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CDU fordert Verfassungsänderung, um Totalsanktionen möglich zu machen

Logo des Vereins Tacheles e.V. - ein SchriftzugIn den öffentlichen Debatten wird immer klarer, dass 100%-Sanktionen im Sozialrecht verfassungsrechtlich nicht zulässig sind. Dies wurde auch von Tacheles in seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren zum Haushaltssicherungsgesetz herausgearbeitet. Nun fordert heute der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Jens Spahn, eine Verfassungsänderung zur rechtssicheren Verschärfung von Sanktionen im Bürgergeld. Er sagt: "Wenn hier eine generelle Streichung durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht gedeckt ist, sollten wir eben die Verfassung ändern.".

Die Unverfrorenheit und Arroganz der Unionsspitzenvertreter ist ungeheuerlich und demokratiegefährdend!

Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung zu Sanktionen auf die Normen des Grundgesetzes gestützt, die überhaupt nicht veränderbar sind, da sie den Kern der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausmachen.

Das Bundesverfassungsgericht vom 05. November 2019 zum Aktenzeichen 1 BvL 7/16:

Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 [Menschenwürde] in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG [Sozialstaatsprinzip]). Gesichert werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz. Die den Anspruch fundierende Menschenwürde steht allen zu und geht selbst durch vermeintlich „unwürdiges“ Verhalten nicht verloren.“

Genau um populistischen bis diktatorische Übergriffe vorzubeugen, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die so genannte Ewigkeitsgarantie in das Grundgesetz eingefügt. In Artikel 79 Abs. 3 GG steht:

„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“

Wir fragen uns also: Was genau möchte Herr Spahn denn nun an der Verfassung ändern? Das Prinzip der Menschenwürde abschaffen? Oder das Sozialstaatsprinzip? Obwohl beides überhaupt nicht geändert werden kann. Oder geht es doch nur um Wahlkampf und billige Hetze auf Kosten der Armen?

Der Vorstoß von Jens Spahn, das Grundgesetz zu ändern und soziale Grundprinzipien zu beschneiden, zeigt einmal mehr die rücksichtslose Agenda der CDU. Die CDU möchte weiter Druck auf die Ampel ausüben, dabei rechtsstaatliche Grundsätze aushöhlen und das Land immer weiter nach rechts treiben.


Quelle: Tacheles e.V.,13.Januar 2024

Stuttgart: „Demo für alle“ - Ein Bündnis gegen die Demokratie

Bereits zum achten Mal planen Konservative verschiedenster Richtungen und Neonazis gemeinsam in Stuttgart zu demonstrieren. Bei der letzten Kundgebung waren fast 5000 Menschen dem Aufruf gefolgt. Nicht nur die Veranstalter sehen die Zahl allerdings noch als steigerungsfähig an. Die Bandbreite der Demo umfasst das ganze Spektrum von der AfD, über Teile der CDU, evangelische und katholische Organisationen, religiöse Fundamentalisten und Gruppen wie die Identitären, Kameradschaften und Kreisvereinigungen der NPD. Für sie geht das Abendland zuerst in Baden-Württemberg unter. Die grün-rote Landesregierung will die versprochene Bildungsreform noch vor der Landtagswahl im März 2016 durchsetzen. Durch die Reform soll ein gleichberechtigteres Bild der Gesellschaft in den Schulen vermittelt werden. Homosexualität soll darin als ein gleichberechtigtes Lebensmodell zur Ehe dargestellt werden.

Die rechte Hetze gegen die sogenannte Homo-Lobby läuft seit einiger Zeit auf Hochtouren. Von der „Jungen Freiheit“ über die „Blaue Narzisse“ bis zu der Internethetzseite Political Incorrect rufen viele Medien zur Teilnahme an der Kundgebung und dem „Spaziergang“ am 11.10. nach Stuttgart auf.

Beatrix von Storch, evangelikale Europaabgeordnete der AfD, hat vor einigen Monaten auf einer Wahlkampfveranstaltung in Hamburg zugegeben, dass die „Demo für alle“ in ihrem Büro organisiert werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit meinte sie damit nicht ihr Wahlbüro, sondern einen Verein mit dem Namen „Zivile Koalition“ (ZK), den sie zusammen mit ihrem Mann Anfang 2007 gegründet hat.

