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200 Jahre Michail Bakunin

Heute würde er 200 Jahre alt werden: der russische Politphilosoph und Revolutionär Michail Bakunin. Bakunin gilt als einer der Begründer der politischen Philosophie des Anarchismus. Er hat zahlreiche Schriften verfasst. Und –“ vor hundertfünfzig Jahren war er meistens vor Ort, wenn irgendwo in Europa eine Revolution ausbrach –“ ausser er war gerade im Gefängnis oder in einem russischen Straflager. Bakunin gilt als Gegenspieler von Karl Marx, dem Begründer des Kommunismus. Ursprünglich stritten sie gemeinsam für die Befreiung der Arbeiterklasse. Später trennten sich ihre Wege. 1876 starb Bakunin dann in Bern. Sein Grab auf dem Bremgartenfriedhof ist bis heute erhalten.

Michael Spahr hat mit dem Bakunin-Forscher Wolfgang Eckhardt gesprochen und wollte von ihm wissen: Was war die Bedeutung von Bakunin für die Weltgeschichte?

Quelle: FreieRadios.net

Demos in Athen: Angriff aus dem Nullpunkt

Es mag gerade ein Jahrhundert her sein, da berichtete eine Frau von einem südöstlich gelegenen Land, dass die dortige Regierung der Deutschen Bank - und indirekt damit dem Deutschen Reich - die größte Hafenverwaltung abgetreten hatte mit Übereignung aller Gebühren und Einkünfte. Dass die dortige Regierung weiterhin - vor- und hilfsfinanziert durch die Deutsche Bank - dieser den Bau weitreichender Bahnanlagen übertragen hatte. Zur Vorfinanzierung war für jeden ausgebauten Kilometer eine Garantiesumme aus einheimischen Steuern vereinbart worden- so dass die weitgehend agrarisch arbeitenden Steuerzahlenden zwar immer ärmer wurden, für die Vorfinanzierer aber keinerlei Risiko erwuchs. Nicht unerwähnt ließ die Korrespondentin auch den zurückhaltenden Beifall der SPD im Reichstag, die zwar den aus Preußen importierten Kommiss-Ton beklagte - aber unsere Wirtschaft, schließlich, immerhin, der diente das, letzten Endes....

Ohne weitere Scham und Zurückhaltung nannte die Korrespondentin das Ensemble von Vorgehensweisen und Strategien "Imperialismus". (Rosa Luxemburg: Juniusbriefe. Kapitel IV: Die Türkei)

Damit erregte sie zur Zeit der Veröffentlichung noch das geringste Aufsehen. Bei uns daheim stand ein in den zwanziger oder dreißiger Jahren herausgekommener Band der Propyläen-Weltgeschichte mit dem Titel "Zeit des Imperialismus". Ohne jeden Anflug von Tadel - es sollte sich um eine längstüberwundene abgebüßte - als Verirrung eingesehene - Epoche handeln.

Hundert Jahre nach der Erstveröffentlichung wirkt der Bericht allerdings wieder unangenehm aktuell. Er stammte damals von Rosa Luxemburg, die vorsichtshalber das Pseudonym "Junius" wählte. Der erwähnte - dort lang zitierte SPD-Mann hieß David.

Was damals Türkei, heißt heute Griechenland. Wenn erst dort endlich der Hafen und sämtlicher sonstige Besitz verkauft sein wird und die meisten Banken ihre faulen Kredite abgestoßen haben, wird wohl endlich zum "haircut" geschritten- und das zeternde Volk seinem Schicksal überlassen. Alles wie damals - nur dabei von "Imperialismus" zu reden gilt inzwischen als schamlos. Arbeiten beim Häuten und Schinden Griechenlands nicht ausschließlich alle erzdemokratischen Mächte zusammen? Die nur ein einziges Ziel haben: Helfen - wo es geht.

Die Gegenwehr wirkt auf den ersten Blick hilflos. Wie in Ägypten oder Spanien sammeln sich Tag für Tag Leute vor dem Parlament, besetzen den Platz. Sammeln sich in zwar lauter, aber zunächst vorschlagloser Präsenz. Und wollen sich einfach nicht vertreiben lassen.

