tiefen Zuneigung westlicher Regierungen. Diese äußert sich zuletzt darin, dass die USA gleich 84 Kampfjets im Wert von 30 Mrd. US-Dollar an Saudi-Arabien liefern werden[12]. Schlagzeilen machten im letzten Sommer ferner die geplante Lieferung von 200 deutschen Panzern nach Saudi-Arabien, wobei die Bundesregierung nach wie vor die Auskunft darüber verweigert, wann der Deal erfolgen soll bzw. sollte[13]. Des Weiteren bilden Bundespolizisten saudi-arabische Grenzschützer aus, beziehen dafür weiterhin aus Steuergeldern ihre Grundgehälter und bekommen zusätzlich vom Rüstungskonzern EADS sog. Trainingshonorare für ihren Auslandseinsatz.[14] Wohlgemerkt geschieht all dies in einem Land, das so sehr hochgerüstet ist, wie kein anderes am Persischen Golf, das von einem Despoten beherrscht wird, der nicht nur im eigenen Land, sondern auch in Bahrain Demokratiebewegungen blutig unterdrückt und zu dessen kulturellen Gepflogenheiten es gehört, am Freitag nach dem Moscheebesuch den öffentlichen Enthauptungen beizuwohnen.

Die "Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost"

Zu den unterstellten Vernichtungsabsichten des Iran gegenüber Israel schreibt Die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V. in ihrer bemerkenswerten Stellungnahme zum Grass-Gedicht: "Der Wunsch der im Iran Herrschenden, dass das 'zionistische Regime' verschwinden möge, hat seine genaue Entsprechung im Wunsch der USA und Israels, dass das 'islamistische Mullah-Regime' verschwinden möge. Unsere Medien und Politiker verteufeln das eine als "Vernichtungsdrohung gegen die Bevölkerung' und spielen das andere als 'berechtigte Forderung' herunter."[15] Tatsächlich wird bis heute die falsche Übersetzung des Zitats von Ahmadinedschad, den man sicher als "politisch pathologisch" bezeichnen kann, als Rechtfertigung für einen geplanten Militärschlag oder Krieg gegen den Iran verwandt. Das Verdikt Irr- und Wahnsinn könnte man mit einiger Berechtigung auch auf George W. Bush (z.B. wegen des Irak-Krieges mit der Lüge der Massenvernichtungswaffen) oder auf Richard Nixon (geplanter Atombomben-Einsatz in Vietnam) und eine Vielzahl anderer Politiker anwenden. Nur die schiere Unterstellung, dass jemand etwas tun könnte, zu dem er wie im Falle des iranischen Präsidenten weder die Instrumente, noch laut US-Geheimdiensten den ernsthaften Vorsatz hat, stellt weder im Strafrecht noch im Völkerrecht einen Grund dar, jemanden sozusagen prophylaktisch ("präemptiv") aus dem Amt zu bomben.

Völkerrecht vs. Angriffsdrohungen

Heike Hänsel, Bundestagsabgeordnete der LINKEN, auf einer Demonstration gegen die sog. "Münchener Sicherheitskonferenz"
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Der Iran hat im Gegensatz zu Israel den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet, was ihm die zivile Nutzung der Atomenergie ausdrücklich erlaubt. Man mag zur Atomtechnologie stehen wie man will und - wie ich selbst - sowohl deren militärische als auch sog. zivile Nutzung ablehnen. Aber dagegen, dass der Iran im September vorletzten Jahres in Bushehr ein Atomkraftwerk in Betrieb nahm, ist nach dem Atomwaffensperrvertrag nichts einzuwenden. Sehr wohl jedoch stellt es einen Bruch des Völkerrechts dar, wenn Israel allein deshalb einen Luftangriff androht[16], denn auch die Androhung militärischer Mittel ist durch die UN-Charta geahndet. DIE LINKE hingegen bezieht sich in ihrem neuen Programm positiv auf das Völkerrecht: "Die LINKE erachtet als internationalistische Partei das Völkerrecht und die Vereinten Nation als wichtigste Institutionen für die friedliche Verständigung zwischen den Staaten und Gesellschaften der Erde."[17] Daher unterstützt DIE LINKE ausdrücklich Günter Grass, wenn er vor der Gefährdung des Weltfriedens warnt, wie es Wolfgang Gehrcke, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE, gegenüber der Tageschau zum Ausdruck gebracht hat. Ein gerechter Frieden in Nahost kann nur durch einen Interessensausgleich stattfinden, den alle Akteure auf einer Augenhöhe aushandeln und nicht durch eine atomare Hegemonie einer Seite, die alle anderen Akteure bedroht. Daher ist an dieser Stelle sogar Guido Westerwelle beizupflichten, der in der aktuellen Diskussion tatsächlich doch meinte: "Eine atomwaffenfreie Zone im Nahen und mittleren Osten ist und bleibt das Ziel der Bundesregierung."[18] Ein Forschritt wäre es sicherlich, wenn die Bundesregierung ihre Nahostpolitik nach dieser Prämisse auch wirklich ausrichten würde ...

