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Was mir heute wichtig erscheint #150

Überwachungsgrund: Eigentlich war es ja klar, dass sich das BMI und der Verfassungsschutz nicht mit dem Urteil, das in Berlin nach der Verhandlung am 8.7.2009 gefällt wurde, zufrieden geben würden. "Erkenntnisse", die nicht belegbar sind, haben nun mal keine Beweiskraft, auch wenn das ärgerlich ist. Wie erwartet krampft das BMI/VS: Die Nicht-Existenz des V-Mann 123 des hessischen Verfassungsschutzes darf unter keinen Umständen vor Gericht bewiesen werden. Über das Konstrukt eines V-Mannes sollten Wolf Wetzel offenbar gepimpte Beweise untergeschoben werden, da sonst die Schwächen der operativen Arbeit des Verfassungsschutzes offensichtlich werden. Ein reines Fantasieprodukt, mit dem jedoch Zonen der Rechtlosigkeit geschaffen werden sollen. Wenn das durchgeht, bedeutet dies einen Rückfall in die Zeiten der Inquisition. Da reichte es auch, mit wilden Behauptungen missliebige Menschen zu beschuldigen.

Actionday: Faschisten  aus dem Spektrum der „Freien Nationalisten“ und der NPD rufen für den 14.11. zu einem so genannten „Heldengedenken“ auf. Deshalb wird an diesem Tag in München ein Antifa-Actionday gegen Naziaufmarsch, Militär und kapitalistischen Normalbetrieb stattfinden. Um 10:30 beginnt eine Antifa-Demo auf dem Georg-Freundorfer-Platz (Aufruf). Für aktuelle Infos zum 14.11. empfiehlt sich ein Blick auf die Mobilisierungsseite

Dicht: Wie beim eMail Verkehr sind die diversen Chatprotokolle wie ICQ, AIM, MSN, Jabber usw. jederzeit abhörbar. Bekanntlich kann dem abgeholfen werden. viele User plagen sich jedoch etwas mit der notwendigen Software herum. Daher hier ein Verweis auf den Beitrag: "Verschlüsseltes Chatten mit Pidgin und OTR unter Windows (für Anfänger)"

Ergebnislos: Die GARA-Nachricht, der baskische Militante Jon Anza sei von spanischen Polizisten auf französischem Territorium gefangen genommen, entführt und bei den nachfolgenden Verhören zu Tode gebracht worden, hat in französischen Medien und Justizkreisen Wirbel ausgelöst. Siehe auch die Beiträge von Wolfgang Hänisch: "Non da Jon Anza?", Die ETA als angebliches Bindeglied im Drogenschmuggel, Der Tod von Jon Anza und die Suche nach der "Wahrheit" , Manipulierung der Wahrheit durch das Verschweigen von Tatsachen, Baskische Impressionen, Teil 5: Ein vorläufiger Schluss

Provokation: Damit hatten die Gastgeber wohl vorab nicht gerechnet. Eine Veranstaltung im Club Voltaire (Frankfurt), bei der die Gruppe "Bandbreite" und Elias Davidson auftreten sollten, wurde zum Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen, wie man sie leider mittlerweile von überall her kennt. Ein Beitrag der Berliner Umschau.

Aufbau der Mahnwache
Proteste: Laut Angaben der IG Metall haben über 800 KollegInnen der Firmen Heller Maschinenfabrik und Heller Services Nürtingen sowie der Index-Traub-Gruppe in Esslingen und Reichenbach bei denen mehrere hundert Arbeitsplätze bedroht sind, protestierten heute vor der LBBW in Stuttgart. Roland Hägele hat die Aktionen fotografisch festgehalten, die Mahnwachen sollen noch bis Donnerstag fortgesetzt werden.

Durchsetzung: Der Friedensnobelpreisträger Obama schickt weitere 13.000 Mörder Soldaten nach Afghanistan, so daß die dortige Truppenzahl seit März um 34.000 aufgestockt wurden. Derzeit sind laut "Washington Post" in Afghanistan rund 65.000, im Irak etwa 124.000 US-Soldaten stationiert.

Auftakt: Um 10 Uhr wurde am heutigen Dienstagmorgen während einer Auftaktveranstaltung in Grafeneck auf der Schwäbischen Alb damit begonnen, eine violette Farbspur zu malen, die bis nach Stuttgart führen wird. Mit dieser "Spur der Erinnerung" wird Grafeneck, wo 1940 während der Nazidiktatur über 10.600 Menschen ermordet wurden, in vier Tagen mit dem Innenministerium Stuttgart verbunden.

