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Bayern: Ärzt*innen und Standesorganisationen stehen hinter Banu

In ungewohnt deutlicher Manier mischten sich ärztliche Organisationen und prominente Mediziner in die derzeitige politische Diskussion um die drohende Ausweisung von Dr. Dilay Banu Büyükavci ein. Die Gewerkschaft ver.di hatte am heutigen Mittwoch zur 9. Mahnwache für die Psychiaterin eingeladen. Gekommen waren erneut trotz arktischer Kälte über 120 Personen.

Zunächst durften schriftliche an OB König verfasste klare Positionierungen verlesen werden. Der Vizepräsident der Bayerische Landesärztekammer, Dr. med. Andreas Botzlar weist ausdrücklich darauf hin, „dass Mitglieder der TKP-ML in der Türkei häufig von Folter betroffen sind. Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. Es gilt unabhängig vom legalen, persönlichen oder politischen Status des Einzelnen.“. Er verlangt daher eine Aussetzung des Verfahrens.

Die Vorsitzende des Ärztlichen Bezirksverbandes Dr. med Heidemarie Lux teilt diese Sorge um drohende „Folter oder noch schlimmere Maßnahmen bei Auslieferung (...): Als Vertreterin einer ärztlichen Standesorganisation ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit bei allen Entscheidungen Berücksichtigung finden müssen.“

Als jedenfalls für Nürnberg prominentester Redner wies der langjährige Vorstand des Klinikums Dr. Alfred Estelmann auf die seines Erachtens absurde Situation für Büyükavci hin: „Was mich immer wieder an den Process von Kafka, an den Josef K. erinnert ist: Das OLG lässt sich alle Zeit, sein Urteil schriftlich zu begründen. Damit nimmt es Banu Büyükavci die Möglichkeit gegen dieses Urteil die Stimme zu erheben. Gleichzeitig ist die Einwohnerbehörde der Stadt Nürnberg, der Stadt des Friedens und der Menschenrechte, auf die wir eigentlich stolz sind, aktiv, um sie abzuschieben. Der Nürnberger Stadtrat formuliert einen tollen Beschluss, damit sie hierbleiben darf. Aber was ich nicht verstehe, warum man die nicht an die eigene Haustüre, an die eigene Ausländerbehörde richtet!“

Dr. med. Susanne Simen, bereichsleitende Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie, Klinikum Nürnberg hatte von Kolleg*innen an der Klinik Meinungen über Dr. Banu Büyükavci eingeholt. In einer nicht enden wollenden Liste von etwa 30 Äußerungen lobten jene deren Engagement im Job, ihre Kollegialität und Fachlichkeit und Unentbehrlichkeit, was nicht nur bei der anwesenden Banu Büyükavci große Rührung auslöste.

Der Personalrat am Klinikum Dr. med. Martin Krasa wies auf den eigenen Flüchtlingsstatus im Jahr 1968 nach dem gescheiterten Dubček-Aufstand in der Tschechoslowakei hin: „Ich bin sicherlich schon deshalb absolut unverdächtig, mit Mitglieder kommunistischer Parteien zu sympathisieren. Aber darum geht es hier nicht. Es geht darum., dass wir in Deutschland das Glück haben, in einem demokratischen Rechtsstaat leben zu dürfen. Aber wir tragen auch Verantwortung dafür und müssen dort für Demokratie und Menschenwürde einstehen, wo wir sie als bedroht wahrnehmen. Wir mögen die politsichen Ansichten von Banu Büyükavci nicht teilen, aber jeder von uns kennt das Zitat, das Voltaire zugeschrieben wird: –šIch teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen–˜. Deswegen stehe ich hier. Ich frage die Verantwortlichen des Ausländeramtes und den weisungsbefugten Dienstherren, Herrn Innenminister Herrmann: Wollen Sie die Verantwortung tragen, dass eine Frau und Ärztin in ein Land ausgeliefert wird, in dem sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Folter, Erniedrigung und unmenschliche Behandlung erleiden wird?“

