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Guy Debord (* 28. Dezember 1931 - † 30. November 1994) - Überlegungen anlässlich seines achtzigsten Geburtstags

Guy Debord
Foto: marxists.org
Debord - nun schon so lange tot. Er galt als einer, der mit seiner Theorie vom Spectacle, in das die gesamte Welt sich verwandelt haben soll, 1968 vorweggenommen zu haben schien. Verkürzt wurde diese Theorie oft so rezipiert: Die ganze Welt der Erscheinungen ist zur Vorführung geworden. Vorführung eines Zusammenhangs des zwanghaft Stimmigen.Des stimmig Gemachten. Dass die Verfügung über die Medien dazu beiträgt, versteht sich. Aber diese richtige Bestimmung reicht keineswegs aus.

Oft wird Debord zu kurz verstanden, in der Unterstellung, es ginge ihm einfach um die Verwandlung des Seienden in Schein, Magie, Voodoo usw. Damit bliebe der von ihm erhobene Anspruch, den Materialismus der Moderne aufzugreifen und fortzusetzen, unberücksichtigt.

Debords auf jeden Fall mitgedachte, wenn auch nicht immer offen ausgesprochene Voraussetzung besteht gerade darin, dass brutalste und blutige Eingriffe "von oben" in die Gegebenheiten der materiellen Welt nötig sind, um den Widerspruch auszutilgen. Den Widerspruch nämlich, der sich der unmittelbaren, unverfälschten Wahrnehmung aufdrängen würde. Beispiel: Die Schauvernichtung Griechenlands. Dass alles Sparen nie das angestrebte Ziel erreichen kann, ist jedermann klar. Aber Griechenland behält seinen Wert im Sinne des Gesamtkapitals. Vergegenwärtigung der Vernichtungsdrohung, die alle angeht, die sich ererbte Umgangs-und Organisationsformen nicht ohne weiteres nehmen lassen wollen. So entsteht das einheitliche Bild einer Ödnis, einer Wüstenei. Schlachtung einzelner zur Erstickungsangst vieler.

Nicht immer deutlich antwortet Debord auf die Frage, wie denn dann noch Wirkliches überhaupt sich einstellen kann und Wirkung erzeugt. Wieder mehr zu erschließen als tatsächlich ausgesprochen bleibt als sicher nicht Spektakuläres der menschliche Körper übrig. Mit seinen Schmerzen, seinen Empfindungen, seiner Lust. Körper nicht als ruhendes Sein gedacht, sondern als bewegtes und bewegendes Mittel der Interaktion in der Arbeit. Von daher lässt sich verstehen, dass Debord vor allem in den "Kommentaren" nach Erscheinen von Spectacle an den Kämpfen der italienischen Arbeiterklasse Interesse fand und festhielt. Würde nicht in dem Zusammenhang menschlicher Produktivität sich eine unanfechtbare Gewissheit, Wirklichkeit höheren Grades herausbilden?

Als sich herausstellte, dass auch zwischen den einen Proletarier und den anderen sich das "Bild" schob - die manipulierte Vorstellung von Welt - hat Debord den Kampf wohl aufgegeben. Seine letzten Bücher stecken voll wehmütiger Erinnerung an frühere Zeiten, die Kneipen voller Unterschiede, die verschiedenen Speisen in den Kaschemmen der Vorstädte. Alles voller Sinnlichkeit im Versinken. Aber bedeutsam nur noch für den Erinnernden selbst.

Debords Resignation - zu früh akzeptiert?

Die Frage ist, ob nicht die atomisierten Mitglieder der Klasse auch außerhalb der Arbeitserfahrung zu neuer gemeinsamer Erfahrung vordringen konnten. Die zuerst in Frankreich, dann überall auftauchenden raps scheinen eine Welt zu eröffnen, in welcher gerade die Arbeitslosen mit den Arbeitenden zusammen einen Block bilden. Etwas Unzersetzbares. Ein Etwas, das im Aussprechen der Leere den Anspruch auf Inhalt, auf Fülle und Überfülle erhebt.

In einem kleinen Reclam Büchlein für den Schulunterricht hat Eva Kimminich von der Universität Freiburg schon 2002 auf die besondere politische Bedeutung aufmerksam gemacht, die RAP in den französischen Banlieues erhalten hat. Besonders ausgeprägt auch in der Region Strasbourg, wo es seit den neunziger Jahren ein kommunal unterstütztes Studio "sons de la rue" gibt (www.sonsdlarue.fr). Nach dem Antritt der Rechten im Provinzparlament ab 2002 sollen ihm laut der genannten website Mittel gestrichen worden sein , doch mit vielen kleinen Clips und Songs nimmt es sich immer noch ansehnlich aus.

Rap, stellt Eva Kimminich fest, verbindet sich in den Vorstädten zu einer festen Einheit mit der Kultur der Graffiti und des break-dance, ergänzt durch einen besonderen Kleidungsstil, wie ihn die Photos der website "sonsdlarue" zeigen. In dieser Einheit ergibt sich offenbar ein Zusammenhalt, eine Festigkeit und Unbeugsamkeit, die bisher jedem erzieherischen und polizeilichen Eingriff widerstand. Und dies inmitten der Leere, der Empfindung totalen Beraubtseins. Wie passt beides zusammen?

Eva Kimminich gibt einen Text wieder, den die Gruppe "Hard Life & Le Déclic" publiziert hat. Déclic heißt laut Kimminichs Kommentar ungefähr: "Es hat geschnackelt".

Eine Eigenheit aller Texte, auch der bekanntesten, ist der - absichtliche oder unabsichtliche - Verstoß gegen sämtliche Regeln der französischen Rechtschreibung und Grammatik. Schon in der Schule nicht allen zugänglich, gelten diese als Domäne der feinen Leute, der Etablierten. Doch das ist hier nicht weiter vorzuführen. Stattdessen im Folgenden ein Ausschnitt aus einem Song aus den Vorstädten von Strasbourg, bei Kimminich im Original dokumentiert, schwer zu übersetzen und hier, mehr dem Sinn als den Einzelbedeutungen folgend, etwas holprig übertragen.

Titel und zugleich erste Zeile lauten:

"Schnapp dir die Sechzehn-Millimeter-Kamera"

Das Viertel ist noch immer da
Das Leben fließt gleich, die Tage so gleich
Die gleichen Jungs ziehn um die gleichen Silos
Gleicher Monat, gleiches Jahr- schleppst immer die gleichen Kilos
Die Tage am Seil, jeder dem andern verwandt
Gleiche und gleiche geben einander die Hand

Wie krieg ich diesen Tag noch rum
Der Ringelreihen macht mich dumm
Einen Tag länger rumhängen im Treppenhaus
ein Tag mehr, der trickst mich aus
Abgezählt, Tag für Tag - und du bist raus

Der gleiche Film spult immer gleich sich ab
Der gleiche Scheiß von der Krabbelstube bis ins Grab
Den gleichen Tag von Tag zu Tag rumkriegen
Und schließlich tief im Straßengraben liegen
Wo es mich gibt, heißt es Überleben
Warum dann nicht gleich sich die Droge geben?

Die Schuld holt dich ein
Irgendwann will sie bezahlt sein
Als Preis blätterst Du das Leben hin
Bei Verlust, ganz egal, oder bei Gewinn
Öffne dem Schrei der Mütter die Ohren
Die einen Sohn, eine Tochter verloren
Ein Toter mehr gestorben
ein Tag mehr verdorben

Die Tage folgen ohne Unterlass
Ein jeder wischt Liebe aus, brütet den Hass
Liebe und Tod stützen sich beiderseits
Die Liebe zeugt mit dem Tod das Aids
Todesschritte zu hören sind

Des Menschen Blick dabei für eines blind:
Es geht die Zeit, es läuft die Uhr
Die Zeit lässt hinter sich eine Spur,
Ein neuer Tag - die Zeit nimmt ihren Lauf
Ein neuer Tag - Sheitan lauert uns auf
Ein neuer Tag, um abzuschlaffen

Der Beton fordert: Kies heranzuschaffen
Es ist so eingerichtet, und von allen
Dass wir im Schwindel auf die Schnauze fallen
Und man stopft ins ewige Schweigen
Solche, die Hunger nach Wissen zeigen

Die Tage entweichen
Die Träume verbleichen
Wie halte ich Stand?
Zeit ist davon gerannt


Ein wiederkehrender Refrain aus drei Strophen:

Neuer Tag dauert lang.
Tage gehen ihren Gang
Leben eile oder schleich!
Alle Tage immer gleich.

Alle Tage immer gleich,
Das Leben spielt uns einen Streich
Lauf, Leben, oder schleich!
Die Tage immer neu
Sie ziehn an dir vorbei

Zu übereilt, zu jäh
Der neue Tag hängt zäh
Der Tag, der Tag, der Tag, der schleicht,
Einer dem andern gleicht.
Der Tag.....?"
(Kimminich, S. 25ff)

Der Text, um 2002 entstanden, scheint zunächst völlig unpolitisch. Ein einziger Ausdruck durchzieht den Song: Tag, leerer Tag, immergleicher leerer Tag. Beim "armen Mann im Toggenburg" bäurischer Herkunft aus der Schweiz findet man um 1780 den Ausspruch: "Gestern wie heute, heute wie gestern. Es hätte immer so weiter gehen können". Dem Bauern ist das Immergleiche das Gesicherte. Keine Überraschung durch Gewitter und Dürreperioden. So wurde das Immergleiche in bäuerlichen Zeiten ganz anders erlebt als hundert Jahre später.

Da lässt Grillparzer den "Armen Spielmann" in seiner gleichnamigen Novelle sagen: "Heute, wie gestern. Gestern wie heute" - Ausdruck tiefster Trostlosigkeit. Grillparzers Spielmann ist aus gutem Hause, jetzt abgesunken und jeder Perspektive beraubt. Genau das kennzeichnet dann das proletarische Schicksal, soweit es nicht - vorübergehend - durch ein "Mit uns zieht die neue Zeit" aufgehellt wird.

Guy Debord bringt in seinem Buch über das Spektakel eine verblüffende neue Bestimmung des Proletariats: "Zum Proletariat gehören die, die unter keinen Umständen eine eigene Perspektive entwickeln können, was ihre Umwelt - den Raum ihres Lebens - und was ihre Zeit (Zeitplanung) betrifft - und die das wissen."