Anmerkungen

[1] Hans Christian Andersen: Märchen von Hans Christian Andersen. München 1938. S. 89-93 (Online im Projekt Gutenberg)

[2] Franz Kafka: Gesammelte Werke. Bd. Der Prozeß. Frankfurt am Main 1983. S. 182ff. Vgl. dazu auch: Das Gesetz Kafkas - Zu "Vor dem Gesetz" - Die Türhüter-Legende als Schlüssel zum Kafka-Verständnis;

[3] Ebd..

[4] Günter Grass: Was gesagt werden muss, 04.04.2012 (Süddeutsche Zeitung)

[5] Iran feiert, seit 20 Jahren kurz vor Fertigstellung von Atombombe zu stehen, 30.01.2012 (Der Postillion)

[6] Umstrittenes Zitat von Ahmadinedschad - Der iranische Schlüsselsatz, 26.03.2008 (Süddeutsche Zeitung)

[7] Der Iran hat die Atombombe, 25.01.1993 (FOCUS Nr. 4/1993)

[8] US-Geheimdienste relativieren Gefahr durch Iran, 03.12.2007 (SPIEGEL Online)

[9] U.S. Agencies See No Move by Iran to Build a Bomb, 24.02.2012 (New York Times)

[10] Atomwaffen aus Teheran - Iran baut nach US-Berichten nicht an Atombombe, 25.02.2012 (FOCUS Online)

[11] Klartext: AIPAC – die Pro-Israel-Lobby der USA, 08.03.2012, (junge Welt)

[12] USA liefern 84 Kampfjets an Saudi-Arabien, 29.12.2011 (Tageschau)

[13] Kampagne: Saudi-Panzer stoppen, 01.12.2011, (Blog Direkte Aktion)

[14] Bundespolizei in Saudi-Arabien: Hart an der Grenze, 14.07.2011 (Süddeutsche Zeitung)

[15] Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V.: Stellungnahme zum Gedicht von Günter Grass, 05.04.2012 (Homepage)

[16] 'Israel has days to strike Bushehr', 17.08.2010, (Jerusalem Post)

[17] Programm der Partei DIE LINKE, Beschluss der 2. Tagung des 2. Parteitages der Partei DIE LINKE am 21. Bis 23. Oktober 2011, Erfurt S. 47.

[18] Westerwelle zitiert in: Günter Grass liegt daneben, 05.04.2012 (Welt Online)



Erstveröffentlichung 7.4.2012 bei Uwe-Jürgen Ness: Israel vs. Iran. Wie in 'Des Kaisers neue Kleider': Warum Grass recht hat

Grass' einzige Erkenntnis: Reichsschrifttumskammer funktioniert auch ohne Oberbefehl

Das erste, was einem auffällt bei dem Text von Grass zum Konflikt Israel-Iran: Was er zum Gedicht erklärt, ist einfach eine Ansprache. Wie beleidigend für Erich Fried, Grass ihm gleichstellen zu wollen. Das Nicht-Gedichtete bei Grass erweist sich in der ungebrochenen Übernahme gängiger Termini und Floskeln in das,was ein "Gedicht" sein sollte. "Antisemitismus" etwa. Erich Fried bemühte sich immer, gerade auch in den Gedichten, die sich unmittelbar und drohend an die damalige Führung des Staates Israel richteten, den verborgenen Doppelsinn der gängigen Fügungen aufzudecken. So bei der Verwendung des Wortes "Feind"- einst gegen die Juden gerichtet, heute von den Zionisten in Israel verwendet.

