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No more camps, we want homes! Wohnen statt Lagerunterbringung: NoLagerNowhere!

Plakat Freiburg sagt nein mit den Unterstützerorganisationen und einer kurzen Zusammenfassung Gerichtsverhandlung & Kundgebung
Donnerstag, 15 Juni 2023 // 12 Uhr
Bundesverwaltungsgericht Leipzig (Simsonplatz 1)

Diese Razzien in Ellwangen vor ein paar Jahren, da war doch was...? An Seehofers Hetze gegen Geflüchtete danach erinnert ihr euch, aber was ist aus den Bewohner*innen der Erstaufnahmeeinrichtung geworden? Wie leben die Menschen in Lagern überhaupt? Die Bilder aus Moria kennen viele, aber auch in Deutschland müssen Geflüchtete in menschenunwürdigen Unterkünften leben, sind der Gefahr von Übergriffen durch private Sicherheitsfirmen ausgesetzt und müssen ein repressiven Regelsystem über sich ergehen lassen. Mit keinem oder kaum Geld, Arbeitsverpflichtungen und keinerlei Privatsphäre.

Aber sie wehren sich. Einige der Betroffenen der Razzien aus Ellwangen haben einen mühsamen, frustrierenden Rechtsweg gegen die Razzien eingeschlagen. Ihr Prozess wurde mit einem weiteren vor dem Bundesverwaltungsgericht zusammengelegt. Sechs Bewohner aus der Erstaufnahmeeinrichtung Freiburg haben gegen die repressive Hausordnung der Einrichtung geklagt. In beiden Verfahren geht es um nicht weniger als den Grundrechtsschutz aus Art. 13 GG, der Unverletzlichkeit der Wohnung, in Flüchtlingsunterkünften. Sollte das Bundesverwaltungsgericht den Klägern das Grundrecht zusprechen, müssen sämtliche
Aufnahmegesetze der Länder geändert werden. Im Prozess wird auch über die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen in Unterkünften entschieden. Es geht also um viel!

Vor 30 Jahren wurde das Asylrecht durch den „Asylkompromiss“ in Deutschland de facto abgeschafft. Heute organisieren wir uns gegen diese Kontinuität der Ausgrenzungspolitik.

Unterstützt die Kläger in ihrem Rechtskampf und fordert gemeinsam mit uns die Abschaffung der Lager.

Kommt vor's Bundesverwaltungsgericht und bringt eure Freund*innen mit!

Wie Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Deutschland leben müssen, geht uns alle an!
We'll come united!

Zur Kampagnenhomepage (Aufrufe, Video, Chronik)
Kontakt: info@aktionbleiberecht.de

Die Prozesse werden von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Pro Asyl und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt. Der Sächsische Flüchtlingsrat, Space Leipzig und Protest LEJ rufen ebenfalls zur Demo auf.

Quelle: Kurzaufruf (PDF)

Warum die BRD noch immer ein Klassenstaat ist?

Ein im Jahre 1911 in einer IWW Zeitung veröffentlichtes Bild, das die bürgerliche Klassengesellschaft illustriert. Es basiert auf einem Flyer der "Union der russischen Sozialisten", der ca. 1901 erschien. Heute ist natürlich alles anders...
Im Presseklub am 26.5. kam es an den Tag: unser Staat bleibt immer noch ein Klassenstaat.

Zu Beginn schien alles so einig: Klar, so etwas wie Kohls Absage an den "Beileids" Kurs in Solingen kann es nie mehr geben. Wie hat sich doch Frau Merkel da ganz anders verhalten? Zur Eröffnung der NSU-Prozesse ein Beileid an alle Angehörigen. Sowas gehört sich doch auch.

Doch im Lauf des Gesprächs entfaltete sich eine noch viel größere Gemeinschafts-Gesinnung. Die Lage hat sich wirklich verändert seit der Zeit vor zwanzig Jahren. Aber warum? Weil die deutsche Wirtschaft inzwischen einige -!- Ausländer mehr braucht als vor zwanzig Jahren. Nur damit das neue Problem: Wie auslesen?

