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Buchlesung: "Ciudad Juarez: Alltag in der gefährlichsten Stadt der Welt"

Das Buchcover zeigt ein Grafitty auf einem Tor mit einem Revolver, der auf den Betrachter zielt
Buchcover
Der Alltag von Ciudad Juárez, im Grenzgebiet zu den USA, ist geprägt von der Ausbeutung in den Weltmarktfabriken, der Macht der Drogenkartelle, der täglichen, viel zu oft tödlichen Gefährdung von Frauen und den Lebensgeschichten all derer, die auf „die andere Seite“ gelangen wollen, auf der Suche nach einem besseren Leben.

Kathrin Zeiske kennt Mexiko seit langem: zuerst den Süden Mexikos, durch die Mitarbeit in einer Migrant:innenherberge in Chiapas, bevor sie sich mit dem Leben und Alltag in der mexikanischen Grenzmetropole Ciudad Juárez auseinandersetzte. Heute lebt sie mehrere Monate des Jahres in dieser Stadt: als freie Journalistin, Autorin und Frauenrechtsaktivistin und organisiert politische Austauschreisen in diese Stadt. In ihrer Freizeit kämpft sie als Miss Kath in der mexikanischen Wrestling-Variante, der Lucha Libre.

In der Lesung aus ihrem Buch “Ciudad Juárez: Alltag in der gefährlichsten Stadt der Welt“ und im Gespräch über ihre persönlichen Erfahrungen an den unterschiedlichsten Schauplätzen in dieser Stadt, lernen wir die vielschichtige und widersprüchliche Realität dieser Grenzmetropole kennen. Und einen Alltag, der zeigt, wie Menschen auch unter widrigen Umständen ihr Leben in die Hand nehmen und versuchen, eine Stadt für sich und andere lebenswerter zu gestalten.

Lesung + Gespräch
Datum: Fr, 11.08.2023 - 19:30
Stadt: Hamburg
Veranstaltungsart: Lesung und Diskussion
Veranstaltungsort: Centro Sociale, Sternstr. 2/ Nähe U-Feldstraße
Veranstalter: Zapapres e.V. + Rosa-Luxemburg-Stiftung HH

Weiterführende Links

Das ist unser Manifest



Wolfgang Borchert, letztes Foto als Zivilist im Sommer 1941

Wolfgang Borchert, letztes Foto als Zivilist im Sommer 1941
Helm ab Helm ab: - Wir haben verloren ! Die Kompanien sind auseinandergelaufen. Die Kompanien, Bataillone, Armeen. Die großen Armeen. Nur die Heere der Toten, die stehn noch. Stehn wie unübersehbare Wälder: dunkel, lila, voll Stimmen. Die Kanonen aber liegen wie erfrorene Urtiere mit steifem Gebein. Lila vor Stahl und überrumpelter Wut. Und die Helme, die rosten. Nehmt die verrosteten Helme ab: Wir haben verloren.

In unsern Kochgeschirren holen magere Kinder jetzt Milch. Magere Milch. Die Kinder sind lila vor Frost. Und die Milch ist lila vor Armut. Wir werden nie mehr antreten auf einen Pfiff hin und Jawohl sagen auf ein Gebrüll. Die Kanonen und die Feldwebel brüllen nicht mehr. Wir werden weinen, scheißen und singen, wann wir wollen. Aber das Lied von den brausenden Panzern und das Lied von dem Edelweiß werden wir niemals mehr singen. Denn die Panzer und die Feldwebel brausen nicht mehr und das Edelweiß, das ist verrottet unter dem blutigen Singsang. Und kein General sagt mehr Du zu uns vor der Schlacht. Vor der furchtbaren Schlacht.

Wir werden nie mehr Sand in den Zähnen haben vor Angst. (Keinen Steppensand, keinen ukrainischen und keinen aus der Cyrenaika oder den der Normandie -und nicht den bitteren bösen Sand unserer Heimat!) Und nie mehr das heiße tolle Gefühl in Gehirn und Gedärm vor der Schlacht.

Nie werden wir wieder so glücklich sein, daß ein anderer neben uns ist. Warm ist und da ist und atmet und rülpst und summt - nachts auf dem Vormarsch. Nie werden wir wieder so zigeunerig glücklich sein über ein Brot und fünf Gramm Tabak und über zwei Arme voll Heu. Denn wir werden nie wieder zusammen marschieren, denn jeder marschiert von nun an allein. Das ist schön. Das ist schwer. Nicht mehr den sturen knurrenden Andern bei sich zu haben - nachts, nachts beim Vormarsch. Der alles mit anhört. Der niemals was sagt. Der alles verdaut. Und wenn nachts einer weinen muß, kann er es wieder. Dann braucht er nicht mehr zu singen - vor Angst.

Jetzt ist unser Gesang der Jazz. Der erregte hektische Jazz ist unsere Musik. Und das heiße verrückttolle Lied, durch das das Schlagzeug hinhetzt, katzig, kratzend. Und manchmal nochmal das alte sentimentale Soldatengegröl, mit dem man die Not überschrie und den Müttern absagte. Furchtbarer Männerchor aus bärtigen Lippen, in die einsamen Däm- merungen der Bunker und der Güterzüge gesungen, mundharmonikablechüberzittert :

Männlicher Männergesang -hat keiner die Kinder gehört, die sich die Angst vor den lilanen Löchern der Kanonen weggrölten? Heldischer Männergesang -hat keiner das Schluchzen der Herzen gehört, wenn sie Juppheidi sangen, die Verdreckten, Krustigen, Bärtigen, überlausten ?

