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Reclaim your Brain - Reclaim your Future: Für eine Umkehr in der Bildungspolitik

Folgende Pressemitteilung zum Auftakt des Bildungsstreikes in Baden - Württemberg veröffentlichen wir gerne:

"Freie Bildung hier und überall!

Reclaim your Brain –“ Reclaim your Future: Für eine Umkehr in der Bildungspolitik

UStA der PH Freiburg ruft zur Protestfeuer-Demo am 17.01.2011 in Freiburg auf

Um unseren Unwillen gegenüber der bisherigen Bildungspolitik deutlich zu zeigen, rufen wir am 17. Januar 2011 zur Protestfeuer-Demo in Freiburg gegen Studiengebühren und für die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft auf.

Zum sechsten Mal jährt sich am 26. Januar die Aufhebung des Verbotes von allgemeinen Studiengebühren in der Bundesrepublik durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und damit verbunden der Verlust einer Chancengleichheit für alle an einem freien, selbstbestimmtem sowie kostenfreien Bildungsangebot zu partizipieren.

Auch nach sechs Jahren hat sich an der sozialen Unverträglichkeit, der Selektivität sowie dem Aufbau bzw. Förderung einer finanziell abgesicherten Bildungselite durch die Einführung von Studiengebühren nichts geändert. Ganz im Gegenteil, diese soziale Selektion wird weiterhin durch unsoziale, realitätsferne und neoliberale BildungspolitikerInnen ganz in ihrem Sinne ausgebaut.

Entgegen der bisherigen verfehlten Bildungspolitik fordern wir daher:
- die bundesweite Abschaffung aller Bildungsgebühren
- ein freies, selbstbestimmtes Studium
- die sofortige Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft
- das politische Mandat für Studierendenvertretungen

27. März 2011: Bildungspolitische Wende in Baden-Württemberg einleiten

„Am 27.03.2011 haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit eine bildungspolitische Wende in Baden-Württemberg herbeizuführen“, erklärt Sven Fred Mitglied des UStA der PH Freiburg. „Es geht darum soziale Hürden im Bildungssystem abzubauen und Studiengebühren ein für alle mal abzuschaffen. Außerdem gibt es eine realistische Chance endlich ein Recht auf Mitbestimmung für die größte Gruppe der Hochschulmitglieder, den Studierenden zu etablieren.“

„Deshalb ruft der UStA der PH Freiburg alle Wählerinnen und Wähler, Studierende und Hochschulmitglieder dazu auf, mit bunten und kreativen Aktionen die Landtagswahl am 27.03.2011 zu einer Abstimmung über ein demokratisches und sozial gerechtes Bildungssystem zu machen“, sagt Sabine Woller ebenfalls Mitglied des UStA. „Denn nur wenn wir es schaffen Bildungspolitik zum zentralen Wahlkampfthema zu machen kann die zukünftige Landesregierung den Willen der Wählerinnen und Wähler nicht ignorieren und muss das Bildungssystem in unserem Sinne reformieren.“

Unsere Demonstration am kommenden Monatg ist der Auftakt zu vielen verschiedenen Protestfeuer-Aktionen des Bildungsstreiks Baden-Württemberg, die in eine große Aktion am 29. Januar 2011 in Stuttgart münden werden. Der UStA unterstützt die Forderungen des Bildungsstreiks und ruft zur Beteiligung an seinen Aktionen auf. Denn freie Bildung wollen wir für alle Menschen verwirklichen, ob in der Kita, Schule, Ausbildung, Hochschule oder der Erwachsenenbildung.

Also: Studiengebühren abwählen, Mitbestimmung einfordern!"

Weitere Informationen unter:

http://www.usta-ph.de
http://www.bildungsstreik-freiburg.de

http://www.bildungsstreik-bawue.de



Türkei, Kurdistan und die Frauen

Landwirtschaft in Mesopotamien
Foto: Dûrzan cîrano / Lizenz: CC3.0
In der heutigen Türkei leben nach offiziellen Angaben ungefähr 73 Millionen Menschen, welcher Nationalität sie angehören, ist schwer zu sagen, da die türkische Regierung seit Jahrzehnten in ihren Zählungen nicht nach Ethnien geht. Es ist Fakt, dass in der Türkei außer den Türken über 30 verschiedene Ethnien vorhanden sind, so sind hier an erster Stelle die Kurden zu nennen, die neben den Türken die größte Bevölkerungsgruppe mit 16 - 18 Millionen Menschen ausmachen. An dieser Stelle können viele weitere Nationalitäten aufgezählt werden, z.B. die Armenier, Aramäer, Griechen, Araber, Lazen und, und, und... Interessant ist nur, dass bestimmte Volksgruppen sich bereits nicht mehr als eigene Volksgruppe sehen, sondern als Türken, so z. B. viele Lazen. Nur wenige bestehen darauf, eine eigene Kultur, Sprache, Normen und Werte zu haben. Bei ihnen kann auch nicht von einem nationalen Befreiungskampf oder ähnliches gesprochen werden. Ganz im Gegenteil, wenn in der Türkei gewählt wird, so sind die durch die Lazen besiedelten Gebiete die Gebiete in der Türkei, in denen reaktionär - faschistische Parteien wie die Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) und Büyük Birlik Partisi (BBP) die meisten Stimmen erhalten. Das osmanische Reich und die türkische Regierung haben es über die Jahrhunderte hinweg geschafft, die Lazen insoweit zu assimilieren, dass sie die ersten sind, die den „großen Türken“ spielen, wenn es wieder einmal in der Türkei etwas nationalistischer zugeht.

Daher ist die Besonderheit an der kurdischen Bevölkerung die Tatsache, dass sie diejenigen sind, die sich am meisten gegen die Assimilationspolitik der türkischen Regierung stemmen.
Seit Jahrzehnten wehren sie sich dagegen, ihre Sprache, Kultur, Tradition, Normen und Werte aufzugeben. Während die türkische Regierung auf der einen Seite mit Gewalt in Form von Massakern, Foltern, Gefängnissen u. ä. versucht, die Kurden zu assimilieren, versucht sie auf der anderen Seite dasselbe Ziel durch „sanftere“ Maßnahmen wie die „Öffnung der Politik für die Kurden“ und der Besiedlung des kurdischen Landes mit türkischen Familien, Firmen u. ä. zu erreichen.

Es ist von großer Bedeutung, die Politik der türkischen Regierung gegenüber der kurdischen Bevölkerung genauer zu untersuchen, und einen Blick auf diejenigen zu werfen, die am meisten unter diesen Machenschaften leiden, nämlich die Frauen.

Es geht hier insbesondere darum, dass die kurdische Bevölkerung in der Türkei sich niemals von den Einflüssen des osmanischen Reichs und im Nachhinein der türkischen Regierung hat komplett entziehen können. Die Regierungswechsel und die damit einhergehenden Politikwechsel, die Einflüsse des Islam, und nicht zuletzt die Geschäfte, die die türkische Regierung mit den kurdischen Großgrundbesitzern und Großbauern eingehen konnte, haben v.a. die kurdischen Bauern und die Frauen sehr stark beeinflusst.

Die kurdischen Gebiete, die sich heute innerhalb der türkischen Grenzen befinden, waren und sind auch heute noch zum größeren Teil ländliche Gebiete. Die Menschen hier versuchen zum größten Teil, ihren Unterhalt durch die Landwirtschaft zu finanzieren.

Bis in die Mitte der 80er Jahre war die Türkei zum größten Teil ein Agrarland, seine internen und externen Handelsbeziehungen bestanden hauptsächlich aus Agrarprodukten.

Im Jahre 2005 betrug die Anzahl der Menschen, die an der Armutsgrenze lebten, in den Städten 2,8 % und auf dem Land 9,3 %. In den einzelnen Regionen ist die Lage noch verheerender. In den Gebieten des Schwarzen Meeres beträgt die Zahl der an der Armutsgrenze lebenden Menschen 8,1 %, im Türkei-Kurdistan sind es 17,5 %. Das Ausmaß der relativen Armut beträgt in den Städten 21, 8 % und auf dem Land 33 %. Wie bereits oben erwähnt wurde, sind diejenigen, die vor allem von der Landwirtschaft versuchen zu leben bzw. die ländlichen Gebiete bewohnen, die Kurden.

Die Frau in der landwirtschaftlichen Produktion

Wie sehr die Frauen sich an der landwirtschaftlichen Arbeit betätigen, hängt von der Größe der Äcker und vom Familieneinkommen ab. Umso mehr Güter, Land und Arbeitskraft eine Familie besitzt, desto weniger arbeitet die Frau in der Landwirtschaft und zieht sich desto mehr in den Haushalt zurück und ist desto mehr für die Hausarbeit zuständig. Frauen aus Familien mit wenig Land und einem geringen Einkommen beteiligen sich hingegen aktiv an jeder Phase der Produktion und arbeiten je nach Jahreszeit und Arbeitssituation im Vieh- und landwirtschaftlichen Bereich.

Der Status der Frau auf dem Land und ihre Rolle in der landwirtschaftlichen Produktion

Frauen auf dem Land sind im Gegensatz zu den in den Städten lebenden Frauen sehr unterschiedlich, dies zeigt sich v. a. aufgrund der auf dem Land existierenden traditionellen Strukturen und ihrer Beschäftigung. Die Hauptaufgaben der Frauen auf dem Land bestehen aus Putzen, Brot backen, Trinkwasserbesorgung, Brennholzbeschaffung, Nahrungsmittel besorgen und aufbewahren, Joghurt für den Markt machen, die Käseproduktion und weitere Hausarbeiten. Auch die Erziehung der Kinder und die Pflege der Alten gehören zu ihren Aufgabenfeldern. All diese Aufgaben jedoch sind unentgeltlich und sichern keineswegs die finanzielle Existenz der Frauen. Außer den eben erwähnten Arbeiten ist sie auch für die Pflanzen, den Garten, das Vieh, handwerkliche Arbeiten und ein Einkommen sichernde Aufgaben wie z. B. Warenproduktion für den Verkauf auf dem Markt, als entgeltliche Arbeiterin außerhalb der Landwirtschaft und für die Vermarktung zuständig.

Trotz diesem vollen Arbeitstempos wird der Frau ihre Arbeit nicht angerechnet, selbst wenn es ihr rechtlich zugesprochen ist, wird es in der Praxis meist nicht umgesetzt. Aus diesem Grund wird der Frau trotz ihrer harten Arbeit kein Geld bezahlt und auf dem Land, wo traditionelle Strukturen sehr stark verankert sind, hat die Frau nicht den Status „einer arbeitenden Frau“. Die Arbeit, die sie außerhalb ihres Hauses macht, wird wie gesagt nicht anerkannt und sie wird als Teil des ländlich-strukturellen Models gesehen. Die Frau auf dem Land ist gezwungen sowohl ihre Hausarbeit als auch ihre Landarbeit so zu planen, dass keines der beiden Aufgabenfelder zu kurz kommt.

Der Status der Frauen in der Gesellschaft wird durch den Entwicklungsgrad in ihrem Land, sowie durch die gesellschaftliche Kultur und ihre Werte bestimmt. Auch in der Türkei müssen die Frauen auf den ländlichen Gebieten vor allem in den Dörfern mehr arbeiten als die Männer, und dies wird aufgrund der feudalen Denkweise als natürliche Tatsachen angesehen.

Die patriarchalen Strukturen und die feudalen Werte führen dazu, dass die Frauen in den ländlichen Gebieten der Türkei doppelter Ausbeutung und Unterdrückung ausgesetzt sind. Hinzu kommt, dass die Frau durch die feudalen Werte und Normen als die Ehre des Mannes und der Familie angesehen wird. Daher wird jede Bewegung der Frau kontrolliert, bei einem „falschen“ Benehmen sieht der Mann sich gerechtfertigt, die Frau mit allen möglichen Mitteln zu bestrafen, selbst der Frau das Recht auf Leben zu nehmen.