Der nächste berechtigte Einwand gegen den Text von Grass, wenn wir ihn nur als Leitartikel mit falsch gesetzten Umbrüchen nehmen: ein Teil der vorgebrachten Vorwürfe gegen Israel folgt gerade den von dort ausgehenden Unklarheiten, bleibt aber trotzdem falsch. Antideutsche fragen oft provozierend: "Soll ein ganzes Volk sich wehrlos wegatomisieren lassen?" - und suggerieren damit, der Besitz einer oder mehrerer Atombomben in Feindeshand bedeute automatisch deren sofortigen Einsatz. Nach Hiroshima und Nagasaki hat keiner der Staaten, die über Nuklearwaffen verfügten, sie eingesetzt. Grass korrigierte sich im nachgelieferten Interview bei der ARD, er hätte wirklich nur an konventionelle Bomben gedacht, die die israelische Luftwaffe einsetzen könnte gegen die unterirdischen Bomben-Bau-Anlagen der Iraner. Nur hätte er das in seinem veröffentlichten Text deutlicher zum Ausdruck bringen sollen. Dass auch ein gemütliches Zwischenbombardement der Israelis die ganze Region einem zumindest regionalen Krieg aussetzen würde,bleibt von dieser Unterscheidung völlig unberührt.

Zur Erkenntnis im vom Dichter angestrebten Sinn trägt sein Text nur dieses Geringe bei. Aber - ungewollt - hat er eine ganz andere Behauptung stringent bewiesen: Es gibt eine Reichs-Schrifttums-Kammer, die ganz ohne äußeren Zwang einheitlich zuschlägt, wenn jemand sich gegen ihre Gewissheiten vergehen möchte.

Dazu gehört vor allem: Iran will die Atombombe, um Israel von der Erde zu tilgen. Und: Israel zu verteidigen, gehört zu unserer "Staatsraison". Das Wort so falsch verwendet, wie Merkel das tut.

Die Gegenangriffe folgten so schrapnellartig, dass man sich fragen konnte, ob alle den angegriffenen Text schon ganz gelesen hatten. Broder in der WELT als erster. Es gibt Gerüchte, man habe ihm das Schriftstück zugespielt, bevor es in der "SÜDDEUTSCHEN" überhaupt zu lesen war. Für sein Urteil: Grass = Antisemit - war freilich vorherige Lektüre auch gar nicht notwendig. Er hätte das auf jeden Fall - wie bei allen anderen Verdächtigten - mühelos herausbekommen.

Dass über Iran und Israel ab jetzt anders diskutiert wird als vorher, ist kaum anzunehmen. Aber vielleicht wenigstens darüber, dass wir unbestreitbar unter einer Meinungsdiktatur leben. Ein aufgeklärter Goebbels hätte sich das nicht anders wünschen können: ohne direkte Aufsicht mit ihrem Gezeter und ihrer Mühe einfach die nötigen Reflexe einbauen.Beziehungsweise ihr erwartungsgemäßes Funktionieren zur Voraussetzung einer bestandenen Schriftleiter-Prüfung machen.

Der Zustand scheint erreicht.

Jusos Berlin: Beitrag zum Ostermarsch: Auf zum Präventivkrieg gegen den Iran!

Der nächste drohende Krieg - könnte er ein anderer sein als einer Israels und - vielleicht - der USA gegen den Iran. Undeutlich gedacht im Sinn der Erfindung der "responsability to protect", wie sie zu Fischers Zeiten ausgedacht wurde. Israel schützen vor einem - später - bevorstehenden Atombombenangriff!

Juso Berlin hat sich in einem - mit welcher Mehrheit? - beschlossenen Grundsatzbeschluss zu einem Angriff Israels auf den Iran als letztem Mittel der Abwehr dieser Gefahr bekannt. Er hat damit die Angleichung der SPD an die Politik der CDU weiter vorangetrieben.

Merkel war es schließlich gewesen, die das Existenzrecht Israels zur Staatsraison der Bundesrepublik erklärt hatte.

Genau so schreiben die Verfasser der JUSO-Resolution "Israel ist sowohl für Deutschland, als auch für uns, als Teil der gesellschaftlichen Linken, kein Staat wie jeder andere, sondern ein verantwortungsvoller Partner, vor dem die Bundesrepublik Verantwortung zeigen muss". So heißt es in der Resolution wörtlich.