Auf der Internetseite heißt es: „Die Zivile Koalition ist ein Zusammenschluss von Bürgern, die sich für mehr zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland einsetzen. Gemeinsam treten wir für Reformen ein, die die Menschen in Deutschland wirklich wollen und brauchen.“ Als Vorfeldorganisationen, die erst einmal testen, ob es eine Bereitschaft in der Bevölkerung gibt, sich für ein Thema zu organisieren, treten zuerst sogenannte „Besorgte Bürger“ auf. Auch in Stuttgart wurden die ersten beiden Demonstrationen von „Besorgten Bürgern“, bzw. „Besorgten Eltern“ organisiert. Danach übernahmen die Organisation der Demonstration und Kundgebung Gruppen aus dem Umfeld der „Zivilen Koalition“.

Der Name der Demo wurde ebenfalls in „Demo für alle“ geändert. Vorbild für diese Änderungen waren die Demonstrationen „La Manif pour tous“ (Die Demo für Alle) aus Frankreich. Dort war es französischen Rechten unter Führung der Front National 2013 gelungen, Hunderttausende auf die Straße zu bringen.

Wenn man auf die Internetseite der „Demo für alle“ geht steht im Impressum, dass Hedwig von Beverfoerde für die Seite verantwortlich ist. Sie tritt auf fast jeder Kundgebung als Rednerin auf. Beverfoerde ist keine Unbekannte in christlichen –“ fundamentalistischen Kreisen. Sie ist außerdem Sprecherin der „Initiative Familienschutz“. Diese Initiative wurde von der „Zivilen Koalition“ gegründet. Hedwig von Beverfoerde ist außerdem Mitglied der ZK.

Außerdem mobilisiert eine Organisation mit dem Namen „Elterncolleg“. Sie wurde von dem Verein „Verantwortung für die Familie“ gegründet. Vorsitzende dieses Vereins ist die erzreaktionäre Autorin Christa Meves. Auch sie redet immer wieder auf den Kundgebungen in Stuttgart.

Ein weiterer aktiver Unterstützer der „Demo für alle“ ist Matthias von Gersdorff von der reaktionären katholischen Organisation „Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur“ (DVCK). Diese Vereinigung tritt nach außen eigenständig auf, ist aber eine Unterorganisation der „Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ (TFP). Diese Gesellschaft wurde 1960 in Brasilien gegründet um ein Gegengewicht gegen die Befreiungstheologie zu bilden. Sie tritt bis heute weltweit gegen jeden Versuch auf, die katholische Kirche zu reformieren. Damit ist das Verwirrspiel um die Organisationen aber noch nicht zu Ende. Eine weitere Unterorganisation der Organisationsstruktur von Matthias von Gersdorff sind die Gruppen „Kinder in Gefahr“ und „SOS Leben“. Mit „Kinder in Gefahr“ mobilisiert er zu der „Demo für alle“. Gersdorff schreibt genau wie Hedwig von Beverfoerde und Beatrix von Storch immer wieder für die „Junge Freiheit“. Außerdem gehört er zum Netzwerk der „Zivilen Koalition“. In Brüssel vertritt seit einiger Zeit Paul von Oldenburg die erzreaktionäre TFP und ihre Vorfeldorganisationen, um bei den Abgeordneten für das Europäische Parlament Lobbyarbeit zu machen. Paul von Oldenburg fordert unter anderem, dass die Monarchie wieder eingeführt und die Demokratie abgeschafft gehört. Er ist ein Cousin von Beatrix von Storch, die eine geborene von Oldenburg ist.

Zum Umfeld der „Zivilen Koalition“ gehört auch die Internetzeitung „Freie Welt“, die Artikel von allen Unterstützern der „Demo für alle“ veröffentlicht.

