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Solidarität mit Raouf Ghali!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

wie wir erfahren haben, wurde unserem Kollegen Raouf Ghali am 27.12.2011 von seinem Arbeitgeber Institut Dr. Förster gekündigt. Schon in einem Gespräch zuvor war er mit sofortiger Wirkung bis zum 29.2.2012 (das ist auch der Kündigungstermin) von seiner Arbeit freigestellt.

Viele von uns kennen ihn, denn unter anderem in der lebendigen Informationsveranstaltung von ver.di, Zukunftsforum, Freundschafts- und Solidaritätsverein und anderen am 11.2.2011 im Stuttgarter Gewerkschaftshaus berichtete er vor zahlreichen solidarischen Kolleginnen und Kollegen über die dramatischen Ereignisse der tunesischen Revolution. Kollege Raouf Ghali war dann bei der ersten demokratischen Wahl in Tunesien Kandidat für die verfassungsgebende Versammlung für tunesische Wähler in Deutschland.

Kurz nach der Wahl wurde Kollege Raouf zunächst freigestellt und ihm die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses „angeboten“. Nachdem er dies abgelehnt hatte, folgte die Entlassung. Der Arbeitgeber gab mündlich als Grund an, dass der Kollege Ghali angeblich nicht die geforderte Leistung bringe, obwohl der Arbeitgeber

- ihn nach 11 Monaten Beschäftigung als Leiharbeiter und 1-jähriger Unterbrechung angerufen und ihm eine Festanstellung angeboten hat.
- ihn nach 6-monatiger Probezeit fest einstellte, ihm eine positive Leistungsbewertung und 8,75% Leistungszulage gewährte.
- er keinerlei Abmahnung erhielt und zu Überstunden herangezogen wurde.

Wir fordern alle Kolleginnen und Kollegen auf, Raouf Ghali solidarisch zu unterstützen.
Wichtig ist, ihm beim 1. Termin vor dem Arbeitsgericht Reutlingen am 1. März 2012 um 11:40 Uhr (Zi. 006) den Rücken zu stärken und zu kommen!

Bitte macht den Fall bekannt und verbreitert die Solidarität!

Jürgen Peters
(Betriebsrat WMF Geislingen)

Solidaritätserklärungen an: „Soli Raouf“, Spreuergasse 45, 70372 Stuttgart, E-Mail: Soli-Raouf@gmx.de

Download der Unterschriftenliste im PDF Format

Nordafrika: Alle verlangen umfassende Menschenrechte! Was davon werden sie kriegen?

Bernhard Schmid liefert mit "Die arabische Revolution? Soziale Elemente und Jugendprotest in den nordafrikanischen Revolten" das Gegenteil einer Prophezeiung. Dafür eine umfassende Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Verhältnisse in Nordafrika, die den Abstand zwischen revolutionärem Anspruch und der Fesselung durch die sozialen Abhängigkeiten zu ermessen erlaubt.

Nächstes Wochenende gibt es eine erste Volksabstimmung in Tunesien für eine neue Verfassung. Dafür hat man Tunesien wieder aus dem Dunkel der Vergessenheit geholt. Wie weit die Schilderungen der gleichen Verhätnisse dort auseinandergehen, mögen zwei Artikel der FAZ der letzten Woche und dieser zeigen.

Der Autor schildert die Region der Phosphatbergwerke, in der alles angefangen hat. Sein Ergebnis: Es blieb alles, wie es war. Dieselben Bosse, die gleichen Löhne - sogar relativ hoch im Vergleich zu noch anderen Gebieten - die gleiche Umweltverödung - die gleiche hohe Arbeitslosigkeit, vor allem für besser Ausgebildete.

Dagegen am heutigen Dienstag im gleichen Blatt ein hoheitsvoller Blick - sehr von oben - auf die gesamtgesellschaftliche Lage im Land. Leider nur nach der Kindle-Ausgabe zu zitieren."Etliche Unternehmen sind nach der Verjagung des Diktators Zine el-Abidine Ben Ali im Januar von Unruhen heimgesucht worden.Es kam zu Streiks und Sachbeschädigungen, die von Forderungen nach Lohnsteigerungen und besseren Arbeitsbedingungen begleitet wurden." So das kühle Fazit. STREIKS werden als Unglücksfälle angesehen, die in einer Revolution an sich nichts zu suchen haben, nicht als die notwendigen Vollzugsformen einer kollektiven Bewegung.

Wie war es früher? "Regelmäßige Abwertungen des Dinar hielten neben niedrigen Löhnen die Kosten für ausländische Investoren in Grenzen"
Und die Aussichten, nach Meinung des gegenwärtigen Finanzministers? "Am Konsens einer unternehmensfreundlichen Politik wird nicht gerüttelt werden...Wir glauben aber,dass in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres der soziale Druck nachlässt, dann können wir zu schwierigeren Reformen übergehen". Wozu dann überhaupt noch abstimmen, wenn die vorher und nachher Herrschenden alles so gut in der Hand haben.

Und wozu noch nach dem Ergebnis der Abstimmung nächster Woche fragen? Nach dem, was uns der Artikel vom 18.10. zu verstehen gibt, ist alles schon gelaufen. (Alle Zitate nach FAZ-Kindle: Christian Schubert/ Hohe Erwartungen an den tunesischen Frühling)

Bernard Schmids Aufstellungen

Bernard Schmid ist einen anderen Weg gegangen. Er übersieht das ganze Gebiet Nordafrikas von Algerien bis hin zu Ägypten.Er fragt konsequent, aber ohne Sympathie-Übertreibung, nach den Chancen der Unteren, dem Begriff einer wirklichen Revolution nahezukommen. An Stelle der von anderer Seite bevorzugten Prophezeiungen sortiert er nach Einfluss-Mächten. In Kapitel 2 geht er der Rolle der Gewerkschaften nach und zugleich der Bewegungen, die gewerkschaftsunabhängig vorgingen.Sehr wichtig in Kapitel 3 die Analyse der möglichen Rolle der sogenannten "Islamisten". Dann wird nachgegangen der "facebook" Legende. Der Behauptung nämlich, die Gesamtbewegung habe vor allem - und mehr oder weniger ausschließlich - Blogs, Network, Facebook und dergleichen als Grundlage. Dann richtet sich der Blick auf die Rolle der diversen einheimischen Staatsgewalten mit ihren verschiedenen Versuchen, das Ruder in der Hand zu behalten - oder es gleichgesinnten Brüdern weiterzureichen. Sehr wichtig dann die Eingriffe der USA und der EU -rhetorisch, militärisch, propagandistisch. Zwei letzte Kapitel fragen dann nach dem Einfluss der ganzen Bewegung auf Israel und Palästina und nach den mehr oder weniger gewaltsam zurückgeschlagenen Auswanderungsversuchen aus Libyen und Tunesien, nachdem die ursprünglichen Rückhaltungsverträge mit den dortigen Grenzpolizei-Verfügern zwischendurch sich gelockert hatten.

Islamisch orientierte Parteien

Am aufklärendsten vielleicht in Bernard Schmids Buch die genaue Bestandsaufnahme der Ausrichtungen der verschiedenen islamisch orientierten Gruppen. Während hierzulande gleich schaudernd vom drohenden "Islamismus" gesprochen wird, der sich den Berufsgruslern als einheitlicher Block darstellt, unterscheidet Schmid erst einmal nach Ländern. Richtig ist natürlich, dass die religiös orientierten Gruppen in einem Land ohne große Parteientradition einen Vorsprung haben. So die Islambrüder in Ägypten - die En-Nadha in Tunesien. Vor allem in den arabisch-sprachigen Ländern -außer Ägypten- scheint sich dabei ein Modell durchzusetzen, das sich mehr nach dem in der Türkei herrschenden ausrichtete. Der Kampf um die Scharia, in deutschen Zeitungen oft als das schlimmste hingestellt, enthält auch ganz harmlose Zielsetzungen- zum Beispiel für das Bankenwesen. Ohne weiteres ließen sich Banken islamischen Rechts denken auf Teilnahmebasis. Dass dabei der gewöhnliche Zins einfa
ch nach den Tabellen aus New York umgerechnet würde, schafft zwar den Kapitalismus nicht ab,verschlimmert ihn aber auch nicht.Und dass am Anfang der nordafrikanischen Revolten nirgends ein Religionsproblem im Vordergrund stand, wird von Bernhard Schmid noch einmal bestätigt.
Aber die Auseinandersetzungen zwischen koptischen Christen und Muslimen in Ägypten?Darüber sind im Augenblick nur Vermutungen möglich. Es spricht aber alles dafür, dass erst einmal die Kräche angezettelt wurden von Veteranen aus der Mubarakzeit, worauf dann Polizei und Militär brutal Frieden stifteten.Und aus der Zersplitterung der Massen neue Kraft zogen.( Der sehr vertrauenswürdige Leiter einer deutschen Schule in Alexandria erzählte mir selbst von den Ereignissen dort, dass zunächst Muslime und Christen zusammen sich gegen Schlägereien aller Art untereinander wendeten. Bis dann die Obrigkeit die Unruhen hergestellt hatte, die sie eigentlich verhindern sollte).