Organisator des Abends Prof. Dr. med. Hannes Wandt legte abschließend den Finger in die zentrale Wunde des §129b des Strafgesetzbuches: „Man stelle sich vor, dass es in Schweden oder der Schweiz während des Hitler-Regimes diesen Paragraf gegeben hätte: Keiner der Oppositionellen gegen die Naziherrschaft hätte sich in diesen Ländern sicher fühlen können vor Ausweisung und Verschleppung. Daher die Forderung auch hier: Dieser menschenrechtswidrige Paragraf muss weg!“

Ergänzende Infos:

Die gesamte Kampagne ist hier dokumentiert

Vollständige Rede von Dr. Estelmann auf Youtube

Schreiben der bayerischen Landesärztekammer an OB König

Schreiben des ärztlichen Bezirksverbandes an OB König



Quelle: ver.di

Tag der Menschenrechte: Banu muss bleiben!

Können Sie sich das vorstellen: Ihnen wird keine konkrete Straftat vorgeworfen, trotzdem wird nachts ihre Wohnung gestürmt, Sie werden verhaftet und fast 3 Jahre lang in Untersuchungshaft gesteckt.

Nach über vier langen Prozessjahren werden Sie verurteilt zu 3 1/2 Jahren Gefängnis.

Doch noch bevor die schriftliche Begründung vorliegt und bevor Sie überhaupt gegen das Urteil vorgehen können, sollen sie aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden.

So geschieht das gerade einer aktiven Gewerkschafterin, mitten in unserem Land.

Damit es nicht geschieht, deswegen sind wir heute hier!

Konkret:

Dr. Banu Büyükavci wohnt seit vielen Jahren in Bayern und arbeitet an einer Nürnberger Klinik als Psychotherapeutin. Die beliebte Kollegin ist Mitglied im Bezirks- und Landesmigrationsausschuss von ver.di.

Nach dem mehr als 4 Jahre andauernden Mammutprozess beim 7. Staatsschutzsenat des OLG München wurden sie und die anderen neun Angeklagten im Juli zu insgesamt über 44 Jahre Haft verurteilt. Keinem der Angeklagten wurde eine konkrete Straftat vorgeworfen.Dieser absurde Mammutprozess war das erste in Deutschland geführte Verfahren, in dem Angeklagte wegen der Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen“ Organisation nach § 129b StGB verurteilt wurden, die auf keiner internationalen Terrorliste steht, die in Deutschland nicht nach dem Vereinsgesetz verboten ist und deren Mitglieder häufig einen Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten haben. Lediglich die Türkei stuft die Organisation als terroristisch ein.

Inzwischen wird gegen Dr. Banu Büyükavci eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet erwogen, weil sie eine „Gefahr für die Bundesrepublik Deutschland“ sei. Betroffen ist auch ihr Mann, Dr. Sinan Aydin. Auch bei ihm droht die Ausweisung. Desweiteren wurde gegen die drei Angeklagten, die in Frankreich, Schweiz und Österreich wohnen, ein 20-jähriges Einreiseverbot nach Deutschland ausgesprochen.

Dies alles, obwohl wiegesagt kein rechtskräftiges Urteil schriftlich vorliegt und damit auch ein möglicher Antrag auf Revision noch nicht verwirklicht werden kann. Die Ausländerbehörde will dem Rechtsweg nun vorgreifen und auf brutale Weise Fakten schaffen. Denn was eine Ausweisung und die dadurch drohende Abschiebung in die Türkei für unsere Kollegin bedeuten kann, braucht nicht viel Phantasie.

Wir rufen Alle auf:

Zeigen wir unsere Solidarität mit Banu, unsere Solidarität mit den neun weiteren Verurteilten: Die angedrohten Ausweisungen und die Einreiseverbote müssen vom Tisch!

