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Was mir heute wichtig erscheint #269

Kommunismus: Baden-Württemberg ist ja inzwischen direkt auf dem Weg in den Kommunismus. Zumindest kann man das glauben, wenn man den bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer hört. Er sagte nämlich, jetzt wo BaWü einen grünen Ministerpräsidenten bekommen wird: „Bisher hatten wir einen Wettstreit innerhalb gleicher Grundüberzeugungen. Jetzt führen wir einen Wettbewerb unter anderen Vorzeichen. Wir haben nun einen Wettbewerb der Systeme.“ Beitrag und Fotos von Woschod zur gestrigen Montagsdemo in Stuttgart.

Aktionen: Fotos von den Antifa-Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 1. Mai 2011 in Heilbronn.

Bericht: Die Demobeobachter des Stuttgarter Versammlungsrechtsbündnisses haben ihren Bericht zur "revolutionären 1. Mai Demonstration" in Stuttgart veröffentlicht.

Verfassungsbruch: Frau Merkel, wörtlich: „Ich freue mich, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.“

Morddrohung:
Neonazis sprühten eine Morddrohung an das Haus des Hoesch-Betriebsratsvorsitzenden Gerd Pfisterer in Dortmund. Doch der seit vielen Jahren aktive Antifaschist lässt sich nicht einschüchtern. Kollegen und Nachbarn stehen an seiner Seite. Bericht bei der IG Metall.

Prozess: Die nächsten beiden Robin Wood-Kletterer der Baggerbesetzung haben ihren Prozess heute, Dienstag, 3.5.2011, 13.00 Uhr im Amtsgericht Stuttgart. Sie freuen sich über zahlreiche solidarische Unterstützung und Protest-Emails an das Gericht. Alles weitere im Blog der Kletteraktivistin Cécile Lecomte, siehe auch: 2. Gerichtstermin wegen Baggerbesetzung.

Analyse: Die 90. Ausgabe der Quartalszeitschrift "Antifaschistisches Info-Blatt (AIB)" beschäftigt sich in ihrem Titelthema "Ausweitung der Kampfzone" diesmal mit den praktischen Auswirkungen des Extremismuskonzepts. Friedrich Burschel schreibt in seinem Beitrag "Konstrukt mit Wirkungsmacht", wie die neue Extremismus-Doktrin bewährte Projekte gegen rechts gefährdet und die Programme des Familienministeriums "mit fragwürdigen Argumenten auf andere ,Extremisten'" ausgeweitet wurden. Der ebenfalls im Hefttitel erscheinende Beitrag ",Andi'-Comics für alle" nimmt die Projekte von Initiativen, die Mittel gegen "Linksextremismus" beantragt haben unter die Lupe. Der analytische Text "Wo geht's hier zum Extremismus?" stellt u.a. heraus, aus welcher Interessenlage die Bundesregierung, allen voran Bundesfamilienministerin Köhler, die Ausrichtung der Programme veränderte und welche juristischen Probleme auf Schwarz-Gelb noch zukommen könnten. Ebenso schreiben im AIB-Titel die Rechtsanwälte Alexander Hoffmann und Björn Elberling zur Frage der Versammlungsfreiheit für Neonazis. Hans-Christian Petersen thematisiert schließlich im Beitrag "Alles Extremismus?" rechte Gewalt in Rußland und wie der Staat mit dem mörderischem Phänomen umzugehen pflegt.

Spurensuche: Autonome tauchen immer dann in den Medien auf, wenn es alle anderen nicht gewesen sein sollen. Autonome erkennen die Medien immer dann, wenn es nichts zu erkennen gibt. Autonome waren es, wenn es um Randale und Ausschreitungen geht und kein Fußballspiel in der Nähe ist. Autonome sind alle, die nicht friedlich von A nach B demonstrieren. Autonome sind schlimmer als Krawallmacher und Hooligans. Letztere machen alles aus Langweile und Frust, erstere aus Leidenschaft, mit Plan. Autonomen geht es nie um die Sache, um das konkrete Anliegen. Ihnen geht es ums Ganze, ums System. Autonome tauchen aus dem Nichts auf, machen alles kaputt und verschwinden dann genauso schnell spurlos. Neuerdings gibt es in den Medien –ºLinks-Autonome–¹. Wer hat sie abgespalten, von was? Autonome gibt es immer am 1. Mai in Berlin. Gab es sie überhaupt? Gibt es sie noch? Sind sie ein Mediengespenst, das ab und an durch die politische Landschaft gescheucht wird? Gespräch mit Wolf Wetzel.

Freilassung: Der politische Gefangene Abrahám Ramírez Vásquez aus Santiago Xanica/Oaxaca wurde vor wenigen Tagen bedingungslos aus der Haft entlassen. Seit Januar 2005 war Abrahám Ramirez, Mitglied der lokalen Organisation CODEDI aus dem zapotekischen Dorf in der Sierra Sur, inhaftiert -teils unter unmenschlichen Bedingungen. Abrahám gilt als erster politischer Gefangener des ehemaligen Gouverneurs von Oaxaca, Ulises Ruiz Ortíz (2004-2010), in dessen zweitem Amtsjahr sich in dem südmexikanischen Bundesstaat 2006 ein mehrmonatiger Volksaufstand entwickelte.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika.

kritisch-lesen.de Nr. 2 - "140 Jahre Paris Commune"

Cover Ausgabe 2
Foto: © Jörg Möller
Heute erschien die zweite Ausgabe der Online-Rezensionspublikation kritisch-lesen.de. Schwerpunkt diesmal: Bewegung damals und heute zum 140 Geburts-/Todestag der Pariser Commune.

Das Bild zeigt den Ausschnitt eines Graffito in Paris heute. Diese Ausgabe soll 140 Jahre zurück reichen und die Geschehnisse um die Pariser Commune nachzeichnen. Zum Hintergrund: Nach der Niederlage Napoleons III und seiner Gefangennahme 1870 folgten zwei Oppositionsgruppierungen, die die Regierung Frankreichs in die Hände nehmen wollten. Zunächst die bürgerlich-republikanische Gruppe unter Adolphe Thiers, dann aber –“ zur allgemeinen Überraschung –“ erstmals unter proletarischer Führung, zumindest mit dem Anspruch, dem Proletariat zum Sieg zu verhelfen. Die Welt erlebte den tiefen Riss zwischen zwei Ideen von “Republik–: der Vorfriedens der Vorfrieden von Versailles, der die Diktatur der Bourgeoisie aufrechterhalten wollte gegen die Kämpfer_innen der Commune. Wer dabei gewann und wer verlor, ist inzwischen bekannt. In dieser Ausgabe soll es darum gehen, solche Revolutionär_innen sprechen zu lassen und mit diesen Erfahrungen der Geschichte einen Blick zu wagen in die Gegenwart und Zukunft revolutionären Widerstands.

Den Anfang machen Sebastian Friedrich und Andrea Strübe mit der Rezension zu der Geschichte und dem aktuellen Stand der autonomen Bewegung im deutschsprachigen Raum. Anhand des Bandes Perspektiven autonomer Politik wird die Vielfältigkeit, das Einnehmen verschiedener Perspektiven dieser Bewegung als Stärke hervorgehoben. Anschließend erinnert Fritz Güde in drei Rezensionen an Zeitzeug_innen jener Epoche und Ereignisse: Das Leben der Dichterin Louise Michel wird anhand ihrer Memoiren in ihrer aufbegehrenden und unbeugsamen Haltung gegen Herrschaft –“ auch in der Commune nachgezeichnet. Die Rolle des Malers Gustave Courbet, der umstrittenermaßen dem Realismus zugerechnet wird, und seine politische Motivation werden, auch in Bezug zu den Ereignissen, untersucht. Und schließlich die Memoiren eines Revolutionärs, kein direktes Zeugnis jener Tage in Paris, sondern des Fürsten Kropotkin im zaristischen Russland. Dabei geht es dem Rezensenten weniger um dessen theoretische Auseinandersetzungen, als um dessen Lebensbeispiel als Kämpfer der Revolution.

In der Rezension zu Bertolt Brecht vom Karlsruher Professor Jan Knopf zeichnet Fritz Güde dessen merkwürdigen Versuch nach, die Commune aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen, zumindest in der Art, dass er sie in der Neuauflage seines Buches zu Brecht plötzlich verschwinden lässt. In zwei weiteren Rezensionen fragt zum einen Dirk Brauner, warum es zum Empören den Appell Empört euch! braucht, findet jedoch die Rhetorik des sich in aller Munde befindenden Pamphlets nicht genug. Adi Quarti schildert in der Besprechung zu Identität von Jean-Luc Nancy, wie dieser die französische Debatte um Identität auseinandernimmt.

In dem Archiv-Beitrag zu Wir sind überall betont Adi Quarti den guten Über- und Einblick, den das Buch in die internationale globalisierungskritische Bewegung gibt. Gerald Whittle schließlich widmet sich dem Werk FAU: Die ersten 30 Jahre.

Der Ausgabe liegt eine Zeittafel bei, auf der die historischen Ereignisse vor 140 Jahren skizziert werden.

Abschließend sei noch auf unseren Newsletter hingewiesen. Wer immer rechtzeitig über die neuesten Ausgaben per Mail informiert werden will, sollte sich unbedingt mit Email-Adresse bei unserem Newsletter anmelden.

Viel Spaß beim (kritischen) Lesen!

BESPRECHUNGEN ZUM SCHWERPUNKT

Bewegte Blicke
ak wantok (Hg.): Perspektiven autonomer Politik


Im Sammelband wird umfassend und abwechslungsreich der Ist-Stand der autonomen Bewegung im deutschsprachigen Raum nachgezeichnet.
Von Sebastian Friedrich und Andrea Strübe | 28. April 2011

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Das „Flintenweib“ als Rächerin allen ungelebten Lebens
Louise Michel. Memoiren. Übersetzt von Claude Acinde


Louise Michel, nach ihrem Auftreten an den Barrikaden der Commune vom Bürgertum als pétroleuse verabscheut, vom Proletariat zur roten Jungfrau geheiligt, entzog sich bei Abfassung ihrer Memoiren beiden Festlegungen, um sich als Vertreterin des Lebensrechts alles Geschaffenen neu darzustellen und zu erfinden.
Von Fritz Güde | 28. April 2011

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Realismus - Ausweitung des Blickfelds
Georges Riat: Katalog: Gustave Courbet. Übersetzt von Caroline Eydam


Das Reale, welches Gustave Courbet aus dem Dunkel der Nichtbeachtung hervorzieht, entzieht sich jeder vorwegnehmenden Beurteilung - und allen Herrschaftsrücksichten.
Von Fritz Güde | 28. April 2011

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Memoiren eines Revolutionärs
Peter A. Kropotkin: Memoiren eines Revolutionärs. Band I und Band II


Die Erinnerungen Kropotkins sind zu weitreichend, um sie an dieser Stellenachzuerzählen - Anlass zur Würdigung bieten sie allemal.
Von Fritz Güde | 28. April 2011

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Brechts unterschlagene Commune

Bertolt Brecht: Leben Werk Wirkung (Suhrkamp BasisBiographien)

In der früheren DDR wurde die Commune von 1871 oft gerühmt, selten als Vorbild studiert. Konkrete Erinnerung störte. Was aber brachte Professor Knopf dazu, im freien Westen die Existenz der Commune von Brecht völlig zu verschweigen?
Von Fritz Güde | 28. April 2011

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WEITERE AKTUELLE BESPRECHUNGEN


Kritik der nationalen Identität
Jean-Luc Nancy. Identität: Fragmente, Freimütigkeiten

Jean-Luc Nancy untersucht die philosophische Tragweite der französischen Debatte um „nationale Identität“.
Von Adi Quarti | 28. April 2011

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Leider nur ein Hauch
Stéphane Hessel: Empört Euch!