Die schlauesten Zeitungsschreiber und Fernsehjournalisten, die uns davon berichten, erwähnen unweigerlich, dass die versammelten Massen nur die Unzufriedenheit gemeinsam haben. Die Wut gegen das Hinuntergetreten werden. Sie haben keine Vorschläge. Nicht die berühmte "Alternative", deren Fehlen auch unsere Bundeskanzlerin so bedeutungsvoll feststellte. Sie haben nichts. Nichts - als das Dagegen-Sein.

Und das soll reichen? Höhnischer Chor aus "Zeit" -"Welt" und "Frankfurter Rundschau"! Antwort: Es reicht als immer noch stumme Drohung, als potentielle Gewalt der Auflehnung. Sagen wir es geradeheraus: Auch der Zerstörung.
Hinzu kommt offenbar - wie vor ein paar Jahren in Argentinien - die Entwicklung einfacher Tausch-Formen, die zwar niemals endgültig aus der Geldwirtschaft heraushelfen werden, die aber für eine Zeit des Übergangs dazu beitragen können, die Erpressung der Gläubiger ins Leere laufen zu lassen. Hinzu kommen - dazu gibt es einige Berichte - Abwanderungen ins verlassene Land, in leerstehende Bauernhöfe.

Darin steckt Drohung. Drohung gegenüber den ausbeutungswilligen Banken und Großfirmen, die sich die Beute verteilen wollen. Was nützt ein Flughafen, aus dem nur noch wenige abfliegen? Was der Besitz einer Bahn, die sich niemand mehr leisten kann?

Durch langes Training haben wir uns angewöhnt, im Grunde nur den Ausstand der produktiven Arbeiter als wirkungsvolles Kampfmittel anzusehen. Streiks - und möglicherweise Generalstreik. Das Instrument hat in Ländern wie Griechenland immer noch Stoßkraft. Für sich allein aber nicht genug. Einmal weil es offenbar nur noch wenig Betriebe gibt, deren Stillstand schmerzliche Verluste für die Inhaber bedeuten könnte. Dann aber - und vor allem - weil Arbeit sich inzwischen weltweit so sehr aus den Hallen der Fabrik entfernt hat, ins Freie getreten ist, dass auf jeden Fall andere Mittel nötig werden, um den ausbeutenden und zusammenfassenden Organisatoren der Arbeit das Handwerk zu legen. Die nötigen Vermittlungsfäden zu zerschneiden.

Es mag gut sein, dass der derzeitige Amtsinhaber der Staatsgeschäfte Papandreou heute abend seine Vertrauensfrage noch einmal gewinnt. Und damit - für seine Auftraggeber in Brüssel und Berlin - die Vollmacht, Staatsausgaben und Verkäufe ganz ohne weitere Mitwirkung des Parlaments zu bestimmen. Das alles wird ihm und seinen Hintermännern aber nichts nützen, wenn ihnen der Ausbeutungsapparat - genauer: die staatliche Armierung desselben - unter den Händen zerbröselt. Noch eine Militärdiktatur nach derjenigen der siebziger Jahre? Die wird nicht einmal den schwachen Rückhalt von damals mehr bekommen können von USA und ihren Hilfskräften!

Erst dann werden sich neue Zusammenschlüsse bilden können.

Zugegeben: Ein wenig schlottert doch jede und jeder, wenn von Angriffen auf Amtsgebäude und Luxus-Geschäfte berichtet wird, wie sie - im Rahmen der Gesamtabwehr - unbestreitbar immer vorkommen und offenbar von breiten Massen toleriert werden.

Man erblickt nur das Zerstörende bei solchen Aktivitäten! Es war wohl Bakunin, der lange vor Schumpeter den Begriff der "schöpferischen Zerstörung" entwickelte. Bakunin freilich vor dem westlich orientierten Wirtschaftstheoretiker - im umfassenden Doppelsinn des Gedankens: wenn es nämlich "schöpferische Zerstörung" gibt, gibt es dann nicht auch "zerstörendes Schaffen"? Niederreißen, um Raum zu schaffen für etwas, das den handelnden Massen sich erst im eigenen Fortschreiten, Weitermachen erschließen wird.

Insofern: Solidarität mit allen Teilen der sich erhebenden griechischen Massen - vor und nach den Schlichen eines Papandreou!
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