Diesem Netzwerk von Beatrix von Storch ist gelungen, ein Bündnis zu schmieden, in dessen Mitte reaktionäre Adlige zu finden sind. Sie haben keine Bedenken mit Nazis gemeinsam zu marschieren. Auch wenn sich ihre Ziele letztendlich unterscheiden, vereint sie der Kampf gegen die Demokratie.

Kundgebung und Demonstration gibt es am 11.10. ab 12 Uhr auf dem Schloßplatz und 14 Uhr auf dem Marktplatz in Stuttgart. Lasst uns gemeinsam dieses Bündnis von Reaktionären, Fundamentalisten und Nazis behindern.

Quelle: VVN-BdA Esslingen

Germania: Im Schleppgang nach unten

Angela Merkel
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Armin Linnartz
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Der CDU-Parteitag floss vorbei. Am spannendsten muss der zehnminütige Applaus gewesen sein, der Frau Merkels langerwartete Rede belohnte. Es war, wie zu erwarten, der Abklatsch der Rede vom letzten Jahr.

Auffällig allenfalls, dass die SPD etwas schärfer rangenommen wurde. Wegen verfehlter Bündnispolitik. In Thüringen. Wo doch die SPD sich nicht kleiner machen konnte als sie als Bündnispartner der CDU schon war.

Darin lag nichts Erschreckendes. Auffällig nur, dass die von Merkel fast gelobten GRÜNEN eine Woche vorher im Grunde genau denselben Choral ausstießen. Mit viel Getöse machte die Partei sich klar, dass sie nun völlig frei geblieben sei - und sich jedermann anschließen dürfe. Dass diese Freiheit allerdings notwendig und zwangsläufig dazu führen musste, dem Stärksten zuwillen zu sein, wurde verschwiegen. Wie schön wäre es doch, wenn ein paar Minister sich um Merkel gruppieren dürften. Und mit ihr den großen Bottich auslecken - der ja, nach allen Voraussagen,noch lange, lange,bis zum Überlaufen gefüllt sein würde.

Die einzigen, die sich dem Sog noch widersetzen, dürften die LINKEN sein. Wenigstens diejenigen, die sich nicht im Erfolgsbett räkeln, weil es in Thüringen so toll geklappt hat.

Blieb alles an der Rede hängen, die Wagenknecht feurig geäußert hat - als Merkel ihre Triumphgefährte vorholte und wieder einmal beschrieb, wie alles so toll geworden ist. Und dass der Verzicht auf neue Schulden alle anderen Länder Europas in eine Mischung aus Verzweiflung und Bewunderung versetze. Natürlich ist klar, dass zumindest unser Finanzminister wenigstens Keynes verstanden hat. Und deshalb weiß, dass es beim vernünftigen Haushalten am wenigsten auf die gehorteten Pfennige ankommt. Sondern auf das Gesamtvermögen. Gerade die jetzige Technik, Straßen, Schulen usw. verfallen zu lassen, wird nach nicht sehr langer Wartezeit dazu führen,dass alle Verluste ersetzt werden müssen. Mit umso größerem Aufwand, je länger die Verfallszeit dauerte.

Wird die Rede einer einzigen Frau aber ausreichen,um die Chance einer Umkehr zu erblicken? Es sollte nicht in gräßlicher Wiederkehr des Gleichen erneut ein Todesopfer geben. Damit Jahrzehnte später alle verstehen, wie recht die Unglückspredigerin gehabt hatte.

CDU: Abstimmungsfeind. Seit Adenauer

Es gab Alternativen. Wahlplakat der Ost-CDU aus dem Jahre 1946.

Gesehen im BAIZ.
Wenn eines der CDU sicher bleibt, dann dies: das Volk darf nix zu sagen haben. Alles andre scheint erlaubt in den Koalitionsverhandlungen. Mindestlohn sowieso. Rente mit 63, wenn man lang genug auf den Beinen war. Sogar doppelte Staatsbürgerschaft, wenn sie Kauder auch schwer fällt. Alles im Angebot. Die Kanzlerin wird es im Ernstfall schon richten. Wie das letzte Mal auch.