Das Pamphlet "Indignez-vous!" (Empört euch!) sorgt derzeit für einige Aufregung, was verwundert, weil nichts Aufregendes geschrieben steht.
Von Dirk Brauner | 28. April 2011

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REZENSIONEN AUS DEM ARCHIV

Wir sind überall
Notes From Nowhere (Hg.): Wir sind überall: weltweit. unwiderstehlich. antikapitalistisch


Der globalisierungskritische Reader "Wir sind überall" stellt eine umfangreiche und ausführliche Einführung in dieses komplexe Thema dar.
Von Adi Quarti | 1. April 2007

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FAU: Die ersten 30 Jahre
Roman Danyluk/ Helge Döhring (Hg.): FAU: Die ersten 30 Jahre


Der Band beleuchtet die Geschichte der mittlerweile seit 30 Jahren bestehenden anarcho-syndikalistischen Freien ArbeiterInnen Union (FAU).
Von Gerald Whittle | 1. Dezember 2008

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Was mir heute wichtig erscheint #251

Mutig: Allerunterste Schublade: "Proler sägen Widerstandsbaum halb durch #S21; Polizei hat einen der Täter festgenommen und Tatwaffe sichergestellt." Pro-S21-SPACKEN sägen Widerstandsbaum halb durch

Niedergeknüppelt: Über 10.000 Menschen beteiligten sich an einer gewerkschaftlichen Protestdemonstration gegen ein Gesetzespaket, das zahlreiche und verschiedene einschneidende Verschlechterungen für ArbeiterInnen bedeutet. Die türkische Regierung handelte wie gehabt: Polizei, Wasserwerfer, Tränengas, Festnahmen. Im Angesicht der arabischen Massenrevolten wurde in den letzten Wochen zunehmend öfter die Türkei angeführt, als eine gelungene Synthese von Islam und Moderne. Auf jeden Fall eine Synthese, die offensichtlich mehr Gefallen findet, als die Protestwellen in arabischen Ländern: "Walking like an Egyptian, responding like Turkey" am 03. Februar 2011 bei Hürriyet Daily. (Via LabourNet, siehe auch Türkei: Reform der Arbeitsgesetze jetzt!)

Vorbei: „Nehmt euch die Orte, nehmt euch die Freiheit dir ihr braucht, besetzt die Häuser, macht die Stadt Bunt, Grau ist doch nicht das, was ihr wollt. Selbst jedem tollen Schwarzweisfoto geht ein farbiges Motiv vorran.„ Gedanken von den Baumpoeten zu "Leben statt Stahl und Beton"

Interesse: "Auf dem Tahrir-Platz –“ und in ganz Ägypten –“ harren diejenigen, die an eine bessere Zukunft ohne Mubarak, ohne Folter, Korruption und Unterdrückung der Meinungsfreiheit glauben, weiter aus und riskieren dafür weiter Leib und Leben. Können, ja dürfen(!) wir als globale “Zivilgesellschaft– da zurückstehen und uns abwenden? Nein! Diese Auseinandersetzung zwischen der Macht und dem Recht –“ der Macht, zu tun, was einem beliebt, und dem Recht auf Meinungsfreiheit, Unversehrtheit und Gleichberechtigung -, ist universell und betrifft den Fließbandarbeiter in Rüsselsheim ebenso wie den Obstverkäufer in Alexandria. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob dies eine “bürgerliche Revolution– ist, wie es vielleicht manche Linke abschätzig sehen mögen –“ jedes Quentchen Macht, das ein demokratisch gesinntes Volk seinen Eliten entreißt, ist ein Schritt in die richtige Richtung." sagt Frank Benedikt völlig zu Recht. Daher hier der Hinweis auf einen Beitrag von "Ein Dissident im nordafrikanischen Asyl": "Die Revolution in Ägypten: Das Ende der neuen Pharaonen?" bei der FAU, bei denen es eine Blogempfehlung gibt, die auch nicht schlecht ist: "The people want to bring down the regime" - "Reports from the Egyptian uprising"
 
Alterssicherung:
"Was sollen eigentlich junge, aufstrebende Talente, die sich für das Berufsbild des Diktators entschieden haben, denken, wenn sie sich das unwürdige Geschachere um die wohlverdiente Altersruhestätte des scheidenden ägyptischen Diktators Husni Mubarak anschauen müssen? Der gute Mann hat dem Westen immerhin über 30 Jahre treu gedient und die Erwartungen, die man in ihn setzte, übererfüllt. Ja meint denn die verweichlichte westliche Öffentlichkeit, der Herr Mubarak hätte freiwillig Oppositionelle foltern lassen? Nein, das tat ihm sicherlich genau so weh wie den Folteropfern und der Westen sollte lieber dankbar sein, dass es immer noch selbstlose Diktatoren gibt, die ihm die Drecksarbeit abnehmen." Jens Berger zur Frage, was denn eigentlich die ganzen ausgedienten Diktatoren in ihrer Altersteilzeit so machen, bzw. gemacht haben.

Bewährt: Mich selber hätte es ja gewundert, wenn der SPD in irgendeiner Frage etwas neues einfallen würde. Bekanntlich verrät diese Partei seit 1914. Der Pantoffelpunk hat trotzdem noch irgendwie Hoffnung und befragte Prof. Dr. Walter Rehberg von der bayerischen SPD-Lantagsfraktion zur Drogenpolitik der SPD. Die Antwort in der Kurzversion: "(...) Es funktioniert zwar überhaupt nicht, aber etwas neues zu probieren macht uns furchtbare Angst, denn es besteht ja eventuell die Gefahr, dass das neue noch weniger funktioniert bzw.: Anstatt etwas neues zu probieren, finden wir uns lieber mit alt bewährten Katastrophen ab –“ da wissen wir wenigstens, was wir haben. (...)". Das hätte ich vorher gewusst.

Schuldzuweisungen: "(...) Vom politischen Schlagabtausch haben die 4,8 Millionen Erwachsenen und zwei Millionen Kinder, um deren alltägliches Leben hier eine Entscheidung versagt wurde, gar nichts. Was Rot-Grün und Schwarz-Gelb als unüberbrückbare Differenzen vor sich herschieben, ist aus dem Blickwinkel der Betroffenen kaum als Unterschied auszumachen: Ob der Regelsatz nun um fünf oder elf Euro angehoben wird, ändert an ihren Teilhabechancen nur wenig –“ und es klingt beides nicht nach „Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“, den die Karlsruher Richter vor einem Jahr zum Anspruch erklärt haben. (...)" Tom Strohschneider im Freitag zu den gescheiterten Hartz IV Gesprächen. Die Kontrahenden setzen während dessen auf den Bundesrat. Auch dort wird es für den Systemfehler Hartz IV keine Lösung geben. Entscheidend ist, wie sich die Betroffenen selbst organisieren. Die Wutbürger seinen dafür zu ruhig. Meint Ines Wallrodt im "Neuen Deutschland".

Zustände: Nicht zuletzt angesichts der bayerischen Zustände findet in München von 12. bis 20. März eine "Aktionswoche gegen Repression" statt. Bei luzi-m.org wird das Programm vorgestellt.

Bemerkenswert: In den vergangenen Wochen ist es in der arabischen Welt zu mehreren Volksaufständen gekommen. Einer davon führte zum Sturz des tunesischen Diktators Zine El Abidine Ben Ali. Das Ende des Regimes des ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak scheint unmittelbar bevorzustehen. Jordanien hat eine neue Regierung, und der altgediente Diktator des Jemen hat geschworen, am Ende seiner Amtszeit abzutreten. Amy Goodman sprach mit Noam Chomsky (emeritierter Professor des Massachusetts Institute of Technology (MIT)) über die Situation in Ägypten. Siehe auch das junge Welt Dossier "Aufstand in Ägypten".

Übersetzung: "Wir alle sind aufgerufen, unsere Gesellschaft so zu bewahren, dass wir stolz auf sie sein können", ruft Hessel seinen Lesern zu. Wenn die Reichen die Medien beherrschen, die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet, dann sei Widerstand angesagt. Nie sei die Macht des Geldes "so groß, so anmaßend, so egoistisch" gewesen. "Das gesamte Fundament der sozialen Errungenschaften der Résistance steht heute auf dem Spiel. Denn man wagt uns zu sagen, der Staat könne die Kosten dieser sozialen Errungenschaften nicht mehr tragen. Aber wie kann heute das Geld fehlen, da doch die Produktion seit der Befreiung beträchtlich gewachsen ist, während Europa damals in Trümmern lag?" Stephane Hessels "Empört Euch!" ist am Dienstag auf Deutsch in einer Erstauflage von 50.000 Stück im Ullstein-Verlag erschienen und sollte im Vergleich mit "Der kommende Aufstand" gelesen werden. Siehe dazu die Rezension von Fritz Güde: "L–˜insurrection qui vient" - An der Bahnsteigkante knapp vor "Ankunft der Revolution" und Noch einmal: "L–˜insurrection qui vient" (via Duckhome / hintergrund.de)

Abgewürgt: Die Stadt Dresden gewährt den Neonazis am 13. und 19. Februar das Demonstrationsrecht. Die Gegner werden hinter die Elbe verbannt. Dazu die Berichte in der taz und der jungen Welt. In dem Zusammenhang lesenswert: Der jW Beitrag von Kurt Pätzold "Worüber es am 13. Februar nachzudenken lohnt".