Männergesang, Soldatengegröl, sentimental und übermütig, männ- lich und baßkehlig, auch von den Jünglingen männlich gegrölt: Hört keiner den Schrei nach der Mutter? Den letzten Schrei des Abenteurers Mann? Den furchtbaren Schrei: Juppheidi?

Unser Juppheidi und unsere Musik sind ein Tanz über den Schlund, der uns angähnt. Und diese Musik ist der Jazz. Denn unser Herz und unser Hirn haben denselben heißkalten Rhythmus: den erregten, verrückten und hektischen, den hemmungslosen.

Und unsere Mädchen, die haben denselben hitzigen Puls in den Hän- den und Hüften. Und ihr Lachen ist heiser und brüchig und klarinettenhart. Und ihr Haar, das knistert wie Phosphor. Das brennt. Und ihr Herz, das geht in Synkopen, wehmütig wild. Sentimental. So sind unsere Mädchen: wie Jazz. Und so sind die Nächte, die mädchenklirrenden Nächte: wie Jazz: heiß und hektisch. Erregt.

Wer schreibt für uns eine neue Harmonielehre? Wir brauchen keine wohltemperierten Klaviere mehr. Wir selbst sind zuviel Dissonanz. Wer macht für uns ein lilanes Geschrei? Eine lilane Erlösung ? Wir brauchen keine Stilleben mehr. Unser Leben ist laut.

Wir brauchen keine Dichter mit guter Grammatik. Zu guter Grammatik fehlt uns Geduld. Wir brauchen die mit dem heißen heiser geschluchzten Gefühl. Die zu Baum Baum und zu Weib Weib sagen und ja sagen und nein sagen: laut und deutlich und dreifach und ohne Konjunktiv.

Für Semikolons haben wir keine Zeit und Harmonien machen uns weich und die Stilleben überwältigen uns: Denn lila sind nachts unsere Himmel. Und das Lila gibt keine Zeit für Grammatik, das Lila ist schrill und ununterbrochen und toll. Über den Schornsteinen, über den Dächern : die Welt: lila. Über unseren hingeworfenen Leibern die schattigen Mulden: die blaubeschneiten Augenhöhlen der Toten im Eissturm, die violettwütigen Schlünde der kalten Kanonen -und die lilane Haut unserer Mädchen am Hals und etwas unter der Brust. Lila ist nachts das Gestöhn der Verhungernden und das Gestammel der Küssenden. Und die Stadt steht so lila am nächtlich lilanen Strom.

Und die Nacht ist voll Tod: Unsere Nacht. Denn unser Schlaf ist voll Schlacht. Unsere Nacht ist im Traumtod voller Gefechtslärm. Und die nachts bei uns bleiben, die lilanen Mädchen, die wissen das und morgens sind sie noch blaß von der Not unserer Nacht. Und unser Morgen ist voller Alleinsein. Und unser Alleinsein ist dann morgens wie Glas. Zerbrechlich und kühl. Und ganz klar. Es ist das Alleinsein des Mannes. Denn wir haben unsere Mütter bei den wütennden Kanonen verloren. Nur unsere Katzen und Kühe und die Läuse und die Regenwürmer, die ertragen das große eisige Alleinsein. Vielleicht sind sie nicht so nebeneinander wie wir. Vielleicht sind sie mehr mit der Welt. Mit dieser maßlosen Welt. In der unser Herz fast erfriert.

Wovon unser Herz rast? Von der Flucht. Denn wir sind der Schlacht und den Schlünden erst gestern entkommen in heilloser Flucht. Von der furchtbaren Flucht von einem Granatloch zum andern - die mütterlichen Mulden - davon rast unser Herz noch -und noch von der Angst. Horch hinein in den Tumult deiner Abgründe. Erschrickst du? Hörst du den Chaoschoral aus Mozartmelodien und Herms Niel-Kantaten? Hörst du Hölderlin noch? Kennst du ihn wieder, blutberauscht, kostümiert und Arm in Arm mit Baldur von Schirach ? Hörst du das Landserlied? Hörst du den Jazz und den Luthergesang?

Dann versuche zu sein über deinen lilanen Abgründen. Denn der Morgen, der hinter den Grasdeichen und Teerdächern aufsteht, kommt nur aus dir selbst. Und hinter allem? Hinter allem, was du Gott, Strom und Stern, Nacht, Spiegel oder Kosmos und Hilde oder Evelyn nennst - hinter allem stehst immer du selbst. Eisig einsam. Erbärmlich. Groß. Dein Gelächter. Deine Not. Deine Frage. Deine Antwort. Hinter allem, uniformiert, nackt oder sonstwie kostümiert, schattenhaft verschwankt, in fremder fast scheuer ungeahnt grandioser Dimension: Du selbst. Deine Liebe. Deine Angst. Deine Hoffnung.