Bleibt alles, wie es ist?

Bernhard Schmids Fazit - einstweilig - "In Tunesien und Ägypten wurden die Diktaturen durch die Revolten jeweils "enthauptet", also zum Sturz des jeweiligen Staatsoberhauptes gezwungen....Doch unterhalb des bisherigen Hauptes-in Gestalt des gestürzten Präsidenten-und Rumpfes- der bisherigen Staatspartei- bleiben einige Glieder der früheren Staatspartei noch aktiv" (S.46). Vor allem in Ägypten, wo der Generalrat - das Militär - in letzter Zeit mehr Leute eingesperrt hat, als Mubarak in seinen letzten Jahren. Das über reiche materielle Mittel verfügende Militär versucht, durch allerlei Tricks in der neuen Wahlordnung und Verfassung die Macht zu behalten. Schultergeklopft bei diesem Unterfangen durch Westerwelle und andere Helfer aus dem Westen. In Tunesien spielte das Militär eine geringe Rolle, die diversen Geheimdienste und Polizeien eine große. Wie die vergnügten Gewährsmänner der FAZ -siehe oben - versichern, soll auch dort alles so bleiben, wie es ist. Natürlich ohne Diktator.

Die Chancen der Unteren, sich in Tunesien am nächsten Sonntag durchzusetzen, werden im Buch nicht übertrieben. Außer den auch wieder neu zur legalen Partei zusammengetretenen Muslimen gibt es allen Ernstes 101 Gruppen, die sich zur verfassunggebenden Versammlung zusammengefunden haben. Darunter ausgesprochen linke Gruppen! Auch solche, die von den Parteien des französischen Gebietes mehr oder weniger patronisiert werden sollen. Der Ausgang bleibt offen.

P.S.: Die Stämme. In letzter Zeit wird in Bezug auf Libyen, aber auch auf Tunesien, immer wieder von Stämmen geredet. Romantikern tritt Karl-Mayliches in den umwölkten Sinn. In der Bedeutung eines Zusammenhangs der Geburt gibt es solche Stämme auch in Libyen selten. Was allenthalben Stamm genannt wird, ist oft nicht mehr als Patronatszusammenhang, nach Wohnorten gegliedert. Patron - frz. Chef. Der Chef eines Gebietes - der einzige Fabrikant oder Großgrundbesitzer formt aus den wirtschaftlich Abhängigen eine Gruppe, die mehr oder weniger tatkräftig - zuweilen auch prügelfroh - zu ihm steht. Wer Böses im Hinterkopf hegt, darf auch an Mafia denken. Die ganze Erscheinung dient zur Erstellung von Gefolgschaften über Personenfixierung. Und erzeugt zunächst einmal ein gesellschaftliches Parzellenwesen. Schwer zusammenzuhalten.

Bernhard Schmid: "Die arabische Revolution? Soziale Elemente und Jugendprotest in den nordafrikanischen Revolten"
Edition assemblage Oktober 2011
120 Seiten
ISBN-10: 3942885026
ISBN-13: 978-3942885027

Was mir heute wichtig erscheint #284

Unentwegt: Schon wieder lässt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft (Genau, die Truppe, die seit Jahren wirklich wichtige Dinge nicht verfolgt, aber auch in der Vergangenheit andere umso mehr) Wohnungen von Cams21 AktivistInnen, die die Proteste gegen Stuttgart 21 per Livestream dokumentieren, durchsuchen. Siehe auch die aktuelle Pressemitteilung im Cams21 Blog sowie eine erste Stellungnahme der Parkschützer.

Liste: "Im letzten der Bußgeldverfahren gegen AKW-GegnerInnen vor der „Sommerpause“ gab es eine faustdicke „Überraschung“. Betroffen war ein „Demobeobachter“, der eindeutig sichtbar mit einer entsprechend gekennzeichneten Weste erkenntlich war, und während seiner Tätigkeit im Kontakt mit dem „Anti-Konflikt-Team“ der Polizei stand. So stellte sich natürlich die Frage, warum auch er einen Bußgeldbescheid der Stadt Karlsruhe zugestellt bekam. (...)" Nachttanzblockade: Prozess-Update II

Eskalationsstrategie: "rechtliche Regelungen und Deeskalation dürfen nicht von Menschen und ihrer Tagesform abhängen." Zwuckelmann zu den Eskalationen bei der Räumung einer Blockade beim Grundwassermanagement der S21 Baustelle in Stuttgart.

Kriminalisierungsversuch: Am vergangenen Donnerstag wurde ein Stuttgarter Antifaschist in Stuttgart-Heslach auf offener Straße in einem Bäcker festgenommen. Ihm wird Körperverletzung in zwei Fällen im Rahmen der Aktivitäten gegen einen Rassistenkongress und den Gründungsparteitag des Landesverbandes der rassistischen Partei „Die Freiheit“ vorgeworfen. Mehr dazu bei Linksunten.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick über die Entwicklung in Lateinamerika.

Razzia: "Die Kampagne “Sachsens Demokratie– sieht in der Razzia am 10. August 2011 beim Jenaer Jugendpfarrer Lothar König einen Skandal. Das Vorgehen der sächsischen Polizei reiht sich ein in eine lange Kette von mehr als zweifelhaften Ermittlungsmethoden und fatalen Grundrechtseingriffen in den vergangenen Wochen und Monaten. Lothar König ist laut “Sachsen Demokratie– einer von mittlerweile 22 Beschuldigten, denen die Staatsanwaltschaft Dresden vorwirft eine “kriminelle Vereinigung– gem. §129 StGB zu sein. Die Razzia zeige erneut, dass die sächsischen Behörden keinen auch noch so absurden Versuch unterlassen antifaschistisches Engagement zu kriminalisieren, meint “Sachsen Demokratie–. Noch vergangene Woche habe Lothar König gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel angemahnt, dass ihn die Ermittlungsmethoden der sächsischen Behörden an die Stasi erinnerten. Eine Woche nach den kritischen Worten, fielen die Beamten frühmorgens bei ihm ein. (...)" Mehr beim Watchblog NPD-BLOG.INFO. Inzwischen wehrt sich auch die offizielle Kirche gegen die Razzia. Siehe auch den Beitrag bei den alternativen Dresden News, wo auch ein Beitrag, der die Reaktionen zusammenfasst erschienen ist..

Zweidimensional: "Innenminister Friedrich wirft seinen Kritikern “intellektuelle Plattheit– vor. Dass es vielleicht seine eigene Plattheit ist, die Häme hervorrruft, scheint er nicht in Betracht zu ziehen. (...)" Dazu ein paar Gedanken von Thomas Stadler

Chancenlos: "(...) Der US-Kongress unterwirft sich mit seiner jüngsten Entscheidung abermals dem seit zwei Jahrzehnten dominierenden neoliberalen Politikmodell und dessen mächtigen Fürsprechern von der Wall Street. Nur Reiche können sich einen Staat leisten, der nahezu pleite ist und in manchen Bereichen nur noch eine rudimentäre Versorgung sicherstellt: 45 Mio. Amerikaner sind inzwischen auf den Bezug von Nahrungsmitteln über staatliche Lebensmittelmarken angewiesen, zig Millionen sind obdachlos und campieren in ihren Autos oder leben sogar in der Kanalisation, wie zum Beispiel in Las Vegas. Besonders in Zeiten der Rezession widerspricht es jedem ökonomischen Sachverstand, Sozialleistungen zu kürzen, anstatt mit staatlichen Leistungen und Investitionen die Binnenkonjunktur anzukurbeln oder für die in den USA in weiten Teilen dringlich notwendigen Infrastrukturmaßnahmen zu sorgen. (...)" Verpasste Chancen. Was Krieg, Militär und die Superreichen mit der sog. US-Schuldenkrise zu tun haben. Beitrag von Uwe-Jürgen Ness.

Identitäten: Mit einem "unvermeidlichen Vergleich" wartet das Blog "Occupied London" auf - das ägyptische Blog befasst sich mit den Revolten in Tunesien, Ägypten und London, deren Unterschiede und Übereinstimmungen. Vor allem letztere werden am Schluss zusammengefasst: "Es gibt kein deutlicheres Signal an die Demonstranten, dass ihr Anliegen uninteressant sind, dass sich das System nicht ändert, als dass die Straßen von Panzern gesäumt sind."