Aufgrund der feudalen Strukturen wird auch heute noch die Ansicht vertreten, dass, wenn Frauen vergewaltigt werden, sie selber daran schuld sind. Im Türkischen gibt es hierzu sogar ein Sprichwort, welches ins Deutsche übersetzt, so viel bedeutet wie: „Wenn die Hündin nicht mit dem Schwanz wackelt, kommt der Hund auch nicht.“

In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass die zwei Flüsse Euphrat und Tigris, die durch die kurdischen Gebiete fließen, als der stumme Schrei der vergewaltigten Frauen gelten. Meist bleibt diesen Frauen nichts anderes übrig, als mit ihren Vergewaltigern zu heiraten oder sich das Leben zu nehmen. Da die beiden Flüsse stellenweise eine sehr starke Strömung haben, nehmen sich viele Frauen in diesen Flüssen das Leben.

Die Armuts-, Arbeits-, Gesundheits- und Bildungsproblematik der Frauen

Die Armut ist das größte Problem der Frauen auf dem Land. Das Pro-Kopf Einkommen in der Türkei beträgt 2 146 Dollar. Doch durch die regionale Ungleichheit ist dieses Einkommen in den kurdischen Gebieten deutlich niedriger. Von den elf Städten, in denen das nationale Einkommen unter die 1000 Dollar- Grenze fällt, sind neun Städte kurdische Städte. Die zwei Städte, die das niedrigste jährliche Bruttoeinkommen haben, sind die zwei kurdischen Städte MuÅŸ (578 Dollar) und AÄŸrı (568 Dollar). Im internationalen Vergleich verdienen jährlich 39 Personen aus der kurdischen Stadt Şırnak so viel wie ein Schwede.

Das Elend der SaisonarbeiterInnen

Ein Drittel der Frauen arbeiten als Saisonarbeiterinnen auf den Tabak- und Baumwollplantagen. Diese Familien zählen zu den ärmsten der Bevölkerung. In ihren Herkunftsorten haben sie keine Grundstücke, nichts, was sie bebauen, ernten können oder ähnliches. Daher müssen sie mit ihren ganzen Familien ungefähr acht Monate des Jahres umherreisen und bei den Großgrundbesitzern um Arbeit betteln. Sie wohnen dann in Zelten in der Nähe des zu bestellenden Ackers und arbeiten tagsüber für wenig Geld und Nahrungsmittel. Das Geld, was sie erhalten, versuchen sie so gut wie möglich zu sparen, um dann die restlichen Monate des Jahres, in denen es nichts zu tun gibt, ihren Unterhalt finanzieren zu können.

Fakten, die diesen Menschen das Leben zur Hölle machen, sind:
  1. Um ihre Arbeitskraft in der eigenen Branche verkaufen zu können, sind SaisonarbeiterInnen gezwungen, als ganze Familie umzuziehen, und die gewohnte Umgebung zu verlassen. Sie verbringen fünf bis acht Monate des Jahres damit, Arbeit zu finden, und sind daher die ganze Zeit am Umziehen.
  2. Diese ArbeiterInnen kriegen ihre Arbeitgeber nie wirklich zu Gesicht. Ihre rechtlichen, finanziellen und sozialen Rechte werden durch einen Vermittler gesichert. Der Vermittler jedoch sichert ihre Rechte nur insofern, indem er seinen eigenen Nutzen und seine eigenen Vorteile immer im Vordergrund hält.
  3. Da die Höhe des Gehalts von SaisonarbeiterInnen der Menge der geernteten Ware entspricht, sind sie oftmals gezwungen, täglich zehn bis 15 Stunden zu arbeiten. Dennoch reicht dieser Gehalt nur um nicht zu verhungern.

Bildungs- und Gesundheitssituation der Frauen auf dem Land

Die Traditionen in den Gebieten, die Abhängigkeit der Frau, die Tatsache, dass Frauen nichts vererbt kriegen, und dass die ganzen Güter dem Mann gehören, zeigt, dass die Frauen noch viel ärmer sind. Nur 55,6 % der Frauen können lesen und schreiben. Da die Menschen in den Gebieten sehr verteilt leben, ist es schwer, Schulen zentral zu bauen. Viele Kinder können nach der Grundschule mit ihrer Bildung nicht weitermachen, da viele Familien auf dem Land zu arm sind und die Arbeitskraft der Kinder brauchen. In Krisensituationen, d. h., wenn Kämpfe zwischen dem türkischen Militär und der Guerilla stattfinden, werden die Dorfschulen vonseiten der Regierung geschlossen, was inzwischen die regelmäßige Politik der türkischen Regierung darstellt. Dies erschwert die Bildungsmöglichkeiten der Kinder um einiges mehr. Die Bildung von Mädchen wird noch mehr erschwert, da sie aufgrund der Traditionen und der Gesellschaft als diejenigen angesehen werden, die heiraten und das Elternhaus verlassen werden.

Das heißt also, dass es sich erst gar nicht lohnt, junge Frauen auszubilden, da sie früher oder später gehen werden und somit dem Elternhaus dadurch keine Vorteile verschaffen werden. Warum also in die Bildung junger Frauen investieren?

Das Aufgabenfeld der heranwachsenden jungen Frau wird meist auf die Hausarbeiten begrenzt. Sie werden im jungen Alter verheiratet, und müssen daher auch schon im Kindesalter lernen, wie man einen Haushalt schmeißt. Die Anzahl der Mädchen, die in regionalen Internaten eine schulische Bildung genießen dürfen, beträgt lediglich 17,5 %.

Infektionen, Unterernährung, Anämie und physische Erkrankungen bedingt durch den Güter- und Wassertransport, gynäkologische Erkrankungen aufgrund der hohen Geburtenrate führen zu einer hohen Krankheitsrate bei den Frauen auf dem Land. Auch heute noch ist es keine Seltenheit, dass eine Frau zehn Kinder auf die Welt bringt. Viele Frauen haben nicht die Möglichkeit Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, dies liegt daran, dass sie die finanziellen Möglichkeiten hierfür nicht aufbringen können. Aber auch die veralteten Denkweisen bezüglich der Ärzte sind den Frauen ein Stein im Weg. Das heißt, dass viele Frauen nicht zu Ärzten gehen können, wenn, dann müssten sie sich Ärztinnen aufsuchen. Viele auf dem Land sind aber auch der Meinung, Wahrsagerinnen und / oder Glaubensprediger würden die Arbeit der Ärzte tun können. Auch spielt die große Entfernung vieler Gesundheitszentren bzw. die unzureichende Anzahl der Gesundheitszentren eine große Rolle. Die Frau auf dem Land sucht meist erst dann einen Arzt auf, wenn es bereits nichts mehr für sie zu tun gibt. Während 64 % aller Frauen auf dem Land gesundheitliche Probleme haben, waren dennoch 26 % der Frauen noch nie in einem Krankenhaus. Die Anzahl der Fehlgeburten ist sehr hoch, so auch die Säuglingssterberate. Während 1998 in der Türkei durchschnittlich 43 Säuglinge von 1000 Säuglingen starben, betrug die Anzahl der gestorbenen Säuglinge im Osten der Türkei, also gerade in den kurdischen Gebieten, 62 pro 1000 Neugeburten. In der Türkei finden durchschnittlich 27,5 % der Geburten zu Hause statt, im Osten der Türkei sind es 55,6 %. Die Menge, die vorgeburtliche Kontrollen nicht in Anspruch nehmen kann, beträgt durchschnittlich 31, 5 %, im Osten sind es 60, 6 %.

Schlusswort
Wenn man nun insbesondere die Situation der kurdischen Frauen auf dem Land näher betrachtet, so muss uns klar werden, dass wir gemeinsam gegen die feudalen und patriarchalen Strukturen kämpfen müssen und den Frauen zeigen müssen, dass ihre Befreiung im organisierten Kampf gegen das organisierte imperialistisch-kapitalistische System liegt!

Quellen:

• Analyse der International Labour Organisation (Türkischsprachiges *.pdf)

• Kapitalistische Arbeitslager für Frauen - KAPÄ°TALÄ°ST TARIMDA KADIN EMEĞİ bei der türkischsprachigen marxistisch-leninistischen Bibliothek

• UNESCO Bericht: Kurdische Mädchen bekommen noch weniger Schuluntericht als senegalesische - UNESCO açıkladı: Kürt kızların okula gitme oranı Senegal–™den bile daha az bei "Cafrande - Kultur, Kunst und Leben"

Zahl des Monats: 7.200.000

7,2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland auf 400 Euro Basis. Das entspricht 20 % aller Beschäftigten. Für 5 Millionen Menschen ist der "Minijob" die einzige Erwerbsquelle. Im Sommer 2009 benötigten 1,3 Millionen Beschäftigte zusätzlich zum Arbeitseinkommen ALG II, darunter 614.000 Minijobber. (Quelle: WSI / Hans Böckler Stiftung)

2010 - 200 Jahre Unabhängigkeit und 100 Jahre Revolution in Mexiko. Oder: Was vom Erbe Miguel Hidalgos und Emiliano Zapatas geblieben ist

EZLN Logo
Der folgende Bericht aus MÉXICO vom 31.12.2010 erscheint bei uns mit freundlicher Erlaubnis von Fabian - Kalle Blomquist:

»Was haben wir zu feiern? 200 Jahre nach der Unabhängigkeit und 100 Jahre nach der Mexikanischen Revolution leben unsere Völker, Nationen und Stämme, die viel zum Triumph dieser Kämpfe beigetragen haben, wie seit 518 Jahren in Erniedrigung und Diskriminierung, ohne dass unsere fundamentalen Rechte anerkannt würden, das heißt, wir sind Unbekannte in unseren eigenen Territorien.«
(27. Treffen des Nationalen Indigenen Kongresses [CNI] in Durango, Mexiko)

Das Jahr 2010 ist ein ganz besonderes in der Geschichte Mexikos, denn in diesem jähren sich die Aufstände im Kampf um die Unabhängigkeit des Landes vor 200 Jahren und die Revolution vor 100 Jahren. Damit assoziiert wird der blutige Kampf des Volkes gegen die Imperialisten, gegen Aristokratie und Diktatur, für die Umverteilung von Land, Macht und Reichtum, die Schaffung von Gerechtigkeit und Freiheit.
  • Doch was bedeuten diese Begriffe im hochmodernen und traditionell-indigenen, im superreichen und bitterarmen –“ im tief gespaltenen Mexiko von heute?
  • Handelt es sich um pure Zahlensymbolik und Revolutionsromantik, die die wahre Realität und den Charakter des Landes schon lange verfälschen?
  • Ist der Drang nach ausgelassenen Feierlichkeiten nicht möglicherweise ein Ablenken von den wirklichen Problemen und Herausforderungen des nordamerikanischen Landes im Jahre 2010?
  • Welches sind die neuen Stimmen, die nach der Ermordung von Miguel Hidalgo und Emiliano Zapata das Erbe der Unabhängigkeit und Revolution neu definieren und umsetzen können?
In einer kurzen Chronologie der Ereignisse in Mexiko soll diesen Fragen insbesondere mit aktuellen Bezügen nachgegangen werden.

Independencia –“ Die vermeintliche Befreiung von der Conquista
Bis Ende des 16. Jh. waren bereits 80% der ursprünglichen Einwohner Lateinamerikas durch die europäischen Eroberer ausgerottet worden (1). Die gnadenlose Ausbeutung durch harte Feldarbeit und in den unzähligen Minen sowie die Ansteckung mit bisher unbekannten Grippe- und Geschlechtskrankheiten, kostete auch in Mexiko, dem nördlichen Teil Neuspaniens, Millionen von Indigenen das Leben.

Nachdem Spanien Anfang des 19 Jh. von Napoleon Bonaparte erobert worden war, stellten sich viele einflussreiche Großgrundbesitzer und Konservative in Mexiko gegen die neue spanische Krone. Diese Gunst der Stunde nutzte der der damaligen Kirche kritisch gegenüberstehende Landpfarrer und spätere Revolutionär Miguel Hidalgo. Von der französischen Aufklärung inspiriert, plante er in einem Geheimbund einen Putsch, der am 16.09.1810 mit dem Läuten der Kirchenglocken von Dolores begann. Von seinem Ausruf „Viva México!“ getrieben, konnte durch die folgenden blutigen Auseinandersetzungen mit mehr als einer halben Million Toten, schließlich die formale Unabhängigkeit Neuspaniens von der spanischen Krone im Jahr 1821, lange nach der Hinrichtung Hidalgos, erzwungen werden. Die neue vermeintliche Freiheit war u. a. durch immense Reparationszahlungen an die spanische Krone zu begleichen und mit vielen weiteren Abhängigkeiten verbunden, ähnlich wie in anderen gerade „unabhängig“ gewordenen lateinamerikanischen Ländern. Die folgenden Jahrzehnte waren keinesfalls ruhige und unbeschwerte, sondern durch zahlreiche innere und äußere Konflikte gekennzeichnete Jahre. Bis 1848 hatte Mexiko fast die Hälfte seines Territoriums im Krieg gegen die USA verloren, u. a. Kalifornien, Arizona und Texas (2).

