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Woman, Life, Freedom - the Time has come

Demonstrantinnen bei der  Großdemonstration halten  ihre Forderungen auf Tafeln hoch. Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv Berlin
Foto: © heba / Umbruch Bildarchiv Berlin
Mehr als 80.000 Menschen demonstrierten am 22. Oktober 2022 in Berlin für die Freiheit im Iran. Jin, Jiyan, Azadi –“ „Frauen, Leben, Freiheit“ –“ schallte es laut über den Platz an der Siegessäule. Europaweit waren die Menschen angereist, um ihre Solidarität mit der Protestbewegung im Iran zu zeigen und den Sturz des autoritären Mullah-Regimes zu fordern. Zu der Großdemonstration aufgerufen hatte das feministische Kollektiv „Woman* Life Freedom Kollektiv“, das von unzähligen Organisationen unterstützt wurde.

Zu den Fotos beim Umbruch Bildarchiv

Weitere Ereignisse zu diesem Thema

Lesehinweis: Der Freier

Datenlage. Quelle: WikiPedia
"Freier zahlen für das Nichtvorhandensein der Würde, des Ichs und des Willens einer Frau, und die Frage ist, warum wir eigentlich eine Institution brauchen, die ihnen derartiges ermöglicht."

Zum Beitrag von Huschke Mau bei kritische perspektive

One Billion Rising - Valentinstag einmal anders

Jede 3. Frau weltweit war bereits Opfer von Gewalt, wurde geschlagen, zu sexuellem Kontakt gezwungen oder in anderer Form misshandelt.

One Billion Rising ist eine weltweite Kampagne zum 14.2.2013. Beteiligt sind Gruppen aus aller Welt. Auf unserer Seite sammeln wir die Veranstaltungen, die in Deutschland zu diesem Thema stattfinden. Noch sind erst (zu) wenige Städte beteiligt.

Kontakt: onebillionrising_os@yahoo.de

http://www.facebook.com/OneBillionRisingOsnabruck

Kopftuch - ein Zeichen, dem sein Bezeichnetes abhanden kam

Karte mit einem Überblick über Verbote in den einzelnen deutschen Bundesländern das Kopftuch im Schuldienst zu tragen - rot eingefärbte Länder. Stand: 2007

Urheber: WikiFreund Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation, Version 1.2
Was ist um das Kopftuch gestritten worden - vor allem in Baden-Württemberg! Was wurde ihm alles nachgesagt! Wenn eine Lehrerin das trage,  fordere sie die Schülerinnen unweigerlich zur Nachahmung auf, vor allem solche aus türkischen und arabischen Familien, die dafür anfällig wären. Die gewöhnlichen Mädchen solcher Herkunft, die es auch damals schon in Gymnasien gab, meinten allerdings immer mit strafendem Blick auf meine eigene Aufmachung, dass doch Lehrkräfte außerordentlich selten stilbildend für Jugendliche wirken.

Ein verdienstvoller Mann namens Grell, Verfasser des denkwürdigen Gesprächsleitfadens für Einwanderer, verbrachte Jahre glühender Leidenschaft damit, Einschleichlinge ins deutsche Gebiet zu überführen. Nach herrschender, auch gerichtlicher, Meinung sollte das Kopftuch als Bekenntnis zum Islam gelten. Ein Bekenntnis, das dem geforderten zum Grundgesetz in jedem Punkt widerspreche. Kleinliche Überlegungen, dass im Koran selbst außer einer vieldeutigen Bemerkung zum Verhüllen des Hauptes sich gar nichts über das Kopftuch findet, wurden verworfen. Eben so Hinweise auf die Frauen des Berbervolkes, die - früheste Anhängerinnen des Propheten - nie ein Kopftuch getragen haben, sollten nichts gelten. Es entbrannte und entbrennt ein Glaubenskrieg, der nicht nur in Broders "Achse des Guten" bis heute geführt wird.

Gewichtiger schienen die Einwände gegen das Kopftuch, die Frauen erhoben. Sie ließen den Koran beiseite - und dachten nur an das gängige Familienbild in jeder deutschen Großstadt - in den sechziger und siebziger Jahren. Der Mann und Familienvater voraus - die Frau mit den Einkaufstaschen einen Schritt hinterher. Patriarchat - wie es unbestreitbar in den ländlichen Teilen der Türkei herrschte, aber auch in vielen anderen maghrebinischen Ländern. Es "herrschte" - nicht als geschriebenes Gesetz, sondern als Gewohnheit von der Heimat her. Ein solches Bild von Ehe und Familie sollten die kleinen Mädchen nicht auch noch in der Schule bestätigt finden. Also Kopftuch runter! Dieses Mal weniger wegen des vermuteten Zeugnisses für die Zwangsgewalt des Koran, sondern wegen der Verführung zur ehelichen Unterwerfung.

Wer die letzten vierzehn Tage oder drei Wochen die Riesendemos in Kairo beobachtet hat, dem ist eines aufgefallen: Es gab sehr viel verschleierte Frauen unter den Protestierenden. Das allseits gefürchtete Zeichen war also vorhanden. Nur: diese Frauen hielten eigenständig Ansprachen. Sie trugen ohne männliche Begleitung selbstgemalte Transparente. Sie sangen mit. Sie schrien ihren Hals leer. Und zwar keineswegs chorisch, wie es das auch in Pop-Veranstaltungen gibt, zur Feier irgendwelcher männlicher Helden. Sondern ganz aus eigener Begeisterung.

Unterwürfigkeit? Nirgendwo sichtbar! Dem Zeichen war das unterstellte Bezeichnete völlig abhanden gekommen. Weder wurden Koranverse zitiert - noch irgendwo Ehemänner verehrt.