Griffig brachte jemand den Unterschied auf zwischen den Ausländern, die wir brauchen - und denen, die uns brauchen. Dass zwischen beiden angemessen und ausgemessen werden muss - das sollte doch klar sein. Die einen ins Kröpfchen, die anderen raus aus dem Töpfchen.Und damit das ganz Entscheidende: Maßstab für das Ganze bleibt nach wie vor der Ertrag. Um es noch deutlicher zu sagen: Die Fähigkeit Mehrwert zu schaffen.Und gerade darin zeigt sich, dass der deutsche Staat nach wie vor auf dieser Eintrittskarte beharrt. Und dass weiterhin - wie vor zwanzig Jahren - der Mehrwert zählt.

Erschütternd, dass diese Mehrwert-Kategorie inzwischen so eingebürgert, so selbstverständlich erscheint, dass sie mit keinem Wort erwähnt wurde. Insofern muss gesagt werden: der deutsche Staatsverband ist ein solcher, in dem die Wertkategorie nicht einfach als drückende Not aufgepflanzt worden ist, sondern sich als selbstverständliche Hürde einem jeden aufzwingt.

Und hier muss man den vier Versammelten - darunter Leyendecker von der SZ - einen Vorwurf machen. Das Schwert der Abwehr Unerwünschter wurde mit keinem Wort erwähnt. Das Schwert der willkürlichen Ausweisungen. Das Schwert der Lagerhaltung mit all seinen Konsequenzen. Das Schwert der Zweitklassierung auch gegen die lang schon Eingewanderten. Einfach weil sie erst seit zwanzig oder dreißig Jahren bei uns wohnen.

Gegengelesen zeigte sich: In der Behandlung der Einwanderer zeigt sich nur ein besonders abschreckender Teil der Gesamtlage. Es wird weiterhin jeder Proletarier nach seiner Chance des Mehrwertgewinns bewertet. Nur - leider - die meisten inländischen Proletarier erkennen diese Gemeinsamkeit nicht. Die ihre. Dass das Problem der Flüchtlinge sich nur lösen läßt, wenn sie selbst den Maßstab der Verwertungsmöglichkeit abwerfen können. Für sich und alle anderen.

Ein Presseklub jedenfalls, der dieser Erkenntnis sich am eindeutigsten widersetzte.

Zürich: Autonom Deutsch lernen

am 19. april wurde in zürich eine baracke auf dem areal des güterbahnhofs besetzt und neu belebt. die baracke stand mehr als ein jahr lang leer. der kanton zürich will darauf für 570 millionen franken ein neues polizei- und justizzentrum errichten.

durch die polizeiliche räumung der autonomen schule zürich in örlikon im januar 2010 wurde auch der "verein bildung für alle" zum erneuten umzug gezwungen. nach diversen zwischenstationen ist der verein nun in der baracke beim güterbahnhof untergekommen.

der verein bildung für alle, der teil des zürcher bleiberechtkollektivs ist, ermöglicht seit mehr als einem jahr hunderten illegalisierter flüchtlinge und migrantInnen sowie asylsuchenden mit laufendem verfahren deutschkurse. er setzt sich für das recht auf bildung, migration und asyl ein.

der 10-minütige kurzfilm erlaubt einen einblick in die autonome schule, während lernende und moderatoren ihre sicht der dinge schildern.
der kurzdoku kann hier heruntergeladen und hier auf youtube angeschaut werden.



Quelle: a-films, auch in [en] [fr]

LOTTA #37 erschienen

Titelseite Lotta #37
Dieser Tage erscheint die antifaschistische Zeitung "Lotta" in ihrer 37. Ausgabe.

Schwerpunkt diesmal:

Lauter, schneller, härter - Hardcore, Hatecore und National Socialist Hardcore

Außerdem in dieser Ausgabe:
  • Vom Antisemitismus zur Moslemfeindlichkeit?
  • Abschiebung und Bleiberechtsregelung
  • Zur Diskussion: Homophobie in der Dancehall
Die "Lotta" ist zum Einzelpreis von 3 Euro oder im Abo zu beziehen:

Die Analyse "Der Feind meines Feindes - Vom Antisemitismus zur Moslemfeindlichkeit?" von Andreas Häussler ist auch online verfügbar. (via unrast)

"LOTTA"
Am Förderturm 27
46049 Oberhausen
Zur Webseite

Bleiberecht: Solidarität muss praktisch werden!