Eine Reformierung der Land- und Machtverhältnisse hatte ebenfalls nicht stattgefunden, ein Großteil der Bevölkerung lebte verarmt und unter dem der Lehnsherrschaft ähnlichen System der hacienda. Gerade die Landbevölkerung sah sich im Zuge weiteren Landverlustes einer immer stärkeren Proletarisierung ausgesetzt. Unter der 35-jährigen Militärdiktatur Porfirio Díaz–˜ ist in Mexiko Ende des 19. Jh. eine rigide Zentralisierung des Staates und eine Konzentration der Macht entstanden, eine direkte Folge der vom Wirtschaftsaufschwung begünstigten Klüngel-Gesellschaften und Familien-Clans. An dem Aufschwung selbst hatten nur die wenigsten Anteil: im Jahre 1900 befand sich 1/5 des Landes in der Hand von Großunternehmen (3). 1910, im Jahre des Ausbruchs der Revolution, verfügte noch 1% der Bevölkerung über 96% des Bodens (4).

Revolución –“ Die Chancen eines Neuanfangs und die Etablierung einer neuen Elite
Nach der inszenierten „Wiederwahl“ von Díaz begannen sich rund um seinen größten Widersacher, den intellektuellen Politiker Francisco Madero, eine Schar von Rebellen zu bilden, die den Umsturz der Regierung erreichen wollten. Von dem anarchistischen Schriftsteller Ricardo Flores Magón inspiriert, begannen sich unter dem Motto Tierra y Libertad (Boden und Freiheit), im Norden des Landes die Rebellen um Pancho Villa und im Süden die um Emiliano Zapata zu formieren. Dabei konnten sie sich v. a. auf die Solidarität und Kollaboration der landlosen Bevölkerung verlassen, die sich zunehmend in die revolutionären Truppen der Rebellen rekrutieren ließ. Pancho Villa hatte viele Erfahrungen als Pferdedieb und Bandenchef gesammelt und wurde teils als der „Robin Hood Mexikos“ gehandelt, während sein Pendent im Süden, der Mestize Emiliano Zapata mit seinem charakteristischen Sombrero und dem langen Schnauzer v. a. bei den besitzlosen Landarbeitern seinen Rückhalt hatte. Die zentralen Forderungen beinhalteten eine Neuordnung der Landverhältnisse, die Gewähr von Arbeitsrechten, eine Demokratisierung des Landes und das Aufbrechen fest etablierter politischer Klüngel.

Der autoritär regierende Díaz musste 1911 ins Exil flüchten, und Madero wurde neuer Präsident –“ der allerdings die von ihm selbst gestellten Forderungen nicht umsetzen konnte und bereits 1913 in Folge eines neuen Putsches ermordet wurde.

Erst 1917, nach vielen weiteren blutigen Unruhen und nahezu jährlichen Präsidentschaftswechseln, trat die noch heute gültige Mexikanische Verfassung in Kraft, die eine Bodenreform, die Nationalisierung der Rohstoffe und eine schärfere Trennung von Kirche und Staat beinhaltet. Es sollte aber noch weitere Jahre dauern bis einige der ursprünglichen Forderungen der Revolution umgesetzt werden konnten, erst Anfang der 30er Jahre kam etwas Ruhe in das politische Geschehen des Landes. 1929 hatte sich die Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) gegründet –“ die von nun an in einem zunehmenden Klientelismus quasi als Einheitspartei die Politik des Landes 71 Jahre lang dominierte. Durch Wahlmanipulationen, keine weiteren Zulassungen von Oppositions-Parteien sowie die Verteilung von Posten und Reichtum an Parteimitglieder, baute sich somit bis 2000 ein neuer postkolonialer elitärer Machtapparat auf.

Der Wendepunkt dieser politisch „stabilen“ aber keineswegs demokratischen Periode stellt ein in unseren Breitenkreisen wie auch in unserer Geschichtsschreibung nahezu unberücksichtigtes Ereignis dar: das Massaker an den Studenten von Tlatelolco am 02.10.1968. Auf dem Platz der drei Kulturen in Mexiko City wurden während des Höhepunkts der umfassenden Studentenproteste in Mexiko mindestens 250 Menschen erschossen, Tausende verhaftet und gefoltert –“ definitive Zahlen sind bis heute nicht bekannt (5). Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine gut vorbereitete Operation auf Anordnung des damaligen PRI-Präsidenten Gustavo Díaz Ordaz, um die 68er-Bewegung in Mexiko zu zerstören, was auch gelang und bis heute keine Konsequenzen für die Verantwortlichen nach sich gezogen hat. Die PRI verlor damit jedoch nach und nach jeden moralischen Rückhalt in der Bevölkerung. In Mexiko bedeuteten diese Ereignisse einen Bruch zwischen Intellektuellen und dem politischen Etablissement (6). Es sollte aber noch weitere 30 Jahre dauern, bis sie 2000 durch eine neue Partei, die katholisch-konservative PAN abgelöst werden konnte. Derzeit befindet sich die Partei mit dem rechtskonservativen Präsidenten Felipe Calderón in der zweiten Legislaturperiode, deren Legitimierung aufgrund eines sehr knappen Wahlergebnisses gegen den Linken Manuel López Obrador aber stark angezweifelt werden muss. Der über Jahrzehnte währende Aufbau eines Klientel-Machtapparates stellt immer noch die Basis für die Politik im heutigen Mexiko dar und ist einer der Schlüssel zum Verständnis des derzeitigen Politikgeschehens.

Neozapatismus, EPR/I und APPO –“ eine neue Ära des Aufstandes bricht an

In Südmexiko, kommt es seit Mitte der 90er Jahre zu neuen Aufständen, welche die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit und vieler sozio-politischer Gruppen international auf sich ziehen. Dass diese Gruppierungen räumlich nah beieinander liegen, ist kein Zufall –“ es handelt sich um die drei ärmsten und am weitesten marginalisierten Bundesstaaten des Landes, Chiapas, Guerrero und Oaxaca. Rund ¾ der etwa 14 Millionen Indigenen, die sich v. a. in den drei zuletzt erwähnten Bundestaaten befinden, leben in (extremer) Armut. Die Kindersterblichkeit liegt im Durchschnitt rund 60 Prozent über der nationalen Quote. Laut UNESCO ist es für indigene Frauen 15 mal schwieriger, Lesen und Schreiben zu lernen, als für andere Frauen im Land (7).

Chiapas
In der Nacht zum 01. Januar 1994 melden sich die seit rund 10 Jahren im Aufbau sich befindenden Zapatista in San Cristóbal de las Casas, Chiapas (Süd-Mexiko) zu Wort. Das Datum ist mit Bedacht gewählt –“ an diesem Tag tritt Mexiko dem nordamerikanischem Freihandels-abkommen NAFTA bei, das über den Abbau von Handelsbeschränkungen bald den mexikanischen und damit chiapanekischen Markt mit subventionierten US-Produkten überschwemmen wird und somit die traditionelle und regionale Wirtschaft Mexikos in die Enge treibt. In fünf weiteren Gemeinden werden die Rathäuser von der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) besetzt und die „1. Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald“ verlesen. Diese beinhaltet die Forderungen nach freien demokratischen Wahlen, einer Landreform (weg vom Großgrundbesitz) und sozialer Gerechtigkeit für alle –“ inklusive der hier größtenteils indigen lebenden Menschen. Statt des staatlich propagierten Indigenismus, der die „Wilden“ in eine mexikanische Kultur zu „zivilisieren“ versuchte, soll eine echte Autonomie die Rechte der Indigenen respektieren und gewähren (8).

Die Einnahme der sechs Gemeinden sind zugleich eine Kriegserklärung an den mexikanischen Staat. Binnen weniger Tage werden Großteile des mexikanischen Heeres nach
Chiapas verlegt und es beginnt ein Krieg, der auf beiden Seiten, v. a. aber auf zapatistischer Seite, zahlreiche Opfer fordert. Auf Druck der Zivilgesellschaft (Teile Mexico Cities wurden z. B. lahmgelegt) wird dieser Krieg nach zwölf Tagen im Januar 1994 beendet, und es beginnen Friedensverhandlungen. Seitdem kämpfen die Zapatista bis heute mit politischen und äußerst kreativen Mitteln für ihre Ziele. Der eigentliche bewaffnete Arm der Bewegung stellt nur das Rückgrat der vielen zivilen Unterstützungsbasen, den zapatistischen Gemeinden, in einer weiterhin bitterarmen Region dar. Sprachrohr der Bewegung ist Subcomandante Marcos, der durch seine philosophischen Diskurse und Aufsätze über soziale Gerechtigkeit, indigene Autonomie und Antikapitalismus international bekannt geworden ist und im übrigen stets dadurch Aufmerksamkeit erregt, dass er mit schwarzer Skimaske, zwei Uhren und qualmender Tabakspfeife auftritt.

Zuletzt haben die Zapatista mit der Anderen Kampagne seit Anfang 2006 einen Versuch unternommen, als Alternative zu den Präsidentschafts-Neuwahlen in Mexiko, eine nationale Bewegung mit internationaler Allianz „von unten für unten“ sowie mit einer explizit antikapitalistischen Verfassung aufzubauen. Dazu bereisten Marcos als „Delegierter Null“ und andere Vertreter der EZLN das gesamte Land von Norden nach Süden in mehreren Etappen. Aufgrund der immer wieder starken Bedrohungen ihrer eigenen Unterstützungsbasen durch Staat, Militär und Paramilitärs, musste die Reisekampagne im September 2007 abgebrochen werden, zwecks besserer Verteidigung der Gebiete in Chiapas. Seitdem sind keine neuen Verlautbarungen mehr aus dem Lakandonischen Urwald vernommen worden. Die Andere Kampagne läuft aber weiter und es kann jederzeit mit neuen Aktivitäten der Zapatista gerechnet werden –“ für Überraschungen sind diese weithin bekannt.

Guerrero
Der Bundesstaat Guerrero wird ebenfalls von krassen sozialen Gegensätzen bestimmt. Während sich in Acapulco nationale und internationale Touristen zwischen riesigen Hotelburgen tummeln und die hergerichteten Pazifik-Strände bevölkern, lebt die ländliche Bevölkerung, oft Analphabeten, in prekären Verhältnissen. Die gescheiterte Landreform in den 60er Jahren führte zum Aufstand von Teilen dieser Bevölkerung –“ die in dem bewaffneten Kampf der „Partei der Armen“ mit ihrem Kopf Lucio Cabañas gegen die ökonomische Oligarchie in Guerrero gipfelte. Letztendlich wurde diese Guerrilla vom Staat zerschlagen, viele vermutliche Mitglieder „verschwanden“ und die meisten der staatlichen Verbrechen gegen die Bevölkerung sind bis heute nicht aufgeklärt (9).

Aus dieser immer noch vorhandenen Basis erwuchs 1996 die neue Guerilla Revolutionäre Volksarmee (EPR), die durch mehrere gezielte Anschläge auf Banken, PRI-Einrichtungen und Erdölkonzerne –“ bei denen keine Menschen zu Schaden gekommen sind –“ bekannt wurden. Sie fordert soziale Gerechtigkeit für die verarmte Landbevölkerung, Nichtanerkennung der Auslandsschulden sowie eine echte Souveränität Mexikos in den postkolonialen globalen Strukturen. Das Ziel ist eine kommunistische Gesellschaft. Aus der EPR ging zwei Jahre später die EPRI, die Revolutionäre Aufständische Volksarmee mit der Begründung hervor, die EPR sei inzwischen zu bürokratisch und lege unmenschliche Verfahrensweisen an den Tag (10). Die EPRI ordnet sich –“ wie die Zapatista –“ dem Prinzip des „gehorchenden Befehlens“ unter, sie macht also nur das, was die breite Unterstützungsbasis auch ausdrücklich will. Trotz Verhaftungen der mutmaßlichen Köpfe der Guerilla und weiterer starker Repression gegen alles potenziell Aufständische in Guerrero sowie trotz der damit verbundenen Straflosigkeit für die Täter, scheint es ein offenes Geheimnis zu sein, dass die EPR/I einen weiterhin starken Rückhalt in der (ländlichen) Bevölkerung genießt. Während ihres jahrelangen Kampfes hat die EPR/I allerdings mangels Solidarität seitens anderer linker Gruppen nie die öffentliche und vor allem auch internationale Bedeutung erlangen können, die die EZLN oder APPO in Oaxaca erreicht haben. Dessen ungeachtet, kontrolliert sie weiterhin insbesondere die schwer zugänglichen gebirgigen Gebietes des verarmten Bundesstaates (11).