Tolerant: Ein paar Gedanken von Daniel zu Gottes Werk und Teufels Beitrag. Auch Atheisten haben Götter.

Beunruhigend: Mir geht es ebenso wie dem Schockwellenreiter: "Die Techniker in dem havarierten Kernkraftwerk Fukushima II haben begonnen, einen Reaktor mit einem Zelt aus Polyester abzudecken. Es soll 54 Meter hoch und 47 Meter breit sein und verhindern, daß radioaktives Material nach außen gelangt. Lese ich da richtig? Ein Zelt aus Polyester soll verhindern, daß Radioaktivität nach außen dringt. Meines Wissens helfen da höchstens schwere Bleiplatten. Schlimmer kann die Hilflosigkeit der Atommafia bei diesem SuperGAU gar nicht demonstriert werden."

Allmachtsphantasien: "Am 19. Februar kam es in Dresden im Rahmen einer Protestveranstaltung gegen völlig harmlose partiotische Lausbuben zu zahlreichen Straftaten terroristischer Staatsfeinde. (...)" Wir unterstützen den Fahndungsaufruf von Frank Kopperschläger.

Aufwieglerei: "Bei den Aufständen in Großbritannien wurden Soziale Netzwerke sowie Kurznachrichtendienste zur Koordination verwendet. Dagegen ist man vorgegangen. Inzwischen wurden 10 Facebook-Nutzer wegen aufwiegelnder Beiträge verhaftet." Mehr dazu bei Gulli. David Cameron erwägt, bestimmte Menschen ganz von den sozialen Netzwerken auszuschließen oder Facebook & Co. ganz abzuschalten.

Schlampenmarsch:  Im Grunde sind viele "Linke" nicht nur Spießer, sondern schreiben anderen die Kleiderordnung vor. Und wie sie sich sonst noch zu geben, denken und verhalten haben. Unter dem Titel "NEIN heißt NEIN!" findet auch in München am morgigen Samstag der feministische "Slutwalk" statt. Siehe auch den Kommentar von Claudia Wangerin in der "jungen Welt". (Bezahlartikel, eine gute Gelegenheit für ein Onlineabo).

Blutspende: Der Vatikan hat die bislang originellste Idee zur Bekämpfung der Bandenkriminalität in Mexico abgeliefert. Eine Kapsel mit dem von Blut von Johannes Paul II wird nächste Woche dorthin gebracht um an einhundert verschiedenen Orten seine die Bewohner des Landes "heilende" Wirkung zu entfalten. Heute wurde ein Mafiamörder festgenommen, der mehr als 900 Morde zu verantworten haben soll.

F­rankreich: Vorwärts im Kampf für die Menschenrechte - weltweit!

Die Erstürmung der Bastille als Geschichtsmythos (Bild von Jean-Pierre Louis Laurent Houel, veröffentlicht 1789)

Quelle: WikiPedia
Wie wir alle wissen, ist Frankreich seit 1789 Vorkämpferin der Menschenrechte, wo auch immer. Wenn die französische Regierung jetzt aus dem Beschluss des Sicherheitsrats herausliest, dass sie mit Kampf-Hubschraubern Leute in Libyen abknallen muss, dann zeugt das für entsprechenden Einsatzwillen. Auch der immer schon praktizierte, inzwischen zugegebene Einsatz von spezialisierten Bodentruppen beweist den engagierten Interpretationswillen der Franzosen (und Engländer).

Der gleiche Willen, unerschütterlich, in Europa. Wurde nicht der Randstaat Dänemark hart gerüffelt, wegen Anzweifelung des Schengen-Abkommens? Wir erinnern uns: das sollte einmal die scharf rationierten Wohltaten für Einwanderer, falls es noch solche gab, innerhalb Europas absichern. War also menschenrechtlich vorbildlich. Genau aus diesem Grund musste das Schengen-Abkommen gegen Italien verteidigt werden. Hatte dieses verantwortungslose Land doch Flüchtlingen aus Nordafrika Ausweise untergeschoben, mit denen sie nach Frankreich ausreisen wollten! Und dort den schon anwesenden Mit-Morgenländern die ohnedies dünne Suppe verwässern. So geht das nicht!

Dass bei Großunternehmen wie Straßburg das Schengener Abkommen von Frankreich selbst zeitweise gekündigt wurde, entsprang den gleichen Beweggründen. Sollten etwa französische (und deutsche) Polizistinnen und Polizisten zu menschenrechtswidrigem Schlagstockeinsatz und Gasangriffen gezwungen werden?

Diese Haltung zeigt sich nun in Frankreich selbst. Es sind - trotz aller Vorsichtsmaßnahmen - immer noch zuviel Ausländer - vor allem aus Tunesien - eingedrungen.

Bernard Schmid hat sich - laut TREND 5/2011 - unter das hilfesuchende Volk gemischt, um herauszubekommen, was französischer Internationalismus dem Hautgefühl nach konkret bedeutet:

"(...) „Du! Ab nach hinten!“ schreit mich ein behelmter Beamter der Bereitschaftspolizei CRS an und schwingt drohend vor mir mit dem Knüppel. Im Eingangsbereich eines Hauses, das –“ nachdem es von als „illegal“ dargestellten Einwanderer besetzt war - soeben von 200 bis 300 CRS-Beamten gestürmt wird, steht es sich nicht besonders gut. Auch riecht es nach Tränengas. Mit dröhnendem Lärm schlagen die Bereitschaftspolizisten mit den Knüppeln auf ihre Schilder und jagen die Treppen zu den zwei oberen Etagen hoch.

Zusammen mit mehreren Dutzend Personen werde ich in einen engen Gang im hinteren Teil des Erdgeschosses gedrückt. Es wird auf Französisch und, vor allem, in tunesischem Arabisch diskutiert. Bei einigen der Anwesenden kommt Panik auf, ein junger Tunesier hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Hinterkopf, er hat einen Knüppelhieb abbekommen. Auf einmal kommen Polizisten auch von der anderen Seite des Ganges durch eine Hintertür, die bislang verschlossen geblieben war. Eine Hintertreppe führt dorthin. Die mehrheitlich aus Tunesiern bestehende Gruppe versucht sich zu beruhigen. Ein paar junge Leute rufen auf Arabisch „Gott ist größer“. Andere stimmen den Refrain der tunesischen Nationalhyme, Humat al-Hima, an: „Namutu, namutu wa nah-ya ala adhiha“. Also, „wir leben und sterben für diesen Eid.“

Ein älterer Beamter, der offenbar den Einsatzleiter gibt, fordert uns alle auf, keinen Widerstand zu leisten, „dann verläuft auch alles gut“. Wir sollten uns „nicht unnötig verletzen“. Er versucht, eher beruhigend zu wirken, aber einige seiner Leute wirken hochgradig nervös. Einer beruft sich darauf, zwei Tage zuvor sei am selben Ort eine Bierdose von jungen Anarchisten auf ihn geworfen worden. Einzelne, die auf den beiden Toiletten am Gang Wasser trinken oder ihr Geschäft verrichten, werden herausgezerrt. Eine dritte Toilette ist verschlossen. Unter hohem Gewalteinsatz, und nach mehreren vergeblichen Versuchen, brechen die Polizisten die Tür in Stücke. Es stellt sich heraus, dass die Toilette entgegen ihren Vermutungen unbesetzt war und sich niemand eingeschlossen hatte. Ein CRS-Polizist fragt einen französischen Aktivisten: „Was ist ihre Rolle bei den Tunesiern? Linker Aktivist, was?“ Als der Angesprochene nicht antwortet, bekommt er zu hören: „Die werden schon reden, wir behalten sie über Nacht.“ (...)"


Titel der Reportage Schmids: "Vom Regen in die Traufe"

Der weitere Text schildert die Bemühungen, die Eingewanderten so schnell wie möglich wieder in das befreite Tunesien zurückzuschaffen. Manchmal direkt, manchmal mehr durch Schikane. Trotz Befreiung scheint das neue tunesische Regime in diesem Punkt gefällig die Hilfspolizistenfunktion des abgesägten und inzwischen verstorbenen Präsidenten Ali übernommen zu haben.

Deutschland und sein neuer Innenminister haben Pech, dass sie sich nicht gleichermaßen menschenrechtlich bewähren können. Die europäische Binnenlage verhindert das weitgehend. Bereit stehen sie jedenfalls. Und zwar feurig.