Schlawiner: "Die laut Verfassungsschutz-Bericht 2008 als „linksextremistisch“ eingestufte Berliner Tageszeitung titelte in ihrer Ausgabe am 12. Oktober: „Köhler lügt“." Sagt die "Welt", die Bildzeitung ohne das "Mädchen von Seite 1" zum Artikel "Köhler lügt" der ""jungen Welt". Dabei ist die ganz harmlos, die "Titanic" zum Beispiel findet sogar "Noch mehr Fehler in Köhlers Rede!"

Leichenfledderei: Spaß mit toten Fliegen.

Baskische Impressionen, Teil 5: Ein vorläufiger Schluss

Die bisher (siehe unten) geschilderten Eindrücke sind das eher zufällige Ergebnis eines dreiwöchigen Aufenthalts im Baskenland. In ihrer Zufälligkeit innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums sagen sie etwas aus über das Ausmass der Repression, die Systematik der Repression geht aber viel tiefer:
  • Alle linken baskischen Parteien samt ihrer Zeitungen, sowie die meisten Gefangenenhilfsorganisationen sind im spanischen Baskenland verboten.
  • Eine legale politische Möglichkeit, sich für das Selbstbestimmungsrecht der Basken einzusetzen, gibt es nicht mehr.
  • Baskische politische Gefangene (inzwischen mehr als zu Francos Zeiten) werden systematisch gefoltert. Dazu werden sie per Gesetz in den ersten fünf Tagen ihrer Haft einer Totalisolation unterzogen: kein Kontakt mit ihrer Familie, kein Kontakt mit einem Anwalt ihres Vertrauens, kein Kontakt mit einem Arzt (!). Die Verhörräume werden nicht mit Kameras überwacht.
  • Es ist sogar verboten, Bilder der politischen Gefangenen öffentlich (z.B. in einer Kneipe) zu zeigen etc., etc.
Diese Praktiken werden in schöner Regelmäßigkeit von der UN - Menschenrechtskommission, dem UN - Kommitee gegen Folter und amnesty international angeprangert. Die Reaktion der EU und ihrer Mitgliedsstaaten ist beredtes Schweigen, das einem immer im Hinterkopf dröhnen sollte, wenn die Menschenrechtsfrage einmal mehr instrumentalisiert wird, um über wirtschaftliche und politische Sanktionen machtpolitische und ökonomische Interessen der EU in irgendeinem Teil der Welt durchzusetzen.

(Zur weiteren Beschäftigung mit der Situation im Baskenland empfehlen wir das Buch "Das Baskenland" von Ingo Niebel, im Internet "info-baskenland" und für des Spanischen Mächtige die Zeitung "Gara.net")

Der Bruder von Jon Anza, sowie Angehörige weiterer Opfer der Todeschwadronen verlangten gestern auf einer Pressekonferenz eine klare Stellungnahme der Politik. Sie hätten Informationen, nach denen "bestimmte Kreise der politischen Klasse im voraus Bescheid wussten" (über die Verhaftung Jon Anzas).

Am 12. Oktober finden im Baskenland vier Protestkundgebungen zu Jon Anza statt. Der 12. Oktober ist der Festtag der Guardia Civil.

Zu diesem Thema:

Baskische Impressionen, Teil 4: Manipulierung der Wahrheit durch das Verschweigen von Tatsachen

Bericht von Reinhard Spiegelhauer, ARD- Hörfunkstudio Madrid (in Auszügen):
"Peinliche Pannen bei ETA-Bekämpfung
(...) Maite Aranalde, mit internationalem Haftbefehl gesucht, weil sie an der Platzierung von ETA-Bomben im Sommer 2004 beteiligt gewesen sein soll, wurde vor einiger Zeit in Frankreich verhaftet. Vor eineinhalb Wochen dann die Überstellung nach Spanien - allerdings nur weggen illegalen Besitzes von Sprengstoff. Die Unterlagen zum Hauptvorwurf waren in Frankreich verloren gegangen.(...) Ohne die Unterlagen aus Frankreich, so entschied der Ermittlungsrichter, müsse Aranalde gegen Kaution ( 12000 €) auf freien Fuß gesetzt werden. Ihr wurde der Pass abgenommnen und sie wurde verpflichtet, sich einmal wöchentlich bei der Polizei zu melden. (...)"


Im folgenden erregt sich Herr Spiegelhauer noch über die Dussligkeit der Behörden, die eine so gefährliche Terroristin haben laufen lassen etc.

Dieser Bericht ist ein Musterbeispiel für die gemeinste Form der Lüge: Die Manipulierung der Wahrheit durch das Verschweigen von Tatsachen.