Der Song der Gruppe "déclic" zeigt einen Ansatz dieses Wissens. Man ist - räumlich - gefesselt an die enge Vorstadt. Schon ein Ausfall ins Zentrum Strasbourgs, zwischen Münster und Fachwerkgemütlichkeit, geschieht selten, gruppenweise, immer in Gefahr, auffällig zu sein und polizeilich behandelt zu werden. Dasselbe gilt der Zeit nach. Wie bitter der Hinweis auf den Aufstieg über Bildung, der ja hüben wie drüben der Rheinufer mundfusslig empfohlen wird: Wissbegierige zum Schweigen gebracht. Der Lebensvorgang: ein einziges Abnutzen. Die Träume verbleichen...

In der Sammlung dieser Trostlosigkeiten findet sich trotzdem der Stolz, das auszusprechen, es zu wissen, weitersagen zu können. Es ist in der Vernichtung Ausdruck der Gemeinsamkeit, auf die sich alle einigen können, welcher Herkunft auch immer. Im Gefühl des Zunichte –“ Gemacht - Werdens sammelt sich die Kraft, dem Vers der Internationale zu entsprechen "Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger / Alles zu werden kommt zuhauf".

Es hat Strafanzeigen Sarkozys gegen die Verfasser aggressiverer Raps als gerade diesen gegeben. Zwei Lehrerinnen erhielten etwas, das einem Berufsverbot sehr nahe kam, als sie im Unterricht politische Raptexte behandelten. Es half nichts. Über CDs, private Sender und das Internet kann die neue Musik der Ortsgefesselten ihren Ort verlassen und verbreitet sich wie die Luft.

Ein Problem ergibt sich nämlich aus Debords Definition der revolutionären Klasse. Die hergebrachte der bisherigen sozialistischen Tradition hob vor allem auf eine Eigenschaft des Proletariats ab: Da die Proletarier in Wirklichkeit alles produzieren, können sie gerade deshalb ihre Arbeitskraft zurückhalten, und sie können aus den im Produktionsprozess erworbenen Kenntnissen am Ende den ganzen Laden schmeißen, ohne das Fach- und Geschäftswissen der Bourgeoisie.

Das Problem der Banlieue - Insassen ist aber, dass sie systematisch außerhalb der als Mehrwerterzeugung gedachten Arbeit gestellt werden.

Doch was ist heute Produktion? Ohne auf Negris unsinnigen Begriff der immateriellen Arbeit, wie er ihn versteht, hereinzufallen, muss doch zugegeben werden, dass die Arbeit die Fabrik vielfach verlassen hat und dass ihre Organisation - just in time etc. - ein dichtes Netz von Verständigungen, Verständigungsregeln und Kommunikation erfordert. Gleichwohl ist auch diese Produktion nicht immateriell, denn sie hängt an ihrem Beitrag zur Ermöglichung materieller Produktion. Aber es handelt sich um genau das Gebiet, in das auch die Produktion und Verbreitung von Rap eindringt. Private Radioketten leben mittlerweile schon davon, drängen sie damit von ihrer Position des Nichts doch ins Zentrum vor: Ziemlich viele Rapperinnen und Rapper verdienen ihr Brot inzwischen als Djs dieser Sender. Zusätzlich werden CDS gepresst und Songs über das Internet verbreitet. Durch Streik können Rapper und Rapperinnen wenig ausrichten, aber durch eine andere Art der Arbeit, eben unter Ausnutzung der elektronischen Notwenigkeiten heutiger Produktion.

All das heißt freilich nicht, hier sei jetzt endlich der sichere Weg zum Sieg gefunden, kein Gegner mehr zu erwarten, keine Vorsicht mehr geboten.

Merkwürdig bleibt, dass die Songs ihre Lust und Poesie keineswegs aus dem lärmenden Draufschlagen beziehen. Die - meist - Farbigen in den Slums klagen vielmehr gerade die von der bürgerlichen Revolution allen versprochenen Rechte ein - zum Teil naiv, zum Teil in der richtigen Erkenntnis, dass die bürgerliche Gesellschaft, wie Hegel schon andeutete, in all ihrem Reichtum nicht fähig ist, ihr eigenes Versprechen der Gleichheit und des Aufstiegs zu erfüllen. Sie klagen gerade das ein, so wie zwischen 1830 und 1848 die Arbeiter immer wieder das Recht auf Arbeit forderten, bis die Bourgeoisie im Juni 1848 die Bundesgenossen aus der Arbeiterschaft genau deshalb blutig massakrierte, weil sie einsah, dass sie nichts weiter gewähren konnte, ohne Lohnarbeit als Grundlage des Kapitals aufs Spiel zu setzen.

Umgekehrt erkannte die Arbeiterklasse in ihren fortgeschrittensten Elementen im Manifest von 1848, dass sie ihr Recht auf andere Weise erkämpfen müsse und könne - nur im Bruch mit der Herrschaft der Bourgeoisie über die Produktionsmittel.

Derselbe Schritt steht den BewohnerInnen der Banlieues noch bevor. Im Augenblick schreiben sie Songs an "Marianne", Inbegriff eines Frankreich, das für alle da sein sollte, aber es nicht sein kann. Oder einen "Brief an den Präsidenten" als Rap. Immer wieder findet sich dabei der Dreischritt aus Klage, Anklage, Abkehr.

Damit es nicht so weit kommt, setzen die Verteidiger der bestehenden Ordnung auf Abstumpfung. Sie organisieren in den Gefängnissen selbst Rap - mit angeschlossenen Schreibbüros und Studio. Einen der Texte aus dieser Produktion gibt Eva Kimminich ebenfalls zum besten. Gefangene aus einem Knast bei Strasbourg rappen:

"Knastbrüder geben den einen Tipp
Leb Dein Leben mit Liebe für jeden Augenblick
Stürz dich für später nicht ins Unglück
Kopf hoch, und das Hirn ausprobieren
Und mich in das elende System integrieren

Jahrlang hatte ich nur Hunger und Fressen im Sinn
Mit dem Mikro zeige ich jetzt, wer ich bin
Ich acht' auf die Worte, halt zusammen die Taten, bin voll in action
Jetzt blick ich, Junge, des Lebens wahre direction

Sohn, du sollst an die Zukunft denken
Das Schlimmste, der Knast, wird dir nichts schenken
Klauen - das bringt dir bloß Schererei
Mein einziges Ziel: für mich ist so was vorbei.

Dieser Rap sei all den Typen im Knast geweiht,
Ich rappe hier, weil mich das befreit,
Sohn, denke an die künftige Zeit!"
(Kimminich, S. 113, übersetzt von fg)

Die pädagogische Absicht wird überdeutlich: Glaub an den Aufstieg, auch wenn er unmöglich ist! Im Kommentar führt Kimminich Jugendliche aus Colmar an, die nach einem Open-Air-Konzert der Knastgruppe dem beseligten Reporter ins Mikro bekannten: "Als ich das hörte, bekam ich Lust, mich auf den Hosenboden zu setzen und mehr zu lernen" (Youssef Elabari), oder auch: "Als ich das hörte, bekam ich Lust auf eine eigene Band und eigene Texte" (Tomma Yapapa). Die Familiennamen verraten alles über Herkunft und erzwungenen Ehrgeiz für den Aus- und Aufstieg ins Leere. Angesichts der Erfahrungen, die der jetzige und der künftige Sarkozy-Staat den Jugendlichen in Neuhof bei Strasbourg und anderswo in den Slums vorbehalten, scheinen die Aussichten der neuen Heilsarmee, diese Erfahrungen umzubiegen, gering. Es ist ein Zusammenhalt, der sich mehr aus dem Bewußtsein der Erniedrigten und Beleidigten speist als aus dem Selbstbewusstsein der Produzenten. Aber eben als dieser unverbrüchlicher als manches andere.

Insgesamt werden es Sarkozy und die seinen schwer haben, die Orte der Ausgestoßenen zu stürmen und in ihrem Sinn umzusiedeln, Orte, die die Untersten durch Graffiti, Break und Rap im Augenblick der äußersten Verlassenheit und Beraubung in der Souveränität der Zeichensetzung trotz allem neu zu ihrem Ort gemacht haben. Es steht noch dahin, wer beim Ansturm auf der Strecke bleiben wird.

Schlagkraft!

Kaum hatte die Regierung und ihre Bataillone das Parlament das erste Mal belogen - von Hebeln sei keine Rede bei den zugesagten bis erpressten Garantien für Anleihen-Ankäufe, tauchte am nächsten Morgen das Wort "Schlagkraft" auf in sämtlichen offiziellen Fernsehsendungen. Hörte sich gut und überzeugend an! "Schlagkraft" - wer denkt sich was Böses dabei? Was nutzt ein schlapper Hammer, der keine Wirkung hat beim Zuschlagen? Und dass wir alle zusammen zuschlagen müssen, haben "wir" doch eben beschlossen im Parlament ohne Opposition.

Das Wort hat Karriere gemacht. Kaum eingebürgert fürs Finanzwesen, hat es sich jetzt der Militärorganisation bemächtigt. Auch die angebliche Sparpolitik unseres derzeitigen Wehrmachtsministers dient vor allem der "Schlagkraft" im Ausland. Hier bekommt das Wort schon seine greifbarste- und für andere schmerzliche- Bedeutung.

Ein deutsches Volk, in allen seinen Stämmen geeint im Willen zur Schlagbewegung - so könnte ein neuverstandenes Grundgesetz anfangen, wenn aus Versehen einmal nach Wahrheit gefragt würde. Wie aber kommt so ein Lockwort überfallartig über die angeblich unabhängigen und freien Nachrichtenorgane unseres Landes? Auf pfingstliche Inspiration ist wohl nicht zu setzen.

Sollte es da doch Direktiven geben? Nicht im Sinne einer einfachen Verschwörung. Mehr in dem einer langsamen Osmose, wie sie inzwischen alle Sendearten durchzieht. Gerade die allertrivialsten.

