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Broder - der hartmäuligste in der Karawane

“Ist über eine Sache endlich Gras gewachsen, kommt sicher ein Kamel und frisst es ab–. Selbst im SPIEGEL haben sie es inzwischen gemerkt. Nachdem sie erst zu Sarrazins Tischlein-Deck-Dich freigiebig eingeladen hatten, ist ihnen in der letzten Nummer doch noch eingefallen, dass es vielleicht gar kein Intelligenz-Gen gibt, vor allem keines, das bestimmten Volksgruppen exklusiv zugeteilt wäre. Der Reiz Sarrazins besteht in seiner bedenkenlosen Inkonsequenz: Alles, was er so vorbringt, wenn der Tag lang ist, darf nach Belieben entweder als erblich angeboren und damit relativ unveränderlich- oder als angelernt und demnach veränderlich angesehen werden. Insofern ist immer für jeden ein Schüsselchen gedeckt.

Kaum war das soweit bereinigt, blieb es dem bekannten Großkritiker Broder vorbehalten, genau den Unterschied zwischen “angeboren– und “angelernt– wieder zuzuschütten. Ist doch ganz egal, was man sagt, Hauptsache, es ist bequem! –Wir bewundern die Spanier für ihr Temperament, die Engländer für ihre Gelassenheit und machen Witze über den Geiz der Schotten. Es sind Klischees, aber sie haben ihren Charme und erleichtern die Orientierung–(SPIEGEL Nr.36/S.163 unter der Überschrift –Thilo und die Gene–).

Als Beispiel für eine selbstverständliche - als wahr anzusehende - Behauptung erwähnt der kritische Kopf, “muss auch die Frage erlaubt sein,warum Juden- von Ausnahmen abgesehen- schlechte Sportler und gute Schachspieler sind– (ebd,S.163).

Früher hatten sie im SPIEGEL ein sehr gutes Archiv mit Kontrolleuren, die angeblich jede Sachbehauptung überprüften. Die scheinen inzwischen eingespart. Sonst hätten sie Broder darauf aufmerksam gemacht, dass es seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die jüdischen Sportwettkämpfe, Makkabiade genannt, gegeben hat mit regem Zuspruch. Auch wären die bekannten militärischen Erfolge Israels kaum erklärlich, wenn das Unsportliche dort immer noch die Regel wäre.

Erinnert sei der gewissenhafte Historiker des Festhaltens am Klischee auch an den Kampf jüdischer Organisationen während der ganzen Zeit der Weimarer Republik. Es ging um die Frage, wie viel Tote die jüdischen Soldaten aufzuweisen gehabt hätten - gemessen an ihrem prozentualen Anteil an der Einwohnerzahl Deutschland. So ein Wetteifer kommt einem nachträglich komisch bis peinlich vor; damals kam er aus Notwehr gegen die damaligen deutschnationalen Liebhaber des “Klischees–, Juden seien von Natur aus Feiglinge und Drückeberger - mit entsprechenden Folgerungen.

Welchen weiteren Klischees über Eigenheiten der Juden ein bedenkenloser Schwätzer Tür und Tor öffnet mit seinem Erlaubnisschein für das “Klischee–, muss nicht weiter ausgeführt werden. Es sind genau die Behauptungen, gegen welche sich Broders “Achse des Guten– - dieses eine Mal mit Recht - erbittert wenden würde und müsste.

Am Ende seiner Eröffnungen überbietet Broder Sarrazin um einiges. Er schüttet den Trog Jauche, den er stets in Vorrat hält, aus über die ganze Religion des Islam. Es muss wohl sein, um vor aller Welt den markigen Kerl zu markieren, der “Unbequemes offen ausspricht–.

Broder mag an der ihm von Sarrazin freundlich zugedachten angeborenen Intelligenz durchaus teilhaben. Geltungssucht und der Hang zur Angeberei hindern ihn immer öfter, diese Intelligenz produktiv einzusetzen. Und zwar ihn als langjährig zu studierende und bekannte Einzelperson, ohne weitere Schlussfolgerungen aufs Angeborene oder Antrainierte.

Sarrazin als Mauerbrecher ist unangenehm, aber auch auffällig ungeschickt. Zum Parteiführer wird es nicht reichen. Wirklich Abscheu erregend ist die Heerschar, die durch die Bresche nachkriecht, und - unter mehr oder weniger strenger Absetzung vom Vorbild - dieses überbietet.
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