Screenshot: Maite Aranalde in der spanischen Presse
Maite Aranalde saß in Frankreich vier Jahre in Untersuchungshaft (O-Ton Spiegelhauer: "... wurde vor einiger Zeit in Frankreich verhaftet."). Offensichtlich war die Beweislage so dürftig, dass in dieser Zeit keine Anklage erhoben werden konnte, sie deshalb logischerweise auch nicht verurteilt wurde.

Soviel zum Thema Herr Spiegelhauer und die Unschuldsvermutung.

Für den weiteren Verlauf der Geschichte ist es wichtig, über einige "Besonderheiten" des spanischen Rechtssystems bei der "Terrorismusbekämpfung" Bescheid zu wissen:

Irgendwie der ETA-Mitgliedschaft Verdächtigte können bis zu vier Jahren in Untersuchungshaft gehalten werden - ohne dass ein Verfahren eröffnet wird. Das ist an sich schon ein Skandal, der jeder Rechtsstaatlichkeit Hohn spricht. Da Maite diese vier Jahre schon abgesessen hatte, blieb dem guten Ermittlungsrichter, wollte er auch nur den, zugegebenermassen unter diesen Bedingungen, sehr dürftigen Schein der Rechtsstaatlichkeit wahren, nichts anderes übrig, als Maite unter den obengenannten Bedingungen aus der Haft zu entlassen. Die angeblich verloren gegangenen Unterlagen waren nur die Nebelkerzen, die diese Art der Rechtspflege verschleiern sollen.

Was Spiegelhauer bei seiner saloppen Art der Berichterstattung hat gänzlich unter den Tisch fallen lassen, ist, dass der Herr Ermittlungsrichter vorbeugend alle Solidaritätsbekundungen mit Maite Aranalde anlässlich ihrer Freilassung verboten hatte und die Folgen dieses Verbots.
Die Menschen in ihrem Heimatort Ibarra haben sich natürlich nicht um das Verbot geschert, sie standen an der Strasse und applaudierten, als Maite nachts im Polizeikonvoi ankam. Von ihren Verwandten wurde sie herzlich willkommen geheissen und umarmt. Was dazu führte, dass ein Onkel von Maite unverzüglich von der Polizei verhaftet und inhaftiert wurde. Er sieht einer Anklage wegen "Glorifizierung des Terrorismus" entgegen.
Eine verwandtschaftliche Umarmung als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung - da bekommt selbst Wolfgang Schäuble feuchte Hände.

Als Franco früher "seine baskischen Provinzen" besuchte (was er sehr ungern tat), hat er immer den Ausnahmezustand verhängen lassen. Wenn er wieder weg war, wurde der Ausnahmezustand wieder aufgehoben.

Seine politischen Statthalter in Madrid sind da heute weiter - sie haben über das Baskenland den permanenten Ausnahmezustand verhängt.

Baskische Impressionen, Teil 3: Der Tod von Jon Anza und die Suche nach der "Wahrheit"

Bildquelle: UKBERRI
Der Bericht der baskischen Zeitung "Gara" über den wahrscheinlichen Tod von Jon Anza nach der Verhaftung und Verhören durch eine spanische Ermittlungseinheit war Gegenstand einer eilends von der Staatsanwaltschaft Bayonne einberufenen Pressekonferenz.

Der ermittelnde Staatsanwalt Marc Marie bezeichnete den Bericht als "eine Information wie jede andere Information auch". Wenn es Personen gäbe, die sachdienliche Hinweise geben könnten, sollen sie sich bei ihm melden.

Angesprochen darauf, ob nicht die enge Zusammenarbeit der französischen und der spanischen Dienste eine solche These wahrscheinlich erscheinen lasse: "Kein Kommentar".

Angesprochen auf den Stand der eigenen Ermittlungen: "Kein Kommentar".

Am selben Tag versammelten sich Aktivisten zu einer Mahnwache für Jon Anza vor dem Gare du Midi in Biarritz.

Aus einer Erklärung der Demonstranten:

"Wir verlangen die Wahrheit. Wir glauben keine Sekunde daran, dass die Polizei diese Ermittlungen mit Nachdruck betreibt. Wir appellieren an alle sich diesem Kampf anzuschliessen, Abgeordnete, Parteien, die demokratische Öffentlichkeit, die Gewerkschaften, dass sie darauf bestehen, dass die Wahrheit ans Licht kommt und dass die Rechte eines jeden letztendlich respektiert werden in diesem Land".