Nehmen wir nur mal als Beispiel die Redensart vom "Zeit kaufen". Eine der Grundkategorien nicht nur der Lalltüte v. Dohnanyi, sondern der meisten ernsten Kommentatoren. Wer sich langjährig von amerikanischen und deutschen Comedies einschläfern ließ, kennt sie als den Spruch "Schatz, ich bin noch nicht so weit". Zeit kaufen läuft hier hinaus auf allerlei Umtriebe vor dem ersten Sprung in die Kiste - der unweigerlich folgt. Politisch sehr genau: "Am Ende wird es den großen Zusammenbruch geben, aber dann sind wir alle schon raus -wenn wir Glück haben." Das sickert dann so ein ins Allgemeinbewußtsein.

Ähnlich das Ringen um Vertrauen. Verbraucht fast die halbe Sendezeit von "Rote Rosen". "Vertraust Du mir denn nicht mehr?"- "Du musst lernen, mir zu vertrauen". Am Ende muss das ja klappen, sonst hörte die Serie unverhofft doch einmal auf.

In der Politik hat die Einsicht gesiegt, dass das altertümliche Vertrauen hoffnungslos versiegt ist. Dasjenige nämlich, dass ein Ausleiher eines Tages das Ausgeliehene zurückbekommt. Mit Zins, normalerweise.

Stattdessen wird Vertrauen synthetisch gewoben. Auf den beliebten Konferenzen in Brüssel oder sonstwo. Vertrauen schaffen heißt jetzt: "Ich verspreche Dir soundsoviel Dollars - nach Sarkozy - sonst Euros - sofort, wenn Du meinen Versprechungen auf ewig und immerdar glaubst - oder so tust, als ob!" Dann - wie im Vorlagenfilm - Massenknutschen.

Nur eine Standardszene ist noch nicht in den Wortschatz der Politik eingedrungen: "Schatz, ich kann Dir das erklären". Ein Wesen, meist Mann, nestelt sich von seiner Mitlagernden los, springt nackt aus dem Bett und breitet die Arme. Türenschlagen die Folge. Wenn das einmal auf die Politik übertragen werden müsste, könnte es nicht anders heißen als "Genossen, Kollegen - ich bin wirklich pleite". Die Höllenanstrengung unserer Kanzlerin richtet sich allein darauf, dass dieser Augenblick so spät wie möglich ins Fernsehen dringt.

Und was tun wir dazu, dass das wenigstens mal vorstellbar wird?

Gaddhafi beseitigt! Imperialisten, Beutegierige, Betrogene im Blutrausch!

Nach der  wochenlang  eintrainierten Arbeitsteilung ist nun der ehemalige Führer des Landes Libyen offenbar abgeknallt worden. Die Arbeitsteilung: irgendwelche Libyer, deren Kraft zum Knarretragen ausreicht, befinden sich auf Panzern oder Lastwagen, grölen herum und schießen in die Luft. Die zum Kriegführen nun einmal notwendige Mordarbeit wird von den Nato-Truppen erledigt. Nato im weitesten Sinn: Wie inzwischen die englische Regierung zugegeben hat, waren seit diesem Frühjahr immer schon englische Geheimdienstler zusätzlich im Land. Jetzt fallen sie sich alle in die Arme. Die Imperialisten, denen es zu allerletzt um befreite Gegenden ging- die Beutegierigen, die sich ein kleines Stück der Erträge wünschten, und kleinlaut - aber immer noch - die wenigen Freiheitskämpfer, die es möglicherweise auch gegeben hat. Sie haben das letzte Mal Gelegenheit zu lachen.

Gaddafi

Ich erinnere mich noch gut an den Augenblick, als er den Günstling Englands, Idris, entmachtete. Es regte damals wirklich auf Gottes Erdboden niemand auf. Alle verstanden: hier erfolgte ein Aufstand im Sinne und in der Nachfolge Nassers von Ägypten. Mit der Absicht, sich die Erträge der eigenen Erde wieder selbst anzueignen. Das Öl.

Alle Versuche Gaddafis, das Fundament zu erweitern, durch Zusammenschluss mit anderen arabischen Staaten, schlugen fehl. Warum? Der nationalistische Ansatz vertrug sich schlecht mit den Ideen des Panarabismus. Um es noch genauer zu sagen: die Nachbarn waren so nationalistisch wie der Herrscher Libyens selber. Und das Schwadronieren von der UMMA- der arabischen Einigung- half nicht viel weiter.

Was wir vom "Grünen Buch" mitbekommen haben, haben wir kaum verstanden. Immerhin haben seine unklaren und undeutlichen Ideen dazu verholfen, die total verschiedenen Leute der verschiedenen Landesteile halbwegs zusammenzuhalten. Sonst hatten die Berber auf der einen Seite, die Tuareg auf der anderen und die verschiedenen Arabergruppen in der Mitte einander herzlich wenig zu sagen. Einzige Gemeinsamkeit: das Interesse am Ölertrag. Von dem- immerhin- mehr den einfachen Leuten zukam als in vielen anderen Öl-Fürstentümern. Nicht zu vergessen auch die umfassenden Bewässerungsanlagen, die ohne Krieg und hochfahrende Abenteuer dem Land einen dauerhaften landwirtschaftlichen Fortschritt ermöglicht hätten.

Gaddafis Hauptfehler in den letzten Jahren: Sich seinen jetzigen Feinden -und Verrätern!- vorzeitig auszuliefern . Durch Verträge und Stillhalteabkommen. Vor allem durch das schändlichste: die Vereinbarung mit Italien, Flüchtlinge aus dem Innern Afrikas im Dienste der Schengen-Sicherheit zurückzuhalten (Womit er sich allerdings vom inzwischen hochgelobten Tunesien nicht unterschied, das eben im Begriff stehen soll, den gleichen Vertrag mit dem mittelmeerischen Westen zu erneuern. Aber hochdemokratisch dieses Mal, bitte sehr)

Humanitär - inzwischen das Ekelwort des Jahres.

Ein flatterseeliger Schreiber französischen Slangs - ein nach allem schnappender französischer Präsident in Not - die englische Blair geschulte Gierhalskompanie frömmsten Angesichts - stürzten sich auf die Gelegenheit. Warum Russland und China kein Veto einlegten, ist kaum zu begreifen. Jedenfalls ergab sich die herrliche Gelegenheit für die NATO, HUMANITÄR abzuknallen, was sich breit machte.  Wenn Tote im Fernsehen oder den gefälligen anderen Medien erwähnt wurden, dann stammten sie immer und ausschließlich von den sich verteidigenden Truppen Gaddafis, die sich  vom ersten Tag des Überfalls in "Heckenschützen" verwandelten. Ihr Chef wurde "Machthaber". In Jugoslawien hatte es immer noch - versehentlich - zivile Opfer gegeben, die verschämt zugegeben wurden. In Libyen: Kein einziges. Wenn wir dem Wehrmachtsbericht glauben dürfen.

Die trübsten rassistischen Phantasien der ausländischen Pressechefs und libyscher Chauvis  rasten auf bei der Vorstellung einer Unmenge schwarzhäutiger Milizen und "Söldner" aus dem Inneren Afrikas. Dass die in der Regel unter Prügeln gestanden, nur Fremdarbeiter gewesen zu sein,bewies ihren Verfolgern, mit welchem Recht es die Prügel gesetzt hatte.

Bei Licht besehen unterschied sich Gaddafi nicht wesentlich von den Gewalttätern, die sonst die Gegend beherrschen. Sein Pech: er hatte sich von den meisten Nachbarn isoliert. So wurde er -trotz allem- nach langem Widerstand leichte Beute der viel schlimmeren Machthaber im Westen, die ihn billig und "HUMANITÄR" loswerden konnten. Trotz allem: Friede seiner Asche! Er war der schlimmste nicht im Kreis der blutigen Brüder.

PS: Nur für Leute mit Fernsehen im Bad: Das Auftreten zweier Friedensfreunde aus purem Versehen, die sich im letzten Augenblick anschleimen werden: Westerwelle und Merkel. Beide haben ein dringendes Interesse daran, mitgesiegt zu haben und mitzuernten. Westerwelle im Ersaufen, Merkel im Sarkozyclinch. Klodeckel offen halten! Sie erflehen Absolution für das einzig Anständige ihrer Laufbahn.

Siehe auch:

F­rankreich: Vorwärts im Kampf für die Menschenrechte - weltweit!

Die Erstürmung der Bastille als Geschichtsmythos (Bild von Jean-Pierre Louis Laurent Houel, veröffentlicht 1789)

Quelle: WikiPedia
Wie wir alle wissen, ist Frankreich seit 1789 Vorkämpferin der Menschenrechte, wo auch immer. Wenn die französische Regierung jetzt aus dem Beschluss des Sicherheitsrats herausliest, dass sie mit Kampf-Hubschraubern Leute in Libyen abknallen muss, dann zeugt das für entsprechenden Einsatzwillen. Auch der immer schon praktizierte, inzwischen zugegebene Einsatz von spezialisierten Bodentruppen beweist den engagierten Interpretationswillen der Franzosen (und Engländer).

Der gleiche Willen, unerschütterlich, in Europa. Wurde nicht der Randstaat Dänemark hart gerüffelt, wegen Anzweifelung des Schengen-Abkommens? Wir erinnern uns: das sollte einmal die scharf rationierten Wohltaten für Einwanderer, falls es noch solche gab, innerhalb Europas absichern. War also menschenrechtlich vorbildlich. Genau aus diesem Grund musste das Schengen-Abkommen gegen Italien verteidigt werden. Hatte dieses verantwortungslose Land doch Flüchtlingen aus Nordafrika Ausweise untergeschoben, mit denen sie nach Frankreich ausreisen wollten! Und dort den schon anwesenden Mit-Morgenländern die ohnedies dünne Suppe verwässern. So geht das nicht!

Dass bei Großunternehmen wie Straßburg das Schengener Abkommen von Frankreich selbst zeitweise gekündigt wurde, entsprang den gleichen Beweggründen. Sollten etwa französische (und deutsche) Polizistinnen und Polizisten zu menschenrechtswidrigem Schlagstockeinsatz und Gasangriffen gezwungen werden?

Diese Haltung zeigt sich nun in Frankreich selbst. Es sind - trotz aller Vorsichtsmaßnahmen - immer noch zuviel Ausländer - vor allem aus Tunesien - eingedrungen.