Staatsraison war einmal ein furchterregender, aber gerechtfertigter Gedanke. Staaten müssten - unabhängig von Überzeugungen und Gefühlen der gerade Herrschenden - sich so verhalten, dass ihre eigenen Interessen durchgesetzt würden. Als man dem König Franz I. Vorwürfe machte, weil er mit den gottlosen Türken gegen Karl V. kooperierte, antwortete er sinngemäß "Der Staat ist ein Heide!". Der Herrschende abstrahiert von seinen persönlichen Vorlieben. Selbst von seinem Christentum, seiner Moral.

So gesehen verkehrt Merkel den Begriff aufs äußerste. Die Staatsraison des eigenen Landes kann gar nicht veräußert und verpfändet werden zugunsten der Unterstützung der Politik eines anderen, von der man nicht weiß, wie sie sich entwickeln wird.

Richtig verstandene Staatsraison setzt demnach Selbstbeschränkung voraus. Wir müssen Israel und Iran gerade als Staaten - "wie alle anderen" betrachten, mit aller Brutalität, wie sie Staaten auszeichnet. Die Angriffe Israels in Gaza und gegen den Libanon waren hinzunehmen in diesem Rahmen. Weil tatsächlich Erstangriffe der Gegner vorlagen. Genau so die Maßnahmen des Iran gegen den Irak im damaligen Krieg. Sie dienten schließlich den eigenen Staatsinteressen.

Gerade die moralischen Einmischungen, die provozierten Wallungen und Entrüstungen machen Kriege verbissener und unbarmherziger. Ein Beispiel aus der sittlichen Polemik gegen den Iran: Von Zeit zu Zeit entdeckt ein Gelehrter, dass es im Islam eine Erlaubnis gebe, den Feind zu belügen. Religiös gebilligt! Nur vergessen diese Sittenprediger, dass seit vielen Jahrhunderten ganz ohne Gottes Zuspruch die gleiche Sitte sämtliche westliche Verhandlungen genau so beherrscht. Talleyrand, Meister dieses Verfahrens, kommentiert eiskalt: Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen.

Peinigende Erkenntnis: Wir können wenig tun, um die Kriegsgefahr zu verringern. Das Wichtigste dafür immerhin: sich sämtlicher Rühmungen und Verfluchungen des "Wesens" anderer Nationalitäten zu enthalten.

Gerade das Hochmoralische, womit ein Broder in seiner "Achse des Friedens" paradiert, erhöht die Kriegsgefahr durch moralische Zuschüsse. Wenn Broder neuerdings den Auschwitztourismus verurteilt, mag er nicht ganz im Unrecht sein. Wenn er aber argumentiert, man weine den toten Juden nach, verteidige aber nicht die lebenden, wird er gedankenlos. Der Krieg, zu dem er und seine Leutchen mehr oder weniger ermuntern, würde in Tel Aviv und Jerusalem Tote fordern - nur für das gehobene moralische Gefühl. Wer hätte etwas davon?

Macchiavell als angeblicher Erfinder des Prinzips der Staatsraison wurde jahrhundertelang kritisiert. Am unehrlichsten von Friedrich v. Hohenzollern, am aufrichtigsten von Kant. Trotzdem! So herzlos es klingt: Die Einmischung von Moral in staatliche Politik stellt heute die größte Gefahr dar. Vielleicht fällt das auch den Jusos in Berlin noch rechtzeitig ein.

Ein schlechtes Gewissen wird durch die edelste Resolution nicht sauberer.

Ostermarsch 2012: Hände weg vom Krieg! Atomwaffen ächten! Abrüsten!

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"Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." (Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 26, Satz1)
Raus aus Afghanistan. Jetzt!

Fast 11 Jahre schon dauern Krieg und Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Angeblich ging es darum,die Hintermänner des 11.9. zu fassen. Doch statt Polizei schickte man Bomben und Soldaten, keinerkam je vor Gericht. Dann hieß es, man wolle das Land wiederaufbauen und demokratisieren sowiedie Rechte der Frauen stärken. Doch auch dieser Krieg führte vorhersehbar zur Katastrophe für dieMenschen. Die Lebensverhältnisse sind schlechter als zuvor. Nichts ist gut in Afghanistan.

Vor 9 Jahren begannen die USA und ihre Verbündeten ihren Krieg gegen den Irak. Angeblich ging esum die Vernichtung von Massenvernichtungswaffen. Sie wurden nicht gefunden. Dann sollte es darumgehen, Demokratie herzustellen. Demokratische Verhältnisse sind nicht in Sicht. Auch dieser Kriegführte in die Katastrophe. Der Lebenstandard im Ölland Irak sackte auf das Niveau der ärmsten Länder ab.