Und wenn unser Herz, dieser erbärmliche herrliche Muskel, sich selbst nicht mehr erträgt - und wenn unser Herz uns zu weich werden will in den Sentimentalitäten, denen wir ausgeliefert sind, dann werden wir laut ordinär. Alte Sau, sagen wir dann zu der, die wir am meisten lieben. Und wenn Jesus oder der Sanftmütige, der einem immer nachläuft im Traum, nachts sagt: Du, sei gut! - dann machen wir eine freche Respektlosigkeit zu unserer Konfession und fragen: Gut, Herr Jesus, warum ? Wir haben mit den toten Iwans vorm Erdloch genauso gut in Gott gepennt. Und im Traum durchlöchern wir alles mit unsern M. Gs. : Die Iwans. Die Erde. Den Jesus.

Nein, unser Wörterbuch, das ist nicht schön. Aber dick. Und es stinkt. Bitter wie Pulver. Sauer wie Steppensand. Scharf wie Scheiße. Und laut wie Gefechtslärm.

Und wir prahlen uns schnodderig über unser empfindliches deutsches Rilke-Herz rüber. Über Rilke, den fremden verlorenen Bruder, der unser Herz ausspricht und der uns unerwartet zu Tränen verführt: Aber wir wollen keine Tränenozeane beschwören - wir müssen denn alle ersaufen. Wir wollen grob und proletarisch sein, Tabak und Tomaten bauen und lärmende Angst haben bis ins lilane Bett - bis in die lilanen Mädchen hinein. Denn wir lieben die lärmend laute Angabe, die unrilkesche, die uns über die Schlachtträume hinüberrettet und über die lilanen Schlünde der Nächte, der blutübergossenen Äcker, der sehnsüchtigen blutigen Mädchen.

Denn der Krieg hat uns nicht hart gemacht, glaubt doch das nicht, und nicht roh und nicht .leicht. Denn wir tragen viele weltschwere wächserne Tote auf unseren mageren Schultern. Und unsere Tränen, die saßen noch niemals so lose wie nach diesen Schlachten. Und darum lieben wir das lärmende laute lila Karussell, das jazzmusikene, das über unsere Schlünde rüberorgelt, dröhnend, clownig, lila, bunt und blöde -viel- leicht. Und unser Rilke-Herz - ehe der Clown kräht -haben wir es dreimal verleugnet. Und unsere Mütter weinen bitterlich. Aber sie, sie wenden sich nicht ab. Die Mütter nicht !

Und wir wollen den Müttern versprechen :

Mütter, dafür sind die Toten nicht tot: Für das marmorne Kriegerdenkmal, das der beste ortsansässige Steinmetz auf dem Marktplatz baut - von lebendigem Gras umgrünt, mit Bänken drin für Witwen und Prothesenträger. Nein, dafür nicht. Nein, dafür sind die Toten nicht tot: Daß die Überlebenden weiter in ihren guten Stuben leben und immer wieder neue und dieselben guten Stuben mit Rekrutenfotos und Hinden- burgportraits. Nein, dafür nicht.

Und dafür, nein, dafür haben die Toten ihr Blut nicht in den Schnee laufen lassen, in den naßkalten Schnee ihr lebendiges mütterliches Blut: Daß dieselben Studienräte ihre Kinder nun benäseln, die schon die Väter so brav für den Krieg präparierten. (Zwischen Langemarck und Stalingrad lag nur eine Mathematikstunde.) Nein, Mütter, dafür starbt ihr nicht in jedem Krieg zehntausendmal !

Das geben wir zu: Unsere Moral hat nichts mehr mit Betten, Brüsten, Pastoren oder Unterröcken zu tun - wir können nicht mehr tun als gut sein. Aber wer will das messen, das «Gut»? Unsere Moral ist die Wahrheit. Und die Wahrheit ist neu und hart wie der Tod. Doch auch so milde, so überraschend und so gerecht. Beide sind nackt.

Sag deinem Kumpel die Wahrheit, beklau ihn im Hunger, aber sag es ihm dann. Und erzähl deinen Kindern nie von dem heiligen Krieg : Sag die Wahrheit, sag sie so rot wie sie ist: voll Blut und Mündungsfeuer und Geschrei. Beschwindel das Mädchen noch nachts, aber morgens, morgens sag dann die Wahrheit: Sag, daß du gehst und für immer. Sei gut wie der Tod. Nitschewo. Kaputt. For ever. Parti, perdu und never more.



Denn wir sind Neinsager. Aber wir sagen nicht nein aus Verzweiflung. Unser Nein ist Protest. Und wir haben keine Ruhe beim Küssen, wir Nihilisten. Denn wir müssen in das Nichts hinein wieder ein Ja bauen. Häuser müssen wir bauen in die freie Luft unseres Neins, über den Schlünden, den Trichtern und Erdlöchern und den offenen Mündern der Toten: Häuser bauen in die reingefegte Luft der Nihilisten, Häuser aus Holz und Gehirn und aus Stein und Gedanken..