Wieso dann aber überhaupt noch Kopftuch? Warum nicht gleich als erstes den Fetzen vom Kopf gerissen? Wahrscheinlich aus ähnlichen Gründen wie  bei Menschen katholischer Erziehung bei Familienfesten oder dergleichen. Aus Höflichkeit gegenüber dem Herkommen. Ich selber würde mich in entsprechender Gesellschaft nicht scheuen, vor dem Altar die Knie zu beugen. Nicht aus Verehrung, sondern aus Gefälligkeit gegenüber dem Brauch.  (In Südfrankreich wurden noch in den siebziger Jahren Touristinnen genötigt, den Kopf zu bedecken beim Eintritt in eine sehenswerte Kirche. Und trugen sie sonst vielleicht auch Shorts und Sandalen an nackten Beinen. Der Kopf musste bedeckt bleiben - wenn auch vielleicht nur durch ein verknotetes Taschentuch. Niemand vermutete deshalb Bekehrungserlebnisse im Kopf darunter).

Patrick Bahners hat in seinem letzten Buch "Die Panikmacher: Die deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift" (wird demnächst in der neuen Reihe www.KRITISCH-LESEN.de besprochen) ausführlich die Frontenbildung beschrieben, die sich im Streit um das Kopftuch entfaltete. Welche Flut von Urteilen und vor allem Vorurteilen sich da ergoss gegen die angeblichen Feinde von - wahlweise - Grundgesetz oder Frauengleichstellung. Ein ausführlicher Blick auf die Demos in Ägypten sollte  allen Eiferern die Augen öffnern: die Frauen, die sich dort mitversammelten schrien weder nach Heilighaltung des Koran noch nach Einführung der Scharia noch nach der starken Hand des Ehemanns. Sie wollten ganz offensichtlich das, was sie sich unter Demokratie vorstellten, wahrscheinlich über das Gestänge des Grundgesetzes hinaus, und sie wollten es für sich selbst. Mit oder ohne Kopftuch.

Wenn Hinschauen zur Belehrung beitragen könnte, müsste jetzt die ganze deutsche Hass-Brigade das Hetzen einstellen. Da aber warmgesessene Vorstellungen jeden Augenschein besiegen, dürfen wir in der März-Nummer von "KONKRET" das aufgewärmt lesen, was wir zu wissen haben: Die Islamisten kommen! Deutsche Frau, Deutscher Mann: seid weiterhin höllisch wachsam!

Unerhört und ungehörig - ein Streifzug durch die Geschichte des internationalen Frauentages

Plakat der Frauenbewegung zum Frauentag 8. März 1914
Im März demonstrieren Frauen in aller Welt für den Frieden, die Freiheit und das Recht. Nach dem historischen Beschluss von 1910 zum Internationalen Frauentag kamen vor 100 Jahren mehr als eine Million Frauen in Europa und den USA zu solidarischen Versammlungen und Demonstrationen zum Internationalen Frauentag zusammen.

Zeitweilig vergessen, behindert, verboten - lebendig blieb die Tradition eines Tages für die Rechte der Frau,  lebendig blieb die Utopie einer menschenwürdigen Gesellschaft ohne Kriege, in der Frauen selbstbestimmt leben können.

Dr. Florence Hervé, Autorin, u. a. Herausgeberin einer Clara-Zetkin-Biographie, erzählt aus der bewegten Geschichte des 8. März.

am Mittwoch, 16. Februar 2011, 19.30 Uhr

im Clara-Zetkin-Haus Waldheim Stuttgart e. V.

Gorch-Fock-Straße 26, 70619 Stuttgart-Sillenbuch


Türkei, Kurdistan und die Frauen

Landwirtschaft in Mesopotamien
Foto: Dûrzan cîrano / Lizenz: CC3.0
In der heutigen Türkei leben nach offiziellen Angaben ungefähr 73 Millionen Menschen, welcher Nationalität sie angehören, ist schwer zu sagen, da die türkische Regierung seit Jahrzehnten in ihren Zählungen nicht nach Ethnien geht. Es ist Fakt, dass in der Türkei außer den Türken über 30 verschiedene Ethnien vorhanden sind, so sind hier an erster Stelle die Kurden zu nennen, die neben den Türken die größte Bevölkerungsgruppe mit 16 - 18 Millionen Menschen ausmachen. An dieser Stelle können viele weitere Nationalitäten aufgezählt werden, z.B. die Armenier, Aramäer, Griechen, Araber, Lazen und, und, und... Interessant ist nur, dass bestimmte Volksgruppen sich bereits nicht mehr als eigene Volksgruppe sehen, sondern als Türken, so z. B. viele Lazen. Nur wenige bestehen darauf, eine eigene Kultur, Sprache, Normen und Werte zu haben. Bei ihnen kann auch nicht von einem nationalen Befreiungskampf oder ähnliches gesprochen werden. Ganz im Gegenteil, wenn in der Türkei gewählt wird, so sind die durch die Lazen besiedelten Gebiete die Gebiete in der Türkei, in denen reaktionär - faschistische Parteien wie die Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) und Büyük Birlik Partisi (BBP) die meisten Stimmen erhalten. Das osmanische Reich und die türkische Regierung haben es über die Jahrhunderte hinweg geschafft, die Lazen insoweit zu assimilieren, dass sie die ersten sind, die den „großen Türken“ spielen, wenn es wieder einmal in der Türkei etwas nationalistischer zugeht.

Daher ist die Besonderheit an der kurdischen Bevölkerung die Tatsache, dass sie diejenigen sind, die sich am meisten gegen die Assimilationspolitik der türkischen Regierung stemmen.
Seit Jahrzehnten wehren sie sich dagegen, ihre Sprache, Kultur, Tradition, Normen und Werte aufzugeben. Während die türkische Regierung auf der einen Seite mit Gewalt in Form von Massakern, Foltern, Gefängnissen u. ä. versucht, die Kurden zu assimilieren, versucht sie auf der anderen Seite dasselbe Ziel durch „sanftere“ Maßnahmen wie die „Öffnung der Politik für die Kurden“ und der Besiedlung des kurdischen Landes mit türkischen Familien, Firmen u. ä. zu erreichen.

Es ist von großer Bedeutung, die Politik der türkischen Regierung gegenüber der kurdischen Bevölkerung genauer zu untersuchen, und einen Blick auf diejenigen zu werfen, die am meisten unter diesen Machenschaften leiden, nämlich die Frauen.