Im letzten Jahr führte die Nato Krieg gegen Libyen. Angeblich ging es darum, eine Flugverbotszonezum Schutz der Menschen herzustellen. Niemand wurde geschützt. Laut der neuen Führung starben50000 Menschen, viele davon unter den Bomben der Nato. Auch dieser Krieg wurde zurKatastrophe. Hilfsorganisationen berichten heute wieder von Massenmorden und Folter. Statt gegenGaddafi demonstrieren die Menschen heute gegen die mit Hilfe der Nato an die Macht gelangtenneuen Machthaber für demokratische Verhältnisse.

Stoppt die Kriegsvorbereitungen gegen Iran und Syrien!


Heute, heißt es, müsse das Kernenergieprogramm des Iran gestoppt werden, um ihn am Bau vonAtombomben zu hindern. Für ein iranisches Atomwaffenprogramm gibt es keine belastbarenBeweise. Die USA aber, Hauptankläger gegenüber dem Iran, planen, ihr Atomwaffenarsenal mit 8 Milliarden Dollar zu “modernisieren–. Statt ernsthaft über Sicherheiten für beide Seiten zu verhandeln,setzen die Atomstaaten auf eine völkerrechtswidrige Drohkulisse. Nahezu offen wird ein neuer Kriegvorbereitet. Zur “Ausschaltung– iranischer Atomanlagen stehen Atomraketen bereit.

Heute heißt es auch, in Syrien müsse ein Regimewechsel erfolgen. Bereits jetzt werden die syrischenAufständischen offen militärisch von der Türkei und anderen unterstützt. Auch in Syrien muss einneuer Interventionskrieg nach dem Muster Libyens befürchtet werden. Tatsächlich geht es bei Syrien weder um Menschenrechte noch um Demokratie –“ grundlegend für Demokratie ist zu verhandeln statt konsequent alle Verhandlungsvorschläge abzuschlagen –“ sondern um das Vorfeld zum Schlag gegen den Iran.

Warum scheinen sich die Regierungen der NATO-Staaten zu weigern, Lehren aus den Katastrophender jüngsten Kriege zu ziehen? Weil es beim Krieg führen eben nicht um die Menschen geht, sondernum handfeste Interessen: Den Zugriff auf Öl und Rohstoffe und ihre Transportwege. Dazu werdenunbequeme Regimes durch den Einsatz von militärischen Mitteln gewaltsam gestürzt. Regierende wieMedien entdecken Diktaturen immer nur dort, wo sie nicht oder unzureichend kooperieren. Niemalsdort, wo sie wie z.B. Saudi Arabien und andere Golfstaaten, den westlichen Interessen entgegenkommen.

Mit dieser neokolonialistischen Politik, die sich die Rohstoffe mit Waffengewalt aneignet und dieMenschen zu Opfern von Kriegen und ihren desaströsen Folgen macht, muss endlich Schluss sein!

Atomwaffen verschrotten!


Eine solche Politik trägt letztlich auch die steigende Gefahr des Einsatzes von Atomwaffen durch die atomwaffenbesitzenden Staaten in sich. Mit dem Aufbau eines sogenannten „Raketenabwehrschildes“ in Europa, dessen Zentrale im rheinland-pfälzischen Ramstein errichtet werden soll, wird die Schwelle zum Einsatz atomarer Waffen abgesenkt.

Weltweit lagern 20.000 Atomsprengköpfe, die die Menschheit mehrfach vernichten können. Auch in Deutschland sind weiterhin Atomwaffen stationiert.

Die Ostermärsche stehen in der Tradition des Kampfes gegen die Atomkriegsgefahr.

Auch zum diesjährigen Ostermarsch fordern wir ein Ende aller Kriege, ein Ende aller militärischenDrohungen und politischen Optionen, ein Ende der Atomkriegsgefahr!

Hände weg vom Krieg gegen Iran oder Syrien. Raus aus Afghanistan! Atomwaffen abrüsten!


Auch deutsche Außenpolitik darf sich keine militärischen Optionen vorbehalten. Das verlangt dasGrundgesetz schon als unabweisbare Lehre aus der eigenen Geschichte.