Denn wir lieben diese gigantische Wüste, die Deutschland heißt. Dies Deutschland lieben wir nun. Und jetzt am meisten. Und um Deutsch- land wollen wir nicht sterben. Um Deutschland wollen wir leben. Über den lilanen Abgründen. Dieses bissige, bittere, brutale Leben. Wir nehmen es auf uns für diese Wüste. Für Deutschland. Wir wollen dieses Deutschland lieben wie die Christen ihren Christus: Um sein Leid.

Wir wollen diese Mütter lieben, die Bomben füllen mußten - für ihre Söhne. Wir müssen sie lieben um dieses Leid.

Und die Bräute, die nun ihren Helden im Rollstuhl spazierenfahren, ohne blinkernde Uniform - um ihr Leid.

Und die Helden, die Hölderlinhelden, für die kein Tag zu hell und keine Schlacht schlimm genug war - wir wollen sie lieben um ihren ge- brochenen Stolz, um ihr umgefärbtes heimliches Nachtwächterdasein.

Und das Mädchen, das eine Kompanie im nächtlichen Park verbrauchte und die nun immer noch Scheiße sagt und von Krankenhaus zu Kran- kenhaus wallfahrten muß - um ihr Leid.

Und den Landser, der nun nie mehr lachen lernt -

und den, der seinen Enkeln noch erzählt von einunddreißig Toten nachts vor seinem, vor Opas M. G. -

sie alle, die Angst haben und Not und Demut: Die wollen wir lieben in all ihrer Erbärmlichkeit. Die wollen wir lieben wie die Christen ihren Christus: Um ihr Leid. Denn sie sind Deutschland. Und dieses Deutschland sind wir doch selbst. Und dieses Deutschland müssen wir doch wieder bauen im Nichts, über Abgründen: Aus unserer Not, mit unserer Liebe. Denn wir lieben dieses Deutschland doch. Wie wir die Städte lieben um ihren Schutt - so wollen wir die Herzen um die Asche ihres Leides lieben. Um ihren verbrannten Stolz, um ihr verkohltes Heldenkostüm, um ihren versengten Glauben, um ihr zertrümmertes Vertrauen, um ihre ruinierte Liebe. Vor allem müssen wir die Mütter lieben, ob sie nun achtzehn oder achtundsechzig sind - denn die Mütter sollen uns die Kraft geben für dies Deutschland im Schutt.

Unser Manifest ist die Liebe. Wir wollen die Steine in den Städten lieben, unsere Steine, die die Sonne noch wärmt, wieder wärmt nach der Schlacht -

Und wir wollen den großen Uuh-Wind wieder lieben, unseren Wind, der immer noch singt in den Wäldern. Und der auch die gestürzten Bal- ken besingt -

Und die gelbwarmen Fenster mit den Rilkegedichten dahinter -

Und die rattigen Keller mit den lilagehungerten Kindern darin -

Und die Hütten aus Pappe und Holz, in denen die Menschen noch essen, unsere Menschen, und noch schlafen. Und manchmal noch singen.

Und manchmal und manchmal noch lachen -

Denn das ist Deutschland. Und das wollen wir lieben, wir, mit verrostetem Helm und verlorenem Herzen hier auf der Welt.

Doch, doch: Wir wollen in dieser wahn-witzigen Welt noch wieder, immer wieder lieben!

Wolfgang Borchert, * 20. Mai 1921 in Hamburg; –  20. November 1947 in Basel

Jubiläum und Übergabe Buchladen "Die ZeitGenossen" an die Genossenschaft

Einladungsflyer zur Übergabe des Buchladens an die Genossenschaft. Text: Wenn ich du wäre, würde ich vorbeikommen ... um zu feiern: Jubiläum, Abschluss, Neuanfang. Der Buchladen wird 26 Jahre alt. Und Genossenschaft. Das wird gefeiert.<br />
Am 1.4. ist es soweit - der alte Laden hat Jubiläum und geht an diesem Tag in Genossenschaftshand über. Das wollen wir feiern und freuen uns sehr, wenn ihr im Laden vorbeikommt, euer Glück bei einem Gewinnspiel versucht, mit uns einen Espresso trinkt und und und!

Leider muss das Projekt Laika Verlag aus finanziellen Gründen schließen

Logo des Laika Verlages mit dem namensgebenden Hund als GrafikDas, was politisch richtig ist, ist ökonomisch unter den Bedingungen der Profitakkumulation oft nicht realisierbar. Wir haben uns daran nie gestört, jedoch auch nie davon profitiert. Aber nun kommen wir so nicht weiter. Was wir politisch begonnen haben, wollen wir auch politisch beenden. Für die Auflösung der GmbH benötigen wir bis Okt. 2023 ca. €20.000,- zur Deckung der laufenden Kosten, die sich hauptsächlich aus Lagerkosten für unseren Buchbestand von mehr als 40.000 Exemplaren zusammensetzen. Nach dem Umsatzeinbruch während der Corona Zeit und der anschließenden Insolvenz unserer Verlagsauslieferung im Oktober 2022 ist unsere finanzielle Situation prekär. De facto haben wir seit sechs Monaten keine Einnahmen mehr über den Buchhandel. Zusätzlich sitzt uns das Finanzamt im Nacken.

Wir haben deshalb die Idee entwickelt, zumindest einen Teil unserer Bücher zu verschenken. Von nun an werden wir zu jedem über den Laika Webshop verkauften Buch ein zweites Buch eurer Wahl dazulegen, natürlich nur solange der Vorrat reicht. Von dieser Aktion ausgeschlossen sind Bücher aus der Reihe 'Marxist Pocket Books'.