Aber in einem bleibt CDU hart: In der Ablehnung jeder Art von Volksabstimmung auf Bundesebene. Und eben darin hält sie am Erbe Adenauers fest. Weder wurde unsere Verfassung je volksabgestimmt, noch die Verschärfung der Sicherheitsgesetze, noch die Ostannektion. Immer das eine schaurige Argument dagegen: Wir sind eine repräsentative Demokratie.

Im Klartext: das Volk hat alle vier Jahre seine Chance. Damit soll es sich gefälligst zufriedengeben.

Warum hier die Grenze? Aus Angst. So dass auch in Fällen der absoluten Sicherheit im Ausgang - Beispiel Ost - Vereinleibung - strikt darauf gedrungen wurde, nur ja keinen Volksentscheid durchzuführen. Warum? Um kein Muster zu bieten für Nachfolger. Wer in diesem Punkt mitentscheiden will, kann dann in beliebig viel anderen Fällen frech aufstehen und ebenfalls Teilnahme fordern.

Allein das Argument der frühen Jahre - es würden alle die Todesstrafe fordern - in all seiner Verlogenheit zeigt, worum die Angst wirklich aufkommt. Sie beginnt sich zu regen, sobald große Volksbewegungen sich dem widersetzen, was die Parteioberen für zulässig halten. Alles für das Volk. Nichts durch das Volk. Die schöne alte Devise beherrschte nicht nur mindestens dreißig Jahre die reale Politik. Sie bestimmte auch den sogenannten Gemeinschaftskundeuntericht in Unter - und Oberstufe.

Gewiss birgt der Volksentscheid eine Gefahr. Wenn Hitler nach dem Anschluss von Österreich und Tschechoslowakei einen solchen veranstaltet hätte, neunzig Prozent wären ihm sicher gewesen. Nur - was bedeutet das? Es heißt, dass schon vorher - weit vorher- die "Demokraten" nicht mutig genug waren, sich aktiv einzusetzen. Wirklich unters Volk zu gehen. Volksentscheid für alle - das heißt immer neue Gefahr. Aber auch immer neues Wagnis - und mögliches Gelingen.

Jedenfalls - solange die CDU dem Volksentscheid für alle nicht zustimmt - solange bleibt sie in der Knechtschaft Adenauers. Und ist entsprechend wenig geeignet, sich demokratischen Koalitionen anzuschließen.

Dass dies alles - in etwas geringerem Maße - auch für die SPD gilt, muss den Kennern dieser Partei der Anpassung nicht eigens erklärt werden.

Beiboot Parlament retten!

Der deutsche Bundestag
Foto: whitehouse.gov
Lizenz: Public Domain
Nachdem die GRÜNEN sich mit Recht vom Regierungsprogramm verabschiedet haben, werden wahrscheinlich die ministergeilen SPD-ler in die Koalition eintreten. Was folgt daraus? Vermutlich dass die zwei Grossparteien alles unter sich regeln - mit Presseterminen von Zeit zu Zeit. Sonst möglichst alles unter sich ausmachen. Was bleibt dann vom in der Nachkriegszeit noch immer geduldeten Parlamentarismus? Ohne das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen? Ohne eigenes Antragsrecht? Antwort: Nichts. Die vereinigten Oppositionsparteien dienen rein als Zuschauer. Damit die ganze Welt weiter in Anerkennung schwelgt: Die deutsche Demokratie ist über jeden Zweifel erhaben. Seit dem Weltkrieg haben sie wirklich alles dazugelernt.

Es käme also darauf an, den verbliebenen Oppositionsparteien schon vor dem Regierungsantritt der CDU mit Gefolge neue Rechte zuzubilligen. Wie wird sich die SPD dann verhalten? Man kann es sich vorstellen. Im Prinzip selbstverständlich: Dafür! Aber nicht ohne uns. Hat nicht die SPD die letzten 150 Jahre sich immer bewährt als Fürsprecherin der Demokratie? Deshalb ein monumentales Nein zu allen Vorschussleistungen. Mit anderen Worten: In den Verkündigungen ein großes JA. In der Praxis wie bisher: Abblocken wie bisher.

Selbst bei den GRÜNEN, die sich so wohlgelitten von der CDU verabschiedet haben, wird der gewohnte Reflex sich melden: Nicht mit Rot!