Tausenden von MigrantInnen droht zum Ende des Jahres eine erneute Illegalisierung und Abschiebung. Damit der Aufenthaltsstatus von Flüchtlingen weiterhin gewährleistet ist, müssen sie, nach dem 2007 beschlossenen Bleiberecht, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz nachweisen. Die Lohnarbeit muss dabei, in Zeiten der Wirtschaftskrise, zum Unterhalt der Familien ausreichen. Die Freiburger Aktion Bleiberecht hat einen kommunalen Prozess gegen rassistische Diskriminierung (Umfrage als PDF) ins Leben gerufen. International wird vom 25. bis 31. August 2009 für ein NoBorder-Camp auf der griechischen Insel Lesvos mobilisiert.

via AAF

Was mir heute wichtig erscheint #26

Solidarität: „Sie zerstören meine Kinder, sie helfen ihnen nicht. Wenn wir uns dagegen wehren, machen sie uns noch mehr Schwierigkeiten. Es gibt kein Menschenrecht.“ (Claudia Omoroghomwan) Vor kurzem hatte ich auf die unglaublichen Vorgänge um den schikanösen Umgang der Behörden mit einer nigerianischen Familie im Vogtlandkreis - Posseck/Markneukirchen hingewiesen. (Siehe auch den Bericht der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen.) Jetzt gibt es für jede(n) die Möglichkeit, sich solidarisch mit Claudia Omoroghomwan und ihren Kindern zu zeigen.


Versammlungsgesetz:
Nach Bayern schrauben auch Oettinger und Co. in Baden-Württemberg an einem neuen Versammlungsgesetz. Darüber hatten wir hier ja schon ein paar Sätze verloren. Bei Radio Dreyeckland, Freiburg gab es kürzlich ein ausführliches Interview mit Nicola von der Autonomen Antifa Freiburg


Bühl: Am Samstag, den 11. Oktober gibt es eine Demonstration gegen Repression in Bühl.


Esslingen:
Kommenden Samstag findet in Esslingen eine Demonstration zur Solidarität mit der zapatistischen Bewegung in Chiapas, Mexiko und anderen linken Kräften dort statt. In Chiapas kam es in den letzten Tagen in Chincultik nahe der Lagunas de Montebello erneut zu Angriffen auf AktivistInnen, bei denen die Polizei Schusswaffen einsetzte, zahlreiche Menschen verletzte, zwei erschoss und 4 Personen, drei Schwerverletzte und einen Aktivisten, der sie ins Krankenhaus bringen wollte, exekutierte.

Die Demo beginnt um 16.30 Uhr am Bahnhof in Esslingen


Stuttgart: Gegen "Stuttgart 21" - für die Beibehaltung des "Kopfbahnhofes" findet kommenden Samstag eine Menschenkette statt. Das Video ist ja leider nicht mehr verfügbar, daher hier die Daten: Samstag, 11. Oktober, 14,30 Uhr, Bahnhof Stuttgart, Nordausgang, vor der LBBWAbschlusskundgebung um ca. 15.15 Uhr


Überwachung: Der Hinweis auf die Demonstration gegen Überwachung morgen in Berlin darf natürlich nicht fehlen.




Projekt: Anfang Oktober hat unser Co-Autor Joachim Kübler ein neues Projekt gestartet, "The Antiterrorism and Effective Death Penalty Act". Auf dieser Seite geht es - ähnlich wie bei seinem seitherigen Blog - zwar auch um allgemeine Informationen und Neuigkeiten hinsichtlich der Todesstrafe in den USA, im Besonderen aber um AEDPA und seine Auswirkungen auf das Todesstrafensystem bzw. um seine Auswirkungen auf konkrete Berufungsverfahren von Death Row Inmates. Wir wünschen viel Erfolg, zahlreiche Leser und sind bereits gespannt auf die Beiträge.


Update aus dem Wald: "...die Ruhe trügt. Seit knapp 2 Wochen halten wir eine Verfügung der Stadt Kelsterbach in den Händen. Mal davon abgesehen das uns offenes Feuer, der gebrauch von Öfen und alles was weiter als 50 Meter hörbar ist untersagt wird, sollen wir bis zum 30. November alle Hütten abbauen.
Das ist für uns natürlich völlig inakzeptabel und wird nicht geschehen. Es ist gut möglich das die Frist noch einmal verlängert wird. Falls nicht ist eine Räumung in den ersten Dezembertagen ziemlich wahrscheinlich. Fest steht das der Dezember räumungstechnisch ein kritischer Monat wird." Weiterlesen im Blog: Waldbesetzung Kelsterbach- Widerstand gegen Waldrodung und Ausbau des Frankfurter Flughafens

Was mir heute wichtig erscheint #15

Sinnestäuschung: Auf den ersten Blick dachte ich "Der auch...". Auf den zweiten stellt sich dann raus, daß "einfach übel" nur "redblog" zitiert und nicht wie hier eine Rubrik mit den Dingen, die einem unterwegs so auffallen, beginnt. Auf den dritten Blick bin ich mir dann doch nicht mehr so sicher. Ich sollte in meinem Alter damit anfangen, früher ins Bett gehen.