Es geht hier insbesondere darum, dass die kurdische Bevölkerung in der Türkei sich niemals von den Einflüssen des osmanischen Reichs und im Nachhinein der türkischen Regierung hat komplett entziehen können. Die Regierungswechsel und die damit einhergehenden Politikwechsel, die Einflüsse des Islam, und nicht zuletzt die Geschäfte, die die türkische Regierung mit den kurdischen Großgrundbesitzern und Großbauern eingehen konnte, haben v.a. die kurdischen Bauern und die Frauen sehr stark beeinflusst.

Die kurdischen Gebiete, die sich heute innerhalb der türkischen Grenzen befinden, waren und sind auch heute noch zum größeren Teil ländliche Gebiete. Die Menschen hier versuchen zum größten Teil, ihren Unterhalt durch die Landwirtschaft zu finanzieren.

Bis in die Mitte der 80er Jahre war die Türkei zum größten Teil ein Agrarland, seine internen und externen Handelsbeziehungen bestanden hauptsächlich aus Agrarprodukten.

Im Jahre 2005 betrug die Anzahl der Menschen, die an der Armutsgrenze lebten, in den Städten 2,8 % und auf dem Land 9,3 %. In den einzelnen Regionen ist die Lage noch verheerender. In den Gebieten des Schwarzen Meeres beträgt die Zahl der an der Armutsgrenze lebenden Menschen 8,1 %, im Türkei-Kurdistan sind es 17,5 %. Das Ausmaß der relativen Armut beträgt in den Städten 21, 8 % und auf dem Land 33 %. Wie bereits oben erwähnt wurde, sind diejenigen, die vor allem von der Landwirtschaft versuchen zu leben bzw. die ländlichen Gebiete bewohnen, die Kurden.

Die Frau in der landwirtschaftlichen Produktion

Wie sehr die Frauen sich an der landwirtschaftlichen Arbeit betätigen, hängt von der Größe der Äcker und vom Familieneinkommen ab. Umso mehr Güter, Land und Arbeitskraft eine Familie besitzt, desto weniger arbeitet die Frau in der Landwirtschaft und zieht sich desto mehr in den Haushalt zurück und ist desto mehr für die Hausarbeit zuständig. Frauen aus Familien mit wenig Land und einem geringen Einkommen beteiligen sich hingegen aktiv an jeder Phase der Produktion und arbeiten je nach Jahreszeit und Arbeitssituation im Vieh- und landwirtschaftlichen Bereich.

Der Status der Frau auf dem Land und ihre Rolle in der landwirtschaftlichen Produktion

Frauen auf dem Land sind im Gegensatz zu den in den Städten lebenden Frauen sehr unterschiedlich, dies zeigt sich v. a. aufgrund der auf dem Land existierenden traditionellen Strukturen und ihrer Beschäftigung. Die Hauptaufgaben der Frauen auf dem Land bestehen aus Putzen, Brot backen, Trinkwasserbesorgung, Brennholzbeschaffung, Nahrungsmittel besorgen und aufbewahren, Joghurt für den Markt machen, die Käseproduktion und weitere Hausarbeiten. Auch die Erziehung der Kinder und die Pflege der Alten gehören zu ihren Aufgabenfeldern. All diese Aufgaben jedoch sind unentgeltlich und sichern keineswegs die finanzielle Existenz der Frauen. Außer den eben erwähnten Arbeiten ist sie auch für die Pflanzen, den Garten, das Vieh, handwerkliche Arbeiten und ein Einkommen sichernde Aufgaben wie z. B. Warenproduktion für den Verkauf auf dem Markt, als entgeltliche Arbeiterin außerhalb der Landwirtschaft und für die Vermarktung zuständig.

Trotz diesem vollen Arbeitstempos wird der Frau ihre Arbeit nicht angerechnet, selbst wenn es ihr rechtlich zugesprochen ist, wird es in der Praxis meist nicht umgesetzt. Aus diesem Grund wird der Frau trotz ihrer harten Arbeit kein Geld bezahlt und auf dem Land, wo traditionelle Strukturen sehr stark verankert sind, hat die Frau nicht den Status „einer arbeitenden Frau“. Die Arbeit, die sie außerhalb ihres Hauses macht, wird wie gesagt nicht anerkannt und sie wird als Teil des ländlich-strukturellen Models gesehen. Die Frau auf dem Land ist gezwungen sowohl ihre Hausarbeit als auch ihre Landarbeit so zu planen, dass keines der beiden Aufgabenfelder zu kurz kommt.

Der Status der Frauen in der Gesellschaft wird durch den Entwicklungsgrad in ihrem Land, sowie durch die gesellschaftliche Kultur und ihre Werte bestimmt. Auch in der Türkei müssen die Frauen auf den ländlichen Gebieten vor allem in den Dörfern mehr arbeiten als die Männer, und dies wird aufgrund der feudalen Denkweise als natürliche Tatsachen angesehen.

Die patriarchalen Strukturen und die feudalen Werte führen dazu, dass die Frauen in den ländlichen Gebieten der Türkei doppelter Ausbeutung und Unterdrückung ausgesetzt sind. Hinzu kommt, dass die Frau durch die feudalen Werte und Normen als die Ehre des Mannes und der Familie angesehen wird. Daher wird jede Bewegung der Frau kontrolliert, bei einem „falschen“ Benehmen sieht der Mann sich gerechtfertigt, die Frau mit allen möglichen Mitteln zu bestrafen, selbst der Frau das Recht auf Leben zu nehmen.

Aufgrund der feudalen Strukturen wird auch heute noch die Ansicht vertreten, dass, wenn Frauen vergewaltigt werden, sie selber daran schuld sind. Im Türkischen gibt es hierzu sogar ein Sprichwort, welches ins Deutsche übersetzt, so viel bedeutet wie: „Wenn die Hündin nicht mit dem Schwanz wackelt, kommt der Hund auch nicht.“

In diesem Sinne ist es nicht verwunderlich, dass die zwei Flüsse Euphrat und Tigris, die durch die kurdischen Gebiete fließen, als der stumme Schrei der vergewaltigten Frauen gelten. Meist bleibt diesen Frauen nichts anderes übrig, als mit ihren Vergewaltigern zu heiraten oder sich das Leben zu nehmen. Da die beiden Flüsse stellenweise eine sehr starke Strömung haben, nehmen sich viele Frauen in diesen Flüssen das Leben.