Wird sich also wesentlich bei der LINKEN selbst die Verantwortung melden: Mit immer neuen Anträgen u.U. Gerichtsentscheidungen - wenigstens dieses Geringste durchsetzen. Denn: Es geht ja nicht allein ums Parlament. Es geht darum, über solche Anträge die Bewegungen des Volkes selbst aufzugreifen. Ihnen überhaupt die Wahrnehmung zu sichern. Denn - egal, wie sich die Parlamentsigel einrollen - die Krisen im Volk selbst können sich kaum unterdrücken lassen. Auf diese richtig zu reagieren, ihnen ein vorläufiges Ziel zu geben - darauf wird es ankommen. Für alle, die sich wirklich als Opposition verstehen im entmachteten Bundestag.

Heraus aus dem Trio!

Mögliche Koalitionsvarianten
Berechnung: Wikipedia
Wie ist es denn jetzt? Man ringt um Koalition, so gut es geht. Nur Koalition schafft freien Zugang zu allen Verlautbarungen. Wer das nicht schafft, ist für die nächsten vier Jahre vorbei. Warum eigentlich?

Laßt doch endlich die alten Rituale. Das erste wäre: Der CDU ihre Soli-Existenz zu lassen. Soll sie doch allein regieren, so gut und so lang es eben geht. Die übrigen Parteien halten sich zurück. Die LINKE hält sich zurück. Jedesmal, wenn im Parlament sich eine Meinung erhebt, der auch die LINKE eine Zustimmung zubilligt, stimmt sie zu. Ob die staatstragenden Parteien der SPD und der GRÜNEN nun zustimmen oder nicht. Das allein würde im Lauf der Zeit eine Gemeinsamkeit schaffen in der gemeinsamen Zustimmung oder Ablehnung der Fraktionen. Oder eben auch nicht. Es würde vor allem ganz anders als unter der Herrschaft der Fraktionsmehrheit oder -minderheit ein Gefühl der eigenen Selbstverantwortlichkeit der Abgeordneten ermöglichen. Das heißt - um es kurz zu sagen - wäre erst das mühsame Spiel der Koalitionen um die Regierungsbildung überwunden, begänne erst das Reich der Freiheit, soweit es in begrenzten Umständen ermöglicht sein könnte.

Also: Schluß mit allen Regierungsverantwortlichkeiten! Schluß auch mit Gysis Absage an Tolerierungsmaßnahmen - ja oder nein. Es geht um freie Wahl jedes einzelnen Abgeordneten - hin zu Befreiung vor dem Trio der Koalitionsabgeordneten.

Kohl: Nicht wahr, nicht falsch - aber volksnah

Helmut Kohl als Bundeskanzler, 1987
Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F074398-0021 / Engelbert Reineke / CC-BY-SA
Wie sich jetzt erst herausgestellt hat, hat Kohl im Gespräch mit Frau Thatcher 1982 seine Begierde ausgesprochen, dass die Zahl der Türken sich doch bitte um die Hälfte verringere. Er wolle dafür auch einiges abgeben an Geld. Beziehungsweise, was nicht ganz so deutlich zum Vorschein kam, eben durch Abschreckungsmaßnahmen aller Art den Zuzug eindämmen.

Angeblich war eine solche Meinung damals die aller volkstümlichste. Mir zwar nicht ganz so gegenwärtig wie Kohl. Aber - wenn er so meint.

Das Merkwürdige an der heutigen Stellungnahme des Altkanzlers ist seine Selbsterklärung. Er traut sich nicht, zu sagen, dass er ja in Wirklichkeit das schöne Programm gar nicht anwandte. Er packt auch keineswegs das Problem an den Hörnern und erwähnt, dass die Parteifreunde inzwischen gottfroh sind um eine Heerschar von Einfacharbeitern. Und deshalb das Ganze der Rede nichts mehr wert sei.

Nein. Kohl erfindet, dass im Jahr 1982 eine ganze Schar von Wissenschaftlern und Laien genau derselben Meinung gewesen seien. Also nicht wahr. Nicht falsch. Einfach konform.