Oaxaca
Ein weiteres und ganz besonderes Beispiel für den neuen Kampf der Entrechteten stellt der seit Juni 2006 intensiv brodelnde Aufstand in Oaxaca (Stadt und Land) dar. Ursprünglich als Lehrer_innenstreik für die Durchsetzung alljährlicher Forderungen am traditionellen 1. Mai begonnen, entpuppte sich der Konflikt in diesem Jahr als viel weitreichender und härter als zunächst angenommen. Bereits im Juni kam es zu großen Straßenschlachten zwischen regierungsloyalen Gruppen (Militär, Polizei und Paramilitärs) rund um PRI-Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz und der neuen Volksversammlung der Völker von Oaxaca (APPO), wobei immer wieder der zentrale Platz von Oaxaca von den Demonstrant_innen eingenommen und als Basis des Widerstandes genutzt worden war. Das wachsende Bündnis aus zuletzt rund 350 verschiedenen sozialen, politischen und indigenen Organisationen übernahm teilweise die Kontrolle über diverse Radiostationen, schickte eine Karawane nach Mexiko City und forderte die Absetzung des schließlich sich im internationalen Flughafen verschanzenden Gouverneurs. Bis Ende November 2006 reichten die täglichen, teils blutigen Auseinandersetzungen, die erst mit der Erschießung des US-amerikanischen Indymedia-Reporters Brad Will durch Paramilitärs Ende Oktober, viel zu spät, internationale Aufmerksamkeit bekamen.

Seitdem hat eine regelrechte Repressionswelle den Bundesstaat überrollt, viele der APPO-Aktivisten sind „verschwunden“, gefoltert und getötet worden. Der Konflikt ist damit nicht gelöst und schwelt vor sich hin –“ bis zu einem neuen Ausbruch eines Tages. Währenddessen harren in San Juan de Copala, einer indigenen seit 2007 als autonom erklärten Triquis-Gemeinde, zahlreiche von Paramilitärs belagerten Familien ohne ausreichende medizinische und Nahrungs-Versorgung aus. Viele Tote hat es dort schon gegeben. Zwei von Ihnen sind kurzfristig in das internationale mediale Geschehen gerückt: der Finne Jyri Jaakkola und die Mexikanerin Bety Cariño, die erstmals in Mexiko als internationale Menschen-rechtsbeobachter_innen Ende April diesen Jahres, bei der Anfahrt auf den autonomen Ort mit einer 40-köpfigen Hilfskarawane durch Paramilitärs erschossen worden sind (12).

Diese neue Qualität und zugleich auch Brutalisierung des Konflikts in Oaxaca, macht eine gefahrenlose internationale Menschenrechtsbeobachtung immer schwieriger. Gleichzeitig gibt es einen leichten Hoffnungsschimmer: am 05.07.2010 gewann ein neues Oppositionsbündnis die Gouverneurswahlen und löst damit die 80-jährige (!) PRI-Herrschaft ab.

Der Ursprung der genannten Konflikte in den verschiedenen Südregionen Mexikos liegt viel weiter in der Vergangenheit. Mit der Kolonialisierung, Unterdrückung und Ausbeutung der Menschen vor über 500 Jahren angefangen, reichen die Wurzeln dessen über die immer noch fehlende Umsetzung der Revolutions-Forderungen von 1910 bis in die jüngste Vergangenheit des PRI-Klüngel-Machtapparats und den selbst danach nicht erreichten grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen in den verarmten marginalisierten Bundesstaaten Chiapas, Guerrero und Oaxaca.

Der Schrei der Unabhängigkeit –“ neue Herausforderungen für ein immer ungleicheres Mexiko
Im Mexiko von heute toben noch ganz andere Kriege. Die der Narcos, der Drogenbarone und ihrer hochbewaffneten Handlanger, gegen den Staat und die Bevölkerung zum Beispiel: der Kampf um den Einfluss von Produktion und Handel diverser Drogen. Um es mit den Worten des Schriftstellers Juan Villoro zu sagen: die USA stellt die Konsumenten, Mexiko die Toten (13). Die im Norden des Landes gelegene Stadt Ciudad Juárez, ursprünglich nach dem ersten indigenen und äußerst fortschrittlichen Präsidenten Mexikos zum Ruhm benannt, führt heute die traurige Statistik der meisten Morde pro 100.000 Einwohner weltweit an (14). In den letzten vier Jahren hat der von Präsident Calderón erklärte Krieg gegen die Drogen an die 30.000 Opfer gefordert. Dabei ist zu bemerken, dass der Krieg äußerst komplex ist und sich darin keine klaren Feinde gegenüberstehen. Die Grenzen verschwimmen zwischen rivalisierenden Narco-Banden, korrupten Politikern, Militärs und Polizei, einer teilweise davon profitierenden Bevölkerung und zuletzt einem Präsidenten, der höchstwahrscheinlich ebenfalls in das Drogengeschäft verwickelt ist (15). Ein solcher Krieg kann nicht militärisch gewonnen werden. Von daher sind kurzfristige Erfolge, wie die vielen erfolgten und breit zur Schau gestellten Festnahmen der Köpfe großer Kartelle, wie z. B. von „El Grande“ oder „La Barbie“, purer Populismus, der von der eigentlichen Niederlage des in Teilen des Landes bereits paralysierten Staates ablenken soll.

Ein weiteres Thema ist die immer noch starke, meist „illegale“ Migration vieler Mexikaner_innen in die USA –“ jährlich schaffen es rund 400.000. Das enorme Anwachsen der Latino-Viertel in den Südstaaten wie z. B. Kalifornien und Arizona nutzen rechte Politikwissenschaftler wie Samuel P. Huntington („The Hispanic Challenge“, 2004), um vor einem steigenden US-Identitätsverlust vor dem Hintergrund der mexikanischen „Invasion“ zu warnen. Mit Sicherheit handelt es sich um eine große Herausforderung –“ weniger im Sinne einer Gefahr von Entfremdung der Gesellschaft und Schwächung der Ökonomie der USA, als vielmehr um eine der Würde und der Verbesserung der prekären Lebens(grund)lage vieler Mexikaner_innen. Wer verlässt schon freiwillig seine Familie und begibt sich in die Hand von mafiösen Schleppern, den Coyoten –“ mit tagelangen Wanderungen durch die trockene Wüste zwischen San Diego und El Paso? Die Gefahr der Ermordung durch Banden sowie die Aufspürung durch den teilweise brutal vorgehenden US-Grenzschutz sowie durch selbst ernannte Bürgermilizen, meist alte Vietnam-Veteranen, ist dabei mit inbegriffen (16). Vor dem Hintergrund der historischen Grenzkonflikte der USA mit Mexiko könnte man, zugegebenermaßen etwas sarkastisch, auch von einer Reconquista reden, einer modernen Rückeroberung der Gebiete, die vor 1848 offiziell zu Mexiko gehörten.

Mexiko ist so voll von Konflikten, Ungleichheiten, Korruption und Straflosigkeit vieler bereits identifizierter Täter, dass es fast platzen müsste und zunehmend unregierbarer wird. Während der Mexikaner Carlos Slim der inzwischen reichste Mann dieses Planeten mit einem geschätzten Vermögen von 53,5 Mrd. US-Dollar ist (17), liegt die Unterernährung in Guerrero und Chiapas bei über 70% innerhalb der Indigenen Bevölkerung (18). Dessen ungeachtet war es am 15.09.2010 in allen größeren Städten Mexikos soweit, mit Ausnahme einiger Grenzstädte, aufgrund der zu großen Macht und Gefahr durch die Drogen-Kartelle. Der „Schrei der Unabhängigkeit“ anlässlich der 200-Jahr-Feiern wurde z. B. in Oaxaca Stadt vom Balkon des Gouverneurspalastes von dem Mann ausgestoßen, der 2006 für die blutigen Niederschlagung des APPO-Protestes verantwortlich war und bis heute seine eigenen Bürger_innen foltern und in Armut lässt. Für viele der Millionen Marginalisierten im Land, der seit Jahren ungehörten oder mundtot gehaltenen Indigenen, Bauern, Zapatista, APPO-Anhänger_innen, Angehörigen der Tlatelolco-Opfer und der Verschwundenen sowie unter Morddrohungen arbeitenden Menschenrechtler_innen, ist dieser Ausschrei ein Hohn, der die eigentlichen Herausforderungen und Wunden des Landes kaschiert. Es scheint in Zukunft weiteren Widerstandes zu bedürfen, ein an Kultur und Natur so reichhaltiges Land für seine Einwohner_innen wieder lebenswerter zu gestalten.

„(...) es ist eine große Chance vertan worden, die Geschichte auf den Prüfstand zu stellen und eine kritische Bilanz zu ziehen. Die Feiern richtet eine konservative Regierungspartei aus, die nie an die Unabhängigkeit oder die Revolution geglaubt hat. Eigentlich war sie immer dagegen. Präsident Calderón hat sich zu einer großen und teuren Feier entschlossen, die 60 Millionen Dollar kostet und nichts beiträgt und nach Eigenlob riecht. Es wäre besser, Mexiko mit dem Bau von Schulen, Krankenhäusern und Bibliotheken zu ehren.“
(Juan Villoro, mexik. Schriftsteller, FR vom 14.09.2010)

Einzelnachweise:

(1) SCHMIDT, MICHAEL: LAND DER KONTRASTE in: DER TAGESSPIEGEL vom 14.09.2010: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/land-der-kontraste/1933326.html
(2) ebd.
(3) ebd.
(4) DEPKAT, VOLKER (2008): GESCHICHTE NORDAMERIKAS. EINE EINFÜHRUNG –“ Böhlau-Verlag, S. 104, Köln.
(5) HUFFSCHMID, ANNE: BENGALISCHE LICHTER BLITZTEN IN DER ABENDDÄMMERUNG in: DER FREITAG vom 07.12.2007: http://www.freitag.de/2007/49/07490901.php
(6) CHIAPAS-SOLIGRUPPE ÖSTERREICH ÜBER „INDIGENISMUS“: http://www.chiapas.at/beitraege/indigenismus.htm
(7) KERKELING, LUZ: WAS HABEN WIR ZU FEIERN? in: NEUES DEUTSCHLAND VOM 21.09.2010: http://www.neues-deutschland.de/artikel/180039.was-haben-wir-zu-feiern.html
(8) CHIAPAS-SOLIGRUPPE ÖSTERREICH ÜBER „INDIGENISMUS“: http://www.chiapas.at/beitraege/indigenismus.htm
(9) INFORMATIONSSTELLE LATEINAMERIKA IN BONN, HEFT 324: http://www.ila-bonn.de/artikel/ila324/drogenkrieg_ aufstandsbekaempfung.htm
(10) OFFIZIELLE SEITE DER ERPI, VORSTELLUNG: http://www.enlace-erpi.org/index2.html#SECCION2
(11) INFORMATIONSSTELLE LATEINAMERIKA IN BONN, HEFT 324: http://www.ila-bonn.de/artikel/ila324/drogenkrieg_ aufstandsbekaempfung.htm
(12) HENKEL, KNUT: GEMEINSAM GEGEN DIE KAZIKEN in: JUNGLE WORLD 25 vom 24.06.2010: http://jungle-world.com/artikel/2010/25/41182.html
(13) VILLORO, JUAN: WIR ZERSTÖREN UNS SELBST in: FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 14.09.2010: http://www.fr-online.de/panorama/-wir-zerstoeren-uns-selbst-/-/1472782/4643962/-/item/0/-/index.html
(14) DIE PRESSE vom 27.08.2009: http://diepresse.com/home/panorama/welt/504321/Mordhauptstadt-der-Welt-liegt-in-Mexiko?from=simarchiv
(15) VOGEL, WOLF-DIETER: LEGALIZE IT! in: JUNGLE WORLD 49 vom 09.12.2010: http://jungle-world.com/artikel/2010/49/42239.html
(16) BERGMANN, EMANUEL: DIE MINUTEMEN AN DER US-MEXIKANISCHEN GRENZE in: JUNGLE WORLD 32 vom 12.08.2010: http://jungle-world.com/artikel/2010/32/41503.html
(17) FORBES-RANGLISTE 2010: http://www.forbes.com/lists/2010/10/billionaires-2010_Carlos-Slim-Helu-family_WYDJ.html
(18) SIPAZ MEXIKO: CHIAPAS IN ZAHLEN, GESUNDHEIT: http://www.sipaz.org/data/chis_de_02.htm