Aufschub: Wie berichtet erhielt der seit 19 Jahren in der Todeszelle sitzende Troy Davis nach weltweiten Protesten nur knapp zwei Stunden vor dem Hinrichtungstermin einen Aufschub. Anton Mestin zum aktuellen Stand der Dinge.


Zwangstrennung: Über den schikanösen Umgang der Behörden mit einer nigerianischer Familie im Vogtlandkreis - Posseck/Markneukirchen berichtet the caravan: Claudia Omoroghomwan, Adoptivmutter von drei Mädchen, wurde zwangsweise von der Ausländerbehörde von ihren Kindern getrennt. Im Radio: Harten Zeiten für Flüchtlingskinder in Sachsen, Deutschlandfunk - 18.09.2008


Nachgetreten: Nachdem er bei einem Polizeiübergriff verletzt wurde, soll der iranische Publizist und Oppositionelle Freidoun Gilani nun auch noch dafür bestraft werden. Siehe auch das zweiteilige Interview mit Freidoun Gilani hier und dort.


0:3: Alles Hoffen war vergebens. Da decke ich mal ganz schnell den Mantel des Schweigens drüber.

Erinnerung an Kemal Altun

Beim Umbruch Bildarchiv erinnert ein Foto-Rückblick auf die Trauerfeier für Kemal Altun im September 1983. Ein Hintergrundbericht über die heutige Situation für Flüchtlinge ergänzt die Bildgalerie.

Vor 25 Jahren starb Cemal Kemal Altun. Er hatte den vernichtenden Prozeß um seinen Asylantrag nicht mehr ausgehalten und stürzte sich aus dem 6. Stock des Verwaltungsgerichtes Berlin in den Tod. 10 Jahre später verlieren die meisten Flüchtlinge die Chance, überhaupt einen Asylantrag in Deutschland zu stellen. Am 1. Juli 1993 führte der Bundestag die sog. „Drittstaatenregelung“ und das Konzept der „sicheren Herkunftsländer“ ein. Seitdem können Menschen, die in ihrem Herkunftsland zwar politisch verfolgt werden, aber über einen "sicheren" Drittstaat einreisen, ihr Recht auf Asyl nicht mehr geltend machen. Sie werden in das angeblich „sichere“ Land zurückgewiesen. Zum 15. Jahrestag dieser faktischen Abschaffung des Grundrechts auf Asyl gibt es am 5. Juli 2008 eine Demonstration in Berlin. In ihrem Aufruf schreiben die OrganisatorInnen: „Wir leben im Herzen der Festung Europa und es reicht längst nicht mehr, das deutsche Grundrecht auf Asyl zurückzufordern. Alle Menschen müssen die Möglichkeit haben, vor Verfolgung und Armut zu fliehen“ ... um „dort zu leben, wo sie es möchten und wie sie möchten.“ Der Tod von Kemal Altun vor 25 Jahren steht für das Ausrufezeichen hinter dieser Forderung.

Demonstration für das Bleiberecht von Mahmut Yilmaz und Serdar Gürboga

Auf der Demonstration "Black is Beautiful", die sich gegen die geplante Verschärfung des bayerischen Versammlungsrechtes richtete, hatten wir von dem Fall des seit 27 Jahren in Deutschland lebenden Kurden Mahmut Yilmaz erfahren. Mahmut Yilmaz hatte 1995 zusammen mit anderen gegen das Verbot des "Kurdischen Elternvereins" in München demonstriert. Dazu wurde das Vereinshaus besetzt, weswegen Mahmut Yilmaz 1996 zu einer Gefängnisstrafe veruteilt wurde.