Was mir heute wichtig erscheint #272

Interview: Radio Dreyeckland hat Aktivisten der Blockade der St. Eberhards Kirche in Stuttgart anlässlich des am 30. Juli vergangenen Jahres stattgefundenen Gelöbnisses der Bundeswehr in Stuttgart interviewt. In der Kirche fand eine kurzzeitige Besetzung statt, da dort der sog. Militär"gottesdienst" stattfinden sollte. Der damalige Prälat Brock ließ die Kirche räumen. Zur Zeit finden Prozesse gegen die AktivistInnen statt. Mittwoch wurde ein Antimilitarist verurteilt.

Prinzipienlos: Nach dem, was Sevim Dagdelen auf ihre letzte kleine Anfrage erfuhr, ist keine Anfrage beim Parlament nötig, wenn nicht beabsichtigt ist, Waffen einzusetzen. Im Prinzip nicht. Das scheint der Begründung zu widersprechen, die damals bei der Ausfahrt der "humanitären" Schiffe und deren Einsätze behauptet wurde. Damals wurde mit Kurzfristigkeit argumentiert, also hätte eine Parlamentszustimmung nachgeholt werden sollen/müssen? Das unterstreicht die bösen Absichten der Regierung zur Parlamentsentmachtung noch deutlicher.

Fraglich: Gibt es die Autonomen noch bzw. warum braucht es sie denn überhaupt? Wie ist der Stand der Bewegung? Wie geht es weiter? Darum will sich auch ein Kongress für autonome Politik 2011 kümmern, der vom 17.-19. Juni im AZ Köln stattfindet. Unter anderem ist eine Debatte über die Bedeutung und Rolle der Militanz geplant. Dazu gibt es einen Beitrag von Wolf Wetzel.

Protestbewegung: Seit Tagen protestieren vor allem junge Spanier gegen die hohe Arbeitslosigkeit und für soziale Reformen. Die Demonstrationen an zentralen Plätzen finden im ganzen Land statt. An Orten wie dem Puerta del Sol, dem berühmten Platz im Zentrum Madrids, werden Lager errichtet. Bericht von ORF ZiB 24. Taucht in deutschen Medien kaum auf. Warum wohl? Eine kommentierte Materialsammlung zu den Massenprotesten in Spanien im europäischen Kontext ist "Wir sind keine Ware" vom 19. Mai 2011 bei LabourNet.

Kassenlage: De Maizieres "Eckpunkte für die Neuausrichtung der Bundeswehr", auseinandergenommen von Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung (IMI).

Baustopp: Heute startet das Baustoppcamp gegen Stuttgart 21, das unter anderem von der Aktion Aus.Sitzen!, Robin Wood, den Parkschützern, den Anstiftern, den aktiven Parkschützern von Bei Abriss Aufstand und von Rote Karte unterstützt bzw. organisiert wird. Beschreibungen der Workshops und der Aktionen im Kindercamp. Wir sind natürlich mit dabei. Zuvor geht es morgen auf die Großdemo "Wir lassen nicht locker: Stuttgart 21 stoppen!" zum Auftakt des Camps.

Kleinkunst: Wieso eigentlich "Klein"kunst? Wie Georg Schramm mit der alten baden-württembergischen Landesregierung umgeht kann doch eigentlich nur als Großkunst bezeichnet werden. Da waren einige ziemlich angeätzt.

Eskalation: "Nach den tödlichen Schüssen auf Demonstranten vor dem Bundeswehrstützpunkt im afghanischen Taloqan dauern die dortigen Proteste gegen die NATO an. Am gestrigen Donnerstag gingen in der Stadt erneut mehrere hundert Menschen auf die Straße, um ihrer Wut über einen nächtlichen NATO-Überfall Ausdruck zu verleihen. Am Mittwoch waren bei Protesten mindestens 14 Demonstranten erschossen worden. Die Bundeswehr schließt eine erneute Eskalation ausdrücklich nicht aus. Hintergrund der Proteste ist die weiterhin steigende Anzahl von Zivilisten, die bei Kriegshandlungen der NATO-Streitkräfte umgebracht werden. (...)" Weiteres bei german-foreign-policy.

Alarm: Herr Preiselbauer meldet UFO's über Bayern. Genauer gesagt, die ganzen Aliens greifen Marzling an. Ganz schön hinterhältig.

Großalarm: In offenen WLANs können Angreifer ein Authentifizierungstoken für Google Calender, Contacts und Picasa mitlesen und missbrauchen. Doch viele andere Apps verraten schon länger vertrauliche Daten - ohne dass es der Anwender ahnt. Google will die Android-Lücke so schnell wie möglich schließen. (Via heise.de)

Gesundschrumpfung: "Die britische Regierung macht ernst. Um das Staatsdefizit zu senken und auf dem Finanzmarkt zu bestehen, werden öffentliche Dienste reihenweise privatisiert –“ radikaler, als Margaret Thatcher es in den 1980er Jahren wagte. Ist das der Weg aus der Schuldenkrise –“ oder führt es im Gegenteil noch tiefer in sie hinein? (...)" Ein Beitrag von Matthias Becker bei telepolis zur Frage ob durch Privatisierung - sprich Abwälzung der Krisenlasten auf die Bevölkerung - ein Ausweg aus der kapitalistischen Krise möglich ist.

Ausfälle: Mit einer Erklärung haben sich mehr als 140 Personen aus Politik, Kunst und Kultur, Wissenschaft und Gewerkschaften an die Öffentlichkeit gewandt. Darin kritisieren sie die “Ausfälle von CDU-Abgeordneten im sächsischen Landtag gegen die demokratischen Oppositionsparteien– aber auch “die Gängelung der Zivilgesellschaft durch Extremismus- und Maulkorbklauseln sowie die Kriminalisierung antifaschistischer Gruppen– und fordern eine Ende der Diffamierungskampagne gegen antifaschistisches und zivilgesellschaftliches Engagement in Sachsen. Mehr bei den "alternativen Dresden News".

Aufruf: Zu einem dreitätgigen Meeting in Tunesien zur Reflexion der bisherigen Revolten und Auseinandersetzung über die Frage, wie gemeinsam gekämpft werden kann rufen StudentInnen, Arbeitslose, prekär Beschäftigte und AktivistInnen aus Nordafrika und Europa auf.

Unvollständig: “Ziviler Ungehorsam, der friedlich stattfindet, kann nicht falsch sein– –“ Ver.di zum Festhalten von Gegendemonstranten bei der Neonazi-Demo in Heilbronn.

Geschichtsträchtig: Bisher sind drei Teile einer Serie von 11 Teilen über die IAA, die den Kapiteln der Schrift „I. A. A. –“ 10 Jahre Internationaler Klassenkampf“ entsprechen erschienen. Eine Gedenkschrift zum 10-jähringen Bestehen der Internationalen Arbeiter-Assoziation von 1921-1931, mit Berichten von Augustin Souchy, Rudolf Rocker, Alexander Schapiro, Albert Jensen, Arthur Müller-Lehning, Pierre Besnard, Eusebio C. Carbo, Avelino Gonzalez Mallada, Armando Borghi, Gerhard H.W.: (d.i. Gerhard Wartenberg). Diese Schrift erschien 1932 in „Der Syndikalist“. Geschichte der IAA Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

Glanzlichter: Fukushima gibt es immer noch, auch in Libyen herrscht keineswegs Ruhe. Die Ereignisse in Spanien werden bei uns nur am Rande wahrgenommen. An sich schon genügend Stoff, doch: Der „Süddeutschen“ droht eine Notausgabe. Opalkatze hat noch mehr interessante Links zusammengetragen.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick zur Entwicklung in Lateinamerika.

Parlamentsarmee! Deutsche Kriegsschiffe zurückpfeifen!

Deutsche Fregatte Mecklenburg-Vorpommern
Foto: Monsterxxl / Wikipedia
Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation
Seit längerer Zeit liegen vor den Küsten Libyens neben Kriegsschiffen anderer Länder auch drei Exemplare der deutschen Marine. Angeblich musste das vor einer Woche höllisch schnell passieren - um Flüchtlinge zu befreien. Die  Fraktionsvorsitzenden im Parlament wurden kurzatmig  benachrichtigt. Hinweis der Regierung: Im Notfall darf man ohne Parlament eine Parlamentsarmee verheizen, wo man will. Vermutlich vergessen dabei der Zusatz: die Zustimmung des Bundestags baldmöglichst nacherbitten.