Siehe auch die weiteren Beiträge:

Infos aus Chiapas - Vol. 1: Einführung in den lakadonischen Urwald
Infos aus Chiapas - Vol. 2: In einem Dorf der anderen Kampagne
Infos aus Chiapas - Vol. 3: In einem Hotel des lakadonischen Urwalds

Silvesterdemonstration in Stuttgart

Freitag, 31.12. findet um 19 Uhr in der Lautenschlagerstrasse gegenüber des Hauptbahnhofs in Stuttgart eine Sylversterdemonstration statt. In dem Aufruf dazu heißt es:

Das Jahr 2010 war in verschiedenen Bereichen von starken Protestbewegungen geprägt: in Dresden wurde einer der größten Nazi-Aufmärsche Europas durch eine antifaschistische Mobilisierung verhindert, gegen das Milliardenprojekt Stuttgart21 gingen Zehntausende auf die Straße, und die Blockadeaktionen gegen den Castortransport im Wendland waren so stark wie selten zuvor. Dazu kam eine Vielzahl an kleineren Protestaktuionen gegen Imperialistische Kriege, gegen Rassismus und Sozialabbau. All diese Aktivitäten müssen natürlich witerentwickelt werden, da die kapitalistischen Verhältnisse für immer mehr Menschen Armut und miserable Arbeits- und Lebensbedingungen mit sich bringen, weitere Kriege aus Kapitalinteressen geführt, die Natur für Profite zerstört und unsere Rechte immer mehr zugunsten eines aufgerüsteten Staates eingeschränkt werden.

Ob staatliche Repression durch Polizeieinsätze, Gesetzesverschärfungen oder Hetze in den bürgerlichen Medien - unser Ziel bleibt die Abschaffung des Kapitalismus und der Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung!

Her mit dem schönen Leben!

Für ein revolutionäres 2011!

Solidarität und Klassenkampf gegen Repression und Kapitalismus!


Aktuellen Umfragen zufolge befürworten in der BRD immer mehr Menschen eine Alternative zum kapitalistischen System. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Interessen einzelner Profiteure dieses Systems immer deutlicher den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung zuwider laufen –“ und rigoros gegen sie durchgesetzt werden.

Die geplanten Sparmaßnahmen der Bundesregierung und die Erhöhung des Renteneintrittsalters wurden trotz breiter Proteste verabschiedet. Milliardenprojekte wie Stuttgart 21 oder Atommülltransporte durchs Wendland müssen von massiven Polizeieinsätzen begleitet werden um gegen massenhafte Proteste durchgeführt werden zu können. Obwohl die Mehrheit der hier lebenden Menschen gegen die Beteiligung Deutschlands an der Besatzung Afghanistans ist, ist die Bundeswehr eine der Hauptstützen des dortigen Kriegseinsatzes.

Die bürgerlichen Parteien verlieren durch diese Politik an Zuspruch und Vertrauen und neben der immer wieder zutage tretenden wirtschaftlichen Krisenhaftigkeit des Kapitalismus zeichnet sich immer stärker auch eine politische Krise ab. Die Krise dieses Systems ist jedoch nicht unsere Krise und es gibt keinen Grund zu ihrer Abschwächung beizutragen. Vielmehr ist es unser Ziel sie zu verstärken und für die Abschaffung des Kapitalismus und den Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung einzutreten.

Widerstand organisieren!

Die aktuell breit vorhandene Unzufriedenheit mit den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen bringt sicher noch nicht in einem ebenso großen Ausmaß antikapitalistisches Engagement mit sich. Sie ist jedoch ein Symptom für die Schwierigkeiten innerhalb des Kapitalismus den Klassenfrieden für längere Zeit auch nur in einem kleinen Teil der Welt aufrecht zu erhalten und die stetig vorhandenen Widersprüche zu überdecken oder entscheidend abzumildern. Immer mehr Menschen bekommen direkt zu spüren, dass es im Kapitalismus kaum wirklich sichere Arbeitsplätze und politische Mitbestimmung, kein Grundrecht auf freie Bildung oder soziale Absicherung gibt. Was davon hier noch vorhanden ist, ist stetig umkämpft, wird nur einem kleiner werdenden Teil der Klasse der Lohnabhängigen zugestanden und letztlich Stück für Stück abgebaut.

Was außerhalb der kapitalistischen Zentren schon immer zur Lebensrealität der meisten Menschen gehörte, die schonungslose kapitalistische Ausbeutung, die Unterordnung aller gesellschaftlichen Bereiche unter Profitinteressen einiger Weniger und die Unterdrückung von Protest und Widerstand, erhalten auch hier immer weiter Einzug. Die Gründe dafür, dass so auch im „ruhigen Hinterland des Kapitals“ immer weniger auf sozialen Frieden und mehr auf die Erfüllung der Bedürfnisse des Kapitals gesetzt wird, sind vielfältig: die im Kapitalismus grundsätzlich vorhandene Schwierigkeit und gleichzeitig Notwendigkeit, die Profite immer weiter zu steigern ist hierbei ebenso von Bedeutung wie die generelle weltweite Konkurrenz verschiedener Unternehmen und auch Staaten, die jeweils durch geringere Lohnkosten, niedrigere Steuern etc. besser dastehen müssen als die anderen. Auch der Wegfall der Systemkonkurrenz durch das Scheitern der sog. realsozialistischen Staaten und die dadurch weniger notwendig gewordene Maske eines sozialen Kapitalismus dürfte von Bedeutung sein. Zentral ist jedoch, dass die Klasse der Lohnabhängigen, sprich diejenigen die nicht andere für sich arbeiten lassen, sondern gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen und praktisch keinerlei Mitbestimmung über ihre Arbeitsbedingungen, über politische Entscheidungsprozesse etc. haben, nur verlieren können wenn sie sich nicht gemeinsam und entschlossen zur Wehr setzen. Zugeständnisse ans Kapital, ob bei Löhnen bei den Rechten am Arbeitsplatz oder der Verlängerung der Lebensarbeitszeiten, bringen lediglich die KollegInnen in anderen Betrieben oder Ländern in die Situation, unter noch schlechteren, d.h. profitableren Bedingungen leben und arbeiten zu sollen. Lassen sie sich darauf ein –“ glücklicherweise ist das in zahlreichen Ländern weit seltener der Fall als hier –“ geht die Spirale der Verarmung auf einer Ebene tiefer weiter. Die massive Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse in den letzten Jahren, die Intensivierung der Arbeitsanforderungen, aber auch die steigenden Abgabenforderungen an die Klasse der Lohnabhängigen zur Senkung der Ausgaben der Kapitalistenklasse und die Kürzungen in sozialen, kulturellen und weiteren gesellschaftlichen Bereichen, sind Kennzeichen dieser Entwicklung.

Dass wir nur verlieren können, wenn wir nicht kämpfen, bedeutet auch, dass wir nur etwas gewinnen können, wenn wir entschlossen für unsere Interessen, d.h. die Interessen aller Lohnabhängigen, eintreten. Wir haben dabei längst nicht nur ein Ende der Einschnitte zu gewinnen und auch einzelne Verbesserungen sind längst nicht alles was wir erreichen können. In unserer Bereitschaft zur Konfrontation mit dem Kapital und seinem Staat, in unserem bewusstem gemeinsamen Handeln, ob bei Streiks oder anderen Protestaktionen liegt der erste Schritt hin zur Überwindung der Herrschaft der Kapitalistenklasse und dem Aufbau einer befreiten Gesellschaftsordnung. Im Zusammenspiel mit dem Aufbau kontinuierlich arbeitender Strukturen des Klassenkampfes und des politischen Widerstandes, ist unser konkretes Handeln heute der nächste notwendige Schritt den alle gehen sollten, die den Kapitalismus nicht für das unüberwindbare Ende der Geschichte halten.

Feuer und Flamme der Repression!


Wie Eingangs bereits erwähnt, geht die Verschärfung des Klassenkampfes von oben einher mit einer staatlichen Aufrüstung und dem Vorgehen gegen die für uns wichtigen, und für Staat und Kapital zumindest potentiell gefährlichen Protest- und Widerstandsaktivitäten.

Es gab in den letzten Monaten allein in Süddeutschland zahlreiche Fälle polizeilichen Vorgehens gegen Demonstrationen und Proteste, sowie der Kriminalisierung linker AktivistInnen. Ein vergleichsweise stark öffentlich thematisierter Höhepunkt war der Polizeieinsatz gegen Stuttgart21-GegnerInnen am 30. September in Stuttgart. Mehrere hundert Menschen wurden durch Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke verletzt. Nur wenige Wochen später griffen teilweise die gleichen Einheiten des BFE (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten) in Heilbronn eine Demonstration an, die sich gegen das Vorgehen des türkischen und des deutschen Staates gegen die kurdische Befreiungsbewegung richtete. Auch dort wurden mehrere Menschen verletzt, die Demonstration aufgelöst und Dutzende Menschen stundenlang festgesetzt.

Die beiden Beispiele reihen sich in eine Vielzahl von Versuchen ein, politische Aktivitäten durch Auflagen, Polizeiangriffe, Festnahmen und Anzeigen zu verhindern oder einzuschränken und AktivistInnen einzuschüchtern.

Her mit dem schönen Leben!


Wir können an vielen Protesten der letzten Monate und Jahre gegen die kapitalistische Krisenpolitik, an den Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen anknüpfen. Von zentraler Bedeutung ist es aber, sich nicht auf reine Protestaktionen zu beschränken, sondern innerhalb dieser Kämpfe Alternativen zu diskutieren, langfristig handlungsfähige Strukturen aufzubauen und in den Gewerkschaften und anderen Organisationen Bedingungen zu schaffen, die zu einer Überwindung des Kapitalismus beitragen und nicht zu seiner Festigung.

Eine Veränderung der Verhältnisse muss letztlich auf vielen Ebenen vonstatten gehen, unterschiedliche Ansätze, Bereiche und Ansprüche sind dabei zu respektieren und vor allem die Gemeinsamkeiten der fortschrittlichen Kräfte herauszustellen. Eine revolutionäre Theorie, Praxis und Organisierung ist darin aber von zentraler Bedeutung. Ein revolutionärer Aufbauprozess, der entschlossene und kontinuierliche Kampf gegen das kapitalistische System und gegen diejenigen die es verteidigen, gegen die Sozialabbauer, Lohnkürzer und Kriegstreiber, ist unabdingbar für eine wirkliche Perspektive. Der Widerstand gegen die Angriffe von Staat und Kapital, Sozialproteste und Kampagnen dürfen schließlich nicht das Ende sein, sondern nur ein Anfang.

Unser heutiges Handeln muss Ausgangspunkt sein für eine Umwälzung der bestehenden Verhältnisse und für den Aufbau einer Gesellschaftsordnung, die Solidarität und Selbstbestimmung an die Stelle von Profitstreben und Konkurrenzkampf stellt.

Die Demonstration am 31.12. soll auch deutlich machen, dass diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt sein werden, sondern wir offensiv und selbstbewusst ins neue Jahr starten werden. Ihre Angriffe sind auch weiterhin allenfalls ein Anlass um unsere Seite besser aufzubauen und zurück zu schlagen.

Für Solidarität und Klassenkampf!

Gegen Repression und Kapitalismus!