Die Armuts-, Arbeits-, Gesundheits- und Bildungsproblematik der Frauen

Die Armut ist das größte Problem der Frauen auf dem Land. Das Pro-Kopf Einkommen in der Türkei beträgt 2 146 Dollar. Doch durch die regionale Ungleichheit ist dieses Einkommen in den kurdischen Gebieten deutlich niedriger. Von den elf Städten, in denen das nationale Einkommen unter die 1000 Dollar- Grenze fällt, sind neun Städte kurdische Städte. Die zwei Städte, die das niedrigste jährliche Bruttoeinkommen haben, sind die zwei kurdischen Städte MuÅŸ (578 Dollar) und AÄŸrı (568 Dollar). Im internationalen Vergleich verdienen jährlich 39 Personen aus der kurdischen Stadt Şırnak so viel wie ein Schwede.

Das Elend der SaisonarbeiterInnen

Ein Drittel der Frauen arbeiten als Saisonarbeiterinnen auf den Tabak- und Baumwollplantagen. Diese Familien zählen zu den ärmsten der Bevölkerung. In ihren Herkunftsorten haben sie keine Grundstücke, nichts, was sie bebauen, ernten können oder ähnliches. Daher müssen sie mit ihren ganzen Familien ungefähr acht Monate des Jahres umherreisen und bei den Großgrundbesitzern um Arbeit betteln. Sie wohnen dann in Zelten in der Nähe des zu bestellenden Ackers und arbeiten tagsüber für wenig Geld und Nahrungsmittel. Das Geld, was sie erhalten, versuchen sie so gut wie möglich zu sparen, um dann die restlichen Monate des Jahres, in denen es nichts zu tun gibt, ihren Unterhalt finanzieren zu können.

Fakten, die diesen Menschen das Leben zur Hölle machen, sind:
  1. Um ihre Arbeitskraft in der eigenen Branche verkaufen zu können, sind SaisonarbeiterInnen gezwungen, als ganze Familie umzuziehen, und die gewohnte Umgebung zu verlassen. Sie verbringen fünf bis acht Monate des Jahres damit, Arbeit zu finden, und sind daher die ganze Zeit am Umziehen.
  2. Diese ArbeiterInnen kriegen ihre Arbeitgeber nie wirklich zu Gesicht. Ihre rechtlichen, finanziellen und sozialen Rechte werden durch einen Vermittler gesichert. Der Vermittler jedoch sichert ihre Rechte nur insofern, indem er seinen eigenen Nutzen und seine eigenen Vorteile immer im Vordergrund hält.
  3. Da die Höhe des Gehalts von SaisonarbeiterInnen der Menge der geernteten Ware entspricht, sind sie oftmals gezwungen, täglich zehn bis 15 Stunden zu arbeiten. Dennoch reicht dieser Gehalt nur um nicht zu verhungern.

Bildungs- und Gesundheitssituation der Frauen auf dem Land

Die Traditionen in den Gebieten, die Abhängigkeit der Frau, die Tatsache, dass Frauen nichts vererbt kriegen, und dass die ganzen Güter dem Mann gehören, zeigt, dass die Frauen noch viel ärmer sind. Nur 55,6 % der Frauen können lesen und schreiben. Da die Menschen in den Gebieten sehr verteilt leben, ist es schwer, Schulen zentral zu bauen. Viele Kinder können nach der Grundschule mit ihrer Bildung nicht weitermachen, da viele Familien auf dem Land zu arm sind und die Arbeitskraft der Kinder brauchen. In Krisensituationen, d. h., wenn Kämpfe zwischen dem türkischen Militär und der Guerilla stattfinden, werden die Dorfschulen vonseiten der Regierung geschlossen, was inzwischen die regelmäßige Politik der türkischen Regierung darstellt. Dies erschwert die Bildungsmöglichkeiten der Kinder um einiges mehr. Die Bildung von Mädchen wird noch mehr erschwert, da sie aufgrund der Traditionen und der Gesellschaft als diejenigen angesehen werden, die heiraten und das Elternhaus verlassen werden.

Das heißt also, dass es sich erst gar nicht lohnt, junge Frauen auszubilden, da sie früher oder später gehen werden und somit dem Elternhaus dadurch keine Vorteile verschaffen werden. Warum also in die Bildung junger Frauen investieren?

Das Aufgabenfeld der heranwachsenden jungen Frau wird meist auf die Hausarbeiten begrenzt. Sie werden im jungen Alter verheiratet, und müssen daher auch schon im Kindesalter lernen, wie man einen Haushalt schmeißt. Die Anzahl der Mädchen, die in regionalen Internaten eine schulische Bildung genießen dürfen, beträgt lediglich 17,5 %.

Infektionen, Unterernährung, Anämie und physische Erkrankungen bedingt durch den Güter- und Wassertransport, gynäkologische Erkrankungen aufgrund der hohen Geburtenrate führen zu einer hohen Krankheitsrate bei den Frauen auf dem Land. Auch heute noch ist es keine Seltenheit, dass eine Frau zehn Kinder auf die Welt bringt. Viele Frauen haben nicht die Möglichkeit Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, dies liegt daran, dass sie die finanziellen Möglichkeiten hierfür nicht aufbringen können. Aber auch die veralteten Denkweisen bezüglich der Ärzte sind den Frauen ein Stein im Weg. Das heißt, dass viele Frauen nicht zu Ärzten gehen können, wenn, dann müssten sie sich Ärztinnen aufsuchen. Viele auf dem Land sind aber auch der Meinung, Wahrsagerinnen und / oder Glaubensprediger würden die Arbeit der Ärzte tun können. Auch spielt die große Entfernung vieler Gesundheitszentren bzw. die unzureichende Anzahl der Gesundheitszentren eine große Rolle. Die Frau auf dem Land sucht meist erst dann einen Arzt auf, wenn es bereits nichts mehr für sie zu tun gibt. Während 64 % aller Frauen auf dem Land gesundheitliche Probleme haben, waren dennoch 26 % der Frauen noch nie in einem Krankenhaus. Die Anzahl der Fehlgeburten ist sehr hoch, so auch die Säuglingssterberate. Während 1998 in der Türkei durchschnittlich 43 Säuglinge von 1000 Säuglingen starben, betrug die Anzahl der gestorbenen Säuglinge im Osten der Türkei, also gerade in den kurdischen Gebieten, 62 pro 1000 Neugeburten. In der Türkei finden durchschnittlich 27,5 % der Geburten zu Hause statt, im Osten der Türkei sind es 55,6 %. Die Menge, die vorgeburtliche Kontrollen nicht in Anspruch nehmen kann, beträgt durchschnittlich 31, 5 %, im Osten sind es 60, 6 %.