Bernard Schmid hat sich - laut TREND 5/2011 - unter das hilfesuchende Volk gemischt, um herauszubekommen, was französischer Internationalismus dem Hautgefühl nach konkret bedeutet:

"(...) „Du! Ab nach hinten!“ schreit mich ein behelmter Beamter der Bereitschaftspolizei CRS an und schwingt drohend vor mir mit dem Knüppel. Im Eingangsbereich eines Hauses, das –“ nachdem es von als „illegal“ dargestellten Einwanderer besetzt war - soeben von 200 bis 300 CRS-Beamten gestürmt wird, steht es sich nicht besonders gut. Auch riecht es nach Tränengas. Mit dröhnendem Lärm schlagen die Bereitschaftspolizisten mit den Knüppeln auf ihre Schilder und jagen die Treppen zu den zwei oberen Etagen hoch.

Zusammen mit mehreren Dutzend Personen werde ich in einen engen Gang im hinteren Teil des Erdgeschosses gedrückt. Es wird auf Französisch und, vor allem, in tunesischem Arabisch diskutiert. Bei einigen der Anwesenden kommt Panik auf, ein junger Tunesier hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Hinterkopf, er hat einen Knüppelhieb abbekommen. Auf einmal kommen Polizisten auch von der anderen Seite des Ganges durch eine Hintertür, die bislang verschlossen geblieben war. Eine Hintertreppe führt dorthin. Die mehrheitlich aus Tunesiern bestehende Gruppe versucht sich zu beruhigen. Ein paar junge Leute rufen auf Arabisch „Gott ist größer“. Andere stimmen den Refrain der tunesischen Nationalhyme, Humat al-Hima, an: „Namutu, namutu wa nah-ya ala adhiha“. Also, „wir leben und sterben für diesen Eid.“

Ein älterer Beamter, der offenbar den Einsatzleiter gibt, fordert uns alle auf, keinen Widerstand zu leisten, „dann verläuft auch alles gut“. Wir sollten uns „nicht unnötig verletzen“. Er versucht, eher beruhigend zu wirken, aber einige seiner Leute wirken hochgradig nervös. Einer beruft sich darauf, zwei Tage zuvor sei am selben Ort eine Bierdose von jungen Anarchisten auf ihn geworfen worden. Einzelne, die auf den beiden Toiletten am Gang Wasser trinken oder ihr Geschäft verrichten, werden herausgezerrt. Eine dritte Toilette ist verschlossen. Unter hohem Gewalteinsatz, und nach mehreren vergeblichen Versuchen, brechen die Polizisten die Tür in Stücke. Es stellt sich heraus, dass die Toilette entgegen ihren Vermutungen unbesetzt war und sich niemand eingeschlossen hatte. Ein CRS-Polizist fragt einen französischen Aktivisten: „Was ist ihre Rolle bei den Tunesiern? Linker Aktivist, was?“ Als der Angesprochene nicht antwortet, bekommt er zu hören: „Die werden schon reden, wir behalten sie über Nacht.“ (...)"


Titel der Reportage Schmids: "Vom Regen in die Traufe"

Der weitere Text schildert die Bemühungen, die Eingewanderten so schnell wie möglich wieder in das befreite Tunesien zurückzuschaffen. Manchmal direkt, manchmal mehr durch Schikane. Trotz Befreiung scheint das neue tunesische Regime in diesem Punkt gefällig die Hilfspolizistenfunktion des abgesägten und inzwischen verstorbenen Präsidenten Ali übernommen zu haben.

Deutschland und sein neuer Innenminister haben Pech, dass sie sich nicht gleichermaßen menschenrechtlich bewähren können. Die europäische Binnenlage verhindert das weitgehend. Bereit stehen sie jedenfalls. Und zwar feurig.

Libyen: Die Schlächter sind unter uns. Stoppen wir sie!

Zum Krieg gegen Libyen dokumentieren wir den Appell des Bundesverbands Arbeiterfotografie vom 21.3.2011 als Diskussionsbeitrag:

Die Schlächter sind unter uns. Einige von ihnen sind gewählt. Sie heißen Obama, Sarkozy usw. Sie sind die Despoten, die sich an das große Kapital verkauft haben und in dessen Interesse agieren und die Weltöffentlichkeit manipulieren. Das große Kapital ist der eigentliche Diktator, der seine Handlanger operieren läßt. Sie sind es, gegen die ein Aufstand erforderlich ist.

Diejenigen, die uns einreden wollen, es ginge in Libyen um den Schutz von Zivilisten - wie das z.B. der mit dem "Friedensnobelpreis" versehene US-Präsident Obama am 19. März 2011 in aller Öffentlichkeit tut [1] - sind die eigentlichen Despoten und Demagogen. Sie erfinden Verbrechen, gegen die sie vorgeben einschreiten zu müssen, nennen diejenigen, deren Beseitigung sie planen, Schlächter und lassen selber Menschen abschlachten - in unzähligen Kriegen und jetzt auch in Libyen.

Dabei ist klar, worum es dort geht. Ziel ist, ein Land in die Knie zu zwingen, das einen eigenständigen Weg gehen will, sich der hemmungslosen Gier des großen Kapitals in den Weg stellt und seine Bodenschätze nicht bedingungslos ausbeuten lassen will. Dazu gehören Öl, Gas und - nicht zu vergessen - Wasser.

Das achte Weltwunder - Libyens Wasserprojekt

Libyen verfügt über gigantische Wasserreserven und hat die Einnahmen aus dem Öl- und Gas-Geschäft in ein Projekt investiert, das als das achte Weltwunder bezeichnet wird. Es geht um Süßwasserressourcen tief unter der Wüste. Sie haben nach bisherigen Erkenntnissen ein Volumen von ca. 35.000 Kubikkilometern. Das entspricht einem Wasserbecken von der Größe Deutschlands mit einer Tiefe von 100 Metern. Und dieses Wasser hat - wenn man von einem Preis von 2 Euro pro Kubikmeter Wasser ausgeht - einen Wert von Zig Billionen Euro. Die Kosten für die Bereitstellung von einem Kubikmeter Wasser liegen bei nur 35 Cent (für die Gewinnung aus Meerwasser werden dagegen 3,75 Dollar angegeben). Das Wasser reicht für die Versorgung der libyschen Bevölkerung und ihrer Landwirtschaft für mindestens 50 Jahre - wenn nicht noch wesentlich länger. Die Realisierung des fast unvorstellbaren Projekts begann in den 1980er Jahren und ist nach 30jähriger Bauzeit an einem Punkt angekommen, daß sie die erhofften Früchte bringen und zu einer regelrechten "grünen Revolution" führen könnte. [2] [3] [4] [5] [6] [7]

Damit könnte sich Libyen selber mit Lebensmitteln versorgen, diese sogar exportieren - beträchtliche Teile von Afrika versorgen - und sich damit weitgehend befreien von den knebelnden Zwängen von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) - wenn es jetzt nicht das Opfer eines brutalen, international legitimierten Raubüberfalls würde. Gaddafi soll zu dem Wasser-Projekt gesagt haben, es sei "die größte Antwort auf die USA... die uns beschuldigen, an Terrorismus beteiligt zu sein". Es ist klar: Libyens und Gaddafis "Verbrechen" besteht darin, das Land nicht kostenlos preiszugeben. Die Kapitalverbrecher sitzen nicht in Tripolis. Die Kapitalverbrecher sind diejenigen, die Libyen angreifen lassen. Sie sitzen in den Machtzentralen des 'westlichen' Kapitals.

Lebensstandard 2010 gemäß Human-Development-Index der Vereinten Nationen - Libyen steht an der Spitze in Afrika

(mehr zum HDI hier, hier und hier
)

Mit Libyen geht es um das Land, das in ganz Afrika den höchsten Lebensstandard hat und das seinen relativen Reichtum der Bevölkerung zukommen läßt wie kaum ein anderer Staat. Quelle für die Angaben zum Lebensstandard ist der "Human Development Index" (HDI) der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2010 [8] [9] [10]. "Das Gesundheitswesen in Libyen gehört zu den am besten ausgebildeten auf dem afrikanischen Kontinent; die Sozialversicherung umfasst u.a. auch eine Altersvorsorge und eine Witwen- und Waisenrente. Die mittlere Lebenserwartung liegt bei 76 Jahren... Die Wirtschaft Libyens ist sozialistisch geprägt.. Die 'Große Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Jamahirija' basiert auf der Verfassung von 1977, die das Land zum basisdemokratischen Staat auf der Grundlage des Islam erklärt [97 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Islam]..." (WISSEN-digital.de) [11] In der HDI-Weltrangliste ist Libyen von Position 64 im Jahr 2000 auf Position 53 im Jahr 2010 gestiegen. [12]

Die Propaganda, die den Raubüberfall legitimieren soll, hat die Medien fast vollständig durchdrungen. Zu einem großen Teil sind die Medien treibende Kraft bei der Manipulierung der Weltöffentlichkeit. Allenthalben ist zu hören und zu lesen, Gaddafi bombardiere - wofür es keinerlei Belege gibt - die eigene wehrlose Bevölkerung. Und auch wesentliche Teile der Friedensbewegung und der Linken sind infiziert. Jan van Aken (Die Linke) sagt am 18.3.2011 im Bundestag: "Natürlich ist es völlig richtig, das mörderische Treiben von Gaddafi zu stoppen; da sind wir uns hier alle einig." [13] In einer Erklärung des Aachener Friedenspreises vom 6.3.2011 heißt es: "Mit großer Sorge beobachten wir das brutale und mörderische Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen die eigene Bevölkerung. Wir verurteilen dieses Vorgehen entschieden." [14] Und bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist am 3.3.2011 zu lesen: "Mit einer ungeheuren Brutalität versuchen gegenwärtig die Truppen des Diktators Muammar al Gaddafi den Aufstand in Libyen niederzuschlagen... Muammar Gaddafi ist ein Verbrecher und er gehört vor Gericht –“ besser früher als später." [15]

All das sind Stimmen, die zwar einen Krieg verurteilen, aber ihm dennoch durch Übernahme der Kriegspropaganda Munition liefern. Doch es gibt auch Stimmen, mit denen sich die Friedensbewegung vollständig diskreditiert. So schreibt z.B. Uri Avnery am 19.3.2011, zwei Tage nachdem der UN-Sicherheitsrat die Kriegs-Resolution 1973 verabschiedet hat: "Menschen werden von einem unbarmherzigen, halbverrückten Diktator getötet, ein ganzes Land geht den Bach hinunter", um dann das Zögern beim Losschlagen gegen Libyen zu verurteilen und zum Krieg zu treiben. [16]

Zur Legitimation des Krieges wird Libyens Gegenwehr herangezogen. Dabei ist es sein gutes Recht, einen Angriff von außen abzuwehren - einen Angriff, der zunächst verdeckt über die so genannten Rebellen geführt worden ist und jetzt von Staaten der NATO offen betrieben wird. Reinhard Merkel, Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg, sagt am 18.3.2011 in einem n-tv-Interview dazu: "Man muss... sehen, dass jede Regierung, die nach außen hin völkerrechtlich legitimiert ist, das grundsätzliche Recht hat, gewaltsame Aufstände niederzuschlagen. So bitter das sein mag." [17] Das gilt natürlich erst recht in dem Fall, daß ein Aufstand der Auftakt für einen geplanten Raubüberfall ist.