Wie ganz einfache Überlegungen zeigen: in Tunesien landende Flugzeuge könnten in recht kurzer Zeit alle transportieren, die nach Ägypten oder in andere Gebiete zurückwollen. In der "Frankfurter Rundschau" vom 7.3.2011. findet sich eine winzige Notiz: "Drei Schiffe der deutschen Marine nahmen mehr als vierhundert Flüchtlinge an Bord. Laut Bundeswehr soll Alexandria demnächst erreicht werden." (FR S.2). Aktion als Ausrede!

Das einzige und erste Mal. Mehrtägige Reise bis in die ägyptische Hafenstadt. Wie schnell und unauffällig hätte das per Flugzeug erledigt werden können. Dass die deutschen Kriegsschiffe mit so vielen andern zusammen vor der Küste Libyens herumlungern, hat natürlich ganz andere Gründe. Zum Zweck der massenhaften Schaumigrührung angeschlagener Seelen wird - wie schon so oft seit dem deutschen Kambodscha-Einsatz - das Karitative vorgeschoben. Wer hat denn ein so hartes Herz, pure Wohltätigkeit verbieten zu wollen?

Zur gleichen Zeit werden die Nachrichtensendungen der öffentlichen Anstalten unverhohlene Kriegspropaganda. Irgenwelche Gruppen, die niemand kennt, sollen dringlich Durchsetzung von Flugverboten  gefordert haben. Die Lüge, da würden wehrlose Stämme vom "Machthaber"  massenhaft niedergeschlagen, lässt sich nicht mehr aufrecht erhalten. Die Rebellen an und mit allerlei Waffen beweisen: es handelt sich um einen traditionellen Bürgerkrieg. Nur wird suggeriert, bei den Aufständischen handle es sich ausnahmlos um die "Guten". Der neue SPIEGEL entwirft für uns alle noch einmal das Bild einer brutalen Nero-Herrschaft Gaddafis seit Regierungsantritt.

Die ersten gemischt deutsch-libyschen Demos sind zu erwarten, die heiser das Flugverbot eintreiben. Was der Begriff an Handlungsnotwendigkeiten wirklich enthält, soll dabei nicht allzu deutlich enthüllt werden. Flugverbot, darin stimmen alle überein, setzt gleichzeitigen Überfall auf alle Fughäfen voraus, um Gaddafis Piloten am Aufsteigen zu hindern. Zweckmäßig das schnelle Abschießen parkender Maschinen so schnell wie möglich. Also: KRIEG! In der Brutalform, wie wir sie aus dem Irak und aus Afghanistan (bei der Vorbereitung der Besetzung von Kabul) kennen lernen durften.

Es ist damit zu rechnen, dass bei einer Abstimmung im Bundestag wie üblich das öligste Altgemüse aufgetischt wird - und die Pflicht "to protect" aus Fischers Marktangebot neu herausgekramt. Richtig zwar, dass die wirklichen Militärfachleute voraussehen, dass noch einmal ein Irak oder Afghanistan nicht leicht durchzusetzen sein wird. Sie werden trotzdem in ihr Unglück hineinstolpern. Mit dem schon etwas ausgeblichenen Erlöser Obama vornedran. Er wird sich im Verlauf der nächsten Woche seinem Vorgänger im Vernichtungswesen immer stärker angleichen. Verschämtere schreien nach einem UNO-Beschluss, beziehungsweise einem gewissenserleichternden Diktat des Sicherheitsrats. Da werden China und Russland vielleicht die letzten gedanklichen Reserven aufbieten und ihr Veto einlegen. Dann müssen wie in Jugoslawien das Menschenrecht und das Gewissen herhalten. Ungeheure Rülpser zur Entlastung der Bauchhöhle sind zu erwarten. Uralt-Eppler wird entsargt. Er wird mit ersterbender Stimme lallen, dass wir auf alle Fälle Unrecht tun. Aber beim Überfall auf Libyen ein bisschen weniger als beim "feigen Wegschauen". Und schon werden um der Menschenrechte willen Menschen massenhaft abgeknallt. Gott sei Dank weit weg!

All das bei ungenauester Berichterstattung und reiflichem Verbrauch von Mythologie! Es wird Zeit, sich an den einschlägigen deutschen Flughäfen zu Demos zu sammeln. Nicht in der eitlen Hoffnung, Abflüge zu verhindern. Aber wenigstens mit der zu erhoffenden Wirkung, dass ein paar mehr Leute als jetzt mitbekommen, was in ihrem Namen geschieht. Schärfer: Wie unsere Regierung uns betrügt! Wie Merkel für ein halbes Jahr Aufschub das eigene Land ins Unglück treibt. Ein anderes dabei plattbombardiert.

Aufschub vor dem doch unvermeidlichen Ende. Und wie eine Heerschar von Verblendeten ihr im Marschtritt folgen wird.

Kopftuch - ein Zeichen, dem sein Bezeichnetes abhanden kam

Karte mit einem Überblick über Verbote in den einzelnen deutschen Bundesländern das Kopftuch im Schuldienst zu tragen - rot eingefärbte Länder. Stand: 2007

Urheber: WikiFreund Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2
Was ist um das Kopftuch gestritten worden - vor allem in Baden-Württemberg! Was wurde ihm alles nachgesagt! Wenn eine Lehrerin das trage,  fordere sie die Schülerinnen unweigerlich zur Nachahmung auf, vor allem solche aus türkischen und arabischen Familien, die dafür anfällig wären. Die gewöhnlichen Mädchen solcher Herkunft, die es auch damals schon in Gymnasien gab, meinten allerdings immer mit strafendem Blick auf meine eigene Aufmachung, dass doch Lehrkräfte außerordentlich selten stilbildend für Jugendliche wirken.

Ein verdienstvoller Mann namens Grell, Verfasser des denkwürdigen Gesprächsleitfadens für Einwanderer, verbrachte Jahre glühender Leidenschaft damit, Einschleichlinge ins deutsche Gebiet zu überführen. Nach herrschender, auch gerichtlicher, Meinung sollte das Kopftuch als Bekenntnis zum Islam gelten. Ein Bekenntnis, das dem geforderten zum Grundgesetz in jedem Punkt widerspreche. Kleinliche Überlegungen, dass im Koran selbst außer einer vieldeutigen Bemerkung zum Verhüllen des Hauptes sich gar nichts über das Kopftuch findet, wurden verworfen. Eben so Hinweise auf die Frauen des Berbervolkes, die - früheste Anhängerinnen des Propheten - nie ein Kopftuch getragen haben, sollten nichts gelten. Es entbrannte und entbrennt ein Glaubenskrieg, der nicht nur in Broders "Achse des Guten" bis heute geführt wird.

Gewichtiger schienen die Einwände gegen das Kopftuch, die Frauen erhoben. Sie ließen den Koran beiseite - und dachten nur an das gängige Familienbild in jeder deutschen Großstadt - in den sechziger und siebziger Jahren. Der Mann und Familienvater voraus - die Frau mit den Einkaufstaschen einen Schritt hinterher. Patriarchat - wie es unbestreitbar in den ländlichen Teilen der Türkei herrschte, aber auch in vielen anderen maghrebinischen Ländern. Es "herrschte" - nicht als geschriebenes Gesetz, sondern als Gewohnheit von der Heimat her. Ein solches Bild von Ehe und Familie sollten die kleinen Mädchen nicht auch noch in der Schule bestätigt finden. Also Kopftuch runter! Dieses Mal weniger wegen des vermuteten Zeugnisses für die Zwangsgewalt des Koran, sondern wegen der Verführung zur ehelichen Unterwerfung.

Wer die letzten vierzehn Tage oder drei Wochen die Riesendemos in Kairo beobachtet hat, dem ist eines aufgefallen: Es gab sehr viel verschleierte Frauen unter den Protestierenden. Das allseits gefürchtete Zeichen war also vorhanden. Nur: diese Frauen hielten eigenständig Ansprachen. Sie trugen ohne männliche Begleitung selbstgemalte Transparente. Sie sangen mit. Sie schrien ihren Hals leer. Und zwar keineswegs chorisch, wie es das auch in Pop-Veranstaltungen gibt, zur Feier irgendwelcher männlicher Helden. Sondern ganz aus eigener Begeisterung.

Unterwürfigkeit? Nirgendwo sichtbar! Dem Zeichen war das unterstellte Bezeichnete völlig abhanden gekommen. Weder wurden Koranverse zitiert - noch irgendwo Ehemänner verehrt.