Schlusswort
Wenn man nun insbesondere die Situation der kurdischen Frauen auf dem Land näher betrachtet, so muss uns klar werden, dass wir gemeinsam gegen die feudalen und patriarchalen Strukturen kämpfen müssen und den Frauen zeigen müssen, dass ihre Befreiung im organisierten Kampf gegen das organisierte imperialistisch-kapitalistische System liegt!

Quellen:

• Analyse der International Labour Organisation (Türkischsprachiges *.pdf)

• Kapitalistische Arbeitslager für Frauen - KAPÄ°TALÄ°ST TARIMDA KADIN EMEĞİ bei der türkischsprachigen marxistisch-leninistischen Bibliothek

• UNESCO Bericht: Kurdische Mädchen bekommen noch weniger Schuluntericht als senegalesische - UNESCO açıkladı: Kürt kızların okula gitme oranı Senegal–™den bile daha az bei "Cafrande - Kultur, Kunst und Leben"

Reise nach Diyarbakir 22.5. - 1.6.2009

Der Bericht und die Fotos von Britta Wente's Reise nach Diyarbakir vom 22.5. - 1.6.2009 erscheint hier mit ihrer freundlichen Genehmigung

Der Anlass meiner Reise: Am 14. April begann in der Türkei eine Verhaftungswelle. Hunderte von Menschen, vor allem Mitglieder der DTP (Partei der demokratischen Gesellschaft) und der DÖKH (Demokratische Freie Frauenbewegung) wurden festgenommen. In Haft blieben 51 Menschen. Darunter 23 Frauen der DÖKH. (immer noch hört man von weiteren festgenamen) Seit mehreren Jahren stehen wir, Frauen aus Stuttgart, im Austausch mit Frauen in (vor allem) Diyarbakir und erfahren von ihrer erfolgreichen Arbeit. Nachdem ich im April von den Verhaftungen der DÖKH-Frauen gehört hatte, war mein spontaner Wunsch als Frauen aus der ganzen Welt hin zu fahren und gemeinsam EDI BESE zu rufen, ES REICHT –“ endlich Schluss mit dem Krieg .....

Dann viel mir ein, dass die Frauen in Deutschland, unter anderem ich, gar nicht viel über die Arbeit der DÖKH (Demokratische Freie Frauenbewegung) wissen. Darüber wollte ich mehr Informationen sammeln und an die Frauen in meinem Umfeld weiter geben. Gleichzeitig zog es mich zu den Freundinnen, ich wollte wissen wie es ihnen geht. Unter anderem wollte ich versuchen eine Freundin, die Mitbegründerin des SELIS-Frauenberatungszentrums, Mitglied der DÖKH, Hacer Özdemir, die auch unter den Verhafteten ist, im Gefängnis in Midyat zu besuchen.

Im Mai fand ich nun Zeit für die Reise. Hacer konnte ich leider nicht besuchen, da die Staatsanwaltschaft mir keine Erlaubnis dafür gegeben hat, aber durch die anderen Besucherinnen erfuhr sie dass ich gekommen war. Den Frauen im Gefängnis in Midyat geht es gut. Viele meiner Fragen habe ich verschiedenen Freundinnen und Freunden die ich traf gestellt. Auf alles fand ich noch keine Antwort, die Zeit wird es zeigen. Mein Wunsch jetzt, nachdem ich wieder hier bin wäre, dass wir als Frauen aus dem Ausland den Frauen im Gefängnis unsere Solidarität zeigen und ihnen Briefe und Postkarten schreiben.

Vielleicht können wir uns international an einer Friedensinitiative der Frauen in der Türkei in den nächsten Monaten beteiligen. Vielleicht können wir, wenn der Prozess am Gericht beginnt hinreisen um zu zeigen, dass wir nicht richtig finden was da passiert –“ und um die Frauen dort nicht alleine zu lassen.

Wie fange ich an?
Was ich in diesem Bericht versuchen möchte zu beschreiben ist, was mir auf dieser Reise noch mal bewusst wurde, und zwar, dass sich die Befreiung der Frau in der kurdischen Region nicht von der kurdischen Frage trennen lässt. Und
warum der türksiche Staat so hart gegen die Frauen vorgeht. Immer wieder habe ich daran rumgegrübelt wie ich das in Worte fassen kann. Mein Bericht ist persönlich und nicht immer politisch sehr durchdacht. Ein für mich gutes Beispiel welches die kurdische Problematik aufzeigt ist ein Verfahren gegen Abdullah Demirbas der Bürgermeister des Stadtteils Sur, mit dem ich beginnen werde.

Der Prozess gegen A. Demirbas oder: warum wird der mehrsprachiger Service der Stadtverwaltung Sur kriminalisiert?

Nach meiner Rückkehr aus Silvan, einer Kleinstadt in der Nähe von Diyarbakir, wo ich die Onkel- Familie von Hacer besuchte, hörte ich, dass am darauffolgenden Tag eine Prozess gegen den Bürgermeister des Stadtteils Sur (Sur heisst Stadtmauer) Abdullah Demirtas (von der DTP - Partei der demokratischen Gesellschaft) stattfinden soll. Warum der Prozess? Da in dem Stadtteil Sur viele Menschen nur kurdisch sprechen, und vor allem ältere Menschen kein türkisch können, hat A. Demirbas damit begonnen in der Stadtverwaltung, die schriftlichen Formalitäten, Anträge die die Bevölkerung betreffen kurdisch-türkisch zu gestalten, und auch darauf geachtet, dass das in den Ämtern arbeitende Personal beide Sprachen kann.