Bilderserie: Mahmut Yilmaz

Nach seiner Entlassung wurde er immer wieder wegen angeblicher Verstöße gegen das PKK Verbot verurteilt. Nach behördlichem Druck auf seine Arbeitgeber mehrfach arbeitslos, wurde dem 4fachen Vater die Aufenthaltsberechtigung genommen. Weil er nicht zu Kreuze kriecht, sondern sich als kurdischer Aktivist nach wie vor betätigt, gilt er inzwischen als rechtskräftig ausgewiesen. Es ist eigentlich bekannt, was kurdischen Aktivisten in der Türkei blühen kann und man kann sich ausmalen, was Mahmut Yilmaz dort droht. Mahmut Yilmaz steht für viele weitere politisch aktive Menschen, die ausgewiesen werden sollen.

Bilderserie: Demo

Für uns war es daher klar, an der Demonstration teilzunehmen, zumal wir für ein paar Tage sowie so in München waren. An der von einem Bündnis verschiedener Flüchtlingsinitiativen, antirassistischer- und Friedensinitiativen und linker Organisationen und Parteien organisierten Kundgebung und Demonstration nahmen nach meiner Schätzung ca. 250 bis 300 Menschen teil.

Bilderserie: Serdar Gürboga

Nachdem hier am Sonntag die Rede, die Mahmut Yilmaz am Stachus gehalten hatte, bekannt gemacht wurde, dokumentieren wir heute den Redebeitrag, den Mahmut Yilmaz am 28.06.2008 vor dem byerischen Innenministerium gehalten hat sowie einige Bilder von Kundgebung und der Demonstration. Weitere Fotos und seine Eindrücke schildert Daniel im "Roten Blog".

Meine sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

Mein Name ist Mahmut Yilmaz. Ich lebe seit 1981 hier in München.
Der bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mir nun, nach 27 Jahren, meine Aufenthaltsberechtigung entzogen und mich formell ausgewiesen.

Ich werde behandelt wie ein Gegenstand, den man bedenkenlos markiert und im Namen des Volkes an einen anderen Ort abschiebt. An diesem anderen Ort erwartet mich als Mensch nur Grauen.

Doch das Grauen wird wieder einmal ausgeblendet und das Individuum entmenschlicht. Damit es problemlos und ohne Gewissensbisse abgeschoben werden kann. Das alles geschieht mir, obwohl im Grundgesetz geschrieben steht:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

Dieses Grundgesetz glaubt man leichthin umgehen zu können, in dem man das Guantanamo Türkei als, den Geiz- ist- geil Urlaubsort verkauft und dem EU-Beitrittskandidaten Türkei Demokratie und die Achtung der Menschenrechte bescheinigt.

Ich bin als Jugendlicher 1981 zu meinem Vater nach Deutschland gekommen. Ich habe hier eine Familie gegründet, ich bin hier Vater geworden, ich habe hier gearbeitet und habe meine Sozialversicherungsbeiträge als Mit-Bürger einbezahlt, hier ist mein Vater gestorben.

Hier habe ich meinen Lebensmittelpunkt und keine Vorstellung davon, an welchem anderen Ort ich mit meiner Familie lieber leben wollte. Meine Kinder sind Münchner.

Aber nach richterlichem Ermessen ist es meinen Kindern zumutbar, abgeschoben zu werden, obwohl der besondere Schutz der Familie im Grundgesetz verankert ist.

Offenbar ist dieses christliche Gebot für meine Familie nicht gültig.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik liest sich wunderbar. Doch wenn es so wie in meinem Falle eklatant verletzt wird, dann zweifle ich an der Glaubwürdigkeit der Bewahrer dieser Verfassung.
Nicht nur, dass mir darin garantierte Rechte verwehrt werden. Man macht sich in meinem Fall auch noch der Komplizenschaft schuldig. Mir drohen im Falle meiner Rückkehr in der Türkei Verfolgung oder sogar Tod aufgrund eben derselben Gründe, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als Ausweisungsgrund geltend macht.

Da ich nach 27 Jahren geregeltem und ununterbrochenem Aufenthalt in der Bundesrepublik ausgewiesen werden soll, bleibe mir nur noch übrig, einen Antrag auf Asyl zu stellen, um die mir drohende Ausweisung abzuwenden. Hätte man mich in den letzten 27 Jahren als Bürger dieser Gesellschaft gesehen, so wäre es nie zu einer solchen absurden Situation gekommen.

Mein Asylantrag hatte zur Folge, dass ich getrennt von meiner Münchner Familie in einer Unterkunft für Flüchtlinge leben muss. Meine Verelendung darf dem Steuerzahler auch noch teuer bezahlen. Die Firma, die Pakete an Flüchtlinge liefert, wird es jedoch sicherlich freuen.

