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„Die schützende Hand“: Aufklärung mit Beigeschmack

Buchcover
Über das Terrortrio vom NSU sind schon einige Krimis erschienen. Zu ihnen ist jetzt von Wolfgang Schorlau „Die schützende Hand“ dazugekommen. Wolfgang Schorlau hat sich einen Namen mit politischen Krimis gemacht. Schon länger war bekannt dass sich Schorlau für seinen neuen Krimi mit dem Komplex NSU beschäftigt.

Die Hauptperson seiner Krimis ist der Privatdetektiv Dengler. Er war früher beim BKA ist dann aber ausgestiegen und hat sich Selbstständig gemacht. Kontakte zu den früheren Kollegen beim BKA bestehen kaum noch. Lediglich seine ehemalige Geliebte ruft er an, wenn er Informationen braucht. Peinlich ist, dass sie ihm dann regelmäßig Anzüglichkeiten durchs Telefon zuflüstert.

Das Buch von Wolfgang Schorlau ist dem Genre nach ein Krimi, es ist aber viel mehr. Er lässt Dengler die Recherchen machen, die er selbst unternommen hat. Im Nachwort, dass man am besten zuerst liest, betont er: „Diese Buch ist eine literarische Ermittlung in einem realen Kriminalfall. Und ich fürchte es ist die Ermittlung eines Staatsverbrechens. Ich kenne die vollständige Wahrheit über die rechtsterroristischen Verbrechen des NSU und die Verwicklungen der Staatsschutzbehörden darin ebenso wenig wie andere.“ (S.363)

Es wichtig, dass man diese Erklärung beim Lesen vor den Augen hat. Dengler geht es in seinen Erkundungen nicht um die Verbrechen des NSU-Kerntrios vielmehr steht der Tod von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Mittelpunkt seines Interesses. Weil es kein klassischer Krimi, sondern eine Recherche ist macht es nichts, wenn ich das Ergebnis hier öffentlich mache. Seinen Freunden gegenüber, die ihn unterstützen, fasst er zusammen: „Wir haben Belege dafür, dass der Tod von Mundlos und Böhnhardt so etwas wie eine Exekution gewesen sein muss, aber wir haben auch ganz neue Hinweise, die nahelegen, dass sie gar nicht die Einbrecher in die Bank gewesen sein können.“ (S. 301)

Damit widerspricht Wolfgang Schorlau komplett der These der Bundesanwaltschaft, dass Uwe Mundlos zuerst seinen Nazigefährten Böhnhardt erschossen, in dem Wohnmobil Feuer gelegt und dann sich selbst erschossen haben soll. Die ersten Zweifel entstehen bei der Darstellung im Polizeibericht über den zeitlichen Ablauf. Keine dreißig Sekunden soll der ganze Tatablauf gedauert haben. Auch wenn die beiden bereits im Vorfeld einen erweiterten Suizid abgesprochen haben für den Fall, dass sie auffliegen und nicht wie Schorlau unterstellt sich erst dazu entscheiden müssen ist die Zeitangabe unrealistisch. Hinzu kommt, dass bei den Toten im Wohnmobil eine zweite Patrone gefunden wurde. Bei der Pumpgun, mit der die Tat begangen wurde wird die Patrone aber erst beim Nachladen ausgeworfen. Nach einem suizidalen Kopfschuss kann aber niemand mehr das Gewehr nachladen. Außerdem wurde laut der offiziellen Berichte keine Hirnmasse im Wohnmobil gefunden. Beide müssen aber zusammen durch die Kopfschüsse 2 Kilogramm Hirn verloren haben.

Es stellt sich also die Frage von wem wurden sie exekutiert. Und vor allen Dingen warum. Auf das „warum“ liefert Schorlau keine Antwort. Dafür geht er der Frage nach wer steckt hinter dem Doppelmord an Mundlos und Böhnhardt.

Da ist zuerst einmal die literarische Figur Harry Nopper. In dem Buch ist er stellvertretender Präsident vom Verfassungsschutz Thüringen. Dengler kennt ihn noch aus seiner Zeit beim BKA. Im wirklichen Leben stand Helmut Roewer Pate für die Figur. Er war ab 1994 Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes. Unter seiner Amtszeit genossen die Nazis Schutz, seine Hauptfeinde waren Linke und Antifaschisten. Im Jahr 2000 wurde Roewer wegen verschiedener Vorwürfe vom Dienst suspendiert. Seine Gesinnung zeigt er, in dem er immer wieder in rechten Verlagen und Zeitungen wie die Junge Freiheit publiziert. Obwohl er nachweislich ab dem Jahr 2000 nicht mehr im Amt war konstruiert Schorlau seine Weiterbeschäftigung. Er soll am Tattag am Wohnmobil gewesen sein und Dengler (Schorlau) sieht ihn am Rande einer rassistischen Demonstration in Heidenau. Genau da liegt der Punkt, warum ich das Buch nicht uneingeschränkt empfehlen kann. Schorlau nimmt immer wieder Anleihen bei rechten Gruppen. Mehrmals schreibt er, dass die Bundesrepublik nicht selbstständig und eigentlich nur Befehlsempfänger der USA sei. „Außerdem galt in Westdeutschland immer noch weitgehend Besatzungsrecht. Bei einer Vereinigung der beiden deutschen Staaten würde mit einem Friedensvertrag oder einem ähnlichen völkerrechtlichen Vertrag der neue deutsche Staat seine volle Souveränität erlangen.“ (S.158)

Das ist die Argumentation der rechten Reichsbürger.

Für Schorlau ist der Staat, genauer die amerikanischen Geheimdienste, für die Verbrechen der Neonazis und deren Aktivitäten verantwortlich. Wie weit er das ausbaut wird beim Mord an Michele Kiesewetter deutlich. „über einen Rechtsradikalen namens Thomas Richter bekam die CIA Kontakt zu drei flüchtigen Neonazis aus Thüringen. Es gelang sie am Tag einer geplanten Operation im April 2007 in die Heilbronner Gegend zu locken. Sie hatten ein Wohnmobil gemietet und die CIA sorgte dafür, dass die Nummer bei einer Kontrolle notiert wurde.“

Trotz solcher Verschwörungstheorien ist das Buch lesenswert. Man muss nur wissen wo schreibt Schorlau über seine Recherche und wo blüht seine Phantasie.

Wolfgang Schorlau Die schützende Hand: Denglers achter Fall, Kiepenheuer und Witsch 2015, 14,99

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