Wir appellieren umzudenken und von der Übernahme der Kriegspropaganda abzulassen. Es ist eine Situation vergleichbar den Kriegen gegen den Irak. Was wir brauchen, ist eine Mobilisierung aller Kräfte des Friedens wie 1991 und 2003, als mit dem Slogan "Kein Blut für Öl" ein wesentlicher Aspekt für den Kriegshintergrund im Fokus der Friedensbewegung stand. Was ist geschehen, daß wir heute einen räuberischen Krieg ohne wirkungsvollen Protest geschehen lassen? Das darf nicht wahr sein! Laßt uns auf die Straße gehen und Widerstand organisieren.

Die Schlächter sind unter uns. Stoppen wir sie!



Fußnoten:

[1] Ansprache des US-Präsidenten Obama vom 19.3.2011
"Good afternoon, everybody. Today I authorized the Armed Forces of the United States to begin a limited military action in Libya in support of an international effort to protect Libyan civilians. That action has now begun. In this effort, the United States is acting with a broad coalition that is committed to enforcing United Nations Security Council Resolution 1973, which calls for the protection of the Libyan people..."
www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/03/19/remarks-president-libya

[2] "GMR (Great Man-made River) Water Supply Project, Libya"
www.water-technology.net/projects/gmr/

[3] "Libya–™s Great Man-Made River Project"
Artikel vom 1.9.2010
www.goumbook.com/4729/libyas-great-man-made-river-project/

[4] "Libyens Wüstenwasser - Der künstliche Fluss durch die Sahara! - Wasser ist das Thema des 21. Jahrhunderts"
Ankündigungstext zu einer ARTE-Sendung vom 18.1.2006
www.jensduecker.de/libyen/libyen-text.htm

[5] "Great-Man-Made-River Projekt - Über Libyens 'Weltwunder', das GMMRP: Great Man Made River-Projekt. Pipelines zur Wasserversorgung der libyschen Städte und landwirtschaftlicher Nutzflächen."
libyen.com/Wirtschaft/Great-Man-Made-River-Projekt#

[6] "Virtually unknown in the West: Libya's water resources"
Artikel vom 4.3.2011
poorrichards-blog.blogspot.com/2011/03/virtually-unknown-in-west-libyas-water.html

[7] "Die 'Libysche Revolution' und die gigantischen libyschen Wasserreserven"
Artikel vom 6.3.2011
www.politaia.org/kriege/die-libysche-revolution-und-die-gigantischen-libyschen-wasserreserven-politaia-org/

[8] UNDP: Human Development Reports
Position 53: Libyan Arab Jamahiriya
hdr.undp.org/en/statistics/

[9] Wikipedia: Human Development Index
The Human Development Index (HDI) is a composite statistic used to rank countries by level of "human development" and separate developed (high development), developing (middle development), and underdeveloped (low development) countries. The statistic is composed from data on life expectancy, education and per-capita GNI (as an indicator of standard of living) collected at the national level using the formula given in the Methodology section below. There are also HDI for states, cities, villages, etc. by local organizations or companies.
en.wikipedia.org/wiki/Human_Development_Index

[10] Wikipedia: List of all countries by Human Development Index
This is a list of all countries by Human Development Index as included in a United Nations Development Program's Human Development Report released on 4 November 2010, compiled on the basis of estimates for 2010. It covers 168 UN member states (out of 192) and Hong Kong, China. 24 UN member states are not included due to lack of data. The average HDI of regions of the World and groups of countries are also included for comparison.
Position 53: Libya
en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_Human_Development_Index

[11] Angaben zu Libyens Geografie, Klima, Flora und Fauna, Bevölkerung, politischem System und Wirtschaft
Aus WISSEN-digital.de
www.wissen-digital.de/Libyen

[12] Bildungswesen in Libyen
Statistische Daten: HDI (Human Development Index) Index menschlicher Entwicklung nach UNDP (2000): Platz 64
libyen.com/Kultur/Bildungswesen-in-Libyen

[13] Jan van Aken, Mitglied im außenpolitischen Ausschuß für die Partei 'Die Linke' am 18.3.2011vor dem Bundestag
"Kein Krieg gegen Libyen - Gaddafi kann anders gestoppt werden!"
www.jan-van-aken.de/aktuell/rede-libyen-18.3.2011.html

[14] "Kein Krieg in Libyen"
Erklärung der Arbeitskreise "Antimilitarisierung" und "Nahost" des "Aachener Friedenspreis e.V." vom 6.3.2011
www.aachener-friedenspreis.de/uploads/media/Kein_Krieg_gegen_Libyen.pdf

[15] "Libyen: Intervention im Namen des Volkes?"
IMI-Analyse 2011/06 vom 3.3.2011 von Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
www.imi-online.de/2002.php?id=2258

[16] "Ein schmutziges Wort" [A Dirty Word]
Artikel von Uri Avnery vom 19.3.2011
www.palaestina-portal.eu/Stimmen_Israel_juedische/Uri_Avnery/avnery_uri_ein%20schmutziges_wort.htm
www.zmag.de/artikel/ein-schmutziges-wort
derstandard.at/1297821063063/Wider-die-Doktrin-der-Nicht-Einmischung

[17] "Möglicher Militäreinsatz illegitim - Gaddafi hat keine Chance"
n-tv-Interview vom 18.3.2011 mit Dr. Reinhard Merkel, Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg
www.n-tv.de/politik/dossier/Gaddafi-hat-keine-Chance-article2889771.html

Wenn Grins und Grunz zugleich marschieren // Müssen wieder viele ihr Leben verlieren!

"Mach Dir keine Sorgen, die Bomben fallen mit Zustimmung der UN..."

Grafik: Viñeta de J.R.Mora
Lizenz: Creative Commons
Quelle: cubadebate.cu
Die Sonne scheint. Über den Hof in Jügesheim hinter Offenbach sieht man, wie vor und bei jedem Krieg die Kondensstreifen hinziehen der Kampfflugzeuge, die von der Basis in Hessen aus sich aufmachen zu Kampfeinsätzen. Schmal, silbern, schlank und schön. So schon vor Bosnien, vor den Irak-Kriegen, vor Afghanistan. Und jetzt wieder: auf nach Libyen.

Zum ersten Mal ein Krieg, dem gar keine Demonstrationen auf deutschem Boden sich mehr in den Weg stellen. Gewiss: die unerlässlichen Demos gegen die atomare Wiederaufrüstung  beanspruchen viel Energie. Trotzdem: wieviel Ruhe unter der großen Kuppel. Wie wenig Empörung!

Dabei wurden alle Überfälle auf fremde Völker, ob Deutschland sich unmittelbar beteiligte oder nicht, von frommen Sprüchen begleitet und feierlichen Versprechungen. Wie viel besser sollten nach kurzer Zeit Bosnier, Afghanen, Iraker alle leben! Und jetzt erst die Libyer vom eigenen Öl, von dem die bombardierenden Mächte keine Unze abhaben wollen.

Leute über vierzig mit einem normal arbeitenden Gedächtnis  wissen, was daraus geworden ist. Bosnien, Afghanistan, Irak, auch der Landesteil Kurdistan: mehr oder weniger krebsend. Auf Überlebensstrategien angewiesen. Die Libyer haben bis jetzt in Nordafrika den höchsten Lebensstandard. Wird das so bleiben? Wird nicht eine unbarmherzige Raubtiergesellschaft ihnen das Fell über die Ohren ziehen, wenn sie sich endlich- "notgedrungen"- zum Einmarsch mit Infanterie entschlossen haben wird?

Zwei Aasgeier kreisen wieder, die seit Bosnien immer zur Stelle waren. Am gleichen Tag melden sich Fischer in Deutschland und  Bruder Überall Cohn-Bendit zu Wort. Wer noch über Gedächtnis verfügt, weiß, was ein solcher Doppelauftritt zu sagen hat.

Fischer meldet sich aus der "Süddeutschen". Er treibt Geschlossenheit ein. Was morgen im Bundestag wiederholt werden wird: Wenn wir schon keine Lust haben, selber draufzuhauen, müssen wir um so deutlicher die Einheit des Westens markieren. So tun als ob! Das ewige Rezept.

Fischer: "Wenn, dann lässt sich Libyen wohl mit Bosnien in den neunziger Jahren vergleichen. Es scheint, als hätte die bürgerliche Regierung heute die Position der Grünen von damals übernommen! Nur dass die damalige Ablehnung einer militärisch-humanitären Intervention noch etwas Tragisches an sich hatte, während das Verhalten der Bundesregierung heute nur noch als Farce zu sehen ist." (Seite 2 des Beitrages)

Kennzeichnend die Erinnerung an das grundlegende Werk des Kriegstreibers: Sein Bosnien. Was es genau mit Libyen zu tun haben soll, wird nicht verraten. Hauptsache, man merkt, der Schreiber war auch einmal Täter und hat die Sache für alle Zeit im Griff.