Kundgebung

am Donnerstag, 10. Dezember

Tag der Menschenrechte

18 Uhr am Stachus

Wir von ver.di München haben Banu und die anderen betroffenen Kollegen während des Prozesses solidarisch unterstützt, z.B. mit einer Informationsveranstaltung im DGB-Haus im März 2017. Wir dokumentieren den auf der von allen Anwesenden unterzeichneten Brief an Banu:

Die Teilnehmer*innen der Veranstaltung „WARUM IST BANU HINTER GITTERN“ senden Dir herzlichste, solidarische Grüße. Uns alle eint die Empörung über die Art und Weise, wie dieser Staat mit Dir und Deinen Mitangeklagten umgeht. Die überfallartige Verhaftung, die völlig unangemessene Dauer Eurer Untersuchungshaft und die Prozessführung, die zwar Öffentlichkeit zulassen muss, aber von den Medien totgeschwiegen wird –“ das alles hat mit der sonst so hoch gepriesenen Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun. Hier sollen unbescholtene Menschen politisch und sozial fertiggemacht werden, denen nach den Gesetzen unseres Landes nichts, aber auch gar nichts vorzuwerfen ist.

Die § 129 a und b dienen der Abschreckung und Einschüchterung aller progressiven Kräfte, wenn es politisch gerade opportun erscheint.

Du, liebe Kollegin Banu und Deine Mitgefangenen, Ihr lasst Euch nicht einschüchtern. Wir bewundern Eure Standfestigkeit und Moral, mit der Ihr Eure lange Haft durchsteht. Wir hoffen mit Euch auf ein schnelles Ende dieses Prozesses und einen klaren Freispruch.

Quelle: verdi Bayern

ver.di Bayern: Innenminister soll Ausweisungsvorhaben gegen Banu Büyükavci beenden

Die Ausländerbehörde der Stadt Nürnberg prüft eine mögliche Ausweisung von Dr. Dilay Banu Büyükavci. „Wir appellieren an den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann, das Vorhaben dieser Ausweisung umgehend zu beenden“, erklärte die Landesbezirksleiterin von ver.di Bayern, Luise Klemens: „Banu muss bleiben“, forderte Klemens.

Bei einer auf türkisches Drängen durchgeführten Razzia gegen die TKP/ML war Dr. Büyükavci 2015 in Deutschland festgenommen und nach 34-monatiger Untersuchungshaft 2018 entlassen worden. Im Juli 2020 wurde sie nach §129b StGB zu drei Jahren und sechs Monaten Haft in erster Instanz verurteilt (die ergangene Haftstrafe ist durch die lange Untersuchungshaft abgeleistet). Dr. Büyükavci ist seit 2004 als Ärztin in Deutschland tätig, seit ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft auch wieder im Klinikum Nürnberg. Obwohl das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, keine Urteilsbegründungen vorliegen und die Anwälte sofort Revision eingelegt haben, wurden jetzt Ausweisungsverfahren eingeleitet. Konkrete Tatvorwürfe wurden jenseits einer bloßen Mitgliedschaft durch die Staatsanwaltschaft jedoch nie erhoben.

„Wir bitten den Innenminister dringend, die Prüfung einer möglichen Ausweisung unserer Funktionärin abzubrechen“, erklärte die Vorsitzende des Landesmigrationsausschusses bei ver.di Bayern, Charlotte Johnson. Dr. Büyükavci sei gut in die hiesige Gesellschaft eingebunden: Seit ihrer Freilassung aus der U-Haft arbeitet Banu Büyükavci wieder als Ärztin im Nürnberger Klinikum, in welchem sie seit Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht. Seit 2013 ist sie auch in ver.di Bayern ehrenamtlich aktiv, u.a. im Landesmigrationsausschuss Bayern. Sie ist stellvertretende Vorsitzende im Migrationsausschuss Mittelfranken und stellvertretendes Mitglied im Landesfrauenrat Bayern. Banu Büyükavci sei eine besonnene Frau, die bemüht sei, auch bei widerstrebenden Interessen und Diskussionen Kompromisse zu finden, so Johnson. „Wir sind vor diesem Hintergrund sehr betroffen über die in Aussicht genommene Ausweisung. Bitte beenden Sie das hierfür begonnene Verfahren“, forderte Johnson.

Quelle: verdi Bayern

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