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Götz Aly im Schutze Kaiser Maximilians! Anderen reicht vorerst das Grundgesetz

Unser Seelenwächter Götz Aly hat in der Frankfurter Rundschau vom 4.September 2012 drei Angriffe entdeckt gegen etwas, das die meisten allenfalls aus dem Geschichtsunterricht kennen: den Landfrieden. Er sieht im Fällen einer deutschen Eiche in Rostock, einem Angriff auf einen Rabbiner und allgemeinen antisemitischen Ausschreitungen eine elementare Gemeinsamkeit: Der Landfrieden wurde verletzt. Anderen wäre vielleicht aufgefallen, dass eine Eiche - wenn auch deutsch - keine Schmerzen empfindet. Auch keine Angst. Bedrohungen gottergeben hinnimmt. Antisemitische Angriffe dagegen richten sich regelmäßig auf den Leib des Attackierten und stellen dessen Verletzung zumindest als wünschbar hin.

Götz Aly sieht bei all diesen und anderen Verstößen nur ein Gegenmittel: Strafe. Hart und unnachsichtig. Nur so, sein zu vermutender Grundgedanke,lässt sich Zusammenleben ohne Beeinträchtigung durchsetzen.
Das Merkwürdige bei Alys Altertumsverehrung: er lässt ganze Bereiche von Nötigung aus, die eben im Augenblick alle Medien erfüllen und viele härter treffen am eigenen Leib.Nötigung durch Streik. Stellt die zeitweise Abschaffung von Fluggelegenheiten auf dem Airport keine empfindliche Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit dar? Und trifft ebenfalls eine Unmenge von Personen, gegen welche die Urheber der Behinderung genau so wenig persönliche Aggressionen empfinden wie die Eichenfäller von Rostock!Dass Streiks weh tun müssen,wenn sie wirken sollen, wird von den Gewerkschaften dabei offen einbekannt und angezielt.

Warum lässt Götz Aly diese massenhaften Angriffe und Auseinandersetzungen weg, die Kaiser Maximilian noch nicht kennen konnte? Vermutlich, weil er sonst den realen Zustand der gegenwärtigen Gesellschaft als verwerflich hinstellen müsste. Einen nämlich, der - wie man es auch umschreiben möchte - durch Klassenkampf bestimmt ist. Durch die durch nichts zu beseitigende Gegnerschaft von Kapital und Arbeit. Es hat seit den Tagen des wilhelminischen Kaiserreichs lange gedauert, bis das Streikrecht anerkannt wurde - als Grundrecht eines jeden Lohnabhängigen. Wie sehr die Ausübung dieses Rechts dann nach 1945 auch gefesselt wurde und in beengende Schranken verwiesen - anerkannt wurde doch notgedrungen - wie mürrisch auch immer- selbst von einem Reaktionär wie Nipperdey im Bundessozialgericht, dass die Klassengegensätze nicht einfach durch Gesetz und Sanktion wegdekretiert werden können. Auch ein Kaiser Maximilian konnte daran nichts ändern.Will Götz Aly ihn in diesem Punkt überholen? Er wird wenig Freude bei seinen Versuchen in dieser Richtung erleben.

Staatsbürgerliche Lust am Belogenwerden

Die Lüge. Begriffserklärung. Screenshot WikiPedia
In der INTERNET-Ausgabe der FAZ für den 3.September finden sich gleich zwei Beispiele für den Willen zur staatsbürgerlichen Lüge- und der Willfährigkeit der Betroffenen, sich anlügen zu lassen.

Matthias Rüb bespricht eine Neuerscheinung, welche das Oberkommando der US-Wehrmacht juristisch zu verhindern sucht. Ein Mitglied der Truppe, die zur Erledigung Bin Ladens ausersehen war, berichtet vom Verlauf des Ansturms auf das Haus. Nach dieser Darstellung schoss der erste, der den Schlafraum erreichte, schon von der Tür aus und erledigte den Staatsfeind. Demnach- und das ist das Entscheidende- war an Gefangennahme und Gericht nie gedacht worden. Es entfielen auch die Stories von der versuchten Gegenwehr des Gesuchten mit Waffengewalt, die eine Hinrichtung nach den bewährten Bräuchen allenfalls gerechtfertigt hätte. Es versteht sich, dass das Buch den offiziellen Ausmalern der heroischen Propaganda missfallen mussten. Ebenso dem um Wiederwahl ringenden Friedensfürsten Obama , der schließlich als heldenhafter Erlediger des Erzfeindes Punkte sammeln muss. Gar nicht erwähnt wird in dieser Version der Heldenlegende eine dritte Fassung, nach der Bin Laden das Eindringen unten hörend, sich selbst den letzten Schuss verpasst hätte.

Jürg Altwegg berichtet im Feuilleton der gleichen Ausgabe von mehreren Fällen von Selbstdarstellung des Staates Frankreich, die nur durch saftige Lügen bewerkstelligt werden konnte. So wäre zur Regierungszeit des vorvorigen Präsidenten Chirac sein schwerer Schlaganfall als kleines gesundheitliches Problem hingestellt worden. "Von den Ärzten verlangte man die Veröffentlichung gefälschter Bulletins."Die Frau des Präsidenten und dessen Tochter Claude zogen bei den Manipulationen die Fäden". Im Rückblick streift Altwegg weitere Verhüllungen. So erwähnen die Memoiren Giscards d`Estaings einen Ohnmachtsanfall unseres Kanzlers Schmidt mitten im Elysée. Alles nur als Beispiel preisgegeben.

Was folgt daraus? Die alte Forderung der Aufklärung an den Einzelnen war, den eigenen Verstand zu gebrauchen,um keiner Täuschung zu erliegen. Die Forderung wird unerfüllbar, wenn die Grundtatsachen nicht mehr allen und allgemein zur Verfügung stehen. Wenn wir immer nur auf arrangierte Bilder stoßen anstatt auf "nackte" Tatsachen, dann tritt für den Einzelnen Hilflosigkeit ein.

Es bleibt dann allenfalls kollektive Recherche,um gemeinsam wenigstens das eine herauszubekommen: dass nicht alles so ist, wie es von oben dargestellt wird. Aber weit führt das im gegenwärtigen Stadium nicht über grundsätzliches Misstrauen gegen Verlautbarungen der Obrigkeit hinaus. Damit immerhin zum Widerstand gegen medial erzeugte Wallungen. Gegen den Appell zur Verteidigung angeblich gerade besonders bedrohter Werte.

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