Es ist mir hier öfters begegnet, dass ich mich, vor allem mit älteren Menschen die keine Schule besucht haben, oder mit den Kindern die noch nicht in der Schule sind, nicht unterhalten konnte, da sie nur kurdisch sprechen und ich das ja, bis auf ein paar Wörter, nicht kann. Wegen dieser multilingualen Arbeitsweise des Bürgermeisters also wurde er Angeklagt. Zur Anklage gehört zusätzlich noch die Herausgabe eines kurdisch-türkischen Kinderbuches für Kinder im Grundschulalter, mehrsprachige Faltblätter für Touristen über die Sehenswürdigkeiten des Stadtteils, und die gezielte Suche nach kurdisch-türkisch-sprachigem Personal für den Bürgerkontakt in der Stadtverwaltung.

Mittlerweile sind mehrere Verfahren gegen Abdullah Demirtas anhängig und alle mit denen ich darüber sprach, gehen davon aus dass er verurteit wird, womit ihm dann auch die Ausübung seines Amts als Bürgermeister und generell politische Betätigung verboten sein wird. Er ist ein Beispiel wie es hier leider viele Ähnliche gibt. Weder Staatsanwalt noch Richterin hatten auf mich einen, auf den Inhalt des Prozesses, interessierten Eindruck gemacht. Der Prozess wurde bis September vertagt. Na ja, es wird letztendlich eine politische Entscheidung sein, wie das Urteil ausfällt. Zu A. Demirtas ist zu sagen, dass er bei den Wahlen im März mit sehr hohem Stimmenanteil, über 65 % wieder gewählt wurde. Die Menschen vertrauen ihm. Als ich und zwei weitere Europäer bei im im Büro waren um von dort aus gemeinsam zum Gericht zu gehen, kamen mehrere Menschen aus dem Stadtteil vobei um ihn zu besuchen oder bei ihm Vorzusprechen, alle wurden zum Tee eingeladen... .

Warum, fragte ich mich immer wieder, reagiert der Staat so hart? Eigentlich müsste der Staat die mehrsprachige Arbeit des Bürgermeisters/der Stadtverwaltung in Sur unterstützen und als Beispiel nehmen, wie unter Berücksichtigung der kurdischen Realität, das gemeinsame Leben gestaltet werden kann, und dies geschieht hier in bestem Sinne Bürgernah. Zynischer Weise gab es vor kurzem von der Regierung selbst den Vorschlag, dass in den Gesundheitsstationen und Krankenhäusern kurdischtürkisch sprechendes Personal eingestellt werden soll. Hier in Diyarbakir wird dies schon umgesetzt. Und im selben Moment wird es hier kriminalisiert.

Ich meine, dass dieser Prozess ziemlich genau den Umgang des Staates mit der kurdischen Frage schildert. (Oder überhaupt den Umgang damit, dass es in der Türkei viele kulturelle Indenditäten gibt, wie ausser der kurdischen auch armenische, lasische, arabische und andere). Die kulturellen Idenditäten wurden über Jahre einem aggressiven assimilationsdruck unterworfen und die verschiedenen Muttersprachen zurück gedrängt. Und dennoch findet man immer noch Regionen, vor allem ländliche, wo die Muttersprachen zu finden sind. Und für die kurdische Bevölkerung muss man sowiso sagen, dass sie keine kleine Minderheit sind, sondern eine größe von über 20 Mio Menschen, davon in der Türkei 14,2 Mio, umfassen (Zahlen aus Wiener Zeitung online).

Die kurdische Bevölkerung begann vor vielen Jahren mit dem Kampf um ihre Rechte. Leider antwortete der Staat mit Gewalt, was zu einem blutigen und bis heute andauernden Krieg führte (unter anderem mit deutschen Waffen). Viele Mütter, sei es kurdische oder türkische, weinen die selben Tränen über den Verlust ihrer Söhne die sie als Guerilla oder als Soldaten verloren haben. Wenn ich durch dieses riesige weite Land fahre, denke ich immer wieder, dass dieser Krieg militärisch nicht gewonnen werden kann. Er führt nur zu immer weiteren schmerzlichen Wunden auf beiden Seiten. Um so dringlicher ist es, dass auf politischer Ebene eine Lösung gefunden wird. Eigentlich sind die Vorrausetzungen dafür gegeben. Bei den Kommunalwahlen im März diesen Jahres gewann die DTP im Osten des Landes in 99 Kommunen. Die 21 Parlamentsabgeordnete der DTP (davon 9 Frauen) bieten sich immer wieder als Vermittler und Ansprechpartner an.

Dass es bis heute nicht zu einer Lösung gekommen ist liegt vermutlich daran, dass es starken Kräfte innerhalb des Militärs (und ausserhalb) gibt die am Krieg verdienen und die, so vermuten die Freunde mit denen ich sprach, auch für die derzeitige Repressionswelle verantwortlich sind. Ich denke auch, dass sicherlich kein Schritt ohne Absprache mit der NATO, Amerika, Europa stattfindet. Kurz bevor die Repressionswelle losging war der NATO-Geburtstag in Strasbourg und war Obama in der Türkei.... . Die Türkei hat einfach eine zu wichtige geografische Lage, so dass eine Bewegung wie die kurdische (in der Türkei) die sich nicht an den Kriegen (gegen Irak, Iran, Syrien....) beteiligen will und ein Beispiel für gesellschaftliche Veränderung für die gesamten Region ist, mundtot gemacht werden soll.

Die gesellschaftliche Organisierung in der kurdischen Region konnte bislang trotz aller Repression nicht aufgehalten werden. Im Gegenteil. Gerade bei den Frauenorganisationen, Frauenzentren, etc., die sich in den letzten Jahren in der DÖKH (Demokratik Özgüt Kadin Hareketi –“ Demokratische Freie Frauenbewerung) zusammengeschlossen haben, konnte ich eine enorme Entwicklung beobachten, die gesellschaftliche Dynamik inne hat.