Falls ihr Interesse haben solltet an dieser Aktion teilzunehmen und das Projekt Laika Verlag auf diese Weise zu unterstützen, gebt bitte bei der Überweisung nach dem Kauf im Webshop einfach euren zusätzlichen Wunschtitel an. Wenn es wider Erwarten im Oktober nach der Liquidation der GmbH und der Begleichung aller Restschulden Überschüsse aus den Buchverkäufen geben sollte würden wir die für Nachdrucke einzelner Titel verwenden.

Vielen Dank im voraus für eure Unterstützung und die Weiterverbreitung dieses Aufrufs!


Hamburg, 19.3.2023

Laika Verlag GmbH

Quelle

Die Küchenuhr

Wolfgang Borchert, letztes Foto als Zivilist im Sommer 1941
Wolfgang Borchert, letztes Foto als Zivilist im Sommer 1941
Sie sahen ihn schon von weitem auf sich zukommen, denn er fiel auf. Er hatte ein ganz altes Gesicht, aber wie er ging, daran sah man, daß er erst zwanzig war. Er setzte sich mit seinem alten Gesicht zu ihnen auf die Bank. Und dann zeigte er ihnen, war er in der Hand trug.

Das war unsere Küchenuhr, sagte er und sah sie alle der Reihe nach an, die auf der Bank in der Sonne saßen. Ja, ich habe sie noch gefunden. Sie ist übriggeblieben. Er hielt eine runde tellerweiße Küchenuhr vor sich hin und tupfte mit dem Finger die blaugemalten Zahlen ab.

Sie hatte weiter keinen Wert, meinte er entschuldigend, das weiß ich auch. Und sie ist auch nicht so besonders schön. Sie ist nur wie ein Teller, so mit weißem Lack. Aber die blauen Zahlen sehen doch ganz hübsch aus, finde ich. Die Zeiger sind natürlich nur aus Blech. Und nun gehen sie auch nicht mehr. Nein. Innerlich ist sie kaputt, das steht fest. Aber sie sieht noch aus wie immer. Auch wenn sie jetzt nicht mehr geht.

Er machte mit der Fingerspitze einen vorsichtigen Kreis auf dem Rand der Telleruhr entlang. Und er sagte leise: Und sie ist übriggeblieben.

Die auf der Bank in der Sonne saßen, sahen ihn nicht an. Einer sah auf seine Schuhe und die Frau in ihren Kinderwagen. Dann sagte jemand:

Sie haben wohl alles verloren?

Ja, ja, sagte er freudig, denken Sie, aber auch alles! Nur sie hier, sie ist übrig. Und er hob die Uhr wieder hoch, als ob die anderen sie noch nicht kannten.

Aber sie geht doch nicht mehr, sagte die Frau.

Nein, nein, das nicht. Kaputt ist sie, das weiß ich wohl. Aber sonst is sie doch noch ganz wie immer: weiß und blau. Und wieder zeigte er ihnen seine Uhr. Und was das Schönste ist, fuhr er aufgeregt fort, das habe ich Ihnen ja noch überhaupt nicht erzählt. Das Schönste kommt nämlich noch: Denken Sie mal, sie ist um halb drei stehengeblieben. Ausgerechnet um halb drei, denken sie mal!
Dann wurde Ihr Haus sicher um halb drei getroffen, sagte der Mann und schob wichtig die Unterlippe vor, Das habe ich schon oft gehört. Wenn die Bombe runtergeht, bleiben die Uhren stehen. Das kommt von dem Druck.

Er sah seine Uhr an und schüttelte überlegen den Kopf. Nein, lieber Herr, nein, da irren Sie sich. Das hat mit den Bomben nichts zu tun. Sie müssen nicht immer von den Bomben reden. Nein. Um halb drei war ganz etwas anderes, das wissen Sie nur nicht. Das ist nämlich der Witz, daß sie gerade um halb drei stehengeblieben ist. Und nicht um viertel nach vier oder um sieben. Um halb drei kam ich nämlich immer nach Hause. Nachts, meine ich. Fast immer um halb drei. Das ist ja gerade der Witz Er sah die anderen an, aber die hatten ihre Augen von ihm weggenommen. Er fand sie nicht. Da nichte er seiner Uhr zu: Dann hatte ich natürlich Hunger, nicht wahr? Und ich ging immer gleich in die Küche Da war es dann immer fast halb drei. Und dann, dann kam nämlich meine Mutter. Ich konnte noch so leise die Tür aufmachen, sie hat mich immer gehört. Und wenn ich in der dunklen Küche etwas zu essen suchte, ging plötzlich das Licht an. Dann stand sie da in ihrer Wolljacke und mit einem roten Schal um. Und barfuß. Immer barfuß. Und dabei war unsere Küche gekachelt. Und sie machte ihre Augen ganz klein, weil ihr das Licht so hell war. Denn sie hatte ja schon geschlafen. Es war ja Nacht.