Neugründung: ""Sortu" heißt die Partei, mit der die linke baskische Unabhängigkeitsbewegung wieder in die Institutionen im spanischen Baskenland einziehen will. Sortu bedeutet: schaffen, aufbauen, sprießen. Der Name ist Programm. Etwas Neues wurde auf den Weg gebracht, als die Partei am Montag im baskischen Bilbao von Persönlichkeiten vorgestellt wurde, die in der Geschichte der 2003 in Spanien verbotenen Batasuna (Einheit) oder zuvor Herri Batasuna (Volkseinheit) eine bedeutende Rolle gespielt haben. (...)" Beitrag von Ralf Streck bei telepolis

Rentenreform: "Letztlich wurde durchgesetzt, wovor die CNT gewarnt hat: die Regierung einigte sich mit den offiziellen Gewerkschaften auf die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre. Das sehen wir als einen der größten Angriffe auf unsere Rechte in der jüngeren Geschichte an." CNT, Sekretariat für Presse und Medien 27. Januar 2011 via FAU.org

Politikerverpflanzung: "Seit fast 50 Jahren stehen Politiker derselben Gattung an der Spitze Baden- Württembergs, nun sollen sie verpflanzt werden. Hauptsächlich handelt es sich um die Arten CDU und FDP die von der Verpflanzung betroffen sind. Sie sollen durch fairere, gerechtere und ehrlichere Politiker ersetzt werden. Längst überfällig meint ein Experte: „Nach 50 Jahren haben die Politiker einen nicht mehr Kontrollierbaren Filzpilz angesetzt...“, er führte fort das dies für diese Art nicht selten sei, auch andere Bundesländer hätten ähnliche Probleme. (...)" Mehr dazu bei den Baumpoeten

Unkontrolliert: IGaSt oder "international agierende gewaltbereite Störer" heisst eine Datei beim Bundeskriminalamt. Gesammelt wird dort alles, was sich einem potentiellen Demonstranten in Erfahrung bringen lässt. Von besonderen Interesse sind Kommunikationsmittel und Zugehörigkeiten zu verschiedenen Gruppen. So empfiehlt es der EU Rat der Innenminister in einem Leitfaden. Denn das BKA tauscht sich weiter aus: Die Daten gehen dann auch zu dem seit 01.01.10 in voller Blüte arbeitenden Europäischen Polizeiamt "Europol". Schon bei Abfassung des baden-wüttembergischen Polizei Gesetzes war bekannt, dass Europol keiner Datenschutzkontrolle durch eine Datenschutzbehörde in Europa unterliegt. Wer kontrolliert aber die Daten, die hier z.B. aus der Infiltration politischen Protestes gewonnen werden? Radio Dreyeckland fragte den deutschen FDP Europa-Abgeordneten Alexander Alvarao, der in der liberalen ALDE Fraktion im Innen und Rechtsausschuss sitzt.

Extremismusquatsch: In seiner Sitzung am 3.Februar 2011 hat der Heilbronner Gemeinderat eine Resolution „Für eine offene Stadt- Heilbronner Bündnis gegen Rechtsextremismus“ beschlossen, mit der sich die Stadt gegen den Großaufmarsch von Faschisten am 1.Mai in Heilbronn richtet. Gleichzeitig äußerten sich VertreterInnen aller Parteien zur Resolution und dem bevorstehenden Naziaufmarsch. Nicht ohne einmal mehr die Extremismusleier zu drehen. Erklärung der Antifaschistischen Aktion Heilbronn.

Nachruf: Gestorben am 8. Februar 1921, wurde fünf Tage später in Moskau Fürst Peter Kropotkin –“ neben Proudhon und Bakunin einer der bedeutendsten Klassiker des Anarchismus –“ unter Anteilnahme einer vieltausendfachen Menschenmenge zu Grabe getragen. Beitrag von Johannes K. F. Schmidt in der GÇŽidào Nr.02 /02.2011

Fake: Social Networks sind zu einem der wichtigsten Kommunikationsmittel geworden. Das scheinen jetzt sogar die letzten Dorfnazis wie die aus Tostedt verstanden zu haben, denn sie versuchen mit zahlreichen falschen Profilen und Gruppenseiten, an Informationen zu gelangen.

Inspiriert: Bei Gelegenheit werde ich Pepper Ann's Rezept für Sellerieschnitzel in der VolxKüche ausprobieren.

Was mir heute wichtig erscheint #249

Ostwärts: Wegen der doppelten Abi-Jahrgänge werden Studienplätze knapper. Ministerin Schavan will daher den Hochschulpakt aufstocken und Studenten den Osten schmackhafter machen. Statt Rübermachen raten wir: An den Bildungsprotesten teilnehmen und für mehr und bessere Bildung kämpfen! Zum Beispiel in Stuttgart am 29.01.

Verharmlosung: Der Infoladen Ludwigsburg dokumentiert einen reichlich verharmlosenden Artikel der Stuttgarter Zeitung zu den rechten Umtrieben in Neuhausen a.d.F. (bei Esslingen). Zu den Hintergründen siehe auch den Beitrag der VVN-BdA Esslingen.

Beendet: Gute Nachrichten für Freunde der altägyptischen Kunst! Der jahrzehntealte Streit zwischen Deutschland und Ägypten um die weltberühmte Büste der Nofretete ist endlich beigelegt. Kunstkenner sprechen von einer "wahrlich salomonischen Lösung des Problems".

Austausch: Die Vollversammlung für Autonome Politik in NRW, wurde im Sommer 2010 gegründet um ein themenübergreifendes Forum zu schaffen für AktivistInnen aus dem breiten autonomen Spektrum, in dem Erfahrungen ausgetauscht und auch kritische Auseinandersetzungen solidarisch auf gemeinsamer politischer Grundlage geführt werden können. Am 30.1.2010 findet die mittlerweile vierte Autonome Vollversammlung NRW im Autonomen Zentrum in Köln statt. Los geht es ab 13 Uhr.

Tauchspass: "René Mähl hat eine Vision. Der IT-Manager bei den Energiewerken Nord (EWN) will ein riesiges Indoor-Wassersportzentrum in den Blöcken 7 und 8 des ehemaligen Kernkraftwerkes Bruno Leuschner entstehen lassen. Neben dem größten Indoor-Tauchbereich Europas samt Korallenriff und 16 Meter langem Wrack gehören zu dem Projekt ein Spaßbad, Fitnesscenter, Wellness- und Saunabereich, ein Abenteuerspielplatz, eine 40 Meter hohe Kletterwand, Geschäfte und Gastronomie. (...)" Bericht der Ostsee Zeitung vom 24.01.2011

Führerpärchen: Gestern war sie bei "Maischberger", heute  in Ursula und Thilo und Bonnie und Clyde bei ad sinistram: "Die Albernheit mit der Debatten zuweilen geführt werden, zeichnet sich oft schon im lapidaren Schlagwort ab, unter dem das Geschwafel firmiert. Man muß nicht wissen, was hinter der Frau Sarrazin-Debatte steckt, um zu erahnen, dass das eine besonders belämmerte Abwicklung reaktionärer Feuchtträume sein muß; der dösige Versuch, die Frau eines Reaktionärs in Szene zu rücken, sie zum Fels in dessen Brandung umzuschreiben - im gemeinsamen Heim der Sarrazins, so das Bild das entstehen soll, da gedeihen Ansichten, die jeder hege, die sich aber niemand zu formulieren getraut. (...)"

Empörung: Niki Lauda, seines Zeichens pensionierter Rennfahrer und Mitschwafler bei der Formel 1, empört sich über zwei miteinander tanzende Männer bei einer “Dancing-Show– des österreichischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Dazu ein Beitrag beim Dwarslöper.

Unübersichtlich: Es sieht so aus, als ob es in Ägypten gerade eine Revolution gibt. Meint fefe

Bürgerkriegsübungen:
Mit den European Union Police Forces Trainings und der Europäischen Gendarmerietruppe schafft sich die Europäische Union ein stattliches Arsenal zivil-militärischer Intervention –“ nicht nur im Ausland. Matthias Monroy zu "Bürgerkrieg in Askania - Europäisches Polizeitraining in Lehnin". Über die Zusammenarbeit europäischer Sicherheitskräfte referiert der Autor dieses Wochenende in Berlin beim Kongress »Europa entsichern«. Dazu passend: "Mitte Februar findet der »14.Europäische Polizeikongreß« im Berliner Congress Center am Alexanderplatz statt. Das Treffen wird von Privatfirmen wie der Telekom gesponsort und von den Polizeigewerkschaften und dem Bundes­innenministerium unterstützt. Sicherheitsexperten, Militärs, Polizeibeamte und politische Entscheidungsträger werden dort unter dem Motto »Migra­tion Integration Sicherheit in Europa im Wandel« zusammenkommen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem das Thema »Neueste Entwicklungen im polizeilichen Informationsaustausch in Europa« und die Zusammenarbeit von Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. (...)" Beitrag von Markus Bernhard in der "junge Welt" zu den geplanten Protesten.

Klarstellung: Die Unternehmer gegen S 21 organisieren im Café Schlossblick eine Lesung mit dem Erfolgsautor Gunter Haug zum Thema: Württembergische Sternstunden –“ Robert Bosch und Gottlieb Daimler –“ Männer die die Welt bewegten. Gunter Haug wird u. a. klarstellen, dass sich Bosch und Daimler keinesfalls, wie von Stefan Mappus behauptet, für S 21 ausgesprochen hätten. Montag, 31. Januar 2011. Café Schlossblick, Königstraße 22, Stuttgart 20 Uhr (Dauer der Lesung: ca. 75 Min.) Eintritt: frei, Spenden zugunsten des Fonds für die Schwerstverletzten vom 30.09.2010.

Identität: Eine schöne Grafik aus dem Graphitti-Blog, zum Thema billige Lebensmittel. Via Konsumpf

Haltung: Norbert Schatz, der suspendierte Kommandant der "Gorch Fock", hat offenbar eingeräumt, Offiziersanwärter nach dem Todessturz einer Kadettin beschimpft zu haben. Laut "Sueddeutsche" nannte er Soldaten "minderwertiges Menschenmaterial". Das ND meint zum Bericht des Wehrbeauftragten: "Beim Bund geht's weiter bunt zu." Wenigstens ist die Nachfolge von Schatz geregelt: "Nach ihrer Beurlaubung hat Verteidigungsminister Guttenberg der strengen Frau Sarrazin das Kommando der "Gorch Fock" angeboten."

Nachruf: Fritz Güde hat gestern ein Nachwort zu Peter Paul Zahl geschrieben. Bei Entdinglichung wird ein ebenfalls lesenswerter Nachruf der Libertarian Press Agency zitiert.

Geschmacklos: Bionade ist nach dem Verkauf an Dr. Oetker auch nicht mehr das, was es mal war.

Schöngeschrieben:
Die "Bild-Zeitung schreibt die Leiharbeit schön", Beitrag von Silvio Duwe auf telepolis mit dem Nachweis: Die Fachberatung zum Artikel stammt von einem Lobbyverband.

Anerkennung: Lateinamerika erkennt Palästina an. Zwei Interviews zur Anerkennung Palästinas in den Grenzen von 1967 durch lateinamerikanische Staaten - mit Robert Kurz und Harald Neuber.