Die kurdische Frauenbewegung:

Seit 2001 / 2002 beobachte ich den Aufbau und die Arbeit von Frauenzentren in der kurdischen Region. Am Beispiel des Frauenberatungszentrums SELIS konnte ich viel über deren wertvolle Bildungsarbeit, vor allem in den Stadtteilen erfahren, über die sehr viele Frauen ein Bewusstsein über ihre Rechte als Frau erlangt haben. Frauenzentren wie SELIS gibt es inzwischen viele. Das Selbstbewusstsein der Frauen ist enorm gewachsen, der Schrei nach Veränderung gross. Die Schritte der gesellschaftlichen Veränderung, auch wenn sie nicht einfach sind, sind enorm.

Über die Arbeit der DÖKH –“ Demokratische Freie Frauenbewegung - Kampagne „Unsere Ehre ist unsere Freiheit“

Seit 25 November 2008 führt die DÖKH die einjährige Kampagne „Unsere Ehre ist unsere Freiheit“ durch. Ziel ist das Tabuthema in der Gesellschaft zu thematisieren. Die Beteiligung und das Interesse von Frauen daran ist gross. Insgesamt hat die Beteiligung der Frauen an den Kämpfen für ihre Rechte in den letzten Jahren zugenommen. So gingen am 8. März 2009 alleine in Diyarbakir über 15 000 Frauen auf die Strasse. In der gesamten kurdischen Region waren es viele hundert tausende von Frauen die am 8 März ihre gemeinsame Kraft gezeigt haben. Dies ist sicherlich auch auf die Arbeit der DÖKH zurück zu führen.

Die Frauenräte

Ziel von den Räten, die in allen Stadtteilen und vielen Städten von der DÖKH gegründet wurden oder noch werden, ist die Teilhabe der Frauen an Entscheidungsprozessen zu ermöglichen. So werden in den Stadtteilräten die Probleme der Frauen vor Ort besprochen, an die örtlichen Verhältnisse angepasste Lösungsmodelle erarbeitet, Forderungen aufgestellt. Über Frauen der DTP die auch in den Frauenräten vertreten sind, werden die Forderungen der Frauenräte in die politischen Strukturen, wie zum Beispiel Gemeinderäte getragen. In den Frauenräten sind sowohl Frauenorganisationen, wie z.B. auch das SELIS-Frauenberatungszentrum vertreten, darüber hinaus sind Frauen verschiedener Berufssparten und Hausfrauen darin vertreten. Es ist ein Modell welches Menschen ermöglicht direkt an Entscheidungsprozessen teil zu nehmen. Darüber dienen die Stadtteilräte auch als Kontrollinstanz derer, die gewählt wurden und die die Menschen in den politischen Gremien vertreten sollen. Die DÖKH will die Bildung von Frauenräten zukünftig auch verstärkt in den Dörfern, den ländlichen Gebieten unterstützen.

Unterstützung von Frauen als Kandidatinnen der DTP

Die Zusammenarbeit mit der DTP ist sehr eng. So wurde von den DÖKH-Frauen die Kandidatur von vielen Frauen innerhalb der DTP bei den Wahlen aktiv unterstützt. Die DTP hat inzwischen eine Frauenquote von 40%. Von insgesamt türkeiweit 19 Bürgermeisterinnen sind 14 von der DTP in den kurdischen Regionen.

Untestützung der DTP für die Frauenarbeit:

Von Frauen verschiedener Frauenorganisationen wurde mir erzählt, dass in Städten wo die DTP die Wahlen gewonnen hat, oder auch vorher schon Bürgermeister gestellt hat, die Frauenarbeit von Seiten der Stadtverwaltung grosse Unterstützung erfäht. Es gibt natürlich grosse Geldprobleme, aber die Bereitschaft im Rahmen des Möglichen die Eröffnung von Frauenberatungsstellen etc. zu unterstützen ist durchaus da. In Diyarbakir wirkt sich die Zusammenarbeit zwischen den Frauengruppen (der DÖKH) sogar so weit aus, dass eine spezielle, wie sagt man, Amtsstelle für Frauen und Kinder geschaffen wurden. Alle Beamte in den dortigen Leitungspositionen sind Frauen. Dazu aber ausführlicher mehr im Zusammenhang mit dem Interview über das neue Frauenhaus und der diesbezüglichen Zusammenarbeit der Frauenorganisationen mit dem Stadtverwaltung/Bürgermeisteramt.

Eröffnung einer Frauenberatungsstelle in Sur ici:

Während des Besuchs bei A. Demirbas erzählte er, dass die Stadtverwaltung im Stadtteil Sur ici (innerhalb der Stadtmauer) eine Frauenberatungsstelle eröffnen wird. Wir waren eingeladen daran teilzunehmen. Im Stadtteil Sur ici leben etliche Frauen die den Stadtteil noch nie verlassen haben. Früher war es mir hier begegnet, dass Frauen wenn ich sie fragte ob ich sie fotografieren kann meinten, dass sie dafür erst ihren Mann um Erlaubnis fragen müssen. Also eher streng. Daher, um möglichst nahe bei den Frauen zu sein und ihnen das Kommen zu erleichtern, wurde das Beratungszentrum mitten im Stadtteil eingerichtet.

Der Bürgermeister, also ein Mann hält die Rede. Ich denke es ist einfach so, dass die Frauenbewegung hier, nicht zuletzt um eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, auf die Unterstützung von Männern angewiesen ist, bzw. eine Zusammenarbeit mit fortschrittlichen Männern auch gewollt ist. Gewalt gegen Frauen ist nicht nur das Problem der Frauen, sondern aller Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Türkeiweite Frauenbündnisse:

Trotz der nationalistisch aufgeheizten Atmosphäre wie sie nach jahrelanger Medienpropaganda mittlerweile besteht, in denen es mittlerweile oft Übergriffe auf
kurdische Saisonarbeiter oder Studenten gibt, haben Frauen Brücken gebaut und türkeiweit Frauenbündnisse geschaffen. Diese wachsende Zusammenarbeit zwischen den Frauenorganisationen aus der Ost und Westtürkei zeigt dass ein aufeinander zugehen möglich ist und machen Hoffnung.