So spät wieder, sagte sie dann. Mehr sagte sie nie. Nur: So spät wieder. Und dann machte sie mir das Abendbrot warm und sah zu, wie ich aß. Dabei scheuerte sie immer die Füße aneinander, weil die Kacheln so kalt waren. Schuhe zog sie nachts nie an. Und sie saß so lange bei mir, bis ich satt war. Und dann hörte ich sie noch die Teller wegsetzen, wenn ich in meinem Zimmer schon das Licht ausgemacht hatte. Jede Nacht war es so. Und meistens immer um halb drei. Das war ganz selbstverständlich, fand ich, daß sie mir nachts um halb drei in der Küche das Essen machte. Ich fand das ganz selbstverständlich. Sie tat das ja immer. Und sie hat nie mehr gesagt als: So spät wieder. Aber das sagte sie jedesmal. Und ich dachte, das könnte nie aufhören. Es war mir so selbstverständlich. Das alles war doch immer so gewesen.

Einen Atemzug lang war es ganz still auf der Bank. Dann sagte er leise: Und jetzt? Er sah die anderen an. Aber er fand sie nicht. Da sagte er der Uhr leise ins weißblaue runde Gesicht: Jetzt, jetzt weiß ich, daß es das Paradies war. Auf der Bank war es ganz still. Dann fragte die Frau: Und ihre Familie?

Er lächelte sie verlegen an: Ach, Sie meinen meine Eltern? Ja, die sind auch mit weg. Alles ist weg. Alles, stellen Sie sich vor. Alles weg.

Er lächelte verlegen von einem zum anderen. Aber sie sahen ihn nicht an.

Da hob er wieder die Uhr hoch und er lachte. Er lachte: Nur sie hier. Sie ist übrig. Und das Schönste ist ja, daß sie ausgerechnet um halb drei stehengeblieben ist.

Ausgerechnet um halb drei.

Dann sagte er nichts mehr. Aber er hatte ein ganz altes Gesicht. Und der Mann, der neben ihm saß, sah auf seine Schuhe. Aber er sah seine Schuhe nicht. Er dachte immerzu an das Wort Paradies.

Wolfgang Borchert, * 20. Mai 1921 in Hamburg; –  20. November 1947 in Basel

Radi

Wolfgang Borchert, letztes Foto als Zivilist im Sommer 1941
Wolfgang Borchert, letztes Foto als Zivilist im Sommer 1941
Heute nacht war Radi bei mir. Er war blond wie immer und lachte in seinem weichen breiten Gesicht. Auch seine Augen waren wie immer: etwas ängstlich und etwas unsicher. Auch die paar blonden Bartspitzen hatte er.
Alles wie immer.

Du bist doch tot, Radi, sagte ich.

Ja, antwortete er, lach bitte nicht.

Warum soll ich lachen?

Ihr habt immer gelacht über mich, das weiß ich doch. Weil ich meine Füße so komisch setzte und auf dem Schulweg immer von allerlei Mädchen redete, die ich gar nicht kannte. Darüber habt ihr doch immer gelacht. Und weil ich immer etwas ängstlich war, das weiß ich ganz genau.

Bist du schon lange tot? fragte ich.

Nein, gar nicht, sagte er. Aber ich bin im Winter gefallen. Sie konnten mich nicht richtig in die Erde kriegen. War doch alles gefroren. Alles steinhart.

Ach ja, du bist ja in Russland gefallen, nicht?

Ja, gleich im ersten Winter. Du, lach nicht, aber es ist nicht schön, in Russland tot zu sein. Mir ist das alles so fremd. Die Bäume sind so fremd. So traurig, weißt du. Meistens sind es Erlen. Wo ich liege, stehen lauter traurige Erlen. Und die Steine stöhnen auch manchmal. Weil sie russische Steine sein müssen. Und die Wälder schreien nachts. Weil sie russische Wälder sein müssen. Und der Schnee schreit. Weil er russischer Schnee sein muss. Ja, alles ist fremd. Alles so fremd.

Radi saß auf meiner Bettkante und schwieg.

Vielleicht hasst du alles nur so, weil du da tot sein musst, sagte ich. Er sah mich an: Meinst du? Ach nein, du, es ist alles so furchtbar fremd. Alles. Er sah auf seine Knie. Alles ist so fremd. Auch man selbst.

Man selbst?

Ja, lach bitte nicht. Das ist es nämlich. Gerade man selbst ist sich so furchtbar fremd. Lach bitte nicht, du, deswegen bin ich heute nacht mal zu dir gekommen. Ich wollte das mal mit dir besprechen.

Mit mir?

Ja, lach bitte nicht, gerade mit dir. Du kennst mich doch genau, nicht?

Ich dachte es immer.

Macht nichts. Du kennst mich ganz genau. Wie ich aussehe, meine ich. Nicht wie ich bin. Ich meine, wie ich aussehe, kennst du mich doch, nicht?

Ja, du bist blond. Du hast ein volles Gesicht.

Nein, sag ruhig, ich habe ein weiches Gesicht. Ich weiß das doch. Also -

Ja, du hast ein weiches Gesicht, das lacht immer und ist breit.

Ja, ja. Und meine Augen?