UnterstützerInnen:

- Antifaschistische Jugend Ludwigsburg/Mannheim
- Interventionistische Linke Karlsruhe
- Kurdische Jugend Stuttgart
- Marxistische Aktion Tübingen
- Revolutionäre Aktion Stuttgart
- Revolutionäre Linke Heilbronn

Freiheit für Marcelo Rivera!

Der Vorsitzende der FEUE (Federación de Estudiantes Universitarios del Ecuador), der studentischen Förderation Ecuadors, Marcelo Rivera, wurde vor fast 11 Monaten verhaftet und Anfang November wegen „Terrorismus“ zu 3 Jahren Haft verurteilt. Zusätzlich soll er 298665 US- Dollar Strafe zahlen

Wer ist Marcelo Rivera?


Marcelo Rivera ist der Vorsitzende der FEUE. Vorher war er der Vorsitzende der JRE (Juventud Revolucionaria del Ecuador) und der FESE (Federación de Estudiantes Secundarios del Ecuador). Er machte sich stark gegen die Pflichteinführung von 2 Religionsstunden in den Schulen, später kämpfte er gegen imperialistische Freihandelsabkommen (CAFTA) und gegen Sozialkürzungen. Seit 2005 machte er sich stark gegen Privatisierung der Hochschulen oder die faktische Abschaffung von Mitbestimmungsrechten von Studierenden. Marcelo Rivera beteiligte sich bei der Umsetzung eines Referendums für eine neue Verfassung in Ecuador im Jahre 2008 und als Präsident der FEUE war er sogar an der konkreten Formulierung der Texte im Nationalkongress beteiligt.

Der Fall Marcelo Rivera


Am 8. Dezember 2009 demonstrierten Studierende während einer Veranstaltung des Rektors Edgar Samaniego, der bei Auseinandersetzungen am Kopf verletzt wurde. Mit seinem Einverständnis trafen 200 Polizisten auf dem Gelände der Universität ein und nahmen drei Studenten fest, darunter auch Marcelo Rivera. Die Staatsanwaltschaft behauptete zunächst, die Mitglieder des universitären Rates hätten entführt werden sollen. Die drei Studenten kamen in U-Haft. Obwohl der Rektor selbst aussagte, dass es nicht Rivera gewesen sei, der ihn angegriffen habe, wurde ihm „terroristische Aggression“ vorgeworfen. Die beiden anderen Studenten kamen frei. Trotz zahlreicher entlastender Aussagen wurde er Anfang November 2010 wegen „Terrorismus“ verurteilt.

Politischer Gefangener im Hungerstreik


Die Anwälte Riveras geben an, dass es seit Anfang an eine Intervention seitens der Regierung Correa gegeben habe. Es habe Anweisungen und Gespräche im Hintergrund mit Gericht und Staatsanwaltschaft gegeben. Es sei ein exemplarischer Fall politischer Verfolgung und Repression. Juristisch ist der Fall Rivera abgeschlossen. Dieser trat in Hungerstreik und am 27. Tag seines Hungerstreiks musste er ins Krankenhaus geliefert werden. Für seine Freilassung gibt es nur noch eine politische Lösung. Die ist aber derzeit weder Seitens der Gerichte, der Staatsanwaltschaft noch der Regierung Correa in Sicht.

Freiheit für Marcelo Rivera!


Die bewusste Kriminalisierung berechtigter Proteste der Studierenden in Ecuador gegen Privatisierungen ist nicht schlicht hinzunehmen. Dieser Versuch von Einschüchterungen gegen all diejenigen, die sich für den Erhalt der Unabhängigkeit der Universitäten und gegen die neoliberale Politik der Regierung einsetzen, ist nicht akzeptabel und es muss dagegen protestiert werden. Auch wir sind Unterstützer der Protestaktionen gegen die betriebene undemokratische und neoliberale Politik. Genauso protestieren wir gegen die polizeiliche Repression und die Haltung der Regierung gegenüber Aktivisten. Wir fordern, dass Marcelo Rivera sofort freigelassen und rehabilitiert wird!

Protestfaxe können geschickt werden an:


Botschaft Ecuador
Herr Horacio Hernan Sevilla Borja
Joachimstaler Str. 10-12
10719 Berlin
Telefon (030) 8009 695
Fax (030) 8009 696 99


und in Kopie an DIDF-Jugend, Faxnummer: 0221- 9255495

Aufrufer/Unterstützer:
DIDF-Jugend, DIDF


Download:



Quelle: Flugblatt der DIDF

Zum Tode von Peter Chotjewitz: Ein Archäologe der Gegenwart

Peter Chotjewitz ist tot. Aus diesem Anlass nochmal zu seinem Buch: "Mein Freund Klaus" / Verbrecherverlag 2007:

1968-1978. Die Epoche, elegant verpackt, wird als bleierne Zeit weitergereicht. Zu Ende verstanden. Meist Auslöser erleichterten Aufatmens. Damals bleiern, heute golden.

Nur dass das zu Ende verstandene zugleich das unverstandenste bleibt.

Peter Chotjewitz, einst selbst in seiner Funktion als gelernter Rechtsanwalt  zeitweise Verteidiger Baaders, hat einen ganz eigenen Weg gefunden, um die Scheinsicherheiten über RAF und Stammheim zu bekämpfen und zu beenden. Er machte die Suche nach Kenntnissen über die Zeit selbst zum Inhalt des Buchs. Das Verschüttete der Erinnerung, das Entstellte, das Vergessene und Verdrängte einer Epoche, die doch gerade um dreißig Jahre zurückliegt, wird damit selbst gegenwärtig. So wie Ophüls die Suche nach Barbie über die  ganze Welt hin in einem Film darstellte, so geht Chotjewitz vor. Dass er den Anwalt der Stammheimer Croissant aus frühesten Tagen kannte, wird ihm zum willkommenen Aufhänger der Darstellung. Keineswegs erschöpft sie sich darin. Eine ganze Welt wird wieder hervorgerufen, beziehungsweise neu bekannt gemacht. Gerade Stuttgart, das sonst nicht im Rufe steht, ein Zentrum der Revolution darzustellen, wird in seinen linken Verästelungen sichtbar. Da taucht etwa Grohmann auf, oder der Buchhändler Niedlich. Also heute noch Lebende unter vielen Toten.

Croissant selbst: der Mann aus gutem Hause und aus Kirchheim/Teck. Der Student aus Heidelberg. Der erfolgreiche Rechtsanwalt, von vielen geschildert als Dandy, als Bonvivant, als Frauenheld.
Chotjewitz betont immer wieder das nicht primär Marxistische in der Entwicklung Croissants. Gerade an den Demos ab 67 nahm er so wenig Teil wie an den  ihnen folgenden hektischen Schulungen und Diskussionen.

Ein wenig wie bei Riemeck und Meinhof selbst erwächst seine Gegnerschaft zum “System–, wie man damals zu sagen begann, gerade aus dem beleidigten Ehrgefühl, dem enttäuschten Glauben an den Staat als Garant von etwas, das mehr oder weniger Gerechtigkeit sein sollte. Wie es vielen von uns ging: wir wären die größten Verteidiger des Rechtstaats und des Grundgesetzes und anderer schöner Dinge geworden, wenn uns nur einer hätte vormachen können, wie das widerspruchsfrei  hätte gehen können. Nur den fanden wir nicht. Dieser Ausgangspunkt schließt allerdings den Übergang von der bürgerlichen Empörung und Auflehung zur marxistischen Analyse weniger aus, als Chotjewitz anzunehmen glaubt.

Sehr wahrscheinlich allerdings die Begründung, die Chotjewitz anbietet, warum Croissant so viel härter verfolgt wurde als andere Rechtsanwälte, die wie er wegen des sogenannten Info-Systems rechtlich verfolgt wurden. Groenewold zum Beispiel. Chotjewitz nahm an, dass gerade die aus der Mitte des Bürgertums ausbrechende Empörung besonders angsterregend war für die Obrigkeit. Der Block des Bürgertums gegen die astrakte Bedrohung, die schon damals “Terrorismus– genannt wurde, musste geschlossen bleiben. Fremdkörper im Innern der Festung vernichten.

Im Übrigen, Mitteilung an alle, die sich noch erinnern: sämtliche beteiligten Rechstsanwälte, mit Ströbele angefangen, halten es bis heute für legal, einen Prozess mit vielen Angeklagten und vielen Verteidigern dadurch zu koordinieren, dass alle betreffende Papiere bei allen herumgeschickt werden. Umgekehrt war es unbestreitbare Absicht des Krisenstabs, die Angeklagten der RAF nicht nur von der Außenwelt, sondern auch voneinander zu isolieren.So gesehen ist natürlich klar, dass das INFO-System in den Augen der verfolgenden Rechtspflege selbst zur Unterstützung einer Straftat wurde.

Croissants Büro war so verwanzt, dass damals kaum einer ein offenes Wort sich traute. Der spätere Kronzeuge Speitel wurde- nach verschiedenen Mutmaßungen- entweder von vornherein als Staats-Schutz-Spitzel eingeschleust- oder nach der Verhaftung zu Aussagen erpresst. Wie Chotjewitz berichtet, hatten BKA und der Krisenstab sich darauf geeinigt, dass Croissant die Spinne darzustellen habe in einem riesigen Netz. Von dessen Zentrum aus wäre dann alles gesteuert worden,  was es zwischen Libanon und Stammheim böses gab. Dem Konstrukt folgt die Verwirklichung durch Zurichtung. Vom ganzen Büro Croissant blieben am Ende zwei Schreibkräfte übrig, bevor es geschlossen wurde. Croissant sah sich so in die Enge getrieben, dass er nach Paris floh, um von dort aus die Öffentlichkeitsarbeit für die Stammheimer zu betreiben. Unter dem Druck der Bundesrepublik entschloss sich Frankreich gegen seine Tradition, Croissant auszuliefern, allerdings so, dass die meisten Delikte, in Deutschland frisch erfunden, in Frankreich unbekannt, nicht Gegenstand der Anklage werden durften. Etwas kleinlaut wurde dann im endgültigen Urteil verlautbart, jede Einzelhandlung für sich sei nicht strafbar. Aber man müsse alles im Gesamtzusammenhang der “Unterstützungsabsicht für die Gefangenen– sehen.

Chotjewitz selbst spricht sich zwischendurch kühn für das Recht auf bewaffneten Kampf aus. Bekennt allerdings von sich selbst, für viele andere mit, dass er sich damals nicht aktiv beteiligt hätte, weil ihm das sonstige Leben zu wichtig gewesen wäre. Bekennt auch , dass Ulrike Meinhof bei ihm per Kassiber angefragt hatte, ob er eine Dokumentation herausgeben wolle über ihre vierzehn Monate im Toten Trakt in Köln-Ossendorf. Wie Meinhof befürchtete, war er dafür “zu faul–.

So scharf wie  Jutta Ditfurth in ihrer Biographie der Ulrike Meinhof entwirft er ein Gemälde vom einheitlichen Willen im Staatsapparat, sich der revolutionären Gegner auf alle Fälle zu entledigen, ohne Rücksicht auf bestehende gesetzliche Hemmnisse. Chotjewitz geht soweit, einen einheitlichen Schießbefehl anzunehmen gegen alle festgenommenen RAF-Mitglieder. Petra Schelm, Weissbecker, der im Bismarckgymnasium Karlsruhe in die Schule ging, und so viele andere- vorsätzlich durch Scharfschützen abgeknallt? Bei Chotjewitz nur in Gesprächsform geäußert, ohne Beleg. Lassen wir es in dieser Weise stehen.

Ausführlich geht Chotjewitz noch auf die letzten Jahre Croissants ein- als Lebensgefährte von Brigitte Heinrich, der anti-imperialistischen Kämpferin. Sie war Europa-Abgeordnete der GRÜNEN; Croissant in dieser Zeit in Brüssel ihr Assistent. Ihr Begräbnis als Großereignis, wird ausführlich geschildert, merkwürdigerweise nicht die hämischen Absagen an sie nach diesem Begräbnis, wie sie in Frankfurt damals verbreitet wurden. Wohl vor allem über Cohn-Bendits Meinungspostille “Pflasterstrand–. Und zwar richteten die Angriffe sich nicht auf ihre Zusammenarbeit mit der STASI-Behörde in der damaligen DDR- damals wusste man noch nichts davon, weder von dem, was sie, noch was Croissant in Ost-Berlin zum Besten gaben. Nein, die Angriffe richteten sich ausdrücklich auf ihr antiimperialistisches Engagement selbst. Offenbar fand es die Fischer-Cohn-Clique damals an der Zeit, den Anti-Imperialismus zurechtzustutzen und einzudämmen. Die Regierungsbereitschaft der Grünen bereitete sich vor.