Wieso dann aber überhaupt noch Kopftuch? Warum nicht gleich als erstes den Fetzen vom Kopf gerissen? Wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen wie  bei Menschen katholischer Erziehung bei Familienfesten oder dergleichen. Aus Höflichkeit gegenüber dem Herkommen. Ich selber würde mich in entsprechender Gesellschaft nicht scheuen, vor dem Altar die Knie zu beugen. Nicht aus Verehrung, sondern aus Gefälligkeit gegenüber dem Brauch.  (In Südfrankreich wurden noch in den siebziger Jahren Touristinnen genötigt, den Kopf zu bedecken beim Eintritt in eine sehenswerte Kirche. Und trugen sie sonst vielleicht auch Shorts und Sandalen an nackten Beinen. Der Kopf musste bedeckt bleiben - wenn auch vielleicht nur durch ein verknotetes Taschentuch. Niemand vermutete deshalb Bekehrungserlebnisse im Kopf darunter).

Patrick Bahners hat in seinem letzten Buch "Die Panikmacher: Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift" (wird demnächst in der neuen Reihe www.KRITISCH-LESEN.de besprochen) ausführlich die Frontenbildung beschrieben, die sich im Streit um das Kopftuch entfaltete. Welche Flut von Urteilen und vor allem Vorurteilen sich da ergoss gegen die angeblichen Feinde von - wahlweise - Grundgesetz oder Frauengleichstellung. Ein ausführlicher Blick auf die Demos in Ägypten sollte  allen Eiferern die Augen öffnern: die Frauen, die sich dort mitversammelten schrien weder nach Heilighaltung des Koran noch nach Einführung der Scharia noch nach der starken Hand des Ehemanns. Sie wollten ganz offensichtlich das, was sie sich unter Demokratie vorstellten, wahrscheinlich über das Gestänge des Grundgesetzes hinaus, und sie wollten es für sich selbst. Mit oder ohne Kopftuch.

Wenn Hinschauen zur Belehrung beitragen könnte, müsste jetzt die ganze deutsche Hass-Brigade das Hetzen einstellen. Da aber warmgesessene Vorstellungen jeden Augenschein besiegen, dürfen wir in der März-Nummer von "KONKRET" das aufgewärmt lesen, was wir zu wissen haben: Die Islamisten kommen! Deutsche Frau, Deutscher Mann: seid weiterhin höllisch wachsam!

Tunesien: Wenn der Strick am Reißen ist!

In Tunesien hatte der Trick zunächst am besten geklappt. Die herrschende Gruppe - aus Besitzern, Militär, Polizei und Kontaktleuten mit den Imperialisten des Westens entledigt sich der obersten Führungsschicht, lässt aber sonst alles wie es  war. So blieb das zusammenerfundene Parlament bis heute im Amt, allerdings nur, um dem ererbten Präsidenten sämtliche Vollmachten zu überreichen. Gouverneure der Provinzen  wurden neu ernannt, allerdings aus den Beständen in Hab-Acht-Stellung, die bisher nicht drangekommen waren. Armee und Polizei fungierten weiter als Armee und Polizei, um den Lauf der Dinge zu regeln. Vor allem die Presse log weiter wie bisher.

LA PRESSE, von SPIEGEL und anderen Organen als befreit-glückliche Community beschrieben, brachte nach einer polizeilichen Hinrichtungsaktion in Kef (algerische Grenze) die Unverschämtheit auf, die Polizei als Opfer und bald darauf als Sieger hinzustellen, die vom Polizeichef geohrfeigte Frau als bezahlte Betrügerin. Polizist in Ehren an seinen Posten zurückgeführt. Von den mindestens vier Toten kein Wort mehr.

Damit hielt sich  nebelhafte Undurchsichtigkeit im Land. Es zeigte sich, dass Twitter und Facebook zwar zu Treffpunktangaben sich vorzüglich eignen, aber nicht zu Auseinandersetzungen und Klarstellungen.

Viele, die sich ab Freitag, 25.2.2011 empörten, und bis heute die Kasbah - Altstadt - von Tunis besetzen, blickten zwar nicht völlig durch, aber spürten den Strick. Strick - die Fessel, mit der sie nach wie vor an den Karren des Kapitals gebunden werden sollten. Sie merkten zum Beispiel, dass Präsident und Parlament bis zum heutigen Tage nicht die geringsten Überlegungen angestellt hatten, wie das neue Parlament aussehen sollte. Nach welchem Wahlrecht? Wie sollten sich Parteien konstituieren? Und vor allem, sollte die neue Republik wie die alte präsidial regiert werden - zentralisiert, leicht handhabbar - oder parlamentarisch. Die alte Verfassung Tunesiens war - auch in legaleren Zeiten - schroff nach dem Dominanzsystem eines de Gaulle erfunden worden.

Von all diesen Überlegungen der Demonstrierenden drang absolut nichts durch in die staatstragenden Medien. Wenn überhaupt gemeldet wurde, dann hörte sich das immer an nach Ungeduld von Leuten, die nie genug bekommen können.

Die Demonstration am Freitag, 25.2. hätte verlaufen können wie viele andere - allerdings mit - polizeilich zugegebenen - über hunderttausend Teilnehmenden. Am Abend aber brach plötzlich die Polizei über die Massen herein, begleitet von nicht identifizierten Herrschaften in Zivil, aber mit breiten Knüppelstangen. Ganz offensichtlich ein Versuch, durch Einschüchterung dem Demonstrationswesen ein Ende zu bereiten.

Daraus entstanden die drei Tage langen Auseinandersetzungen mit immer neu zuströmenden Menschen, die sich ins Gefecht einmischten. Ergebnis nach letzten Schätzungen: fünf Tote,viel hundert Verletzte.

Eine Kommission erhielt am Freitag noch Zutritt zum Premierminister, der wie üblich herumröstete, ohne klare Zusagen. Außer der einen: bis März sollte gewählt werden. Wie - in welchen Umrissen - wurde weiterhin nicht verraten.

Dem letzten von Ben Ali eingesetzten Heimatverwalter ist dann wohl das Herz in die Hose gefallen. Es wurden offen - auch im Fernsehen - Forderungen nach einem Volksgericht über ihn aufgestellt. Auch mag das zu erwartende Ende von Kollegen Gaddhafi ihm zu Denken gegeben haben.

Er trat zurück. Der ebenfalls von Ali geerbte Präsident suchte verzweifelt alle Koffer und Kästen durch - und fand einen 86-jährigen früheren Staatsmann in Pension. Immerhin aus der Zeit des anerkannteren Vorgängers von Ali: Bourguiba, der sich tatsächlich bemüht hatte, nach dem Muster der französischen Republik Staat und Religion (Islam) streng laizistisch auseinanderzuhalten. Es kann sein, dass das zum Tod verurteilte Regime mit matter Hand noch einmal an die besseren Zeiten von einst erinnern wollte. Aber natürlich: ein Herr im Über-Adenauer-Look konnte nicht nur die Jugendlichen in Tunis nicht mitreißen. Auch alle anderen nicht, die sich ernsthaft um Lebensmöglichkeiten von Tunesien kümmern wollten.

Wer sind die aber? Es ist nicht einfach, an Flugblätter und Aufrufe dieser Gegengruppe zu kommen. Offenbar steckt aber hinter den Demo-Aufrufen das "Komitee zur Wahrung der Errungenschaften der Revolution".

"Auf Initiative des Bündnisses der tunesischen linken „Front 14. Jänner“ riefen 28 Parteien und Organisationen der tunesischen Opposition den „Nationalrat zum Schutz der Revolution“ aus. Diese Neuformation ist das erste Gremium, in dem Kräfte der tunesischen Linken (wie etwa die Kommunistische Arbeiterpartei) mit der islamischen Bewegung „Al-Nahda“ offiziell zusammenarbeiten. In der Gründungserklärung setzen sich die tunesischen Oppositionskräfte folgende Ziele:

1. Die Konsolidierung der Prinzipien des Volksaufstands und diesen vor der Gefahr zu schützen, vom Regime umgangen zu werden
2. Vermeidung eines politischen Vakuums und die Verabschiedung von Gesetzen und Maßnahmen, welche die Übergangsperiode betreffen.
3. Überwachung der Arbeiten der Übergangsregierung und die Ernennung ihrer Mitglieder

Die Regierung des alten Regimes hat bisher keine offizielle Reaktion abgegeben. Überrascht zeigte sich Sprecher der „Demokratischen Progressiven Partei“, die unter Ben Ali zur „legalen Opposition“ gehörte und sich derzeit an der Regierung von Ghanouchi beteiligt. Er verurteilte diesen Schritt als „einen Stich in die Fundamente, auf denen die nationale Einheitsregierung beruht“. Die „nationale Einheitsregierung“ wurde nach dem Abgang von Ben Ali von der Regierungspartei und Parteien der legalen Opposition gebildet. Unter Ben Ali illegale Parteien sowie die aus der Massenbasis entstandenen Führungen des Aufstands wurden von der Regierungsbildung ausgeschlossen. Diese sehen die Regierung Ghanouchis als eine Neuauflage des alten Regimes und fordern ihre Auflösung und die Bildung einer neuen konstitutionellen Versammlung und einer neuen Übergangsregierung."

