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Vor 20 Jahren Bosnienkrieg! Die NATO bombte Frieden nicht herbei

Verteilung der ethnischen Gruppen in Bosnien 1991 lt. WikiPedia
Vor zwanzig Jahren begannen die blutigen Kämpfe in Bosnien. Die drei Volksgruppen der Muslime, der Kroaten und der Serben fielen übereinander her. Wegen der natürlichen Verschiedenheiten ihres Seins, wie einige orakelten. Weil Jugoslawien ohnedies ein Völkergefängnis war, wie in der FAZ erkannt wurde. Weil die Serben den Schlüssel zum Knast nicht herausrücken wollten. In einem waren sich die führenden Leute bei Schwarz, Rot und immer mehr auch bei Grün aber nachträglich alle einig: dass nur die Bomben der NATO den Greueln hatten ein Ende setzen können. Seither der unerschrockene Ruf nach einem Eingreifen der NATO, überall, wo es Schwierigkeiten gibt. Libyen liefert das letzte glorreiche Beispiel, wie solche Eingriffe mit Notwendigkeit ausfallen.

Zum zwanzigsten Jahrestag hat der FREITAG dankenswerterweise eine ganz andere Vorgeschichte in Erinnerung gerufen. Norbert Mappes-Niediek, durch lange Jahre Berichterstatter aus dem ehemaligen Jugoslawien, entwickelt sehr glaubhaft die Voraussetzungen des Bosnienkrieges. Leider ist sein Beitrag im Internet nicht aufzufinden. Wir geben deshalb stark gekürzt den Beitrag des Journalisten aus der Nachschrift wieder.

"Zwei Drittel der Bevölkerung (Bosniens) - die Muslime und die Kroaten - wollten die Unabhängigkeit von Jugoslawien, das nach dem Auszug Kroatiens und Serbiens nunmehr serbisch dominiert war. Die Konsequenz aber, einen unabhängigen Staat, wollten weder Serben noch Kroaten - er blieb das Projekt der Muslime, die weniger als die Hälfte der Bevölkerung stellten....

Die Serben begannen 1992 damit, Muslime und Kroaten aus ihren Mehrheitsgebieten zu vertreiben - sie wollten einen Staat unter muslimisch-kroatischer Dominanz verhindern. Sarajewo wurde bombardiert, um die Muslime in Schach zu halten; die Einnahme der Stadt war nicht das Ziel. Ein halbes Jahr später zogen die Kroaten nach, vertrieben ihrerseits die Muslime und halfen den Serben bei der Belagerung der bosnischen Hauptstadt. Es wurde ein Krieg ohne Feldzüge,ohne Vormärsche, ohne eine einzige Schlacht....Eine UN-Blauhelmmission sorgte dafür, dass die Versorgung nicht zusammenbrach und die Menschen in den entstandenen "Enklaven" nicht verhungerten.Gleichzeitig hielt sie den Armeen die Nachschubwege frei.

1994 beschloss die neue US-Administration unter dem Demokraten Bill Clinton, dem Treiben ein Ende zu setzen. Unter amerikanischem Druck entstand ein Plan, drei ethnisch definierte Territorien zu schaffen und den gemeinsamen Staat als loses Dach zu erhalten. Mit dem stillen Einverständnis Belgrads marschierte die von den USA unterstützte kroatische Armee kontrolliert vor und vertrieb die Serben aus dem Westen Bosniens. Umgekehrt hatten die Serben freie Hand, die muslimischen Enklaven in Ostbosnien zu räumen. Alle drei Armeen sollten als Instrument zur Durchsetzung des Friedensplans. Ihre Aufgabe war, die je andere Bevölkerungsgruppe dort, wo sie künftig nicht mehr leben sollte, in die Flucht zu schlagen. Wie von unsichtbarer Hand wurde die tatsächliche ethnische Landkarte Bosniens der auf dem Reißbrett des Friedensplans immer ähnlicher.

Es war eine fein ausgedachte Intrige, die wie alle ihre historischen Vorbilder misslang. Man instrumentalisiert nicht ungestraft eine fremde Armee. So hielt sich der bosnisch-serbische General Ratco Mladic nicht an das stille Agreement - statt die Einwohner der Enklave Srebrenica nur zu vertreiben, brachte er alle Männer um. Das Massaker hatte den Sinn, den geplanten gemeinsamen Staat für alle Zeiten unmöglich zu machen. Erst jetzt intervenierte die NATO und auch das nur zum Schein. Wieder zogen die Serben sich kampflos zurück....

Bis heute hält sich die irrige Meinung,es sei die NATO gewesen, die mit ihren Bomben den Krieg beendet hätte. Die Bellizisten durften glauben,sie hätten recht behalten....

An der ehrlichen Aufarbeitung des Geschehens hat auch nach 20 Jahren niemand ein Interesse. Der US-Stratege und Diplomat Richard Holbrooke wachte bis zu seinem Tode 2010 eifersüchtig darüber, dass niemand seine Legende von der friedensstiftenden NATO-Intervention in Frage stellte. Bosnien gilt auch heute noch als Beweis, dass man ein noch schlimmeres Blutvergießen nur mit Bomben verhindern kann."

Die Lehre ist klar. Alle Schreie nach NATO - ob sie nun gerade von der Türkei ausgestoßen werden - oder von der kriegerischen Journalistenschar im kriegssüchtigen Medienverband bieten große Aussichten, die Lage so zu verschlimmern, wie es in Libyen geschehen ist - und auch im Irak. Obwohl dort nicht die ganze NATO, sondern nur die "Willigen" der Einladung zum Gemetzel folgten.

Freitag 12.4.2012 Mappes-Niediek: 1992 Der große Irrtum (Print S.12)

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