Siehe auch:
"Gara"-k zabaldutako informazioa aztertzeko prest agertu da Baionako Fiskaltza
Urriaren 12an gerra zikina salatzeko deia egin dute biktimen senideek

Baskische Impressionen, Teil 2: Die ETA als angebliches Bindeglied im Drogenschmuggel

ETA-unterstützendes Graffito in Altsasu Quelle: WikiPedia
Notiz in der Zeitung Sud Ouest vom 10.September 2009: Roberto Saviano, Autor des Buches "Gomorrha" über die neapolitanische Mafia, behauptet, dass die Euskadi Ta Askatasuna - ETA beim Drogenschmuggel als Bindeglied zwischen der kolumbianischen Guerillabewegung FARC und der Mafia fungiert. Er stützt seine Behauptungen auf Ermittlungen der der italienischen Polizei, kann aber keine konkreten Beweise für seine Behauptungen vorlegen.

Umgekehrt wird ein Schuh daraus:

In den 1980er Jahren hatten staatsanwaltliche Ermittlungen zahlreiche Beweise zu Tage gefördert, dass eben nicht die ETA, sondern im Gegenteil die staatlich organisierten Todesschwadronen der GAL (Grupos antiterroristas de Liberacion) und ihr Chef Oberst Galindo von der Guardia Civil in den Drogenhandel verwickelt waren. Die Ermittlungsergebnisse legten den Verdacht nahe, dass der in den 1980er Jahren angestiegene Drogenkonsum im Baskenland zumindest polizeilich, wenn nicht sogar staatlich gelenkt war. Man war wohl zu den Auffassung gelangt, dass es akzeptabler sei, junge drogenabhängige Arbeitslose zu haben als politisch aktive.

Das spanische Justizministerium war deshalb sehr bemüht, nicht weniger als drei Generalstaatsanwälte davon abzuhalten, ein Verfahren gegen Galindo und seine Truppe einzuleiten... (siehe Ingo Niebel: Das Baskenland S.100)

Baskische Impressionen, Teil 1: "Non da Jon Anza?"

Foto: Mit freundlicher Genehmigung durch: "Freunde des Baskenlandes - Euskal Herriaren Lagunak"
Ahetze ist ein Dorf nahe der baskischen Atlantikküste, grüne Wiesen, sanfte Hügel, schwarz-weisse Kühe, rotes Fachwerk an den Häusern, in der Ortsmitte drapieren sich um den Kreisverkehr Friedhof, Kirche und Rathaus.

Hier lebte bis zum 28. April Jon Anza.

Jon Anza stammt aus San Sebastian, im Alter von zwanzig Jahren wurde er verhaftet und wegen Mitgliedschaft in der Euskadi Ta Askatasuna - ETA verurteilt. Als er im November 2002 das Gefängnis verlassen konnte, war er vierzig.

Nach seiner Haftentlassung war er weiter polizeilichen Schikanen und Überwachung ausgesetzt. So ging er über die Grenze in den französischen Teil des Baskenlandes, in das idyllische Adhetze.

An jenem 28. April macht sich Jon Anza auf den Weg nach Bayonne, um mit dem Zug nach Toulouse zu fahren. Dort kommt er nie an.

Seitdem ist er verschwunden. Die Familie, seine Freunde und Mitstreiter suchen die ganze Bahnstrecke von Bayonne bis Toulouse ab, in jedem Bahnhof hängen sie Plakate aus mit seinem Bild - ohne Resultat, niemand hat ihn gesehen.
Seltsamerweise sind auch die Bilder der Videoüberwachungskameras auf den Bahnhöfen vom 28.April nicht gespeichert.

Das französische Innenministerium hüllt sich in Schweigen: Kein Kommentar. Der spanische Innenminister bezichtigt die Angehörigen der Lüge.

Böse Erinnerungen werden wach. In den 1980er Jahren verschwanden 27 Menschen im Baskenland. Sie wurden allesamt wieder tot aufgefunden, viele mit deutlichen Folterspuren: Das Werk der GAL (Grupos antiterroristas de Liberacion), einer Todesschwadron nach lateinamerikanischem Vorbild, die vom spanischen Staat unter der Regierung des "Sozialisten" Felipe Gonzcales aufgestellt wurden.

Tausende von Menschen demonstrieren im Baskenland den ganzen Sommer lang und verlangen Antwort auf die Frage: Non da Jon? - wo ist Jon?

Update: Wie Baskenland Info meldet wurde Jon Anza von Polizisten entführt und ermordet.

Siehe auch:
• IndyMedia: "Demonstration im Baskenland: Wo ist Jon Anza?"
• Freunde des Baskenlandes / junge Welt: Spurlos verschwunden"
• Ralf Streck: "50 Jahre und kein bisschen leise"
• Ingo Niebel: "»Schmutziger Krieg« gegen die ETA scheint in eine neue Phase zu treten"
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