Wichtig dabei: PCOT-Kommunisten - und reformierte islamische Partei in einer vorläufigen Kampffront. Zusammen vermutlich mit Teilen der CGTT - der Gewerkschaftsbewegung. Aber nicht allen. Auch in Tunesien gibt es die Sommers, die einen Teil der Arbeitenden zur Untätigkeit verurteilen wollen.

Trotz allem:beängstigend das Ausmaß der Unsicherheit in den Vorstellungen der einzelnen, die sich vor der Polizei die Lunge heraushusteten auf der Flucht durch die Tränengasschwaden.

Ein Blog bringt - wenn auch in böser Absicht, doch recht lebensnah nachempfunden, das Reuegestöhn einer Studentin wieder:

Eine von achthundert Demonstrantinnen und Demonstranten, die nach (!) dem Rücktritt des Premierministers sich zu seinem Domizil bewegen, um ihn als "Retter" anzuflehen, zurückzukehren.

Die Studentin: "Sie heult herum. Antwort: «ich hab mich rumkriegen lassen von ein paar Typen von der Uni. Ich bin mitgelaufen.. Ich habe beim Sit-in mitgemacht in der Kasbah! Hab mir die Lunge aus dem Hals geschrien, dass Ghannouchi abhauen soll. Ich hab den Burschen von der Fac den Papagei gemacht. Jetzt merke ich, wie schwachsinnig ich bin - war -bin. Mit dreiundzwanzig hab ich Null Ahnung von Politik. Die andern in meinem Alter natürIich auch nicht. Reicht doch bei unserem Zustand, dass ein geschulter Typ ein paar Phrasen loslässt. Und schon haben sie uns alle eingewickelt.Ich schäme mich jetzt so. Ich schäme mich so, dass ich in Wirklichkeit den Kollaborateure von Ben Ali in den Arsch gekrochen bin. Leuten, die nicht wissen, was VATERLAND heißt, was »"

Wie gesagt, aus böser Absicht hingerotzt - aber nicht unvorstellbar. Hinzukommt, dass in Städen außerhalb von Tunis wirklich sich Truppen der alten RCD herumtreiben könnten, die auf eigene Faust plündern und anzünden, was sie können. Daher die behördlich natürlich geschürte Angst vor den "Anarchisten" Von Kasserine wird berichtet, dass dort Studenten und Arbeiter einer großen Fabrik sich um diese geschart hätten. Zum Schutz gegen marodierende Banden. Wobei freilich immer zu fragen ist, ob diese Gruppen immer schon so waren. Oder ob sie in der Not der Zwischenzeit erst zu Mord und Totschlag kamen. Oder schließlich - unwahrscheinlichste Erklärung - dass wirklich Generale der bisher immer so gelobten tunesischen Armee sie aufhetzen, um im Anschluss im Namen von Recht und Ordnung die Herrschaft zu übernehmen. Damit hätte freilich außer dem Militär die imperialistische Zugriffsordnung des Imperialismus gesiegt.

Fazit: Das Wichtigste in solchen Verwirrungen wäre wohl, dass die Linke eine klarstellende Informationspolitik zu Wege bringt. Von dem seit einem Monat angekündigten Organ der PCOT Hammamis ist leider im Internet immer noch nichts zu finden.

Libyen: Noch einmal zum mörderischen Nation-Building ausrücken?

Als Cohn-Bendit zum Backenplustern und Hassheizen im ZDF-Spezial vom 24.2.2011 ermuntert wurde, bekamen gedächtnisstärkere Fernsehnutzende Angst. Denn genau so war es vor den Kriegsüberfällen auf das damals noch bestehende Jugoslawien gelaufen. Cohn-Bendit grölte, brüllte, jammerte und rotzte: Eingriff um der Menschenrechte willen alternativlos. Im Zusammenhang mit seiner Geräuscherzeugung versprach er auch gleich, dass Compagnon Fischer die Kriegsenthaltung nicht durchhalten werde. Was dann auch prompt geschah.

Wenn Cohn-Bendit und Fischer das Wort "Menschenrechte" ausstoßen, sofort den Luftschutzkeller aufsuchen.

Etwas Ähnliches bahnt sich gegenüber Libyen wieder an. Allerdings im Augenblick noch auf der Ebene der Stimmverstärker-Gießkannen. Immerhin schon begleitet von Flottenausfahrten - angeblich zur Rettung deutscher Mitbürger. Das scheint nicht mehr über Hubschrauber und Flugzeug zu klappen. Angst erregt auch der Plan, nur mal ein Flugverbot für libysche Flugzeuge zu erzwingen. So fing es im Irak auch an. Und im Überfall auf Jugoslawien wirkte das erzwungene Flugverbot für Jugoslawien als offene Unterstützung der Banden Thacis im Kosovo.Und schließlich würde es unserem Wehrmachtsminister wunderbar in den Kram passen, über mannhafter Terrorbekämpfung seinen Betrug im Inland vergessen lassen zu können.

Dass  Angriffstendenzen bestehen, ist unbestreitbar. Nur: Die Erinnerung an den Irak sollte bei den Leuten im Sicherheitsrat und der Nato vorsichtig machen. Was ein Schlächter namens Peträus auch vorbringen mag: Irak war nicht einmal ein Erfolg für die Öl-Ausbeutet. Rechnerisch gesagt: Man hätte das Petroleum auch billiger bekommen können- wenn man die ungeheuren Kosten des Niedermetzelns von Menschen ganz ökonomisch  miteinberechnet. Der Wille zur Brutalität  ist da: aber die Reste von möglicher Vernunft wirken noch hinderlich.

Bei einer Kreatur wie Petraeus sind die schon ausgerupft worden.

Angesichts eines weiteren Überfalls im Stile von Kundus in Afghanistan erfand er vor versammelter Armee - unter Anwesenheit afghanischer Offiziere -, viele Eltern verstümmelter und angesengter Kinder hätten ihre Kleinen selbst an die heiße Herdplatte gehalten, damit die Alliierten schlecht dastehen sollten. Menschenfresser an die Front! Die sind sicher nicht seltener geworden! Aber vor den gerade nicht Mitbeteiligten stehen sie immer öfter  als die Bluthunde da, die sie hauptberuflich sind.

Hinzu kommt das Problem, das auch Gaddafi nicht lösen konnte: Nation building. Geklappt hat das nur in den Communiqués der Imperialisten. Irak ist zerfallener, als es unter Hussein und seinen Vorgänger je war. In Afghanisten wird das Wort Nation zwischen Paschtunen und Nicht-Paschtunen immer ein Fremdwort bleiben. Ziemlich schnell werden die jetzigen "Befreier" in härteren Konflikt mit den Stämmen kommen als das Gaddafi je passierte. Was dann mit der ZENTRALEN Petroleum-Abpressungszentrale, die doch dringend nötig wäre?

Also bestehen immer noch Aussichten - Hoffnungen kann man es kaum nennen - dass zunächst der Westen Libyen sich selbst überlässt. So unbarmherzig sich das anhört: es ist immer noch besser als das, was die vereinigten Menschenrechts-Kannibalen hinterlassen würden.

Unsere Aufgabe, insofern wir immer noch gewillt sind, uns dem imperialistischen Zugriff zu widersetzen: Flüchtlingshilfe unter anderen Umständen, als Griechenland und Italien bis jetzt vorgesehen haben. Flüchtlingsunterkünfte außerhalb Libyens selbstverständlich. Ohne Residenzpflicht! Mit ausreichenden Mitteln zum einstweiligen Überleben.

Gaddafis Ende: Ende des EU-Ideals einer rein bürgerlichen Revolution

Sämtliche Medien wiederholen für Libyen das eingeübte Stück: "Der Irre von..." - Dieses Mal nicht "von Bagdad", sondern "von Tripolis".

Sein Auftritt wie der "Steinerne Gast" - aber absolut nicht monumental. Abstrahiert man vom Gaddafi-üblichen Gezappel und der Intonation, lässt man sich vor allem nicht durch die absichtlich gebrochene Übersetzung verhetzen, kommt man ziemlich nah an das, was westliche Herrscher in der Not auch ausgeben. Unsere Gegner: versifft, verkifft und vom Ausland bezahlt. Berlusconi hat so was sicher schon hundertmal abgelassen. Samt der Berufung auf die demokratische Stützung der vorhandenen Gewalten, insbesondere der diese überwölbenden Militärmacht. Und so weiter.

