
OFFENER BRIEF
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
info@bmas.bund.de
arbeitundsoziales@bundestag.de
An den Vorsitzenden des Ausschusses für Arbeit und Soziales Herrn Bernd Rützel
und die Verantwortliche der einzelnen Parteien
30 Jahre sind genug –“ Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!
Vor 30 Jahren, am 26. Mai 1993, wurde im Rahmen des sogenannten „Asylkompromisses“ nicht nur das Grundrecht auf Asyl ausgehöhlt, sondern auch das ausgrenzende Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eingeführt. Obwohl das gesetzliche Existenzminimum für Bezieher*innen von Bürgergeld (Hartz IV) bereits niedrig gerechnet wird und nicht für ein menschenwürdiges Leben ausreicht, erhalten Personen im AsylbLG noch weniger als das staatlich festgelegte Existenzminimum.
Das AsylbLG bedeutet eine massive Einschränkung der Grundrechte von Menschen auf der Flucht, die in der Bundesrepublik Schutz suchen. Mit dem Gesetz wurde das Sachleistungsprinzip, verpflichtende „gemeinnützige Arbeit“ für 80 Cent/h und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung für Geflüchtete eingeführt. Weiterhin wurde über die Jahre ein umfassender Sanktionskatalog festgelegt, mit dem weitere Kürzungen der nur minimal gewährten Leistungen möglich sind. Das Gesetz dient auch der Durchsetzung von Sammellagern, in denen eine Wohnsitzauflage, ein Ausbildungs- und Arbeitsverbot sowie eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit existieren.
In den zurückliegenden 30 Jahren gab es, vor allem von den Betroffenen selbst, kontinuierliche bundesweite Protestaktionen gegen die im AsybLG festgeschriebene soziale Ausgrenzung, Ungleichbehandlung und die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Vielfach wurde das Gesetz aus verschiedenen Perspektiven ausführlich und fundiert kritisiert und jüngst von 62 großen Organisationen dessen Abschaffung gefordert.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag festgelegt, sie wolle das „Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln“. Für uns kann eine „Weiterentwicklung“ nur bedeuten, dass die Bundesregierung endlich aufhört, Menschen in ein Leben unter dem gesetzlich festgelegten Existenzminimum und in ein staatlich diktiertes Sachleistungssystem zu zwingen.
Daher sagen wir: 30 Jahre sind genug! Wir fordern die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
+++ENDE Offener Brief+++
Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass das AsylbLG nach 30 Jahren endlich abgeschafft wird und werdet Teil der Kampagne!
Mehr infos hier: MITMACHEN
Diese Frage hat sich offenbar die Regierung bei der Verschärfung der Sanktionen gegen »arbeitsunwillige« ALG-II-Bezieher gestellt. Ein Artikel von Rainer Balcerowiak in der gestrigen
"junge Welt"
Kein Recht auf Existenzminimum -Mit der Verschärfung der Sanktionen gegen »arbeitsunwillige« ALG-II-Bezieher beginnt eine neue Epoche der bundesdeutschen Sozialgeschichte
Eine »erzieherische Wirkung« sollen sie haben. So jedenfalls erläuterte die Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit , Ilona Mirtschin, Anfang des Jahres die erneuten Verschärfungen der Sanktionen gegen »arbeits-« bzw. »kooperationsunwillige« Erwerbslose. Im Schnitt sind laut übereinstimmenden Erhebungen der Agentur und überregionaler Beratungsstellen pro Monat 100000 Empfänger von Arbeitslosengeld I und II von Leistungskürzungen betroffen. Eine komplette befristete Einstellung von Zahlungen war bisher nur bei beim Empfängern von Arbeitslosengelt I möglich. Gründe dafür sind in der Regel »selbstverschuldete Arbeitslosigkeit«, von der bei Selbstkündigung oder der Vorlage von Gründen für fristlose Kündigungen ausgegangen wird, sowie Meldeversäumnisse, mangelnde Bewerbungsbemühungen und die Ablehnung »zumutbarer« Arbeitsangebote. Es wurden mehrere Fälle bekannt, in denen Arbeitsagenturen sogar den Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht als »fahrlässige Verursachung von Arbeitslosigkeit« auslegen und Sperrzeiten verhängten. Allerdings haben Widersprüche gegen derartig absurde Entscheidungen in fast allen bekannten Fällen Erfolg gehabt.
Seit dem 1. Januar besteht nun auch die Möglichkeit, die Transferleistungen an Hartz-IV-Empfängern nicht nur wie bisher zu kürzen, sondern komplett zu streichen. Auch auf die Miet- und Heizungskosten hätten die Betroffenen dann keinen Anspruch mehr. Statt Geld gibt es für die Betroffenen dann nur noch Lebensmittelgutscheine.
»Ohne Sanktionen funktioniert es nicht«, sagt dazu Frank Thomann, der Chef der Potsdamer Arbeitsgemeinschaft zur Grundsicherung Arbeitssuchender (Paga). Zwar könnten diese »theoretisch« auch zur Obdachlosigkeit führen, dies sei aber zumindestens in Potsdam eher »unwahrscheinlich« , so Paga-Sprecherin Uta Kitzmann, da die dann notwendige Unterbringung in einer städtischen Sammelunterkunft in der Regel teurer als die Mietkosten der Betroffenen sei.
Auf die Arbeitslosenstatistik wirken sich die Sanktionen mit Sicherheit »positiv« aus. So steht im jüngsten Monatsbericht der Bundesagentur: »Neben dem positiven konjunkturellen Umfeld beruht ein Teil der Abnahme der Arbeitslosigkeit auf der intensiven Betreuung von Arbeitslosen sowie der systematischen Aktualisierung von Bewerberangeboten.« Hinter dieser etwas kryptischen Formulierung verbirgt sich die Tatsache, das registrierte Erwerbslose, die beim Bezug des Arbeitslosengeldes I mit einer Sperrzeit belegt wurden, für den entsprechenden Zeitraum nicht auftauchen. Auch deswegen stehen den rund 400000 zusätzlichen Erwerbstätigen binnen Jahresfrist 600000 weniger Arbeitslose weniger gegenüber. Die Betroffenen erhielten 2006 im Schnitt rund fünf Wochen lang kein Geld mehr. Allein 150000 Erwerbslose gingen jeweils eine Woche lang leer aus, weil sie sich nach Erhalt ihrer Kündigung nicht sofort, d. h. innerhalb weniger Tage, arbeitssuchend gemeldet hatten. Diese Vorschrift sei 2006 als Anlaß für eine Sperrzeit neu gewesen, was den statistisch überproportionalen Abbau der Erwerbslosenzahlen erkläre, kommentierte eine Sprecherin der Bundesagentur die Daten. Künftig werden auch ALG-II- Bezieher, denen die Leistungen zeitweise gestrichen werden, nicht mehr als Erwerbslose geführt werden. Juristisch wird mit den verschärften Sanktionen in gewisser Weise Neuland betreten. Der grundgesetzlich verbriefte Schutz des Existenzminimums gilt für Empfänger von Arbeitslosengeld II nicht mehr. In der Sozialgeschichte der Bundesrepublik Deutschland hat eine neue Epoche begonnen.
Siehe auch:
»Per Gesetz in die Obdachlosigkeit«
Die neuen Sanktionsmöglichkeiten gegen Erwerbslose verstoßen gegen die Menschenwürde. Ein Gespräch mit Harald Thomé