Ich bin durch die Erfahrungen der letzten Jahre gereift. Ich glaube auch politisch reifer geworden zu sein. Ich habe mich 1995 an einer Protestaktion gegen die Schließung des Kurdischen Elternvereins, der in einer Besetzung des versiegelten Elternvereins mündete, beteiligt. Dafür wurde ich zu 3 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.

Was anschließend folgte, war eine einzige Politisierung.- und Kriminalisierung der persönlichen Sphäre meines Lebens als Kurde. Ich habe politisch aktive Kurden als Privatmann beherbergt, habe Sie mein Telefon benutzen lassen, habe meinem Bruder in schwierigen Situationen beistehen wollen.

Das Alles wird mir zur Last gelegt.

Ich habe auch sympathisiert mit Menschen, die den Mut hatten, Widerstand zu leisten. Ich sehe darin kein Verbrechen. Worin soll denn das Verbrechen bestehen, sich mit Menschen zu identifizieren, die um Freiheit und Menschenwürde kämpfen?

Ich identifiziere mich genau so gut mit dem Widerstand des Warschauer Ghettos oder mit dem einstigen Widerstand gegen die Apartheit.

Der Wortlaut des Abschiebungsurteils hat mich zutiefst schockiert und nicht nur mich. Der Beweis dafür,
dass ich mich nicht integriert habe, sei die Tatsache, dass ich mich immer noch mit der Sache der Kurden identifiziere.

Was für eine Ironie! Muss sich ein Mitbürger seine Herkunft und seine Geschichte leugnen, um ein Mitbürger zu sein?

Nein danke, Integration stelle ich mir anders vor.

Laut Gerichtsurteil bin ich eine sicherheitspolitische Gefahr für die Bundesrepublik. Das ist lächerlich! Wie sollte ich durch meine bloße Einstellung die Bundesrepublik gefährden? Im Moment gefährden deutsche Gerichte meine Sicherheit! Und nicht nur meine, sondern auch die meiner Familie!

Im Laufe der Prozesse, die ich führen musste, lernte ich die Solidarität der, wenn auch wenigen, aber intensiven und unschätzbaren Wärme der Menschen schätzen. Es gibt auch Menschen hier, denen das Schicksal von Flüchtlingen nicht gleichgültig ist und die sich für die globalen Ursachen von Flucht, den Anteil das das Land hat, in dem sie selbst leben interessieren.

Ich danke Danke Euch allen für diese Zärtlichkeit.

Was in dem Land, in das ich abgeschoben werde, tatsächlich passiert, wird hier kaum registriert, obwohl man dieses Land zu kennen glaubt. Einmal abgeschoben, gibt es viele Wege, jemanden am Ende doch noch umkommen zu lassen oder zu verfolgen.

Und Sie können versichert sein, dass die Türkei diese Möglichkeiten auch nutzt. Für die Türkei bin ich ein Staatsfeind. Und zwar weil ich Kurde bin und mich für die kurdische Sache eingesetzt habe. Dieser Grund reicht vollkommen aus.

Daran wird die Tatsache, dass man behauptet, die Türkei habe sich inzwischen demokratisiert, nichts ändern.

In ein paar Jahren wird man wieder sagen, die Türkei habe sich im Vergleich zu jetzt demokratisiert. Um die Frage entscheiden zu können, sollte man genauer hinschauen, doch wer tut das schon? Ich könnte Ihnen jetzt detailliert erzählen, warum die Türkei sich kein bisschen demokratisiert hat. Sie brauchen nur auf eine vernünftige kurdische Seite im Internet zu gehen, um mehr darüber zu erfahren.

Für das Gericht, das meine Abschiebung beschlossen hat, ist nicht die Situation der Türkei oder vielmehr meine Situation in der Türkei entscheidend, sondern einzig und allein die guten Beziehungen der BRD zur Türkei. Man hat ein Interesse, viele Menschen abzuschieben, ohne Rücksicht darauf, wie lange sie hier leben, oder wie ihre tatsächliche Situation ist.

Die Rechte, die für Deutsche gelten, werden niemals für uns gelten, da man uns nicht als Mitbürger und Mitbürgerinnen sieht, die an dieser Gesellschaft teilhaben, sondern als Menschen, die man jederzeit wieder abschieben kann, auch nach nahezu 30 Jahren.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
cronjob