Gerade mit dieser - an sich idiotischen - Fassung erweist sich Kohl als Stammvater der heutigen CDU-Besinnung. Es geht die längste Zeit auch bei ihr nicht mehr um richtig oder falsch. Es geht um rechtzeitige Anpassung an die Volksmeinung. Bis zum nächsten Mal. Man denke nur an die verblüffende Drehung in einem Augenblick von der Bejahung der Atom-Industrie zur striktesten Ablehnung. Nicht ja, nicht nein - aber immer der veröffentlichten Meinung nach dem Mund geredet. Hauptsache, man gewinnt die nächsten Wahlen. Was am Ende draus wird - das muss man erst sehen. Kohl bildet sich ein, wie ein Hai zu schwimmen - gerade aus, bissig und zielgenau. In Wirklichkeit krault er mitten in der Menge. Und hat damit der ganzen Partei einen glänzenden Ausblick verschafft.

Bambus an Eiche: Übernehmen bitte! Efeu an Ulme! Einig zum Ende

Man erinnert sich an eine der feinen Anspielungen, die Brüderle in eine Ansprache versenkte. In Anspielung auf Röslers heimisches Vietnam ließ er den säuselnden Bambus zwar gelten, setzte aber unentwegt auf die Kraft der deutschen Eiche. Die stellte er - kernig kräftig auftretend - gleich selber dar, um keine Irrtümer zuzulassen.

Rösler jetzt nach Leihzulage an Stimmen und politischem Gewicht ging inzwischen zum Gegenangriff über. Biegsam kam er künftigen Stürmen zuvor. Und bot dem Brüderle den Vorsitz an, wenn er das wirklich wollte. Im klaren Bewußtsein,dass keiner sich trauen würde, die Verantwortung für die sicher zu erwartende Vier-Prozent-Niederlage im Bund zu übernehmen. Vor allem Brüderle selbst, der im Sprücheklopfen groß,im Handeln aber außerordentlich selten wahrnehmbar ist. Kalkül zunächst geklappt. Keiner traute sich. Also blieb Rösler Chef und übrig.

Was hat sich die Schlotterclique in der Parteispitze statt dessen ausgedacht in ihrer Angst? Man schließt sich eng zusammen. Einig bis zum Ende. Romantisch gesprochen: wie Efeu und Ulme. Die sind für die innigsten Umschlingungen zuständig. Lyrisch garantiert. Und sehr rührend für den Augenblick. Bis einem das Biologische an der Sache einfällt. Efeu saugt seine Kraft aus dem Baum, den es umklammert. Je enger, desto durstiger. Desto tödlicher. Und so tritt aus der Umschlungenheit im Leben die im Untergang hervor. Gemeinsam - im Vergehen.

Brutal gesagt: Allen Parteien fehlt heute verführerisches Personal. Das Herumkauen auf Steinbrück verrät verbreitete Unlust,aber bringt keine neue Erkenntnis. Die SPD stünde mit Nahles oder Gabriel an der Spitze kein bisschen besser da.

Wenn Steinbrück mal aus Versehen einen praktikablen Vorschlag äußert, wird der von niemand aufgenommen. So hätte seine Idee, die Höhe der Dispo-Zinsen zu begrenzen,einiges für sich. Und brächte,strikt durchgeführt, eine wirkliche Erleichterung für viele. Warum redet aber der Erfinder der Idee so wenig davon wie seine Entourage? Aus Personenkult. Es darf in der angeblich politischen Diskussion nur noch um die Einzelperson an der Spitze gehen. Niemals um die "Inhalte",nach denen eine Nahles verzehrend schreit, in den Sekunden, die ihr am Bildschirm bleiben.Nur- nach denen fragt in Wirklichkeit keiner. Sie werden schon gar nicht auf den Ladentisch gelegt vor dem großen Kaufakt Wahl im September.