Streikvorbereitung:
Am 27. Januar beginnt ein Generalstreik gegen die Folgen der Krise in Katalonien, Baskenland und Galizien. Mobilisiert wird unter anderem zu einer Demo in Barcelona um 17.30 Jardines de Gracia. Dazu rufen auf: CNT, CGT, Coordinadora Obrera Sindical, Solidaritat Obrera, La Assamblea de Barcelona und viele antikapitalistische Gruppen. Mehr Infos bei: http://assemblea.byethost2.com/  sowie http://29-s.net/ und http://www.kaosenlared.net. Die baskische Gewerkschaft LAB hat in einer symbolischen Aktion mehrere Banken in Bilbao, Donostia und Gasteiz besetzt. So drangen u.a. gegen 11.30 ca. 60 Personen in die Santander Bank auf der Gran via in Bibao ein und entrollten Transparente mit Aufschriften wie “Euer Geschäft, ist unsere Misere–, “Hände hoch dies ist ein Banküberfall–, “Banken und Staat klauen unsere Pensionen– oder “Unsere Pensionen sind nicht verhandelbar–. (Freunde des Baskenlandes)

Ausgrenzung: Ablehnende Einstellungen gegenüber Minderheiten wie Muslimen oder Langzeitarbeitslosen nehmen gerade in besserverdienenden und bildungsnahen Schichten zu. Das zeigen aktuelle Einstellungsuntersuchungen der Universitäten Bielefeld und Leipzig. Eine inhaltliche Debatte über fremdenfeindliche und rassistische Vorurteile und ihre Ursachen ist dringend notwendig. Eine Möglichkeit hierfür sind die Internationalen Wochen gegen Rassismus, die vom 14.-27. März 2011 stattfinden werden. Via DERSCHWARZEBLOG

Legalisierung: Am 25. Januar 2011 haben 300 MigrantInnen in Athen und Thessaloniki einen unbefristeten Hungerstreik begonnen. Asylsuchende, Papierlose und Flüchtlinge fordern mit dieser koordinierten Aktion eine Legalisierung aller MigrantInnen in Griechenlan. Siehe die Erklärung der Hungerstreikenden sowie die Presseinformation von w2eu zum Hungerstreik in Griechenland 25. 1. 2011 via Bündnis gegen Lager Berlin / Brandenburg

Perspektive: Kurz nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten, Zine El Abidine Ben Ali, sprach Amy Goodman von Democracy Now! mit Juan Cole, Professor für Geschichte an der University of Michigan über die Lage in Tunesien. YeniHayat führte ein Interview mit dem Sprecher der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens und Direktor der Zeitung „Al Badil“ (Die Alternative), Hamma Hammami, über die Entwicklungen und die Zukunft Tunesiens und die Forderungen des tunesischen Volkes.

Hoffnung: Troy Anthony Davis' Verteidigersteam startet einen neuen Versuch zu einer erneuten Aufnahme des Verfahrens gegen den Todeskandidaten mit dem Ziel der Verhinderung seiner Hinrichtung.


Was mir heute wichtig erscheint #247

Verdeutlichung: Liberté? Egalité? Wie es damit bei elsässischen Gerichten aussieht, macht ein kurzer Vergleich des BUND südlicher Oberrhein von drei Gerichtsurteilen in Sachen Umweltrecht deutlich.

Mobilisierung: Die antifaschistische Linke Freiburg mobilisiert mit eigenen Bussen zu den Protesten gegen die faschistischen Aufmärsche in Dresden am 13. und 19. Februar. Zu den verschiedenen Möglichkeiten, an diesen Tagen nach Dresden zu gelangen, gibt es eine zentrale Bussseite. Zu den Protesten mobilisieren unter anderem die Bündnisse Dresden Nazifrei und No Pasaran.

Wiederholung: Am 17.01.2011 wurde das ehemalige Jugendkulturzentrum "Z" unter dem Freiburger Siegesdenkmal zum dritten Mal von AktivistInnen und UnterstützerInnen der Initiative Epsilon besetzt. Vorher zog eine Bildungsstreik-Demonstration mit 500 TeilnehmerInnen durch die Innenstadt Freiburgs. Circa 150 DemonstrantInnen solidarisierten sich mit den BesetzerInnen und schlossen sich diesen nach der Demonstration an. Die Verantwortlichen in der Stadt juckten die Belange der Jugendlichen wenig, sie ließen das "Z" gewaltsam räumen. In einer Presseerklärung solidarisierte sich auch das Referat für Politik- und Meinungsfreiheit des UStA der PH Freiburg und unterstützt die Initiative Epsilon in ihrer Forderung nach einem selbstverwalteten Jugendzentrum das unkommerzielle Kultur und freie Bildung ermöglichen.

Kündigung: Seit 1999 besteht das selbstverwaltete Projekt „Bauzug 3yg“ in zwanzig ausrangierten Eisenbahnwaggons und einem dazugehörigen Haus am Stuttgarter Nordbahnhof. Das Projekt ist über die Jahre zu einem wichtigen Bestandteil der Stuttgarter Kunst,- und Subkulturszene geworden und gilt vielen Menschen als ein besonderer Ort in Stuttgart. Eine Stellungnahme der Betroffenen.

Fragestellung: Seit 2007 schwelt –“ und gelegentlich brennt –“ die Finanzkrise und bestätigt vor allem die Mahner, die stets vor einem “Systemfehler– im Kapitalismus gewarnt haben. Was ist seither geschehen? Haben wir etwas daraus gelernt, hat sich unser Denken gewandelt? Hat vor allem die Politik adäquat reagiert? Und sind wir jetzt auf dem Weg zu einer transparenteren und gerechteren Demokratie? Diesen Fragen will sich auch der erste Kölner Blogger-Kongress stellen, da gerade Bloggerinnen und Blogger oftmals das aussprechen, was in der “offiziellen– Presse schon mal gerne unter den Tisch fällt. Unter dem Motto “ReEvolution –“ Der Kongress bloggt– haben die Veranstalter, Ulrike und Jürgen “Kaiserbubu– Beck, einen bunten und herausfordernden Mix aus Kunst, Musik und politischem Journalismus zusammengestellt, der nicht so schnell seinesgleichen finden dürfte. Mehr dazu bei Frank Benedikt.

Verwandlung: Adrian zu einer widerlichen Sache bei Bündnis 90/Grüne.

Zusicherung: Nee, was kann lustig sein, der Karl-Theodor. Wirklich. Meint Dauni zum Ministerspruch anlässlich des Todes eines Soldaten bei einem gefährlichen Spiel.

Vorratsdatenspeicherung:
Der von Zeit Online zum Netzexperten der SPD ernannte Alvar Freude findet Vorratsdatenspeicherung gar nicht so schlecht. Ein klassisches Beispiel von Wes Brot ich ess, des Lied ich sing? Fragt sich der Schockwellenreiter.

Entwicklung: Bei redblog gibt es den neuesten nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick zur Entwicklung in Lateinamerika.

Sicherheitsverletzung: Die EU-Kommission hat einen sofortigen, EU-weiten Stopp des Emissionsrechtehandels verfügt. Nicht etwa, weil damit letztlich die Umweltzerstörung vorangetrieben wird - als Grund für die Sofortsperre werden wiederholte Sicherheitsverletzungen bei nationalen Handelsbörsen angegeben.

Drohung: Die Verhandlungen über einen branchenweiten Tarifvertrag auch für die Lokführer sind gescheitert. Anders als die Bahngewerkschaft EVG konnte sie sich in Verhandlungen mit den sechs größten Privatbahnen nicht einigen, wie die Lokführergewerkschaft GDL und die sechs großen Konkurrenten der Deutschen Bahn (G-6) am Freitag mitteilten.

Einschüchterung: WikiLeaks-Mitarbeiter Jacob Appelbaum wurde erneut - und somit zum nunmehr dritten Mal - am Flughafen durchsucht und befragt. Der jüngste Vorfall ereignete sich auf der Rückreise Appelbaums vom kanadischen Toronto in die USA, wie der Aktivist auf Twitter berichtet. Er vermutet politische Motive.

Überwachung: Kritiker des voranschreitenden Abbaus von Grund- und Freiheitsrechten in der Bundesrepublik geraten zunehmend ins Visier der Geheimdienste. So erging es auch dem renommierten Bürgerrechtler und Anwalt Dr. Rolf Gössner. Der Mitherausgeber des alljährlich erscheinenden Grundrechte-Reportes ist seit 2007 gewähltes Mitglied der Innendeputation der Bremer Bürgerschaft. Gössner wurde fast vier Jahrzehnte hinweg vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beobachtet.

Geheimhaltung: "(...) Gegründet wurde der BND an einem Ersten April 1956, hervorgegangen aus der Organisation Gehlen, einer CIA-Gründung unter dem Kommando des Nazi-Generals Reinhard Gehlen. Er rekrutierte seine alten Kameraden für den Kalten Krieg, dort zählte nur der Antikommunismus. Ob jemand sein Handwerk bei der SS oder der Gestapo gelernt hatte, interessierte nicht. Auch nach dem Ende des Kalten Kriegs änderte sich in Pullach wenig. Während nordamerikanische Geheimdienste seit den siebziger Jahren - meist nach Gerichtsurteilen - ihre Unterlagen herausgeben müssen, wurde in der Bundesrepublik erst 2005 das Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet, das die Geheimdienste ausdrücklich ausnimmt. (...)" Gaby Weber bei telepolis über dei Aufarbeitung der BND Geschichte.

Verurteilung: Das Amtsgericht Stuttgart hat den Sprecher des Bündnisses gegen den Bau des neuen Hauptbahnhofs »Stuttgart21«, Gangolf Stocker, am Donnerstag wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 1500 Euro verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts war Stocker als Versammlungsleiter der Demonstration am 27.August 2010 nicht, wie vom Ordnungsamt bestimmt, für die gesamte Dauer der Demonstration anwesend. Bericht in der Tageszeitung "junge Welt", siehe auch die Pressemitteilung des Stuttgarter Bündisses für Versammlungsfreiheit.

Selbstbedienung: Nach Informationen der Weltbank besass die tunesische Zentralbank über lange Zeit stets 6,8 Tonnen Gold. Jetzt sind es nur noch 5,3 Tonnen. Wo das Gold geblieben ist, wird nicht erklärt. Gegen Berichte, Ben Alis Frau sei mit schwerem Gepäck ins Exil, wird sich noch immer gewehrt.

Abschwächung: In Sachsen wurde vom Innenministerium überraschend die Residenzpflicht für Migrantinnen und Migranten gekippt. Damit ist es für geduldete Ausländer in Zukunft möglich, sich ohne Meldung bei den Ausländerbehörden im Freistaat Sachsen frei zu bewegen. Die Neuregelung gilt jedoch nicht für Asylsuchende in laufenden Verfahren und vorbestrafte Menschen. Die Alternativen Dresden News mit einem ausführlichen Beitrag.

Entgrenzung: Mehrere bekannt gewordene Einsätze verdeckter ErmittlerInnen dokumentieren deren zunehmend internationale Verwendung in linken Zusammenhängen. Vorrangige Ziele scheinen unter anderem das Dissent!-Netzwerk und Tierrechtsaktivismus gewesen zu sein. Die EU will noch mehr Vereinfachung, eine entsprechende Initiative startete unter deutscher Präsidentschaft 2007. Beitrag von Matthias Monroy bei euro-police

Umbettung:
Wladimir Lenins „ewiger Schlaf“ kann gestört werden, schreibt die Zeitung „Wedomosti" am Freitag. Der Duma-Abgeordnete Wladimir Medinski (Geeintes Russland) hat am Donnerstag vorgeschlagen, die Schlüsselfigur der Oktober-Revolution, dessen einbalsamierter Leichnam in einem Mausoleum auf dem Roten Platz liegt, umzubetten.

Einstellung:
Die Verleumdungsklage gegen Scharf-Links-Herausgeberin Edith Bartelmus-Scholich wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Geheimnisverbreitung: Udo Vetter in einem Beitrag: Was man wie bloggen darf und wie man Kritik äußern kann. Vortrag über Bloggerbenimmse auf dem 27c3 (Video, 59:13 Min.) Gefunden bei opalkatze.