Dennoch sind Aufrüstung, Kriegsvorbereitung und eine zunehmende Militarisierung deutlich zu beobachten -

Die Bundeswehr wird zur “Armee im Einsatz– umgerüstet. Statt bisher 7.000 Soldaten sollen demnächst 15.000 gleichzeitig in Kriegseinsätze geschickt werden. Der Umbauprozess und die Aussetzung der Wehrpflicht dienen nicht dem Frieden, sondern sollen die Bundeswehr für den weltweiten Einsatz rüsten.

Die Bundeswehr wirbt in aller Öffentlichkeit um Nachwuchs für ihr neues Konzept bei feierlichen Gelöbnissen, bei Messen und Stadtfesten, in Arbeitsagenturen und auch an Schulen. Auch das Kultusministerium Baden-Württemberg hat mit der Bundeswehr eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, die der Bundeswehr einen bevorzugten Zugang zu den Schulen verschafft.

Mit Krieg und Rüstung wird Geld verdient: Deutschland hat sich Platz 3 der Rüstungsexportnationen gesichert. Auch in Baden-Württemberg sitzen die Profiteure des Krieges, allen voran Europas drittgrößter Rüstungsproduzent EADS. Über ein Dutzend Firmen im Bodenseeraum produzieren schwere Waffen. In Oberndorf widmet sich Heckler & Koch dem tödlichen Geschäft mit der Rüstung. Die dort produzierten Handwaffen, sind in nahezu jedem kriegerischen Konflikt auf dieser Erde im tödlichen Einsatz.

Kein weiterer Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee.
Kein Werben fürs Sterben und fürs Töten an Schulen, Jobzentren, Messen und Volksfesten!
Umstellung der Rüstungsproduktion auf zivile Produkte. Stopp aller Rüstungsexporte!
Keine Rüstungsforschung! Zivilklausel für Hochschulen und Forschungseinrichtungen!
Statt einer Politik der militärischen Optionen brauchen wir eine Politik des gleichberechtigtenAustausches von Gütern und Ideen, der Zusammenarbeit zwischen den Staaten und Menschen, derBekämpfung von Hunger, Krankheit und Armut.

Kurz: Vernunft muss her, statt Militär.

Bernard-Henry Lévy: Nicht heiser genug vom keuchenden letzten Kriegsgebell


Bernard-Henry Lévy
Foto: Itzik Edri (Eigenes Werk)
Lizenz: CC-BY-SA-3.0, via Wikimedia Commons
Beim Überfall auf Libyen war der Philosoph Bernard-Henry Lévy als einer der ersten dabei. Bekanntlich gilt er als der, der Sarkozy überredete, den Aufständischen in Libyen Militärhilfe zuzusagen. Noch im gegenwärtigen Interview in der ZEIT gibt sein Philosoph zu, dass dabei Russland und China übertölpelt werden mussten, um den Coup einzufädeln. Warum so etwas nicht wiederholen, kurz vor den Wahlen in Frankreich?

Etwas spräche dagegen, was einen Philosophen der Art Lévis nicht beeindrucken darf. Schlichte Erfahrung. Der Philosoph meint, Sarkozy habe der Erfolg in Libyen ermuntert, weiterzumachen auf der gleichen Linie. Wie, wenn es da nichts Ermunterndes gäbe? Das "befreite" Gebiet - im offensichtlichen Zerfall! Was soll daran ermuntern? Der Anblick mehrerer Teilprovinzen im bevorstehenden Bürgerkrieg - macht das Appetit? Offenbar nur dem Philosophen. Er gibt sich zwar dieses Mal militärtechnisch überlegt, kann aber bei reiflichster Überlegung auch nichts in Aussicht stellen als einen Streit sunnitischer Staaten gegen schiitische. Oder einen Angriff der Türkei - dem ein solcher als Schritt gegen den "imperialistischen" Iran gern zugestanden würde.

Alles Vorgebrachte ein Zeugnis der Perspektivlosigkeit. Lévy ist ein Opfer seiner Geltungssucht. Und der Bilder aus den Medien, die er in sich immer neu entzündet. Hauptsache - es knallt. Nachher dann betretenes Schweigen. Bis zur nächsten Erregung.

Plato hatte einst gewarnt vor einem Hauptfehler nicht nur der Philosophen, sondern allgemein der Politiker. Vor der "Polypragmosyne" nämlich, dem geschäftigen Herumwuseln auf allen denkbaren Lebensgebieten. Was hätte er von seinem späten Fachkollegen aus Frankreich gehalten?

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