Cohn-Bendit - wie immer schon - eine Spur gießkanniger als der Kumpan aus Frankfurter Zeiten:

"Im letzten Moment haben die gestandenen Realos und einige andere, auch Entwicklungspolitiker, der Partei- und Fraktionsführung gesagt: Jetzt ist Schluss mit eurem Unsinn - wir müssen uns von der Bundesregierung distanzieren. Grundsätzlich ist doch die Frage: Warum fällt es uns in Deutschland so schwer einzusehen, dass man den Revolutionären in Libyen helfen musste - weil insbesondere in Bengasi ein Blutbad drohte? Jeder kennt doch die Bilder vom Warschauer Ghetto, jeder weiß wie es ist, wenn eine Armee eine Stadt einnimmt. Deshalb sind in Frankreich alle Parteien - einschließlich der Linken - mit dem militärischen Eingreifen in Libyen einverstanden. Ganz anders als in Deutschland." (SPON 22.03.2011)

Er  hat am Ende "seine" Grünen herumbekommen. Morgen im Bundestag werden sie sich krebsrot schreien für die Unterstützung der nur ihnen bekannten "Revolutionäre" in Bengasi. Damit ihnen vor den Wahlen jeder glaubt, dass sie auch weiterhin für alle Überfälle fit sind, die wir im neuen Deutschland brauchen.

Wie üblich fuhrwerkt Cohn-Bendit auch mit der Geschichte blind herum. Vermutlich verwechselt er das Warschauer Ghetto-Aufstand ab 19.April 1943 - mit dem Warschauer Aufstand - 1.August-3.Oktober 1944. Das Ghetto war ja, wenn man den Ausdruck überhaupt zulassen will, schon von Anfang an besetzt. Der jüdische Aufstand konnte nicht im Zeichen einer Revolution von ganz Polen erfolgen, sondern nur als verzweifeltes Zeichen dafür, den Tod nicht als wehrloses Schlachtvieh abzuwarten.

Aber der Warschauer Aufstand 1944 passt als Beispiel genau so wenig. In Libyen hatten alle Gegner Gaddafis lang genug Zeit, die Stadt einstweilen zu räumen, um später einen Gegenangriff zu beginnen. In allen Revolutionen, die wirklich für etwas einstanden, gab es Rückzüge, aber auch Gegenschläge. Es muss nicht an das überlegte Hin-und Her Mao Zedongs erinnert werden. Die in Warschau Eingeschlossenen hatten keine dieser Möglichkeiten. Sie saßen von vornherein in der Falle. Strategen wie Cohn-Bendit kümmert so etwas nicht. Hauptsache: er hat Gelegenheit  laut zu werden.

Was das Zusammenwirken der beiden Feinde jeder Erkenntnis aber bedeutet, daran erinnert Jutta Ditfurth im gerade noch rechtzeitig vor den baden-württembergischen Wahlen erschienenen neuen Buch: "Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen" Rotbuchverlag 2011. S.143/144  (wird demnächst in kritisch-Lesen besprochen):

"Daniel Cohn-Bendit und Fischer veranstalteten 1994 imd 1995 eine Reihe von öffentlichen Streitgesprächen miteinander, theatralische Schaukämofe,mit dem Ziel, die grüne Basis allmählich kriegsbereit zu machen und die Partei rechtzeitig zu den Wahlen 1998  in eine regierungsfähige Partei zu verwandeln.Cohn-Bendit spielte in dieser Inszenierung, was er ist: den opportunistischen Kriegshetzer.Fischer spielte, was er nicht ist: den von moralischen Zweifeln gequälten Antimilitaristen, der die ganze Last der deutschen Geschichte auf seinen Schultern trug."

Was 1994 anfing, hat bis heute nicht aufgehört. Das Doppelrufen im Dienst eines gesamteuropäisch drapierten deutschen Imperialismus. Immer neu wird nichts Ideales, nichts Heroisches gespart in den ersten Aufrufen, um dann schnöde die verbliebenen Folgen des gemeinsamen Handelns zu übersehen. Denn eines fällt auf: Cohn-Bendit fehlt jede Scham. Fischer hat sich in seinen Memoiren zwar nach Kräften gerühmt. Aber sonst wenigstens lange das Schandmaul geschlossen gehalten. Wenn er jetzt zusammen mit dem Spießgesellen aus Frankfurt das Räuberhauptmannslied anstimmt, ohne Rücksicht, dann weiß man, was die Stunde geschlagen haben soll. Es darf für deutsche Raubgier so wenig Zurückhaltung im Ausdruck geben wie für das Hecheln von Sarkozy und das Geiern von Cameron.

Wo aber bleiben die Gegenstimmen? Die Warnungen vor dem dritten Waffengang, in den wir gehetzt werden sollen? Es muss mehr geschehen!

20. März: Tag der politischen Lüge - Reicht ein einziger Tag da aus?

Der Nobelpreisträger Obama im Kampf für Frieden und Freiheit
Grafik: Carlos Latuff
Zum dritten Jahrestag des Einmarsches im Irak hatten europaweit einige Schriftsteller den "Tag der politischen Lüge" ausgerufen. (Peter Schneider unwürdigerweise eingeschmuggelt, wie immer bei allem dabei). Natürlich zur Erinnerung an die Schamlosigkeiten, mit welchen Bush und Blair ihre Aggression hatten rechtfertigen wollen. Verblüffend dabei: nur einen Tag der politischen Lüge vorzusehen. Wo kaum ein Jahr ausreichen würde.

Mit Recht wies das Morgenmagazin auf diesen Gedenktag hin. Ein Blair bereut auch heute nichts. Alles gelogen, aber der "Irre von Bagdad" ist weg. So in den Memoiren nachzulesen, die er sich schreiben ließ.

Überboten haben diesen Vorläufer die Invasoren in Libyen. So jammerten sie in berechtigtem Schuldbewusstsein herum, dass die "Araber" sofort an die Geilheit der Kolonialisten erinnern würden, die  Menschenrecht schreien und doch nur das Öl wieder billiger wollen. Also Arabische Liga - mit rein!

Von denen ließen sich diejenigen herumkriegen, die mit dem amerikanischen Kapital am engsten verbunden sind. Also die Saudis und ihre Tributpflichtigen.

Rührend freilich dabei die Annahme, bei Teilnahme von "Einheimischen" müsse der Vorwurf der Ausbeutung sofort verstummen. Da haben die Imperialisten kurzfristig ihre eigene Vergangenheit weggedrückt. Denn überall, wo es Imperium gab, seit den Römern, wurden mit Vorliebe im jeweiligen Land ansässige Unterherrscher beschäftigt, die fleißig abgeben mussten, aber auch ein paar Silberlinge für sich behielten. Nur die Deutschen kamen zu spät und bekamen den Trick nicht mehr richtig mit. Dafür glaubten sie die Erfindung am willigsten.

Steigerung der Lüge: Kaum hatten die arabischen Lakaien unterwürfig beim Tischabdecken genickt, erwischte sie der nackte Grusel. Das Entsetzen! Beim Flächenbombardieren kommen immer auch lebendige Menschen um! Unvermeidlich! Jedesmal! Und da brachen die Herren im Burnus in Tränen aus.In Wutgeschrei:  Sie hätten doch Menschen schützen wollen! Und jetzt kämen unter den Bomben mehr um als vorher.

Einfach nur peinlich! Um aber auch über diese Steigerung hinauszukommen, legten Sprecher des französichen Mörderkommandos noch eines drauf: Sie wüssten genau, dass ihre Geschosse keinem einzigen Menschen auch nur einen Kratzer gerissen hätten. Mit welchen Mitteln sie das herausbekommen hatten, wissen wir nicht. Es wäre das einzige Bombardement, bei welchem man Sekunden nach dem Vollzug so etwas behaupten hätte können.

Noch immer nicht genug. N-TV zeigte zunächst das Begräbnis eines Jugendlichen in Tripolis. Granatsplitter durch die Hauswand hindurch! Das schien ja unwiderlegbar! Damit wir aber nicht in Versuchung kommen, einem amtlich gestempelten Verbrecher wie Gaddafi zu glauben, musste der Reporter über eine Begegnung mit einem Libyer berichten, der ihn am Ärmel zupfte. Hatte er auch wirklich in die Särge hineingeschaut? Ha - alle leer! Alles Komödie, um die arabischen Scheichs zu beeindrucken.

Gewissenhaft teilte der Reporter das mit. Ohne eigenes Meinen. Er kannte ja die Abrichtung der Zuschauer, ob bei ARD oder bei Privat. Dumme Frage: die meisten Toten im Maghreb - zumindest die islamischer Konfession - werden einfach in Tücher gehüllt? Woher tauchen auf einmal volksfremde Särge auf?

So wurde von einer "Koalition der Willigen" der Tag der Lüge  gebührend gefeiert. Überschwänglich! Aber immer noch steigerbar.

P.S.: Sarkozys primäre Lüge hat sich nicht gebührend ausgezahlt
Die Rechte der LEPEN-Gruppe nahm im ersten Wahlgang überall zu. Und die verfeindeten Parteien der Sozialisten und der Schleppenträger des Präsidenten - UMP - scheinen dieses Mal nicht wie früher geneigt, durch wechselseitige Rücktritte im Bündnis die Rechten auszugrenzen. So wird es beim zweiten Wahlgang wohl eine ganze Anzahl von Mahnern und Warnern geben, die für den Präsidenten das Totenglöckchen schwingen. Wird er sich noch ganz andere Verbrechen einfallen lassen müssen, um nächstes Jahr noch einmal davon zu kommen.

Militärintervention ist keine Lösung für die Menschen in Libyen!

Protest gegen den Krieg vor dem weissen Haus
Foto: "The World can't wait"
Französische, britische und US-amerikanische Truppen haben den Krieg gegen Libyen begonnen. Pünktlich am 8. Jahrestag des "Shock and Awe" Krieges gegen den Irak wurden von einem US-Kriegsschiff 112 Raketen auf Libyen abgefeuert. Zuvor hatten französische Kampfflieger Angriffe auf Panzer der libyschen Armee in der Nähev von Bengasi geflogen. Bei den Angriffen gab es offenbar auch hunderte zivile Opfer, wie Fotos der Nachrichtenagentur AP belegen.