Freilassung: Moshrefa Mishu, Präsidentin des Garment Workers Unity Forum (GWUF), einer TextilarbeiterInnengewerkschaft in Bangladesch wurde am 14. Dezember 2010 verhaftet. Die Festnahme erfolgte ohne Haftbefehl nach Massenprotesten der ArbeiterInnen bei denen die Umsetzung der Erhöhung der bereits erkämpften Mindestlöhne gefordert wurden. Moshrefa Mishu wurde während der Haft misshandelt und mit dem Tode bedroht und die Polizei erlaubte ihr nicht, die notwendigen Medikamente mitzunehmen. Mishu's Gesundheit hat sich als Folge von Misshandlungen und anschließender Verweigerung einer angemessenen medizinischen Behandlung während der Haft verschlechtert. LabourStart hat eine Petition gestartet, um die Regierung von Bangladesch zur unverzüglichen Freilassung von Moshrefa Mishu und zum Fallenlassen der Anschuldigungen zu veranlassen.

Anhörung: Das Jericho Movement ruft dazu auf, COINTELPRO vor den U.S. amerikanischen Kongress zu bringen. Mittels dieses Programmes wurde vom FBI zwischen 1956 und 1971 massiv in außerparlamentarische und revolutionäre Bewegungen und Organsiationen "gewirkt", um diese zu zersören. Bekannteste Opfer sind neben der Black Panther Party auch die Republic of New Afrika, Nation of Islam, American Indian Movement und darüber hinaus jedeR, der in diesen und anderen Bewegungen aktiv war. Noch heute sind zahlreiche AktivistInnen dieser Bewegungen gefangen. Zur Petition.

Militarisierung: Schon jetzt erhält der äthiopische Premierminister Meles Zenawi umfassende Militärhilfen aus Deutschland und anderen NATO-Staaten, um die somalische Übergangsregierung zu unterstützen. Diese jedoch wird von der somalischen Bevölkerung mit ähnlich überwiegender Mehrheit abgelehnt, wie die dauerhaften Interventionen Äthiopiens in Somalia, die tatsächlich eine destabilisierende Wirkung in der Region entfalten. Somalia erhebt bis heute Gebietsansprüche gegenüber Äthiopien, die bereits 1977 zum Ogadenkrieg geführt haben, wo bis heute eine große somalische Minderheit wohnt, die von massiven Repressionen durch die äthiopische Regierung betroffen ist. Es ist daher davon auszugehen, dass auf der Münchener Sicherheitskonferenz weitere Hilfen für Äthiopien und eine weitere Eskalation am Horn von Afrika abgesprochen werden, die geeignet sind, die gesamte Region weiter zu destabilisieren. Einen Überblick über das gegenwärtige Engagement der Internationalen Gemeinschaft am Horn von Afrika liefert die neue IMI-Analyse "Schlechte Rezepte für den Golf von Aden"

Athen: Wer sind die "Feuerzellen"? Sind ihnen die Brandbriefe zuzutrauen?

Mit großem TAMTAM ist der Prozess gegen eine ganze Anzahl von angeblichen Mitgliedern der "Verschwörung der Feuerzellen" in Athen angelaufen - und zwar nicht wegen einzelner Bomben und Brandbriefe, sondern wegen "Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung". Möglicherweise hat man von der RAF-Prozess-Fabrik in Stammheim gelernt: Taten sind immer schwer nachweisbar, Gesinnungen und daraus abgeleitete Zugehörigkeiten  leichter.

Da  außer Beschwörungsgesten gegen "Anarchisten" und feierlichen Verfluchungen über Wesen und Absichten dieser "Feuerzellen" herzlich wenig in Deutschland zu erfahren ist, soll hier aus einem Text von  September 2009 - also lang vor den verhandelten Anschlägen 2010 - berichtet werden. Was war zumindest damals die Motivation der Zellen?

Einige Auszüge: Zunächst geben die "Zellen" eine Übersicht: wie ist die gesamte gesellschaftliche Lage  Griechenlands- nach und in der Krise ab 2008 und unmittelbar vor den Neuwahlen?
Merkwürdiger Weise wird die "Krise" hier im Wesentlichen als eine Machination der Herrschenden behandelt, die bewusst eingesetzt wird, um die Leute bei der Stange zu halten. Dass die Krise die Herrschenden selbst an der Gurgel hält und schüttelt, wird in diesem Text nicht erwogen. "Zuallererst ist die Idee der Krise, mit  der wir permanent durch die Presse bombardiert werden, ein militärischer Befehl, ein Befehl, der einen gesellschaftlichen Alarmzustand vorschreibt. Die gesellschaftliche Angst, die vor dem Unbekannten der Krise Parade läuft, hat ihren eigenen,sehr ausgeprägten Geruch. Es sit der Geruch der Feigheit, der allem anhaftet,das die Bourgeoisie akzeptiert hat, all den Wünschen, die sie nie entdeckt haben,all den Erniedrigungen, auf die sie nie reagiert haben,all den Rollen, die sie vor den leeren Bühnen ihres bourgeoisen Fantasierens gespielt haben.Gesellschaftliche Angst hat auch ihre eigene Ausdrucksweise, sie ist rachsüchtig, kleinlich und konservativ" (Seite 319/320)

Es wird dann ausgeführt, inwiefern in der neueren Geschichte Griechenlands, aber auch in den USA immer neu die Krise als Drohgespenst eingesetzt wurde, um aus Verängstigten einen Block zu bilden.

Die Erklärung zur Niederlegung von zwei Bomben vor der Börse und vor einem Regierungsgebäude in Thessaloniki ergibt sich dann aus dieser Voraussetzung:  dem Zwangszusammenschluss der verängstigten Bürger muss etwas entgegengesetzt werden, das sich der öffentlichen Choreografie (Neuwahlen) entzieht und Spontaneität -Freiheit- signalisieren soll.

Warum Bombe gerade an diesem Ort? Weil dort die Polizeibewachung besonders dicht war. Wenn es an einer solchen Stelle gelingt...

Die erwartete Wirkung unter der Bourgeosie Thessalonikis und Athens ist erwartungsgemäß nicht eingetreten.

Interessant aber eine technische Nebenbemerkung zu den Begleitumständen der Bombenzündung. "Um Verletzungen zu vermeiden, haben wir einen Fernsehsender und die Polizei informiert". (Seite 321) Wenn das so ist, sollte es also im Wesentlichen auf den Schock ankommen, nicht auf die tödliche Wirkung.

Den "Zellen", denen heute der Prozess gemacht wird, werden hauptsächlich Briefbomben vorgeworfen. Jedem Krimi-Gucker ab zehn Jahren ist aber klar, dass unter keinen Umständen damit zu rechnen ist, dass Frau Merkel, die Lockenwickler noch im Haar, höchstpersönlich vor die Tür des Kanzleramts stürzt, um ihre Post noch auf der Treppe gierig aufzureißen. Normalerweise läuft so ein Brief, ob er nun tickt oder nicht, durch drei bis vier Hände, die alle eher abgesprengt werden als die einer Kanzlerin.

Das heißt, als ernst gemeinte Waffe gegen einen Staatschef oder nicht - wie schuldig auch immer - sind Briefbomben das untauglichste Mittel. Sie treffen notwendig andere, was jedenfalls nach dem Text vom September 2009 strikt vermieden werden sollte. Als bloßes Schreckmittel in aller Welt sind solche Briefe auch nicht brauchbar. Sie schrecken nach den ersten Probefällen zu wenig.

Sollte es möglich sein, dass - wie in anderen Fällen - sich die stets aktiven "Dienste" in die Organisation der "Zellen" eingeschlichen haben? Um europaweit das große Schreckens-Huch auszulösen?
Unmöglich wäre es nicht.

Auf jeden Fall - so subjektivistisch und damit auf lange Sicht falsch - die "Zellen" nach dem einzigen mir bekannten Text vorgehen, es ist unverantwortlich und im höchsten Grad leichtfertig von der deutschen Presse, nur dem Angstmachen zu dienen, nicht aber der Aufklärung. Ein wenig mehr wüsste man von den Mitgliedern der "Zellen" schon gern, als dass sie zur fluchwürdigen Gemeinde der "Terroristen" zu rechnen sind.

Der vorliegende Text ist entnommen einer neu herausgekommenen Sammlung von Texten aus der griechischen Bewegung. "Wir sind ein Bild der Zukunft - auf der Straße schreiben wir Geschichte: Texte aus der griechischen Revolte". Nach dem Vorwort nach September 2010 herausgekommen. Laika-Verlag. Edition Provo Band 1 / Karlheinz Dellwo.

Der Band enthält sehr viel Stimmungsberichte aus den Straßenkämpfen ab 2008 in Griechenland. Dazu wenige zusammenfassende theoretische Darlegungen. Nach erstem Eindruck lange nicht von der Geschlossenheit der "insurrection qui vient", aber immerhin nützlich für alle, die einen Blick hinter den Rauchvorhang der einschlägigen bürgerlichen Presse werfen wollen. Es wird darauf zurückzukommen sein.


Die Monkey Wrench Gang

Buchcover
2010 wurde der Kultklassiker "Die Monkey Wrench Gang" von Edward Abbey - illustriert mit 50 Zeichnungen von Robert Crumb - im Verlag Walde-Graf neu aufgelegt. In Zeiten, in denen die diversen Bestsellerlisten von esoterischen Ratgebern, allerlei Lehrbüchern zur Frage, wie man am stilvollsten Menschen umbringt oder Sachbüchern abgehalfteter Bundesbankvorstandsmitglieder überquellen, liest sich der subversive Roman eher ungewohnt. Die unterhaltsame Lektüre in Sachen "Ziviler Ungehorsam" hat zwar schon 36 Jahre auf dem Buckel und die Mentalität seiner Protagonisten entspricht einem scheinbar längst untergegangenen Menschenschlag - trotzdem: Eine lesenswerte und inspirierende Anleitung dafür, wie man im wahrsten Sinne des Wortes Sand ins Getriebe streuen kann.

Die Kernhandlung spinnt sich um 4 grundverschiedene Öko-Saboteure, einen Staudamm, der den Colorado River aufstaut und von verschiedenen Brücken. Und von ihrem verwegenen Plan, der Natur wieder zu ihrem Recht zu verhelfen.

Der Finanzier des Quartetts, Doc Sarvis und seine praxisorientierte Lebensgefährtin Bonnie Abbzug fackeln nicht lange. Insbesondere bei Werbeplakattafeln, die regelmäßig in Flammen aufgehen, wenn die beiden in der Nähe sind. Der recht abgewrackt herumlaufende Vietnam-Veteran George Washington Hayduke III., träumt permanent von "Dynamit, Dynamit, Dynamit". Am besten von DuPont. Dann wäre da noch der von seinen drei Frauen selten gesehene Mormone Joseph Fielding "Seldom Seen" Smith. Er organisiert Bootstouren auf dem Colorado River. Bei einer solchen lernen sich die vier kennen.