Ein Buch wie das von Chtojewitz ist seiner Struktur nach immer work in Progress. Sein Fragen, seine Untersuchung könnte immer so weitergehen. So etwa nach einem Darstellungsproblem: als den Stammheimern die meisten Rechtsanwälte entzogen worden waren, meldeten sich Kempf und Pfaff, beide damals beim KBW. Während Jutta Ditfurth explizit behauptet, solche Anwälte seien in Stammheim sehr ungern gesehen gewesen, angeblich von den Gefangenen selbst , berichtet Chotjewitz, dass gerade Andreas Baader sich voll zufrieden gezeigt hätte. Ohne sich über Wert und Unwert der zugehörigen Partei äußern zu wollen.

Chotjewitzens Buch heißt Roman- wohl mehr aus juristischen Gründen. Gemeint ist das Werk jedenfalls- ob nun als Roman oder als Reportage- einmal als Bericht über eine archäologische Suche in einem Trümmerfeld, das doch unser eigenes Leben darstellt. Zum andern wird es um so wichtiger werden als Handbuch einer Epoche, je weniger Zeitgenossen sich noch unmittelbar erinnern.
Erfreulicherweise verbreitet der Autor nicht Tröstungen für die Zukunft. Keine Mitteilung darüber, wir hätten die Zeit der Rechtsbrüche glücklich hinter uns. Der Unterschied zu der Zeit von vor dreißig Jahren liegt vielleicht nur darin, dass die von Schäuble und Co geplanten Gesetze so weit und so gummiweit verknotet sein werden, dass sie nicht mehr gebrochen werden müssen, um alles zu erlauben, was dem Gemeinwohl dienen könnte. Einem Gemeinwohl, versteht sich, das die Oberen für uns und statt unser bestimmen.

Zuerst erschienen in den stattweb-News vom 1.Januar 2008

Versammlungsfreiheit vor Gericht - Skandalöses Urteil vom Amtsgericht Karlsruhe

Eine Pressemitteilung des Aktionskreis Internationalismus (AKI Karlsruhe) vom 14.12.2010:

Versammlungsfreiheit vor Gericht - Skandalöses Urteil vom Amtsgericht Karlsruhe
150 Tagessätze für die Aufforderung an die Polizeikräfte ein rechtswidriges enges Poli­zeispalier um eine Demonstration aufzulösen und die Abfilmerei der Versammlungsteil­nehmerInnen zu unterlassen.
Ein Teilnehmer der 1.Mai-Demonstration 2010 in Karlsruhe wurde am 14. Dezember 2010 vom Amtsgericht Karls­ruhe zu 150 Tagessätzen wegen angeblicher Nötigung verurteilt. Wegen des weiteren Vorwurfs der Beleidigung wurde er freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte ein Strafmaß von 180 Tagessätzen gefordert.

Am 1. Mai 2010 hatten in Karlsruhe im Anschluss an die traditionelle DGB Demonstration über 700 Menschen unter dem Motto: „Kämpfen in der Krise –“ Kapitalismus überwinden“ gegen die Ursachen und Folgen der kapitalistische Krise mit ihren weltweiten Auswirkungen auf die Le­bensbedingungen der Menschen demonstriert. Zur Erinnerung: Im Zuge der kapitalistischen Kri­se hatte sich u.a. die Zahl der Hungernden weltweit um 100 Millionen (!) nach UN-Angaben er­höht.

Leider konnte die Demonstration nicht zu Ende gebracht, sondern musste frühzeitig abgebro­chen werden: Mit einem engen Spalier von Polizeikräften und dem ununterbrochenen Abfilmen des Demonstrationszuges verunmöglichte die Einsatzleitung der Polizei die freie Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Schon im Vorfeld wurde die Demonstration mit einer Unzahl von Auflagen überschüttet, obwohl es noch nicht einmal Anzeichen für einen möglicher­weise unfriedlichen Verlauf gab, die ansonsten zur Begründung von Auflagen üblicherweise vorgebracht werden. Die Demonstration war und blieb auch friedlich wie allen Presseberichten zu entnehmen war.

Das Urteil des Amtsgericht stellt das Ergebnis der Beweisaufnahme auf den Kopf! Obwohl die Zeugenaussagen aller 6 hochrangigen Polizeizeugen sogar übereinstimmend laute­ten, dass der Angeklagte nicht zu einer Blockade aufgerufen habe, sondern als Moderator ledig­lich die Einstellung des Abfilmens aller Demoteilnehmer, und die Aufhebung des engen Poli­zeispaliers gefordert habe, und obwohl die Beweisaufnahme ergeben hat, dass die Teilnehmen­den der Demo bereits ohne Durchsagen vom Lautsprecherwagen angehalten haben, um die Aufhebung des engen Polizeispaliers zu fordern, wurde der Angeklagte von Amtsrichter Schwierblat zu 150 Tagessätzen verurteilt. Dabei ignorierte der Amtsrichter sogar die ständige Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht zu Blockaden und zur Nötigung, wie sie in dem Brokdorf-Be­schluss und im Mutlangen-Urteil zum Ausdruck kommt. Der Richter hat sich noch nicht einmal nur im Ansatz mit dieser Rechtssprechung auseinandergesetzt.

Angesichts des eindeutigen Ergebnisses der Beweisaufnahme hätte der Angeklagte in jedem Falle freigesprochen werden müssen.

Ein skandalöses Urteil, das alle einschüchtern soll, die ihr elementares Recht auf Versamm­lungsfreiheit wahrnehmen, und die es zukünftig wahrnehmen wollen. Wenn diese Rechtsspre­chung Schule machen sollte, wird es zukünftig kaum mehr möglich sein, eine Versammlung ohne an­schließenden Strafbefehl in beträchtlicher Höhe durchzuführen. Auch im Strafverfahren gegen den Anmel­der der Bildungsstreik-Demonstration in
Stuttgart, den verdi-Sekretär Marc Kappler, geht es um ähnliche Vorwürfe.

Wie sehr die Staatsanwaltschaft und die Polizeieinsatzkräfte auf eine Verurteilung und damit Ein­schränkung des Versammlungsrechtes aus sind, zeigte sich auch darin, dass die Anklage sogar vom Oberstaatsanwalt Zimmermann persönlich vertreten wurde - in einem Ver­fahren in dem üblicherweise ein Referendar/in als Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft ein­gesetzt wird, und dass 6 (!) hochrangige Zeugen der Polizeieinsatzleitung und des Staatsschut­zes aufge­boten wurden.

Der Angeklagte hat bereits angekündigt, dass er Rechtsmittel einlegen wird.

In diesem und ähnlichen Verfahren geht es nicht allein um den angeklagten Versammlungsteil­nehmer. Hier sitzen alle auf der Anklagebank, die ihr elementares Recht auf Versammlungsfrei­heit als Ausdruck der kollektiven Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen.

Das Urteil richtet sich gegen alle sozialen Bewegungen und gegen die Gewerkschaften.

Kennzeichnend dafür ist, dass selbst der DGB Baden-Württemberg in Stuttgart erhebliche Schwierigkeiten bei der Anmeldung seiner Versammlungen hat, und dass die Großdemonstration gegen Stuttgart 21, die am 11.12.2010 mit 50000 Menschen durchgeführt wurde, erst beim VGH Mann­heim in 2.Instanz durchgesetzt werden konnte.

Im Zuge der "Föderalismusreform" können die Bundesländer nunmehr eigene Landesversamm­lungsgesetze verfassen - wohlgemerkt können, müssen aber nicht. Dann gilt das Bundesver­sammlungsgesetz weiter. Die All-Parteien "law und order"- Fraktion nimmt dies zum Anlass, längst gewünschte Verschärfungen einzubauen, als wenn das Versammlungsgesetz nicht so­wieso schon versammlungsfeindlich genug wäre. Das bayrische Landesversammlungsgesetz, gegen das vor dem Bundesverfassungsgericht von einem breiten Bündnis erfolgreich ein Eilver­fahren betrieben wurde, ist zwar nun weitgehend entschärft worden. Das gilt jedoch nicht für an­dere Bundesländer, in denen die neuen Landesversammlungsgesetze bereits in Vorbereitung sind.

In Baden-Württemberg wird bereits seit 1 1/2 Jahren von den Versammlungsbehörden ver­sucht, die neuen „law und Order“- Regelungen des geplanten Landesversammlungsgesetzes vorwegzunehmen, so dass bei vielen Versammlungen erst mal mit AnwältInnen zum Gericht gezogen werden muss. Die Wahrnehmung der Versamm­lungsfreiheit kann aber nicht vom Geldbeutel, der Bereitschaft sich einem drohenden Strafbe­fehl bzw. einer Verurteilung auszu­setzen, oder von der Tatsache abhängen, ob ein Anwalt/in zur Unterstützung zur Ver­fügung steht und bezahlt werden kann.

Der Ursprungsgedanke des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit, nämlich Demonstrationen und Kundgebungen einen besonderen Schutz zu verleihen, wird in der aktuellen Praxis der Be­hörden auf den Kopf gestellt. Diese Tendenz darf so nicht weitergehen.

Trotz aller Versuche das Versammlungsrecht einzuschränken, verteidigen wir das Recht auf Versammlungsfreiheit am besten indem wir es wahrnehmen. Die nächste Demonstration kommt bestimmt. Nehmt Euch Euer Recht! Angeklagt sind wir alle –“ Wehren wir uns gemeinsam!

Kommt / Kommen Sie als kritische Öffentlichkeit zur Prozessbeobachtung zu den Prozessen!

Aktionskreis Internationalismus Karlsruhe (AKI Karlsruhe), Steinstr.23, 76133 Karlsruhe - Kontakt: Info@aki-karlsruhe.de

Neuer Flyer für Versammlungsfreiheit: Versammlungsfreiheit erkämpfen und verteidigen!

Flyervorderseite - Download des Flyers
Das Stuttgarter "Bündnis für Versammlungsfreiheit" hatte anlässlich des Polizeieinsatzes am 30. September in Stuttgart kürzlich einen Flyer veröffentlicht. Dieser Tage ist nun ein neuer Flyer unter dem Titel "Versammlungsfreiheit erkämpfen und verteidigen!" erschienen. Er richtet sich gegen fortgesetzte Angriffe auf die Versammlungsfreiheit in der Region Stuttgart. Wir dokumentieren den Wortlaut:

Versammlungsfreiheit erkämpfen und verteidigen!
In den vergangenen Monaten kam es im Verlaufe vermehrter Proteste in Stuttgart zu einer regelrechten Repressions- und Kriminalisierungswelle gegen Demonstrantinnen und Demonstranten. Der massive Einsatz von Wasserwerfern und Tränengas am 30. September 2010 im Schlossgarten ist hierbei kein Einzelfall.
 
Beispiel 1 –“ Willkürliche Auflagen / Ablehnung von Anmeldern

Bereits bei der Anmeldung von Demonstrationen erlässt das Amt für öffentliche Ordnung Stuttgart oftmals beliebige und einengende Auflagen. Inzwischen ist es gängige Praxis, dass beispielsweise die maximale Transparentlänge, die Ausrichtung der Beschallungsanlage und die genaue Begrenzung des Platzes (z.B. im Dunkeln, nicht unter den Straßenlaternen) durch die städtische Behörde vorgegeben werden. Eine Besonderheit Stuttgarts ist das faktische Demoverbot auf der Königstraße. Ein Beschluss des Stuttgarter Gemeinderates stellt hier die Interessen des Einzelhandels über die Versammlungsfreiheit.

Ebenso wurden mehrere Anmelderinnen und Anmelder von Protestversammlungen gegen das Gelöbnis der Bundeswehr am 30. Juli als „ungeeignet“ abgelehnt, obwohl keiner der Betroffenen vorbestraft ist und erst recht nicht wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt wurde. Damit verweigerten die städtischen Behörden den Anmeldern von Kundgebungen ihr Grundrecht auf die aktive Ausübung der Versammlungsfreiheit. Wenn im geplanten Versammlungsgesetz Kriterien wie „Annahme“ oder „Eignung“ von Veranstaltungsleitern eingeführt werden sollten, so schafft dies einen Ermessens-Spielraum, um auf bürokratischem Wege missliebige Versammlungen unmöglich zu machen.