Gegen den Krieg gab es in zahlreichen nordamerikanischen Städten Proteste, wie in Chicago. Einige Stimmen aus der U.S. Friedensbewegung:

Der gebürtige Iraker Raed Jarrar sprach letzte Nacht über seine Erfahrungen in Bagdad im Krieg gegen den Irak und warum er gegen die US-Bombardierung Libyens zur "Rettung" der libyschen Rebellen ist: "Amerikanische Panzer können keine Frauen befreien, nur Frauen können Frauen zu befreien, im Irak oder in Libyen."

Cindy Sheehan
schreibt:
"Mit der skandalösen Begründung des "Schutzes" von Zivilisten, wurden wie wir alle wissen, durch die US-UN Flugverbotszone und die Sanktionen gegen den Irak mindestens 1,5 Millionen für die Kriegsgewinnler entbehrlichen Iraker zwischen den beiden US-Invasionen getötet. (...)  Ich hoffe nur, dass die Menschen in Libyen sich dessen bewußt werden, wie ehrenvoll es ist, durch eine U.S. Bombe getötet zu werden anstatt von einer libyschen Bombe und was für eine Ehre es ist, dass die USA die inneren Unruhen überhaupt beachten, weil wir das nicht immer tun - wir suchen uns das immer aus -  und im Fall von Libyen, ist es wahrscheinlich nur ein Zufall, dass wir Sie wählen, weil SIE Öl haben. (...) Ich bin peinlich davon berührt, wenn ich an die vergeudeten Jahre denke, in denen wir uns vorstellten, dass es eine andere Möglichkeit geben könnte, Probleme zu lösen, ohne immer mehr unschuldige Menschen töten, in denen ich dachte, es ist okay, Libyer durch Bomben auf Libyer zu schützen (oder auf Iraker um Iraker, auf Afghanen um Afghanen zu retten oder auf Jemeniten um Jemeniten zu retten, etc), weil ein demokratischer Präsident sie vom Mandat des UN-Sicherheitsrats gedeckt bombardieren darf. "

Ken Theisen:
"Dass die USA keine "Bodentruppen" zum Einsatz bringt bedeutet nicht, dass die US-Streitkräfte nicht stark in Krieg verwickelt wären und in der Tat in diesem Krieg eine wichtige Rolle spielen. (...) Die Vergangenheit ist sehr lehrreich, was die Einführung von Flugverbotszonen betrifft. Die jüngsten Flugverbotszonen gab es im ehemaligen Jugoslawien und im Irak. Diese beiden mündeten in massive Kriege mit viel Tod und Zerstörung von unschuldigen Menschen in diesen Ländern. Wie kommt man daraufzu denken, dies könnte dieses Mal anders sein?"

Chris Floyd:
"Und nun, ein neuer Krieg. Von den Vereinigten Staaten und religiösen Extremisten in Saudi-Arabien angeführt stimmte der UN-Sicherheitsrat dafür,  im Namen einer Seite in den libyschen Bürgerkrieg einzugreifen. Nachdem sie schon die Armeen und Sicherheitskräfte Muammar Gaddafi's ausgebildet und ausgerüstet haben, entschieden die westlichen Kriegsgewinnler jetzt, das gleiche für seine Gegner zu tun.

Diese Gegner - das muss betont werden - werden derzeit von Leuten angeführt, die nur Wochen zuvor an dem mörderischen und repressiven Gaddafi Regime beteiligt waren - welches selbst nur wenige Wochen zuvor als ein würdiger Partner von den westlichen Regierungen und von geschäftlichen Interessen gehuldigt wurde. Es ist wie As'ad AbuKhalil - ein scharfer Kritiker Gadaffi's seit vielen Jahren - vor dem UN-Abstimmung festgestellt hat: Das libysche Volk ist verraten worden. Ihre Revolution gegen die libyschen Tyrannen ist von den USA und Saudi-Arabien gekapert worden."


Mehr Stimmen aus der internationalen Friedensbewegung gibt es unter anderem im Libyen Dossier der AG Friedensforschung.

Für alle, die sterben müssen in dieser Nacht...

Es werden einige sein, in dieser und den folgenden Nächten. In den Wüsten Libyens, in seinen Städten. Ihr krepiert nicht für den letzten Ruhm von Gaddafi. Ihr fallt noch weniger für eine vorgespiegelte Freiheit von Betrügern und Betrogenen in Bengasi. Ihr werdet geopfert, um einem leeren aufgeblasenen Balg eine Frist zu sichern, in der er sich für den Über-Gaddafi halten kann. In aller Eitelkeit und vergessend der Todesnot des Kameraden von gestern. Wirklicher Inhaber der Gewalt über Leben und Tod: Sarkozy.

Jedem, der tagsüber Nachrichten sah, wird aufgefallen sein, dass da ein kleines Männlein unbedingt den Napoleon spielen musste. Staatsgäste waren zusammengetrieben worden, wurden abgeknutscht und vor vollendete Tatsachen gestellt. Beratung? Null. Staffage? Alles. Bevor das traurige Kaspertheater noch begann, das um den Popanz herum als chorale Zustimmung geplant war, hatte Sarkozy - ohne Kooperation mit einem der Vorgeladenen - schon seine Jets losgejagt - um über Bengasi zu kreisen. Falls es einen koordinierten Plan gegeben haben sollte, wurde der durch das Vorpreschen des Ruhmsüchtigen vereitelt. Denn die  Ausschaltung aller Flugplätze und Rollbahnen hätte gleichzeitiges und überraschendes Vorgehen aller Beteiligten vorausgesetzt, wie die historischen Beispiele zeigen. Es wäre Gaddafi damit die Chance entgangen, Flugzeuge im Flug zu erhalten und der Verbombung zu entgehen. Was nützte das dem großartigen Hemdenflatterer in den Elysées? Gnädig akzeptierte er das unterwürfige Schluchzen Merkels. Unserer Staatsoberhauptmarkiererin. Sie hatte doch alles nicht so gemeint. Jawoll, Jawoll, draufhauen, zuschlagen. Jetzt sieht sie alles ein. Noch würdeloser hat eine marklose  Figur nie ihrem Vizekanzler in den Hintern getreten. Die Achtung vor den schwerarbeitenden Frauen in der Frankfurter Bahnhofsstraße verbietet es,  auch in diesem Fall von Prostitution zu sprechen.

Warum aber, endlich warum die Menschenopfer, die hier eine jämmerliche Kreatur eintreibt? Die immer vorhandene Ruhmsucht reicht zur Erklärung nicht aus. Auch nicht der Waschzwang eines Besudelten, der  mit dem jetzt bekämpften Kameraden  in widerlichster Umschlingung sich gezeigt hatte. Drei Jahre ist es her.

Das alles reicht nicht. Aber morgen droht demjenigen, dem keine populäre Wallung zu niedrig gewesen war um sich einzuschmeicheln, das Gespenst seiner selbst. Sarkozy  war es gewesen, der vom Druckreiniger gesprochen hatte, mit dem Missfällige  weggefegt werden sollten. Seine Ausfälligkeiten gegen Roma sind bekannt. Nur dass immer eine und einer neben ihm standen, die das Widerwärtigste auffingen und lautsprecherisch verstärkten. Die Neuen Rechten. LePEN Vater und Tochter. Morgen finden überall die "cantonales" statt, eine Art Kreiswahlen, ohne großen politischen Einfluss. Umso gewichtiger aber für die Niederlagen und den Aufstieg der Gewählten. Und nach den Voraussagen spricht viel dafür, dass der  Sturmflieger über den Meeren und Lüften nach diesen Wahlen als   Bauchlander sich platt wälzen muss.Im eigenen Dreck! Noch hinter Tochter LePEN, noch hinter der Vortäuscherin eines noch vorhandenen Sozialismus, als letzter. Der Allerhöchste als niedrigster! Da heißt es um Himmelswillen  nationaler auftreten als die Nationalen, aufgeblasener als die prallsten Luftballons, härter als jeder zähneknirschende  Unterschichtenzerstreter .Sarkozy. Der Mann, dem kein Opfer schwer fällt, wenn es zu seinem Ruhme niederbricht.

Das Rechtsgedröhn allein reicht einem Sarkozy nicht. Er verlangt zugleich auch das frenetische Grubengedröhn von Wesen, die sich einmal vor langen Zeiten auf linker Seite Verdienste erworben haben wollen.Es handelt sich zum Beispiel um Cohn-Bendit, der an Aufgeblasenheit dem Staatschef kaum nachsteht. Ihm ist gelungen, eine Lumpensammlergarde zusammenzutrommeln. Solche, die seit den Jugoslawienkriegen bei jeder Gelegenheit aus dem Sumpf heraufröhren, den sie bewohnen. Laut FR vom 19.3.2011 handelt es sich etwa um Pascal Bruckner, Claude Lanzmann, André Glucksmann und andere, die in Deutschland nicht so bekannt sind. Das vorletzte Mal traten sie zusammen, als sie 1999 den russischen Präsidenten mit fast gleichen Worten anklagten, weil der Tschetschenen bombardierte. Nun haben sie auch ein paar abgelegte Säcke aus Deutschland hinzugezogen: den unvermeidlichen Biermann, Peter Schneider und Hans Christoph Buch. (In der mir vorliegenden französischen Liste noch nicht enthalten). Diesesmal sind sie nicht gegen, sondernfür das Bombardieren. Aber das macht fast gar nichts. Solange nur ihrer Geltungssucht genug getan wird - und damit indirekt der Klarsicht und Entschlossenheit des Herrschers. Nur ein Satz aus dem Exposé voller Verantwortung: "Wir sind weder Militärexperten noch Diplomaten, und wir wissen nicht, welche Art der Intervention Erfolg verbürgt...Wir wissen nur eins: Es muss schnell gehandelt werden, um Gaddafi zu schwächen, die Aufständischen zu stärken und der arabischen Jugend Hoffnung zu geben".

Mit anderen Worten: Wir haben Null Ahnung, aber draufgehauen werden muss mit Macht!  Egal, wer die "Aufständischen" sind, wer "Gaddafi", wer die "arabische Jugend".

Und so der Erhabene - zwischen Rechts und dem stinkenden Abfall einst linker Bewegungen. Triumph - für Sekunden nur. Aber das sollte reichen. Noch ein Tag des Rumsens und Ruhms - und wenn die Erde drüber zerbricht.