Deshalb wird es weder der SPD noch den Liberalen viel nützen, wenn sie jetzt zu Verschmelzungen greifen. Sie merken zwar, dass Personenkult pur verdrießt. Nur kommen sie nicht los von ihm. Sie umpflanzen die Verehrten. Zur Tarnung? Zur Kontrolle? Unkenntlich machen, das läuft gerade noch. Aber nichts Neues tritt an die Stelle des Zugedeckten.

FDP: Pusteblume im Wählerwind

Grafik: © redblog
Sie hatten alle selbstlos gepustet bei der niedersächsichen CDU. Und ganz am Ende das Opfer umsonst gebracht. So wie es aussieht, kann der hochverehrte Posteninhaber der CDU nun doch nicht weiteramtieren. Rot-Grün könnte ihn ablösen. Wenn es nicht wieder kleine geheime Späße geben wird, wie bei der Wahl von Albrecht, Papa der jetzigen Arbeitsministerin. Da gab es bis heute nicht aufgeklärte Stimmenkäufe - oder vornehm gesagt: Stimmenwechsel.

Viel interessanter als das Einzelergebnis in einem Land ist aber der Blick auf demokratisches Wählerverhalten allgemein. Gerade wer strategisch vorgeht - und seine Zweitstimme taktisch verschenkt, kann sich am Ende als betrogen vorfinden. Er kriegt auf diese Weise niemals das, was er will.

Verzeihlich die Hoffart der profitierenden FDP. Für einen Augenblick konnte Rösler den Bismarck machen und in der letzten Abendschau die Fragerin abfahren lassen. Er verrät erst am Montag, was er als Parteivorsitzender beschlossen hat. Geht niemand jetzt schon was an.

Auf lange Sicht ist der Triumph von heute die Mutter des Pechs von morgen. Vom Herbst. Noch einmal werden Merkel-Fans nicht die Backen aufblasen, um einem Rösler oder Brüderle zum Überleben zu verhelfen. Nach den gemachten Erfahrungen wird die CDU keine Notbeatmung mehr zulassen.

Wem heute abend auch wechselnd zugejubelt wurde - ein Problem bleibt! Woher die laut bekannte Zustimmung zu Personen und Parteien, die nachweislich nichts für die betroffenen Wählerinnen und Wähler "geliefert" haben?

Ein Beispiel: In Hessen gab es eine Volksabstimmung über den Fiskalplan. Eine Sonderanfertigung nach dem Muster des großartigen Sparplans für den Bund und die Länder. Riesige Zustimmung, nach obrigkeitlichem Zuspruch. Monate später sind in ganz Hessen Gemeinden am Schwitzen, die sich Schwimmbäder, Schulen und Wohnungsbauten schon abgespart haben, um unter den landeseigenen Schutzschirm zu geraten. Große Verzweiflung überall. Warum? Hätte man sich die Auswirkungen nicht vorher ausrechnen können? Aber die Angst abzuweichen war überall zu groß. Also war die Unterwerfung unter die Obrigkeit Voraussetzung der Einigkeit im Abstimmen. Zur Selbstbestrafung, wie sich jetzt herausstellt. Demnach sind Volksabstimmungen unter den gegebenen Umständen nirgends Beweise für Demokratie. Als kollektive Selbstbestimmung. Sollte es bei Landtags- und Bundestagswahlen anders sein?

Man stimmt, so lange es geht, der Regierung zu, von der man hoffen kann, dass es mit ihr so weiter geht wie bisher. Vermutlicher Grund für die Verehrung einer Person wie Merkel. Es ging doch so lange gut mit ihr - auf jeden Fall bei uns besser als in Griechenland und Spanien. Analyse der Bedingungen des vorläufigen Wohlstands entfällt vollkommen. Man denke nur an den Anstieg der Investitionen für privatisierten Wohnungsbau und steigende Mieten. Dass es im jetzt bankrotten Spanien genau so angefangen hat, darf niemand beunruhigen. Lehren aus dem Unglück des Nachbarn ziehen - verboten! Wir haben unsere Kindergärtnerin, die bisher aufgepasst hat, dass uns nichts passiert. Und das sicher weiter machen wird. Falls wir nicht unversehens vorher auf der Nase liegen. Dann kann vielleicht das Knie-Weh und der Schädelbrummer für einen Augenblick die Chance eines scheinbaren Politikwechsels eröffnen.