Deshalb fordert das Bündnis für Versammlungsfreiheit:

- Das demokratische Recht auf Versammlungsfreiheit darf nicht durch willkürliche Auflagen eingeschränkt werden
- Das geplante Versammlungsgesetz darf nicht durch die Ordnungsbehörden vorweggenommen werden

Beispiel 2 –“ Filmen von Demonstrationen / Personenkontrollen von Ordnern

Während Demonstrationen fertigt die Polizei immer häufiger Videoaufnahmen an, obwohl das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich ein Urteil verfasste, in dem das Filmen von friedlichen Demonstrationen untersagt wird.

Ein weiterer Vorgriff auf das geplante Versammlungsgesetz ist die Registrierung und Überprüfung der Personalien von Ordnerinnen und Ordner. So mussten bei einer antifaschistischen Demonstration im November 2010 in Schorndorf alle Ordner ihre Personalausweise abgeben damit die „Verkehrserfahrung“ und „Eignung“ überprüft werden konnte. Dem Anmelder der auf die fehlende rechtliche Grundlage dieser Maßnahme hinwies, wurde angedroht, die Durchführung der Versammlung zu untersagen.
  
Das Bündnis für Versammlungsfreiheit stellt klar:

- Meinungsfreiheit, öffentlich wahrnehmbarer Protest und ziviler Ungehorsam sind in einer offenen Gesellschaft unabdingbar
- Polizeiliche Schikanen und Einschränkungen sind inakzeptabel 

Beispiel 3 –“ Kriminalisierung von Versammlungen

Immer häufiger werden VersammlungsleiterInnen von Demonstrationen, im Nachhinein mit Strafverfahren und hohen Prozesskosten überzogen. So wurde der Gewerkschaftssekretär, der eine Demonstration im Rahmen des Bildungsstreiks 2010 anmeldete, dafür angeklagt, dass der Demonstrationszug auf zwei Kreuzungen kurz gestoppt habe und eine Zwischenkundgebung wenige Meter vor dem eigentlich dafür vorgesehenen Ort stattgefunden habe. Dafür wurde von der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl über 600 Euro ausgestellt, obwohl die Polizei vor Ort nichts beanstandete. In einem anderen Fall wurde der Anmelder der Revolutionären 1.Mai-Demonstration verurteilt, da unterwegs beim Laufen Musik abgespielt wurde. Gegen die Anmelderin der Montagsdemo gegen Hartz IV liefen bereits mehrere Verfahren wegen ähnlicher „Vergehen“ und eine politische Stadtführung zog eine Strafe über 3200 Euro nach sich, da sie nach Ansicht der Richter anmeldepflichtig gewesen sei.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit warnt eindringlich:
- Das Anmelden und Durchführen von Demonstrationen darf keine Sache des Geldbeutels werden
- Kriminalisierung von Versammlungen gefährdet die freie Meinungsäußerung

Solidarität aufbauen, Versammlungsfreiheit verteidigen und ausweiten!

Der Ursprungsgedanke des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und für die Versammlungsgesetzgebung, Demonstrationen und Kundgebungen einen besonderen Schutz zu verleihen, wird in der aktuellen Praxis der Behörden auf den Kopf gestellt. Diese Tendenz darf so nicht weitergehen. Zeigen wir dem Ordnungsamt, der Polizei und der Staatsanwaltschaft ihre Grenzen auf.  

Trotz aller Versuche das Versammlungsrecht einzuschränken, verteidigen wir das Recht auf Versammlungsfreiheit am besten indem wir es uns nehmen. Die nächste Demonstration kommt bestimmt. Nehmt euch euer Recht! Macht zu zweit die Versammlungsleitung, dokumentiert die Namen der Polizisten mit denen ihr gesprochen habt, verweigert willkürliche Polizeimaßnahmen und nutzt die Gerichtsprozesse, um euch für die Versammlungsfreiheit stark zu machen.
Weitere Informationen findet ihr unter
www.versammlungsrecht.info


Blockieren ist unser Recht!
Insbesondere bei den Protesten gegen Stuttgart 21 aber auch bei den Aktionen gegen den Castortransport oder das Gelöbnis kam es in den vergangenen Monaten zu Blockaden oder provisorischer Besetzung öffentlichen Raums. Immer wieder behaupten Politiker, Blockieren sei rechtlich unzulässig und kein legitimes Mittel einer Demonstration. In einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1995 stellt das Bundesverfassungsgericht fest, welche Blockaden dem Straftatbestand der „Nötigung“ entsprechen: Entscheidend hierbei ist, dass „[...] die Strafbarkeit einer derartigen Handlung von der Wahl bestimmter Nötigungsmittel abhängig gemacht [wird], nämlich Gewalt oder Drohung mit einem empfindlichen Übel“ (Beschluss des Ersten Senats vom 10. Januar 1995).

Liegt das nicht vor, wird Blockieren durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt. Zum Beispiel weil man friedlich vor einer Einfahrt sitzt oder sich an einen Baum angekettet hat, der der Allgemeinheit gehört.

Dennoch gibt es in Baden-Württemberg eine sogenannte Wegtragegebühr. Menschen, die sich an einer Blockade beteiligen, begehen nach dieser Regelung eine Ordnungswidrigkeit und müssen 40 Euro Strafe bezahlen.


Das Stuttgarter Bündnis für Versammlungsfreiheit fordert:

- Abschaffung der Wegtragegebühr!
- Ziviler Ungehorsam ist keine Straftat! Einstellung aller Verfahren gegen Stuttgart 21 Gegner!

Die geplante Gesetzesverschärfung
Die schwarz-gelbe Landesregierung will ein neues Versammlungsgesetz, das das Bürgerrecht auf Versammlungsfreiheit erheblich einschränkt. Es schafft bürokratische Hürden, sieht die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor und gibt Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten.

Das Bündnis für Versammlungsfreiheit

Im Oktober 2008 gründete sich unser Bündnis, um gegen die geplante Verschärfung des Versammlungsgesetzes aktiv zu werden. Es wird von über 120 Gruppen und zahlreichen Einzelpersonen unterstützt. Wir haben eine Großdemonstration am 6. Dezember 2008 mit über 6000 TeilnehmerInnen organisiert und Kontakte in andere Bundesländer geknüpft. Wir organisieren diverse Veranstaltungen und Vortragsreihen. Bei zahlreichen Aktivitäten, z.B. gegen Stuttgart 21, weisen wir auf die gegenwärtige Praxis des Versammlungsrechts und die geplante Verschärfung hin. Darüber hinaus stellt das Bündnis auch Demobeobachter auf.

Wir finanzieren uns ausschließlich über Spenden unserer Bündnispartner.

Spendenkonto:
Friedensnetz BW
Kontonummer: 6520706
BLZ: 60010070 (Postbank Stuttgart)
Stichwort: Versammlungsgesetz

Ein Tugendsturm verwüstet die bewohnte Welt

Über die Vergewaltigungsvorwürfe gegen Assange wollen wir nicht weiter rechten. Obwohl die Umstände bis zur Anklage-Erhebung auch den gläubigsten Verehrer aller Justizen stutzig machen können. Was aber wirklich verblüfft, ist die unverhofft erwachte Gewissenhaftigkeit von "Visa-Card". Wenn das richtig weitervermittelt wurde, musste die gesetzestreue Visa-Verwaltung in der Schweiz Assange seine Karte entziehen, weil er etwas Falsches zu seinem Wohnort angegeben habe. Verehren wir das brennende Begehren nach Wahrhaftigkeit dieser Institution! Und ihr unbeirrtes Erwachen, gerade in dem Augenblick, in welchem die USA ihren Unmut gegen Assanges Ausspähungen so laut zum Besten gaben.

Als finanzpolitischer Laschi hatte ich immer angenommen, die Kärtchen von "VISA" dienten vor allem der internationalen Verfügbarkeit - gerade unabhängig vom Wohnort.

Offen gesprochen: die Summe der Kündigungen und Behinderungen gegenüber Assange zeigen eines: Wie willfährig eine Unzahl von Institutionen und Einzelpersonen gegenüber sämtlichen Ansinnen der Supermacht USA immer noch sind.

Unbestreitbar sind viele Einzelheiten im Schwall der Aussagen von wikileaks mitgeschleudert worden, auf die wir nicht notwendig gewartet haben. Ebenfalls haben vor allem die an der Veröffentlichung beteiligten staatstreuen Groß-Organe so stark gefiltert und redigiert, dass wir weniger über reale Verfehlungen von Staaten erfahren als Mitteilungen über die Absichten, die sie verfolgen. Einfach gesagt: Wir kriegen -wie im Fall der Meldungen über die Nah-Ost-Staaten- nichts über die drohenden Kriegsvorbereitungen mit gegen Iran, aber alles über die Propaganda der USA, die einen solchen Angriff vorbereiten.

Wie bei der Veröffentlichung der "Pentagon-Papers" bleibt in allem Wust immer noch genug übrig, um uns Niedrige und Unwissende wenigstens nachträglich aufzuklären über die Verbrechen der Oberen. Insofern liegt es im Interesse aller, die misstrauisch sind und nicht alles für bare Münze nehmen, Assange zu unterstützen.

Ulla Jelpke sagt das Nötige dazu - und gegen das Geseire ehemals linker Obernörgler - in einer Erklärung in der jw vom Donnerstag.

Sie schreibt: "Gegen Geheimdiplomatie –“ Solidarität mit Wikileaks".
"Das Ende aller Geheimdiplomatie war eine zentrale Forderung der sozialistischen Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung schon vor dem Ersten Weltkrieg. Entsprechend veröffentlichte der sozialistische Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Kurt Eisner, nach dem Sturz des Kaisers 1918 diplomatische Dokumente, um die deutsche Kriegsschuld zu beweisen. Eisner mußte seine couragierte Tat mit seinem Leben bezahlen. Er wurde nach einer wilden Hetzkampagne rechter Politiker und Militärs von einem Faschisten erschossen.  (Der Mörder war Graf Arco - wir wissen nicht, in welchem Umfang er sich in diesem Augenblick - Jahre vor Mussolinis Machtergreifung in Italien als Faschist verstand. fg)

So wie damals auf den »Vaterlandsverräter« Kurt Eisner blasen heute US-Politiker und ihre Vasallen weltweit zur Jagd auf Wikileaks. (...) Ein kanadischer Politiker rief sogar zur gezielten Tötung von Wikileaks-Gründer Julian Assange auf. Auch in Deutschland verurteilen Regierungs- und SPD-Grünen-Oppositionspolitiker im Einklang mit großen Teilen der Presse das Vorgehen von Wikileaks. So erklärte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Fernsehen, Wikileaks habe mit der Veröffentlichung geheimer diplomatischer Dokumente »eine Grenze überschritten, die unserer Demokratie insgesamt nicht guttut«.

Schließlich wurde Assange am 7. Dezember in London verhaftet –“ offiziell wegen eines schwedischen Haftbefehls nach einem Vergewaltigungsvorwurf. Inwieweit dieser Vorwurf zutrifft, muß die schwedische Justiz entscheiden. Doch im Falle von Assanges Überstellung nach Schweden droht dem Australier die weitere Auslieferung an die USA, wo ihm wegen der Wikileaks-Veröffentlichungen sogar die Todesstrafe droht. Dies gilt es zu verhindern.

Solidarität mit Wikileaks bedeutet vor allem für die Freiheit des Internets einzutreten –“ gegen Zensur, gegen Domain- und Kontensperrungen. Wir haben ein Recht darauf, zu erfahren, was die US-Regierung und ihre Verbündeten hinter den Kulissen treiben. Nicht Wikileaks gefährdet die nationale Sicherheit der USA oder irgend­eines anderen Landes, sondern die Kriegspolitik der USA, der Bundesregierung und der NATO. Dagegen gilt es anzukämpfen –“ auch durch die Veröffentlichung entsprechender Geheimdokumente im Internet."
Dem ist nichts hinzuzufügen.
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