Das absolut Hohle eines über die UNO zusammengedroschenen Papiers wird schreiend deutlich, wenn die Nachrichten begeistert verkünden, dass der englische Geheimdienst seit geraumer Zeit kriegsverbrecherisch in Libyen eingedrungen ist, um fällige Laufbahnen und verborgene Flugplätze zum Abschuss zu markieren. Das Verbrechen nachträglich nach staatstragender Juristenart abgewaschen - weil ja für den guten Zweck begangen eines noch nicht erlassenen Befehls des Sicherheitsrats.

Sicherheitsratsbeschlüsse ab jetzt als Klopaoier behandeln!!

Im Hintergrund eine Lichtgestalt, an der sich das Nobelkomitee geschändet hat. Der Träger des Friedens-Nobel-Preises Obama. Einst von taz-Leserinnen auf den Knien verehrt. Heute nur noch Volksverführer, Ausredenerfinder und Vorzeigelump. Den Nachrichten zufolge hat er eine Legion Marschflugkörper - vermutlich auch seit langer Zeit vorprogrammiert - auf sämtliche Stellungen Gaddafis losgelassen. Nicht ohne einen frommen Zweck! Um die kreisenden Flugzeuge der Franzosen und Engländer zu schützen. Prostitution der Mittel und Zwecke!

Den Nobelpreis abgeben nützt inzwischen nichts mehr. Er ist - schon nach der Verleihung an Flächenbombardierer Kissinger - durch seinen jetzigen Titelträger so erniedrigt, so beschissen, dass er abgeschafft gehört. Massenhafter Betrug wird in Zukunft auskommen müssen ohne den fahlen Schein um die Stirn.

Das also die Lage. Verwundete und Sterbende dieser Nacht: ihr werdet für nichts geopfert worden sein. Für nichts! Allenfalls als herzzerreißendes Beispiel noch verwertbar für uns Überlebende: sämtlichen Caesaren, die unter uns wandeln, von jetzt ab die geringste Kniebeuge zu verweigern.

Was mir heute wichtig erscheint #239

Montagsdemo: Die Piratenpartei lädt zur Montagsdemo am 27.12.2010 um 18 Uhr vor dem Hauptbahnhof, alle weiteren Infos gibt's im Wiki der Piratenpartei. Dort sind auch Flyer als PDF zum herunterladen verfügbar. Es wird eine Demo ohne Reden, dafür mit Demozug vorbei am Landtag, über den Schlossplatz zum Rotebühlplatz. Motto: "Volksentscheid zu Stuttgart 21!"

Spießbürgerlich:
Die Südtiroler Band »Frei.Wild« tritt in die Fußstapfen der »Böhsen Onkelz« und feiert damit immer größere Erfolge. Die Naziskin-Vergangenheit des Sängers scheint - wie beim großen Vorbild - kein Hindernis zu sein. Ebensowenig sind es die nationalistischen und völkischen Töne der Band, die sich mit den Beteuerungen abwechseln, »unpolitisch« zu sein. Band und Fans scheinen diese Widersprüchlichkeiten problemlos auszuhalten. Das aktuelle Album hat es zwischenzeitlich auf Platz zwei der deutschen Charts gebracht.

Online:
Der Kreisverband Esslingen der VVN-BdA ist seit heute im Internet erreichbar. Erster eigenständiger Artikel ist der Bericht über die Angriffe von Nazis auf antifaschistische Infotische in Neuhausen.

Landei: Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat jede Verantwortung für den brutalen Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schloßgarten zurückgewiesen. Das sahen die TeilnehmerInnen der Mahnwache vor dem Landtag oder auch der Direktor des Instituts Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Prof. Dr. Ralf Poscher anders. Interessant wird auch die weitere Verwicklung der Landesregierung in die Spätzle-Stasi 2.0 Spitzelaffäre sein: In der Sitzung am 17. Dezember 2010 im Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten wurde deutlich, dass die Polizei mehrere Spitzel in die Widerstandsbewegung gegen Stuttgart 21 einschleuste, um die Szene auszuforschen. Das hat Methode, denn vor einigen Tagen wurde offenbar ein Agent im Umfeld der Heidelberger Antifa enttarnt.

Aufstandsforschung: Um den "kommenden Aufstand" gibt es eine heftig geführte Diskussion um des Kaiser's Bart. Zum Beispiel bei telepolis oder auch in mehreren Beiträgen, die bei rizomorph in einer kommentierten Liste zusammengefasst sind. Bis auf die beiden Beiträge ("L–˜insurrection qui vient" - An der Bahnsteigkante knapp vor "Ankunft der Revolution" und Noch einmal: "L–˜insurrection qui vient") hier von Fritz Güde. Und wie es scheint, hat sich auch das Komitee selber zu Wort gemeldet. Und Peter Grottian wurde dazu von Dradio Kultur befragt, ob denn der Aufstand endlich in Sicht ist.

Auftakt: Die NPD will Ende März bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg in allen 70 Wahlkreisen antreten. Fast die Hälfte der nötigen rund 10.000 Unterschriften fehlen aber noch. Die Parteispitze macht Druck. Eine Übersicht von "Blick nach Rechts".

Zustandsbeschreibung: Kann sich Geschichte wiederholen? Die Krise hat Deutschland getroffen und das Bürgertum setzt seine hässlichste Fratze auf: Sozialdarwinismus, Fremdenfeindlichkeit und die Ablehnung der Demokratie. Jens Berger über “Deutsche Zustände–, die von Wissenschaftlern unter Leitung des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer erstellte große interdisziplinäre Langzeitstudie, die in diesem Monat in ihrer neunten Auflage veröffentlicht wurde.

Wissenslücke: Dinge, die sie über Weihnachten nicht wussten (und auch gar nicht wissen wollten) beantwortet einfach übel.

Grabrede: Franz Iberl verweist auf Cindy Sheehan's Requiem für die US-Friedensbewegung. Selbiger ist eine eindrucksvolle Kritik an der naiven Obama-Gläubigkeit in der Bewegung.

Bodycheck: "Dicksein gilt als unästhetisch. Vor allem aber gilt Dicksein als gesundheitsschädlich. Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO sprechen von einer globalen Seuche und sehen den dicken Bauch als das zukünftige Gesundheitsproblem Nummer eins. Die Folgen dieser „Übergewichts-Epidemie“ werden in dramatischen Worten geschildert. Prophezeit werden nicht weniger als ein Rückgang der Lebenserwartung und ein Kollaps des Gesundheitssystems. Hinter der Erzählung von der „Übergewicht-Epidemie“ stehen einerseits finanzielle Interessen der Pharma- und Diätindustrie, andererseits ein Menschenbild, das Menschen nach ihrer vermeintlichen Leistungsfähigkeit beurteilt und in Gruppen einteilt. Die Gruppe der Dicken steht dabei symbolisch für die undisziplinierten LeistungsverweigerInnen.(...)"  Fat-Acceptance in den USA, eine Einführung von Friedrich Schorb in der arranca!

Überfällig: Darauf hat die Welt schon lange gewartet: Endlich hat die U.S. Regierung die Ergebnisse der Volkszählungen von 1790 bis 1930 freigegeben.

Geschottert: Die Kampagne Castor Schottern zielte neben dem tatsächlichen Eingriff in den Castor- Fahrplan und einer radikalisierenden und ermutigenden Erfahrung für die TeilnehmerInnen auf die breite Legitimierung von Sachbeschädigung als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Dies sollte durch eine offensive Ankündigungspraxis und Pressearbeit, sowie möglichst transparenter Beteiligungsmöglichkeiten erreicht werden. Repression war einkalkulierter Teil dieses Versuchs. Wenig verwunderlich ist es daher, dass insbesondere Castor Schottern Ziel von juristischer und polizeilicher Verfolgung wurde und immer noch wird. Dieser Artikel versucht eine erste Zusammenfassung und Bewertung der staatlichen Repressionsbemühungen zu geben.

Gefoltert: SprecherInnen der baskischen Gefangenenhilfe haben in Erklärungen mitgeteilt, dass die kürzlich verhafteten Jugendlichen (siehe: hier) in der “Incomunicado-Haft– (Isolationshaft) gefoltert worden sein sollen. Laut Angaben der Jugendlichen gab es Schläge und sexuelle Belästigungen. Außerdem wurde die berüchtigte “la bolsa– angewandt, bei der den Gefangenen eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt wird und solange festgehalten wird, bis die Betroffenen keine Luft mehr bekommen. (via info-baskenland.de)

Stellungnahme: Am Freitag, den 10.12.2010 fand in Freiburg ein deutsch-französischer Gipfel statt. Während Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vor dem Freiburger Münster militärische Ehren empfingen, wurde in der Innenstadt die politische Meinungsäußerung durch polizeiliche Repression verhindert. Im Rahmen eines „Carnaval de Résistance“ sollte bunt und laut auf die Schattenseiten der deutschen und französischen Politik aufmerksam gemacht werden. Verschiedene Gruppen wollten im Stadtzentrum ihre politische Meinung äußern. Doch das wurde bereits in der Entstehung durch einen unbegründeten, sofortigen und massiven Polizeieinsatz im Keim erstickt. Ein offener Brief zum Polizeieinsatz beim Deutsch-Französischen Gipfel in Freiburg.

Rückeroberung: Nicht nur Toni Negri und Michael Hardt haben mit ihrem 2010 erschienenen Buch Common Wealth: Das Ende des Eigentums das Gemeinwohl für sich entdeckt und eine Debatte über die Rückeroberung der Gemeingüter angestoßen. Schon seit einiger Zeit schwirrt dieser Begriff durch die Debatten –“ von Autonomen bis Gewerkschaften, von Böll- bis Luxemburg-Stiftung. Genau genommen stellt er sich bereits mit der Entstehung seines Gegenübers, des bürgerlichen Privateigentums. Doch was aktuell mit »Commons« genau gemeint ist und welche Hoffnungen sich dann jeweils daran knüpfen, ist erst noch zu klären. LabourNet beginnt mit einem Artikel von Thomas Gehrig eine Reihe von Beiträgen zu den »Commons«, die sich zum Zwecke der kommunistischen Rückeroberung bis in die radikalen Anfänge zurück und wieder nach vorne arbeiten werden.
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