Die netten Saboteure üben sich zunehmend professioneller in der endgültigen Außerbetriebsetzung von Baugerätschaften aller Art, allen voran den bekannten Baggern und Erdräummaschinen der Firma Caterpillar, bekanntlich der weltgrößte Hersteller von Baumaschinen mit Hauptsitz in Peoria, Illinois (USA). Die Maschinen der auch heute noch unbeliebten Firma zeigen sich unerwartet empfindlich gegen Ablassen von Motoren- und Hydrauliköl, gegen Sand oder Melasse im Tank ebenso wie gegen brennbare Flüssigkeiten. Nach eingehender Behandlung mit dem namengebenden "Monkey Wrench" - dem schweren Schraubenschlüssel - widersteht keines der auf üblichen Großbaustellen verwendeten Fahrzeuge und anderen Gerätschaften. Aber auch ganz ohne Werkzeug lassen sich Vermessungspfähle durchaus kreativ neu anordnen.

Unwissende LeserInnen erfahren durch die Lektüre, welche Tricks und Werkzeuge dazu nötig sind, und was man anstellen muss, um ein derartiges Fahrzeug zu starten. Überhaupt hat das Buch zahlreiche Tipps für zukünftige Saboteure auf Lager, die fernab von Northface oder Jack Wolfskin Lifestyle Trekking ein Überleben und Agieren unter schwierigen Bedingungen ermöglichen, vom Anlegen von Depots für Nahrungsmittel und Werkzeug, der Geldbeschaffung bis hin zum Fahrzeug- und Kennzeichenwechsel. Das Buch stand lange Zeit wegen dieser konkret dargestellten Sabotageakte in einigen US-Bundesstaaten auf dem Index und diente als Quelle der Inspiration für die 1979 gegründete radikale Umweltschutzorganisation Earth First!.

Der Gegenseite entgeht dieses anarchistische Treiben natürlich nicht. So entsteht aus einer zufälligen Begegnung mit einer selbsternannten Bürgerwehr - unter der Führung eines Mormonenbischofs der "Seldom Seen" Smith seit langem auf dem Kieker hat - die Jagd auf die Truppe. Während sich die Schlinge immer enger zieht, bleiben weltanschauliche Auseinandersetzungen nicht aus. Bei der Planung der Sabotage einer Eisenbahnbrücke entspinnt sich eine Diskussion, wie weit "Gewalt gegen Sachen" gehen darf.

"Die Massen"
spielen in dem Roman keine Rolle. Bedauerlich einerseits, erklärt sich das Handeln der Vier jedoch aus der offenkundigen Tatsache heraus, dass die Phase der Massenproteste bereits erledigt oder nicht wahrnehmbar ist. Wobei sich die Frage stellt: Wie denn auch in der dünn besiedelten Gegend im Grenzgebiet zwischen Arizona, Colorado, New Mexico und Utah, in der die Handlung angesiedelt ist? Und darin liegt einer der wesentlichen Unterschiede zu den gegenwärtigen Protesten hierzulande, seien es die Aktivitäten gegen Castortransporte, die gegen das Zwischenlager in Gorleben oder gegen Stuttgart 21. Nicht nur, dass hier es kaum einen Quadratkilometer ohne Wachtmeister gibt - auch die Möglichkeiten zur Vorbereitung, Durchführung und zur anschließenden Flucht unterscheiden sich doch zu sehr, als dass die Konzepte des Teams als Schema übernommen werden könnten. Trotzdem gab und gibt es mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, die Erfahrungen der radikalen Umweltbewegung auch hierzulande in direkte Aktionen umzusetzen von Blockaden und "Schottern". Ein Teil dieser spiegelt sich in der Geschichte der Startbahnbewegung der 80er Jahre wider.

Eindeutiger Vorteil des Quartetts ist denn auch die Weitläufigkeit der Landsschaft und die Abgeschiedenheit vieler der Ziele. Die Nutzung der geografischen Lage ist spätestens seit Clausewitz' Hinweisen im sechsten und vor allem siebenten Buch seines Werkes "Vom Kriege" - auch außerhalb des militärischen Kontextes - eine der Grundvoraussetzungen, die bei Protesten zu berücksichtigen sind.

Die personelle Unterlegenheit gegenüber dem Macht- und Staatsapparat kann durch kleine, flexible Einheiten überwunden werden - bewegte Menschen können trotz taktischer Unterlegenheit diese scheinbare Schwäche in Stärke verwandeln. Man muss den eigenen Kopf gebrauchen und das ist eine Stärke jedes einzelnen der Charaktere, die trotz mitunter aufkommender Zweifel an dem Bestreben festhalten, Bedenken den Bedenkenträger überlassen und konsequent handeln. Ein Prinzip, bei dem die vier auch diverse fleischliche und geistige Genüsse nicht zu kurz kommen lassen.

Das sehr ansprechend gestaltete und hergestellte Buch gehört daher - wenn auch nicht als konkrete Anleitung sondern vielmehr als äußerst unterhaltsamer Denkeinstieg - in die Hand jedes politisch aktiven Menschen.

"Die Monkey Wrench Gang"
Verlag Walde und Graf, Zürich 2010
ISBN-10 3037740159
ISBN-13 9783037740156
Gebunden, 472 Seiten, 24,95 EUR

Revolution denknotwendig, aber unmöglich? Zwei Lücken in Inge Vietts Revolutionsentwurf

Bei der diesjährigen Rosa-Luxemburg Konferenz am Vorabend der LLL Demonstration in Berlin ist von den Veranstaltern mutig auch Inge Viett eingeladen worden, um mitzudiskutieren über politische Ziele in der Bewegung. Bekantlich wurde gerade sie von Schlöndorf seinerzeit in einem Film aus der ernstzunehmenden Diskussion ausgeschlossen.

Dankenswerterweise hat "junge Welt" den Diskussionsbeitrag Inge Vietts vorabgedruckt.

Nachdem sie - mit gewissem Recht - die Mängel der drei herrschenden Linien aufgezeigt hat, entwickelt sie die eigene Linie.

Die Mängel: Die sich im gesetzlichen Rahmen bewegende Linie - vor allem die der LINKEN selbst - kommt naturgemäß nicht über die Repsektierung bis Anbetung des Gesetzes hinaus.

Die zweite - auf den gewerkschaftlichen Kampf bezogene - verfällt dem Schicksal des schon von Lenin diagnostizierten Trade-Unionismus.

Als am erfolgreichsten sieht Inge Viett noch an die Teilnahme an sektoriellen Kömpfen - wie gegen den Afghanistan-Einsatz - oder die Bahnhofszerstörung in Stuttgart - oder die erfolgreiche Teilabwehr der Castor-Transporte. Nur fehlt dabei regelmäßig der Klassenbezug. Man ist mit vielen zusammen: Gut. Man lässt jede / jeden, der mitmacht, eine gute Frau/ einen guten Mann sein: Nicht ganz so gut. Es wird nicht tiefer gegraben. Damit entfällt auch hier in den meisten Fällen der Klassenbezug.

Dann das interessante Konzept einer wirklich auf Revolution hinzielenden Organisationsform:
"Marxistisches Wissen, Kritikfähigkeit, linke Politik, ein linkes Parteiprogramm sind nicht identisch mit Klassenbewußtsein. Das ist Wissenschaft, eine fortschrittliche Geisteshaltung –“ aber kein Klassenbewußtsein. Klassenbewußtsein ist ein kämpferischer Antagonismus zur bürgerlichen Rechtsordnung, zur bürgerlichen Moral, zum bürgerlichen Pazifismus. Es ist die Emanzipation von der bürgerlichen Ideologie überhaupt und geht aus von der Legitimität des revolutionären Kampfes für die zukünftige Legalität der proletarischen Klasse. Überhaupt macht Klassenbewußtsein nur Sinn, wenn aus ihm ein bewußter Kampf zur Überwindung der Klassengesellschaft geführt wird. Alles andere ist Proletenkult.

Warum muß sich die marxistische Linke mit ihrer Stellvertreterpolitik für die Arbeiterklasse im Reformismus festfahren? Wenn die Werktätigen sich nicht politisch bewegen, weil sie in den Seilen ihres opportunistischen Gewerkschaftsapparates hängen, dann kann auch sie sich nicht bewegen und muß auf das Niveau der »Verteidigung demokratischer Rechte« zurückfallen. Ist diese Verteidigung nicht immer und ständig unser Alltagsprogramm?"


Beherrschend in dem Zusammenhang der konstruierte Gegensatz von "Wissenschaft" und "Klassenbewusstsein". Schon vorher fällt auf die Reklamierung von Lenin als "Revolutionär" - im Gegensatz zu seinen Eigenschaften als "Organisator" und "Imperialismustheoretiker".

Hätte aber Lenin nicht gründlich den Weg des Imperialismus über die kapitalistische Welt hin erforscht, wie hätte er den Mut finden können, die Revolution gerade in Russland auszurufen, dem rückständigsten Land innerhalb der imperialistischen Kohorte? Mit anderen Worten: Die "Wissenschaft" ist unablösbarer Bestandteil des Entschlusses zur Revolution, der in die Massen hineingetragen werden soll.

Ganz ähnlich steht es mit der abwertenden Nennung von "Wissenschaft" in der herangezogenen Textstelle Inge Vietts. Mitgedacht wäre nämlich unvermeidlich auch im Erfolgsfall der Revolution- dass -davor wie danach- eine Gruppe von "Wissenden" einer Gruppe von "tatkräftig handelnden" gegenüber bestehen bleibt. Ansatz der von Inge Viett sicher am meisten beklagten Funktionärsherrschaft -als angeblicher, aber verlogener Ausdruck der "Diktatur des Proletariats".

Wie aber könnten größere Teile des Proletariats Anteil an der Wissenschaft bekommen? Vielleicht noch am ehesten, wie Angelika Ebbinghaus in dem kürzlich besprochenen Sammelband es beschrieben hat als positives Erbteil des "Operaismus". ("Was bleibt vom Operaismus. (2007)")

Innerhalb dieser Bewegung wurden Arbeitergruppen ermuntert und aufgefordert, von innen - aus dem Arbeitsverhältnis selbst heraus - etwa die Auswirkungen des technischen Fortschritts - erweiterte Bänderfolge zum Beispiel - zu erkennen, zu beschreiben und auszutauschen. Damit käme die kollektive Erfahrung selbst zu Wort. Und zwar in einer nur so möglichen Erkenntnis- und Darstellungsweise, die dann über die Fabrik hinaus weitergetragen und diskutiert würde. In dieser Form gewänne das leninistische "Aus den Massen schöpfen - in die Massen hineintragen" eine neue produktive Bedeutung.

Auf diesem Wege ließe sich der Abstand zwischen denen, die Wissenschaft als toten Vorrat besitzen, und solchen, die Wissenschaft als lebendigen Prozess betreiben,einigermaßen verringern.

Ein zweiter Gesichtspunkt, aus der revolutionären Vergangenheit Inge Vietts verständlich, aber fast undurchführbar unter den gegebenen europäischen Verhältnissen, war die Forderung nach Geheimhaltung von Parteiführung und Parteifinanzen.