Eines Systemwechsels noch lange nicht.

Missfelder: Seine Ehre heißt schon wieder Treue! Raus gegen Syrien...

Patriot System der Bundeswehr
Fotograf: Darkone / Wikipedia
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"Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder (CDU), wirft der Opposition vor, Deutschlands Stellung in der Nato als verlässlichen Partner zu gefährden.

"Ich schäme mich für meine Bundestagskollegen", sagte Mißfelder SPIEGEL ONLINE am Sonntag. "Einem Nato-Partner, der sich bedroht fühlt, den militärischen Schutz zu verweigern, treibt mir die Schamesröte ins Gesicht", so der CDU-Politiker.

Hintergrund der Diskussion sind Berichte über ein anstehendes Hilfegesuch der Türkei an die Nato. Der "Süddeutschen Zeitung" zufolge wird Ankara das Militärbündnis bereits am Montag um Verstärkung bitten und zum Schutz ihres Staatsgebiets Flugabwehrraketen vom Typ "Patriot" anfordern. Deutschland könnte im Zuge dessen bis zu 170 Soldaten in die Türkei verlegen.

Union und FDP weisen .. Bedenken [der Opposition] nun scharf zurück: Mißfelder sieht Deutschland in der Pflicht, sollte Ankara die Anfrage stellen: "Wir Deutsche haben unsere Freiheit der Standhaftigkeit unserer Nato-Partner zu verdanken", sagte er. "Deren Präsenz in Deutschland und die erfolgreiche Abschreckung der Nato hat unser Überleben in Freiheit gerettet." (Spiegel-online)

Viele erinnern sich noch an Mißfelders Jugendproklamationen. Als er für überalterte Mitbürgerinnen und Mitbürger Hüftgelenk-Operationen verbieten wollte. Das trieb damals anderen die Röte über die Backen. Möglicherweise der Scham. Vor allem aber der Wut.

Seither wird der ehemals junge Spund vorgeschickt für riskante Behauptungen. Die man freilich noch nicht ganz ernst nehmen soll.

Der Theorie nach ist die NATO - trotz aller Verbrechen in Jugoslawien - immer noch ein Verteidigungsbündnis. Demnach bäte die Türkei um Beistand gegen einen Angriff durch den syrischen Staat. Wo soll es einen solchen aber gegeben haben? Die Granateneinschläge im türkischen Staatsgebiet können keineswegs als Bedrohung des türkischen Staatsgebietes angesehen werden. Man weiß noch nicht einmal, von wem sie genau stammen. Von Regierungstruppen oder von Aufständischen? Auch bei Unterstellung bösester Absichten lässt sich von der syrischen Regierung - jetzt schon im Halseisen - kaum annehmen, dass sie ohne Not einen zusätzlichen Feind provozieren möchte.

Dagegen lässt sich bei Mißfelder und seinen Gesinnungsgenossen in der NATO einiges als sicher unterstellen. Nach dem - aus ihrer Sicht - peinlichen Ausfall bei der Zerschlagung Libyens muss Deutschland gegen Syrien unbedingt mitmischen. Um dasTrümmerfeld im Nahen Osten nach gehabter Vernichtung Syriens abernten zu dürfen. Jetzt noch den Heiligenschein der "bloßen Verteidigung" übergestülpt - nachher mit der Aufrechterhaltung von Menschenrechten geprunkt. Man kennt das. Die nächste Forderung ist schon lange aufgestellt: Flugverbotszonen an den Grenzen des syrischen Staates. Das irakische Rezept eben!

De Maizière steht - wie zu erwarten - invasionsgeil noch ein kleines bißchen im Hintergrund. Aber wird sich mit Merkel zusammen nicht lumpen lassen wollen. Und schon wird die Bundesrepublik in einen neuen Krieg gemogelt - mitsamt der vielgerühmten Parlamentsarmee. Was nützen dem Bundestag alle vom Gericht zugebilligten Rechte, wenn keiner in diesem Parlament die Traute aufbringt, diese Rechte auch wahrzunehmen?

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