Zugegeben, eines haben die Berlusconis und Blairs noch nicht eingesetzt: das Militär in seiner vollen Brutalität.

Aber, was nicht ist, kann unter den gegebenen Umständen noch werden. Das Militär ist es, das auch in den fundiertesten  nationalen Gebilden des Westens notdürftig die Einheit des Ladens zusammenhält. So lange es eben geht. Und wo Gramscis Hegemonie nicht mehr vorhält zum Zusammenhalt.

Und darum jetzt ein Rückblick auf die Frühzeit des bürgerlichen Revolutionärs Gaddafi - und Vorblick auf sein zu erwartendes trauriges Ende.:br />
1969 war in Libyen vor kurzem Erdöl entdeckt worden. Die zunächst noch geringen Erträge fielen unter König Idris einer ganz kleinen Clique im Inland zu, vor allem aber den aktiv gewordenen Erdölfirmen.
Gaddafi als Führer des "Revolutionären Rats" von Offizieren, betrieb die Nationalisierung der ganzen Erdölindustrie. Ohne dass die westlichen Abnehmer des Öls groß zu protestierten wagten. Ganz im Sinne Lenins: den Reichtum des Landes fremden Ausbeutern entreißen und nationalisieren.

Ganz nach den Mustern der deutschen und vor allem der italienischen nationalen Einigung sah sich Gaddafi wie ein neuer Cavour und Garibaldi zugleich. Für den gesamtarabischen Raum des Maghreb. In diesem Sinn unternahm er immer neue Versuche des Zusammenschlusses: mit Ägypten, mit Tunesien, mit dem Tchad. Alles durch innere Schwierigkeiten und vor allem äußeren Einfluss nirgends lange gelungen. Nirgends bis zum Ende gediehen.

Eine wesentlich nach Stämmen organisierte Bewohnerschaft hat Gaddafi nicht der Brutaldressur des "nation building" unterworfen. (Das werden die westlichen Angelwerfer noch bedauern. Es fehlt  der zentrale Verfügungsverwalter). Er versuchte ein System einer demokratischen Ur-Versammlung. (Damals auch von GRÜNEN besucht und gebilligt, die heute vermutlich mit allen anderen zusammen in ein kräftiges "HUCH" verfallen!)

Schließlich hat Gaddafi den nationalen Reichtum lange Zeit nicht für Waffen verschleudert, sondern tatsächlich im Vergleich mit den Nachbarländern vorbildliche öffentliche Einrichtungen geschaffen. Er hat sich auf die bestehenden Strukturen gestützt - stützen müssen - und insofern den Stämmen viel, der Zentralgewalt weniger Verfügungsgewalt überlassen als benachbarte Staaten.

Mit brutalen Militärüberfällen auf der einen Seite, Geldangeboten auf der anderen haben die USA am Ende das Steuer herumgerissen und Gaddafi für den Westen eingekauft. (Die Kaserne, in welcher der ehemalige Revolutionsführer seine vielleicht letzte Rede hielt, wurde von der US-Luftwaffe seinerzeit in offener Mordabsicht gegen Gaddafi bombardiert. Der Vater eines ehemaligen Schülers hat den Angriff auf dem Bauch liegend knapp überlebt. Der Revolutionsführer verdankte seiner Marotte des Übernachtens im Beduinenzelt das damalige Überwintern).

Woher die Chance des Einkaufs eines Mannes, der im Rahmen der Möglichkeiten lange Zeit ganze Arbeit geleistet hatte? Vermutung: Im Lauf der gesteigerten Geldzufuhr traten immer stärkere Zugriffsmöglichkeiten auf. Und damit schwand mehr und mehr die relativ gleichgestellte Stammesgesellschaft (Gentilgesellschaft nach der Diktion von Friedrich Engels). Es traten - ohne große Vorbereitung durch langfristige geistige Entwicklungen - offen und brutal Klassengegensätze auf, gegenüber denen sich Gaddafi mehr und mehr nur noch auf die militärische Gewalt verlassen konnte. Damit von vornherein auch auf Waffenlieferungen und Instruktionshelfer - die, wie Merkel sich das auch vorgenommen hat, die Methode der Machtausübung "westlich" angeboten haben. Dass in einem Land mit den bestehenden Traditionen dann schnell und tief auf offene Gewalt zurückgegriffen wird, darf nicht so stark verwundern, wie die plötzlich pazifistisch gewordene westliche Wertegemeinschaft jetzt tut. Es muss klar sein, dass gerade in Libyen, aber auch in den anderen umkämpften Nationen, die Aufständischen alle - mit vollem Recht - keineswegs Ghandhi nachfolgten.

Brennende Zollstation in Strasbourg, 4.4.2009
Man würde gern mitbekommen, was in einem Land wie unserem zu hören wäre, wenn da irgendwo auch nur eine Poststelle in Flammen aufginge. (Für Amnesie-Anfällige: vergleiche Strasbourg / Brücke). In Tunesien, Ägypten, Libyen wurden öffentliche Gebäude absichtlich und bewusst zerstört. Heuchlerisch machen Merkel und ihresgleichen die Augen davor zu und reden weiter tränentrunken von den Zivilisten, die von Militär und Polizei angegriffen werden.

Dieser Pazifismus wird nicht lange vorhalten. Es müsste offen Partei ergriffen werden. Im Russland 1917 ff. sowie in Spanien reichte der wohlfeile Ruf nach Waffenlosigkeit nicht aus. Es musste und muss Partei ergriffen werden.

Am Beispiel der mutig begonnenen und doch pervertierten bürgerlichen Revolution zeigt sich eines: das westliche Ideal einer Revolution ohne soziale Absichten, ohne übers Kapital hinausreichende Ziele wird nach kurzer oder längerer Zeit zusammenbrechen. Bürgerlich allein hängt ab jetzt in der Luft. Bereitet sich vor auf den langen  Fall und Verfall.

Von daher müsste von unseren eigenen Machthabern Unmögliches, zugleich Unerlässliches gefordert werden. Partei ergreifen.

Und wenn mit Recht gegen den heutigen Gaffhafi Partei ergriffen würde, dann gegen einen, der als bürgerlicher Revolutionär an sein Ende geriet - und jetzt sich gegen zwei Versuche wehrt: die der alten Stämme, sich das gemeinsame Öl unter den je eigenen Nagel zu reißen - und gegen - nur zu vermutende andere - von der bürgerlichen zur sozialistischen Republik voranzuschreiten. Also genau das, was der WESTEN gemeinsam am meisten verabscheut: Sozialismus.

Da der WESTEN darauf auf keinen Fall freiwillig eingehen wird, wird er über heuchlerisches BlaBla niemals hinauskommen. Nicht einen Flüchtling mehr werden sie aufnehmen - aus keinem der umkämpften Länder.

Unsere Aufgabe hier - die derer, die Merkels Grapschgriff entgegentreten = herauszubekommen: wie konkret ein solcher Übergang von der bürgerlichen Revolution zu einer hin zum Sozialismus konkret  vorzustellen wäre.


P.S.:
Leider sehr verzerrt  wird der Geschichte des "Revolutionsführers" in "rf-news vom 22.2.2011" Rechnung getragen. Schon das Attribut "selbsternannt" sollte in keiner linken Schrift mehr geduldet werden. Zumindest nicht im Zusammenhang mit revolutionären Aktivitäten. Was wäre denn mit einer Meldung: "Der selbsternannte Guerilla-Führer Che Guevara..." tat dies und das. Gibt es denn irgendwo eine Abteilung im Innenministerium, bei der man einen Antrag stellen könnte? "Bitte um Ernennung zum Guerillero mit späteren Aufstiegs-Chancen zum Abteilungs-Chef?"

Zum Inhalt der Ausführungen: Durch Übernahme von Merkels Als-Ob-Pazifismus wird eine Entscheidung unmöglich gemacht. Auf Panzern sitzen am Ende offensichtlich beide Parteien.

P.P.S: Eine richtige Erinnerung an das, was uns vor Jahren Gaddhafi bedeutete. Uwe Kampmann im Kommentar zu einer Darstellung Gaddhafis im "FREITAG" online. 22.2.2011 (Mit freundlicher Genehmigung des Autors)

"Fremd sind mir die Veränderungen in seinem Gesicht,
nie wünsche ich mir ihn wieder zu sehen.
Einst Stolz im mutigen Blick,
die Schultern den Mächtigen den Weg versperrten.
In den Falten des Umhangs hat sich der Wind verfangen.
Einst frei, schreit er jetzt das blutige Grauen,
in den Städten über das Land.
Flüsternd steht es auf und ruft in den Wind:
"Freiheit!“
Der Wind ist zurückgekehrt."
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