Deine Augen waren immer etwas - etwas traurig und seltsam -

Du musst nicht lügen. Ich habe sehr ängstliche und unsichere Augen gehabt, weil ich nie wusste, ob ihr mir das alles glauben würdet, was ich von den Mädchen erzählte. Und dann? War ich immer glatt im Gesicht?

Nein, das warst du nicht. Du hattest immer ein paar blonde Bartspitzen am Kinn. Du dachtest, man würde sie nicht sehen. Aber wir haben sie immer gesehen.

Und gelacht.

Und gelacht.

Radi saß auf meiner Bettkante und rieb seine Handflächen an seinem Knie.

Ja, flüsterte er, so war ich. Ganz genauso.

Und dann sah er mich plötzlich mit seinen ängstlichen Augen an. Tust du mir einen Gefallen, ja? Aber lach bitte nicht, bitte.
Komm mit.

Nach Russland?

Ja, es geht ganz schnell. Nur für einen Augenblick. Weil du mich noch so gut kennst, bitte.

Er griff nach meiner Hand. Er fühlte sich an wie Schnee. Ganz kühl. Ganz lose. Ganz leicht.

Wir standen zwischen ein paar Erlen. Da lag etwas Helles. Komm, sagte Radi, da liege ich. Ich sah ein menschliches Skelett, wie ich es von der Schule her kannte. Ein Stück braungrünes Metall lag daneben. Das ist mein Stahlhelm, sagte Radi, er ist ganz verrostet und voll Moos.

Und dann zeigte er auf das Skelett.

Lach bitte nicht, sagte er, aber das bin ich. Kannst du das verstehen? Du kennst mich doch. Sag doch selbst, kann ich das hier sein? Meinest du? Findest du das nicht furchtbar fremd? Es ist doch nichts Bekanntes an mir. Man kennt mich doch gar nicht mehr. Aber ich bin es. Ich muss es ja sein. Aber ich kann es nicht verstehen. Es ist so furchtbar fremd. Mit all dem, was ich früher war, hat das nichts mehr zu tun. Nein, lach bitte nicht, aber mir ist das alles so furchtbar fremd, so unverständlich, so weit ab.

Er setzte sich auf den dunklen Boden und sah traurig vor sich hin.

Mit früher hat das nichts mehr zu tun, sagte er, nichts, gar nichts.

Dann hob er mit den Fingerspitzen etwas von der dunklen Erde hoch und roch daran. Fremd, flüsterte er, ganz fremd. Er hielt mir die Erde hin. Sie war wie Schnee. Wie seine Hand war sie, mit der er vorhin nach mir gefasst hatte: Ganz kühl. Ganz lose. Ganz leicht.

Riech, sagte er.

Ich atmete tief ein.

Na?
Erde, sagte ich.

Und?

Etwas sauer. Etwas bitter. Richtige Erde.

Aber doch fremd? Ganz fremd? Und doch so widerlich, nicht?

Ich atmete tief an der Erde. Sie roch kühl, lose und leicht. Etwas sauer. Etwas bitter.

Sie riecht gut, sagte ich. Wie Erde.

Nicht widerlich? Nicht fremd?

Radi sah mich mit ängstlichen Augen an. Sie riecht doch so widerlich, du.

Ich roch.

Nein, so riecht alle Erde.

Meinst du?

Bestimmt.

Und du findest sie nicht widerlich?

Nein, sie riecht ausgesprochen gut, Radi. Riech doch mal genau.

Er nahm ein wenig zwischen die Fingerspitzen und roch.

Alle Erde riecht so? fragte er.

Ja, alle.

Er atmete tief. Er steckte seine Nase ganz in die Hand mit der Erde hinein und atmete. Dann sah er mich an.

Du hast recht, sagte er. Es riecht vielleicht doch ganz gut. Aber doch fremd, wenn ich denke, dass ich das bin, aber doch furchtbar fremd, du. Radi saß und roch und er vergaß mich und er roch und roch und roch. Und er sagte das Wort fremd immer weniger. Immer leiser sagte er es. Er roch und roch und roch. Da ging ich auf Zehenspitzen nach Hause zurück. Es war morgens um halb sechs. In den Vorgärten sah überall Erde durch den Schnee. Sie war kühl. Und lose. Und leicht. Und sie roch. Ich stand auf und atmete tief. Ja, sie roch.

Sie riecht gut, Radi, flüsterte ich. Sie riecht wirklich gut. Sie riecht wie richtige Erde. Du kannst ganz ruhig sein.

Wolfgang Borchert, * 20. Mai 1921 in Hamburg; –  20. November 1947 in Basel

Rettet das Unrast-Herbstprogramm 2022

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Lesung aus dem Briefwechsel zwischen Christa Eckes und Hüseyin Çelebi - April 1988 - Dezember 1989