"Eine Organisation/Partei, kann zwar fortschrittlich, antikapitalistisch, marxistisch/leninistisch sein, aber nicht revolutionär, wenn sie nicht in bestimmten Bereichen (Kommunikation, Strukturen, Verantwortlichkeiten) klandestin ist"


Das scheint angesichts des übermächtig ausgebauten Geheimdienstapparats logisch, aber zugleich undurchführbar. Wie Inge Viett selbst ausführt, muss es erkannte Ansprechpartner mit Vor- und Nachnamen geben, um den Prozess des Schöpfens- Hineintragens aus den Massen überhaupt zu organisieren. Meiner Kenntnis nach arbeitete auch im vorrevolutionären Russland der einzelne Revolutionär anonym, die Parteiführung(en) selbst müssen aber bekannt gewesen sein. Geholfen hat damals eine Einrichtung, die sämtliche Staaten weitgehend abgeschafft haben: Das Asyl. Von der Schweiz aus arbeitete Lenin, wenig beunruhigt.

Wo gäbe es das heute noch, nachdem gerade das ehemalige Zufluchtsland aller Flüchtlinge, die Schweiz, Flüchtlinge und Asylanten am schlimmsten bedroht. Der Fall liegt hier ganz anders als bei der Forderung des "comité" nach geheimem Vorgehen der Revolutionäre. "Der kommende Aufstand" setzt Massen gar nicht voraus, die ihm nachfolgen und beistehen könnten. Insofern entfällt Adressennotwendigkeit.

Man darf auf die Diskussion am 7.1.2011 gespannt sein. Inge Viett hat die Denknotwendigkeit einer Revolution so klar wie nur jemand herausgearbeitet.

Damit aber auch ihre Denk-Unmöglichkeit in der gegenwärtigen Epoche?

Vielleicht ist mir etwas entgangen in ihrer Darlegung? Es wäre zu hoffen.

Noch einmal: "L‘insurrection qui vient"

Cover
Das "Manifest" des "Unsichtbaren Komitees" hat eine furchtbare Abfuhr erlitten. Erst in der "taz", dann noch einmal in "jungle-word". Eins trifft den Kritiker ins Mark: Was er da lesen muss, ist nicht links. Ist der Besorgte selbst es denn?

Gerüchten nach schwelgt und schwebt er im Umkreis der SPD. Am Ende zitiert er als Gründungsdaten, die ihn selbst betreffen, 1789. Leider hat er nicht wie alle braven Freiheitsfreunde ein Datum angegeben, ab dem die "sans-culottes" ihm nicht mehr so gefallen. Vermutlich - nach seiner Neigung zum gedämpften Trommelklang zu schließen - als die "Jakobiner" auftauchten. Das geschah allerdings kaum ein paar Monate später.

Ob die Verfasser der "insurrection" ihrem Kritiker nun links genug sind oder nicht - seine Widerlegung ist vor allem eines: Nichtssagend.

Carl Schmitt und Martin Heidegger, wie inzwischen auch die FAZ bestätigt, kommen im ganzen Text nicht vor. In der Zweitfassung seiner Erledigung in "jungle-world" hat der offenbar mehrfach angekickte Autor wenigstens seine Assoziationen erklärt. Der - sehr alt gewordene Schmitt - hat auch einen Aufsatz über "Partisanen" geschrieben, der seinerzeit auch von linken Autoren - wie Joachim Schickel - mit Interesse zur Kenntnis genommen wurde. Schmitt sollte der "Partisan" zum Beweis dienen, dass auch ohne militärische Hierarchie ein Zusammenfinden einer Gruppe möglich ist, die sich einer anderen gegenüber zum Feind erklärt.

Damit greift Schmitt auf die Notwendigkeit einer Freund-Feind-Erklärung aller Politik zurück, wie er sie schon in der Weimarer Republik entwickelt hatte. Ohne den Feind an sich als einen von Natur aus gegebenen sichtbar zu machen. Diesen Fehlschluss fügte er erst unter der Nazi-Diktatur seinem Denken zu, indem er bedenkenlos den "Feind an sich" -" den von Natur aus" im Juden erkennen wollte. Und wer -wie ich anfangs - diesen Dreh dem absoluten Herrschaftswillen und Opportunismus Schmitts zuschreiben wollte, las fassungslos in den "Corollarien" -Tagebüchern - nach 1945, dass er am Antisemitismus so erbittert festhielt, dass er den zitierten jüdischen Gelehrten unbarmherzig ihre jüdischen Namen unterschob, wie das zu Nazizeiten Pflicht, inzwischen aber verjährt und lächerlich geworden war. Selbst ein geistiger Vorfahre des autoritären Schmitt, der Altpreuße Stahl, bekam nebst einigem Tadel auch seinen Namen angehängt.

Wozu das alles? Der gelehrte Kritiker, der sicher einiges von Schmitt reingezogen hat, rechnet damit, dass die Leserschaft gerade noch "NS-Jurist" im Kopf hat und pflichtgemäß die Nase hochzieht. Gerade von der fanatischen Staatsbejahung Schmitts- seinem Haupttheorem- ist in der ganzen Ankündigung "Der kommenden Revolution" kein Wort zu finden. Die Methode ist bekannt. Man beschreibt einmal kurz Palästinenser als "Heimatvertriebene". Aha, eine Art Sudentendeutsche. Kennen wir. Jede Verantwortung fällt von der Seele. Assoziatives Antippen statt jeder Kenntnisnahme.

Soviel zum hier produzierten Torf. Auch härteste Pressung wird ihn nicht zum Anthrazit verwandeln.

Den Thesen der "L–˜insurrection qui vient" selbst sind vielleicht noch drei Anmerkungen nachzuschicken.

1. Tatsächlich entwickeln die Autoren nirgends einen "Masterplan" zum Siegeszug. Freilich gleiten sie von einer Alpenspitze im Abendlicht zur nächsten - und vernachlässigen eins: Die unabsehbaren Niederlagen, die alle von ihnen gepriesenen Erhebungen seit der Commune 1871, ja seit den Bauernkriegen und dem Aufstand des Spartacus erlitten haben. Der gegenwärtige Aussichtspunkt in der Höhe muss aber als einer verstanden werden, der einen unendlichen Scherbenhaufen zur Grundlage hat.

Die einzig wahre Erkenntnis der verschiedenen Postmodernen muss auch hier festgehalten werden. Es gibt keinen linearen Fortschritt. "Es hat erst angefangen/ wir werden immer mehr" bleibt kurz flackernde Empfindung, keine Erkenntnis.

An dieser Stelle lässt sich Benjamins Forderung einsetzen: Nicht um der künftigen Generationen willen kämpfen (wie CDU/SPD/FDP es nach den Berichten aus dem Bundestag auch heute wieder tun wollen), sondern um den zusammengebrochenen Vorgängern die Treue zu halten. Was haben die davon? Knochen, Asche und Ruinen - sie bleiben, was sie sind. Auferstehung entfällt. Nicht aber Gedächtnis und Erinnerung. Der Wille, zu Ende zu führen, was den Vorigen aus den Händen geschlagen wurde, gibt keine Wegweiser. Aber Spuren, denen nachzugehen wäre. So von den Bauernkriegen: Nie das Misstrauen verlieren gegenüber allen Schlichtungen, Schwüren und Friedensversprechungen der Obrigkeit.

2. Die Frage nach der Wahrheit gemachter Aussagen ist im Text der "L–˜insurrection qui vient" vielleicht zu schnell abgetan. Hier wäre Debord den späten Lesern noch einmal zum Verzehr anzubieten. Was Debord "Spectacle" nennt, durchzieht die ganze wahrnehmbare Welt. Es ersetzt fortwährend den Sachverhalt durch ein "Als ob". Genauer genommen: Es werden Tag für Tag Behauptungen aufgestellt, die das Vorhandensein eines vertrauten Ganzen immer noch suggerieren. Über die Floskel von den "kommenden Generationen" wird den verängstigten Hören suggeriert, es gäbe irgendwo ein Ganzes der Generationenfolge, dem wähnend selig man sich anvertrauen könne. In Wirklichkeit wird durch die Realfolge der vorgeschobenen Scheinhandlungen immer neu zerstört, was etwa als Zusammenhang noch übrig geblieben wäre.

Problem hierbei: Gibt es einen Kern in der Zwiebel? Ein Bleibendes hinter allen Häutungen? Manchmal hat man bei Debord den Eindruck, es müsse beim Kernsatz des Idealismus bleiben, wie Lenin ihn im Satz Berkeleys erkannt hat: Esse est percipi. Das Sein (eines Phänomens) besteht nur darin, dass es von jemand wahrgenommen wird. Damit wäre dem Materialismus endgültig, wie mürrisch auch immer, Adieu gesagt.

Dabei kann es nicht bleiben. In Anmerkungen gerade zu den italienischen Bewegungen nach 68 macht Debord immer wieder deutlich, dass eines durch Schein nicht ersetzt werden kann: Die Selbstempfindung des menschlichen Leibes. Sein Aufjauchzen, sein Schmerz. In der intensiven Zusammenarbeit während der Streiks - in der realen Kooperation - tritt ein Gemeinsames zutage, in das kein Schein sich hineinzwängen kann.

Dieses körperliche Zusammenstehen sollte - meinem Eindruck nach - bei den Autoren der "L–˜insurrection qui vient" an die Stelle treten, wo sie ohnmächtig und trotz allem schwächlich das bloße kollektive Reden eingesetzt haben. Alle Rede in Ehren. Aber sie muss sich auf etwas beziehen, was vor der Rede liegt: Das körperliche kampfbereite arbeitserfahrene Zusammenstehen.

3. Das andauernde Handgemenge innerhalb der weltbeherrschenden Netze, bis sie reißen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass während der Auseinandersetzung alle Garantien ausgenützt werden müssen, die - wenigstens - versprochen wurden. Wie das in den einschlägigen Prozessen ja offenbar in Frankreich auch getan wurde. Alles benutzen, nur an nichts glauben. Das heißt: Sich eine Sache gegenseitig klar machen: Nichts hält. Keine Garantie bietet Verlässlichkeit. In der Not werden Menschen auftreten, die merken, dass die subtilen Netze der Verfügung über die Welt reißen. Und werden als Merkels und Guttenbergs und Kompanie noch einmal die eigene Person aufrecken, um als Retter zu erscheinen. Erst dann - und genau dann - wird die offene Absage an die Versprechungen aus besseren Zeiten ihren Platz finden. Sonst klappt die Aussonderung, die Ghetto - Einweisung der Aufsässigen zur Unzeit. Zu schnell.

Mit diesen - sicher nicht ausreichenden Anmerkungen - lässt sich mit dem "Manifest" nicht siegen. Aber es lässt sich ein Kampf auch ohne Zuversicht aufnehmen. In einer Perspektive hinab in die Tiefen der Vergangenheit und voraus in eine niemals zur Ruhe kommende Zukunft.


Ein notwendiger Nachsatz:

In der "taz", aber auch verschiedenen anderen Blättern, kommen sie über das Sittliche nicht hinaus. Vor allem nicht über die vorgeschriebene antifaschistische Entrüstung. Dabei kann es kein Einwand sein gegen die Übel dieser Welt, dass andere sie auch wahrgenommen haben. Höchstens kann vorgebracht werden, dass die bisher versuchten Mittel den Höllensturz nicht verlangsamten. Farizadeh in der taz legt jetzt noch einmal nach.

