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Schrecklich: Die Amateure kommen...

... Bürgerjournalismus ist unter Medienprofis umstritten und legt zugleich Mängel des Medienbetriebes offen. Artikel auf heise.de

Zur Pressemitteilung der Initiative Qualität im Journalismus

Nur die Ängste eines Berufsstandes, der um seine Pfründe fürchtet? Oder berechtigte Kritik an der Sensationsmache am Beispiel des "Bild - Leserreporters?"

Die Studie "Journalismus in Deutschland" unter Leitung des Hamburger Kommunikationswissenschaftlers Siegfried Weischenberg wies jüngst nach, dass sich fast 90 Prozent der professionellen Medienmacher nur noch als neutrale "Informationsdienstleister" sehen. Kaum ein Viertel der rund 1.500 Befragten betrachten sich weiterhin als Kontrolleure gesellschaftlicher (Fehl-)Entwicklungen. Noch weniger haben einen politischen Anspruch.

Quelle

Zum Glück gibt es also immerhin noch 10 Prozent Journalisten, die engagiert berichten und dabei auch Partei ergreifen. Die Mär von einer angeblichen "Neutralität" der Berichterstattung glaubt meist nur noch der, der noch nie im Focus derselben stand oder der nicht an die Möglichkeiten einer Meinungsmanipulation durch die Massenmedien glaubt. Die Erfahrungen mit dem "eingebetteten Journalismus" zum Beispiel im Zusammenhang mit den Kriegen im Irak, Libanon usw. sprechen allerdings eine andere Sprache...

Einen plausiblen politisch - ökonomischen Hintergrund für diese Entwicklungen liefert das Buch »Die soziale Struktur der Globalisierung. Ökologie, Ökonomie, Gesellschaft« von Bernd Hamm, Professor für Soziologie an der Universität Trier. Eine Besprechung dieses Buches gab es in der “Jungen Welt” vom 9. März 2006. (Nur im Onlineabo) Darin werden die zugrundeliegenden Konzentrationsbestrebungen ebenso wie die Manipulation der "öffentlichen Meinung" durch PR Agenturen und Massenmedien untersucht.

Ein Problem besteht zusätzlich in der Frage, ob die 60 % der Journalisten die laut der Studie "Kritik üben an Missständen" wollen - bei allem subjektivem Anspruch - dies auch tatsächlich tun _können_. Das wird jeder persönlich entscheiden müssen, sofern es ihm möglich ist. "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing..."

Das hängt damit zusammen, dass die Medienlandschaft eben nur nicht das Ergebnis der Arbeit von Medienschaffenden ist, sondern geprägt ist von Lobbyismus und weiteren Interessenskonflikten:

"Nun rühmen sich die USA, die freiesten Medien der Welt zu haben –“ und in der Tat erinnert man sich anerkennend der wichtigen Rolle, die z.B. die Washington Post bei der Aufdeckung des Watergate-Skandals gespielt hat. Aber gegenwärtig ist man eher erstaunt, weshalb angesichts der zahlreichen und schwerwiegenden Verfehlungen der Bush-Regierung nicht eine größere kritische Öffentlichkeit protestiert und für ein Amtsenthebungsverfahren zu gewinnen ist. Die Wahlfälschung vom November 2000 wurde monatelang in den wichtigen Medien verschwiegen, den zahlreichen unbeantworteten Fragen rund um die Anschläge des 11. September 2001 wird nicht nachgegangen; das Downing-Street-Memorandum, von der Londoner Times Anfang Mai 2005 veröffentlicht, wird heruntergespielt; in diesem Geheimpapier, verfaßt im Sommer 2002, legte die Regierung Blair die Strategie fest, mit der der bereits beschlossene Irak-Krieg vor der eigenen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit legitimiert werden sollte. Übrigens scheinen sich auch deutsche Medien, allen voran Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung, auffallend wenig für die oben angeführten Vorfälle in den USA zu interessieren und sich für eine Bush-freundliche Haltung entschieden zu haben."

(jw, 9.3.2006)

Praktisch erfahren die Menschen das durch eine auffällige Einseitigkeit in der Medienberichterstattung, die eineseits eine gewisse Übereinstimmung mit den politischen Interessenssphären der USA aufweist, wenn zum Beispiel über ganze Kontinente / Länder wie Afrika, Süd- Lateinamerika, den pazifischen Raum, aber auch nationale, regionale oder lokale Ereignisse monatelang kaum, oder aber "gefärbt" berichtet wird. Gerade das ist ja auch eine Triebfeder für den im Heise Bericht angeführten "Bürgerjournalismus", Blogs usw.

Das unterstreicht auch die anfangs zitierte Studie:
"Journalisten sollen und wollen vor allem informieren und orientieren. Dabei versperren offenbar die eigenen Kollegen und die anderen Medien mit ihrer Eigenlogik den Blick auf die Welt. Die nervöse Berliner Luft und das rote Licht der Fernsehkameras haben eine journalistische Pseudoelite hervorgebracht, die durch Stimmungsmache aus der Rolle fällt und dazu beiträgt, dass die politische Kommunikation zum Gemischtwarenladen von Opportunisten verkommt. Sie sollte ihre Selbstdarstellung, deren Nachbereitung jetzt zum Nahkampf von Dünnhäutern eskaliert, durch berufliche Selbstreflexion kontrollieren. Die große Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten hat diesen aktuellen Leidensdruck zum Glück nicht."

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