Das Ende der 1980er Jahre war weltweit von ökonomischen und politischen Umbrüchen gekennzeichnet, die die Bedingungen revolutionärer Politik von Grund auf veränderten. Vor diesem Hintergrund wurde dutzenden kurdischer Aktivisten und Aktivistinnen der Prozess gemacht. Hüseyin Çelebi war einer von ihnen.
Nach zwei Jahren im Gefängnis wurde er 1990 entlassen und ging dann nach Kurdistan zur Guerilla.
Christa Eckes war damals schon länger im Knast. Sie hatte sich 1973 der RAF angeschlossen und war 1984 zum zweiten Mal verhaftet worden.
Der Briefwechsel zwischen den beiden Gefangenen umspannt die Zeit des Hungerstreiks der Gefangenen aus RAF und Widerstand 1989 und des Düsseldorfer Kurden-Prozesses, der das spätere PKK-Verbot vorbereitete, das bis heute andauert.
Trotz der Einschränkungen durch die Zensur schaffen es Christa und Hüseyin, eine Korrespondenz aufzubauen, in der sie ihre Erfahrungen mit der Isolationshaft und der Justiz austauschen und die Situation der kurdischen, türkischen und deutschen Linken reflektieren. In ihrem subtil-ironischen Stil zeigen die Briefe auch, wie sich die beiden in kurzer Zeit näher kommen, und eine Kraft, die Mut macht.

Buchlesung
Briefwechsel Christa Eckes - Hüseyin Çelebi - April 1988 - Dezember 1989
Freitag, 15. Juli 2022, 19 Uhr
Linkes Zentrum Lilo Herrmann
Böblingerstr. 105, 70199 Stuttgart

Eine Veranstaltung der Roten Hilfe OG Stuttgart

Glitzer im Kohlestaub. Vom Kampf um Klimagerechtigkeit und Autonomie

Buchcover: Glitzer im Kohlestaub Vom Kampf um Klimagerechtigkeit und AutonomieZucker im Tank (Hg.)
Glitzer im Kohlestaub
Vom Kampf um Klimagerechtigkeit und Autonomie

ISBN 978-3-86241-487-1 | erschienen 06/2022 | 416 Seiten | Paperback | lieferbar | 19,80 €
Mit zahlreichen Fotos

Zum Buch

In mehr als 60 Beiträgen beschreiben Aktivist*innen aus unterschiedlichen Spektren die Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung. Sie legen ihre politischen Überlegungen dar und geben einen durchaus selbstkritischen Einblick in das Zusammenleben in Klimacamps, besetzten Dörfern und Wäldern.

Die Aktivist*innen wissen, dass weder der von der Politik eingeschlagene Weg noch das vorgelegte Tempo geeignet sind, die sich vollziehende Klimakatastrophe mit all ihren »Nebenwirkungen« wie bspw. dem Artensterben, den weltweiten Hungerkatastrophen und Kriegen zu verhindern. Deshalb besetzen sie Wälder wie den Hambacher oder Dannenröder Forst, setzen sich auf Tagebaubagger in der Lausitz oder in Garzweiler, blockieren Zufahrtsgleise zu Kohlekraftwerken, kämpfen um den Erhalt von Dörfern wie Lützerath, springen vor Kreuzfahrtschiffen ins Wasser, um sie am Auslaufen zu hindern, oder sabotieren Maschinen und anderes Gerät, das für den Ablauf des zerstörerischen Geschäfts nötig ist.

Sie wissen, dass ihre Kämpfe soziale Kämpfe sein müssen. Denn nur in einer radikal anderen Form des weltweiten Zusammenlebens und Zusammenwirtschaftens sind der Erhalt bzw. die Herstellung einer für die absolute Mehrzahl der Menschen lebenswerten Gegenwart und Zukunft möglich. Deshalb stellen sie sich gegen die weltweiten Ausbeutungsverhältnisse und tragen ihre Wut und ihren Protest auch dort auf die Straße, wo es nicht unmittelbar um Kohlekraftwerke, industrialisierte Landwirtschaft oder andere lebenszerstörende Wirtschaftsbereiche geht. Im Bewusstsein, dass es in diesen Zeiten wortwörtlich um alles geht.

Buchvorstellung in Anwesenheit des Autors: Betty Rosenfeld - Zwischen Davidstern und roter Fahne

Buchcover „Betty Rosenfeld –“ Zwischen Davidstern und roter Fahne“In Anwesenheit des Autors Michael Uhl wird die Biographie von Betty Rosenfeld (*Stuttgart, 23. März 1907 –“ Auschwitz, 1942) im Hotel Silber vorgestellt. Die radikale linke Stuttgarter Jüdin, die als Sanitäterin bei den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg im Einsatz war, wurde in Auschwitz ermordet. Siehe auch die Rezension von Wolfgang Hänisch: „Betty Rosenfeld –“ Zwischen Davidstern und roter Fahne“

Der Autor:
Michael Uhl, geboren 1971, Studium der Geschichte und Romanistik, seit 2017 Vollzeit auf Spurensuche im Rahmen des „Betty-Rosenfeld-Projektes“ der AnStifter e. V., dafür Forschungsreisen in Deutschland, Frankreich, Spanien, Israel und den USA.

Gesprächsmoderation:
Klaus Kunkel, Jahrgang 1953, Vorstand der AnStifter.

Mi, 1. Juni 2022, 19:00 Uhr
Lern- und Gedenkort Hotel Silber, Dorotheenstr. 10, 70173 Stuttgart

Veranstalter: Die AnStifter e.V., Hotel Silber, Schmetterling Verlag, Rosa Luxemburg Stiftung BaWü

Das Buch gibt es u.a. im AnStifter-Büro, 70182 Stuttgart, Werastraße 10.

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