Und begnügt sich mit der Aufzählung rechter Übereinstimmungen. Dass aber Schwarze zum Beispiel  sich mehrfach gegen das Ghetto erhoben, in welchem sie sich eingesperrt vorfanden, kann nichts gegen die Existenz dieses Ghettos besagen. Auch nichts gegen seine Verwerflichkeit. Einiges allerdings gegen die zu heftige, zu blinde Methode, in einem Anlauf gleich alles beseitigen zu wollen.
Interessanter, aber zugleich enthüllender die Herleitung der Gedanken des "comité" von entsprechenden Ernst Jüngers in seiner "kontemplativen Phase".  ("Die Ästhetik des Schreckens. Die pessimistische Romantik und Ernst Jüngers Frühwerk").

Im "Waldgänger" - lang nach den kriegerischen Wallungen - will Jünger tatsächlich "Anarch" werden. Um Gottes Willen nicht Anarchist. Sein Haupttrick: Sich nichts anmerken lassen. Er tat alles "was die anderen taten. So lebte er hin". Womit Büchners "Lenz" endet, damit beginnt Anarch Jünger. Und so setzte er sein Leben fort - ließ sich von den Mächtigen dieser Erde bis zum Hundertsten hofieren und bekam schildkrötenen Frost auf die Lippen. Er beteiligte sich an nichts. Allenfalls an der zweimaligen Betrachtungen des Halleyschen Kometen in einem einzigen Leben. Haben bisher die wenigsten geschafft.

Insgesamt -zum Trost der Kommentatoren - der schnellste Weg vom Anarch zum Schnarch. Trost - weil dann von den neuen Anarchisten auch nichts Gefährlicheres zu erwarten sein soll.
Nur - die raschelnden Abwehrgeräusche  der Verängstigten sagen anderes. Wie, wenn den Gedanken doch Taten folgen sollten - und den Niederlagen nach diesen andere, fundiertere Ansätze, mit angespannterer Sprungweite?

Die Angst steigt aus den Poren und stinkt weithin.


Siehe auch: "L–˜insurrection qui vient" - An der Bahnsteigkante knapp vor "Ankunft der Revolution"


Das Buch kann als PDF Datei herunter geladen werden, auch im französischen Original sowie in einer englischsprachigen Übersetzung. Wer es lieber als Printausgabe lesen möchte, kann es beispielsweise hier bestellen.

"L' insurrection qui vient" - An der Bahnsteigkante knapp vor "Ankunft der Revolution"

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Einige Anmerkungen zu "L–˜insurrection qui vient". Für ein endgültiges Urteil reicht die flüchtige Befassung nicht aus. Das Werk sollte auf jeden Fall breit diskutiert werden.

Das in Frankreich schon lange kursierende Manifest zur neuen - ganz anderen - Revolution ist in den letzten Tagen zugleich eindringlich besprochen worden im FREITAG - und sehr von oben herab in der Frankfurter Rundschau. Vor allem berichtet die FR gar nichts von dem, was FREITAG gewissenhaft ausbreitet. Nach französischem Muster scheint es inzwischen - zumindest in Berlin - in linken Buchhandlungen schon Durchsuchungen zu geben, um die dünne Broschüre als potentielle "Aufforderung zur Gewalt" der Neugier deutscher Leserinnen und Leser zu entziehen. Nichts lächerlicher, aber auch nichts gefährlicher als solche Versuche, die gut gepolsterte staatliche Hand über Mund, Ohr und Auge zu legen.

Mit dem gleichen Recht könnte man auch das "Kommunistische Manifest" mal wieder verbieten. So unerbittlich beide Schriften die Notwendigkeit der revolutionären Erhebung beweisen, so wenig handwerkliche Anweisungen zu ihrer Durchführung enthalten sie. Zum Beispiel zum Hakenwerfen gegen Elektro-Leitungen oder zum "Schottern". Hinzu kommt, dass beide Werke seit geraumer Zeit aus dem internet herunterzuladen sind, nach Wunsch auf Deutsch oder Französisch. Staatliche Fürsorglichkeit kommt auf jeden Fall zu spät.

Der Text beginnt mit schärfster Analyse der Gesamtkrise. Mit einem Ohr aus dem Fernseher die Schlingenziehung  und Selbsteinwickelung der GRÜNEN in Freiburg verfolgend, gewinnt für den Leser die pointierte Zuspitzung erst vollen Reiz.

Wie La Rochefoucauld, Retz und andere unvergessene Schriftsteller schon des Barock beschäftigen sich die anonymen Autoren mit dem menschlichen Zusammenleben. Analyse und Beschreibung. Der Beiname "Moralisten" der Gruppe  erzeugt im Deutschen die irreführende Assoziation, es gehe bei diesen Überlegungen um "Moral". Also um Wegweisung. Um die geht es diesen Beschreibern am wenigsten. So haben auch die Anonymen sich schon im Stil vor allem an einen der letzten französischen Moralisten- Debord mit seinem Buch über das "specctacle" gehalten.

In mindestens drei Punkten gehen die Herausgeber über die Feststellungen auch eines Debord hinaus. Wird von den meisten Lebenskünstlern hier wie im Nachbarland eine Art sanfter Gefälligkeit in der Wahl der Lebensformen vorgeschlagen, nach den Regungen unseres "Ich", weisen die Texte nach, dass dieses Ich - von Descartes zu Beginn der Neuzeit als die Grundlage des uns gegebenen Seins gepriesen -, nur noch über hundert Prothesen sich erhalten und bewegen kann. Allerlei Begriffe aus den Hilfswissenschaften müssen herhalten, damit wenigstens die Ich-Illusion durchhält. So etwa Aufstiegswillen und Geltungssucht  als Natur-Konstanten. Wir haben uns deren nicht zu schämen, sondern dem tüchtig zu folgen, was Natur uns vorschreibt. Die der "res cogitans" einst von Descartes versprochene Erkenntnis entfällt dabei komplett.

Scharf auch die Vernichtung aller sozialen Bindungen in den Papieren. Alles Soziale ist nicht nur zur Ware geworden, sondern wird auch als solche eingetrieben von denen, die Arbeitsplätze zuzuweisen haben.Die Freundlichkeit der Sekretärin gegenüber gewissen Personen wird ebenso Pflicht wie abweisendes Verhalten gegenüber betrieblich nicht Vorgesehenen.Alles abrufbar und der Kontrolle ausgesetzt.

Schneidend schließlich die Abweisung aller Verpflichtungen gegenüber der "Umwelt". Das deutsche Wort sagt hier noch mehr als das französische, dass diese Umwelt uns als ein total Fremdes gegenübertritt. Ein Mantel. Matt dargeboten - oder als Zwangsjacke übergezogen? Gleichviel. Mit mir als empfindendem Wesen hat diese Umwelt keinerlei Verbindung. Umwelt - sagen die Autoren- das ist ihnen  der Küchengeruch im Hausgang, das Rascheln der Platanenblätter vor der Tür im Herbst, der kratzige Geschmack des nicht vollvergorenen Weins. Kritisiert wird also am Begriff Umwelt, dass noch über Descartes hinaus jede unmittelbare sinnliche Berührung weggedacht werden muss mit dem, was uns umgibt.

All diesen Zerstörungen eines jeden Zusammenhangs setzen die atomisierten Autoren des Papiers in einer atomisierten Welt spontane Zusammenschlüsse entgegen. Alle Zusammenschlüsse, in welchen die Teilnehmenden einen unerschütterlichen Willen zum "Nein" entwickeln, können als "Commune" verstanden werden.

Mit diesem Bild verbinden die anonymen Autoren ihr eigenes Auftreten. Namenlosigkeit ist erste Voraussetzung- und notwendige Tarnung. Es darf keinen Führerkult geben in der Welt der Commune. Nicht einmal zugegebenen Beratungsbedarf. Paradoxerweise wird gerade das gerühmt, was in sit-ins meiner Erinnerung nach am meisten nervte: das Reden um des Redens willen. Das Reden, in welchem das Gemeinschaftsgefühl erst zu sich kommen soll, als Ausdruck, als Geste, als Schöpfung des Gemeinsamen, das doch zugleich immer schon vorausgesetzt wird.

Gegen den analytischen Ansatz der Gruppe ist nichts einzuwenden. Nichts auch gegen die Überlegungen zur Gewalt. Da der Staat bekanntlich nicht nur Gewalt - gegen seine Funktionäre - scharf verfolgt, sondern immer neu nach den Gegebenheiten festlegt, wo Gewalt anfängt und was als solche zu gelten hat, ist klar, dass der Gewaltvorwurf  auf jeden Fall erhoben wird und in Rechnung zu stellen ist.

Ein Einwand wurde von den deutschen Rezensenten immer neu erhoben: Wenn erst der Staat abgeschafft ist und "Kommunen" sich in gegenseitiger Berührung des Geländes bemächtigt hätten, würden dann nicht wie im heutigen Mexiko einfach Banden sich selbst den Titel der Commune zusprechen und brutal um sich greifen? Nicht einmal mehr durch die restliche staatliche Autorität -  wie jetzt - zurückgehalten?

Das Argument zieht nur dann, wenn die Kraft, die die Communes zusammenhält, für schwächer angesehen wird als die Gewalt der Störenden.

Über diese Kraft wird freilich im Papier selbst analytisch nichts ausgesagt, nur das Beispiel der spontanen Revolten in Deutschland und Frankreich aufgezählt. Da die gleichen Banden nun eben ein Mexiko durchziehen, das selbst Staat zu sein beansprucht in voller Brutalität, könnte das Befürchtete auf jeden Fall auftreten. Mit und ohne beibehaltenen Staatsfetisch.

Mir drängt sich eine ganz andere Schwierigkeit auf. Um - als einer der Autoren - die unverbrüchliche Einigkeit in den Communen, in den aufgewachten Vorstädten Frankreichs zu empfinden, müsste einer von Anfang an tief drinstecken. Den Gelberübengeruch im Hausgang selbst gerochen haben seit seinem fünften Lebensjahr - und ihn bejahen. Nebst allem, was Nase und Ohr in diesen Gegenden erreicht.

Das, scheint mir, setzt vorbehaltlose Zustimmung voraus. Wie ließe sich damit aber verbinden die bittere Distanz zu allem Bestehenden, das manchmal fast höhnische Drüberwegsein des Durchschauenden, Wissenden? Mit anderen Worten: das abweisende Stilbewusstsein, das genau die Verführungsgewalt der Texte ausmacht?

Bei aller gefühlsmäßigen Zustimmung zum Anarchismus fühlte ich mich - trotz seiner gedanklicher Schwäche - eher verbunden mit  Stirner und seinem "Einzigen und sein Eigentum" - oder mit dem amerikanischen Thoreau in der Hütte. Also immer trotz allem: Draußen.

Diese Schranke könnte ich im Augenblick nach erster Lektüre des Manifests nicht überspringen, bei aller Bewunderung für  den scharfen Sinn und das kühne wollende Herz, die daraus sprechen.


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