So wurden und werden auf den türkeiweiten Frauenkongressen (gegen Gewalt an Frauen), die unterschiedlichen Realitäten in denen die Frauen leben thematisiert, und es hat ein Dialog begonnen. Gemeinsam wurden Forderungen aufgestellt wie z.B. dass der Staat Gelder zur verfügung stellt für die türkeiweite Einrichtung von Frauenhäusern (Umsetzung des Gesetzes dass ab 50000 EinwohnerInnen eine Gemeinde/Stadt ein Frauenhaus haben soll). Eine weitere gemeinsame Forderung ist die, dass muttersprachliches Personal eingestellt werden soll.

Initiativen der Frauen für die Beendigung des Krieges:

Eine andere wichtige Sache ist auch jetzt wieder, das mutige Engagement der Frauen für eine Beendigung des Krieges. Initiativen für Frieden wurden und werden, wie ich es seit 2000 beobachte, immer wieder von Frauenorganisationen aus der gesamten Türkei getragen. Gerade jetzt, nach den Verhaftungen von 23 Frauen der DÖKH, haben sich am 31.5.2009 auf einen Aufruf der DÖKH, Frauen verschiedener Organisationen aus der gesamten Türkei für ein Frauenforum in Diyarbakir zusammengefunden. Beteiligt waren Frauen aus Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen, Parteien, Feministische, Sozialilstische, Unabhängige Organisationen, Schriftstellerinnen, Anwältinnen, Friedensmütter, Schauspielerinnen, etc. Sie wollten ihre Solidarität mit den Verhafteten Frauen der DÖKH zeigen und beraten was sie gemeinsam unternehmen können um ihre Freilassung zu erreichen, was sie tun könnten dass der Krieg beendet wird und eine demokratische Lösung der kurdischen Frage erreicht wird. Sie beschlossen das die Frage nach Frieden vordringlich ist und dass sie sich noch mehr einmischen wollen. Eine nächstes Frauenforum soll noch im Juni in Ankara statt finden.

Die Teilnehmerinnen des Frauenforums beteiligten sich anschliessend am Frauenmeeting, einer Kundgebung zu der tausende kurdischer Frauen aus der ganzen Region angereist waren. Bei glühend heisser Sonne wurde kraftvoll gesungen und getanzt. Die Freude der kurdischen Frauen über den Besuch der zum Teil offentichtlich aus dem Westen kommenden Frauen, war gross. In diesen Begegnungen meinte ich zu spüren und zu begreifen wie stark die kurdischen Frauen innerhalb der kurdischen Bewegung sind. Es scheint mir, dass die stärkste Dynamik, sowohl innerhalb der kurdischen Gesellschaft als auch bezogen auf die gesamte Türkei, derzeit von den Frauen aus geht. Vielleicht ist dies der Grund weshalb der Staat so hart gegen die Frauen vorgeht. Mein Eindruck ist, dass der Staat Angst hat, dass er seine Kontrolle über die Menschen verliert. Das selbe könnte man möglicherweise in vielen Ländern beobachten, wenn Menschen aus der passivität erwachen, sich organisieren, ihre eigenen Strukturen aufbauen. Wenn sie das vom Staat vorgegebene Schema verlassen und beginnen über ihr Schicksal selbst zu entscheiden, da sie vom Staat und seinen Organen nur enttäuscht werden, Gewalt erfahren und keine Antworten auf ihre Probleme bekommen.

Es ist ja leider traurige Realität, dass viele Frauen deshalb umgebracht wurden, da sie von den Polizeistationen auf die sie vor der Gewalt geflüchtet sind, wieder in die Hände des Peinigers zurückgeschickt wurden, also keine Hilfe fanden. Es ist Realität, dass die Menschen die staatlichen Sicherheitskräfte über Jahre als die Menschen erlebt haben, von denen sie festgenommen, geschlagen, gedemütigt, gefoltert oder gar getötet wurden. Es ist Realität, dass eigentlich alle kurdischen Menschen die ich kennen gelernt habe, Familienangehörige haben die getötet wurden oder im Gefängnis sind, oder sie selbst schon im Gefängnis waren.

Wenn also das Vertrauen in die staatlichen Strukturen nicht besteht, wohin können sich die Menschen wenden, wenn Probleme auftauchen, wie Hunger, Streit, Gewalt in der Familie und anderes. Natürlich gehen sie lieber dort hin wo sie Vertrauen haben. Und das sind die Strukturen der kurdischen Bewegung. Die gegründeten Stadtteilräte, die Frauenzentren, die von den DTP-Gemeinden gegründete Sozialeinrichtungen.

Ein Beispiel: Vor ein paar Jahren besuchte ich eines der Waschhäuser welche von der Stadtverwaltung in mehreren armen Stadtteilen eingerichtet wurden. Dort können die Bewohnerinnendes Stadtteils kostenlos Wäsche waschen, können sich dort treffen und auch an Seminaren teilnehmen.
Eine Mitarbeiterin des Waschhauses erzählte mir, dass mittlerweile täglich Frauen und Männer mit allen möglichen Problemen ins Waschhaus kommen, zum Beispiel wenn es Streitigkeiten unter Nachbarn gibt,... . Der Waschsalon wurde zu einer Art sozialen Anlaufstelle der BewohnerInnen des Stadtteils und ihm wurde eine Art Autorität (Beispielsweise um Streit zu schlichten) zugesprochen.

Ob die Frauenzentren oder heute auch die Stadtteilräte oder die DTP. Das sind die Orte an die sich die Menschen mit ihren Problemen wenden, da sie kein Vertrauen zu den staatlichen Organen haben. Und das sind die Strukturen und Organe durch die sie ihre Interessen vertreten fühlen. Die Repression gegen die DÖKH und DTP-Frauen und Reaktionen Die Verhaftung von vielen aktiven Menschen der DTP, darunter 23 aktiven Frauen der DÖKH hat natürlich Auswirkung auf die Arbeit. Jedoch empfand ich die Frauen denen ich begegenet bin nicht entmutigt, sondern sehr motiviert jetzt erst recht die Arbeit fort zu führen. Natürlich ist das auch nicht so einfach, wenn man selbst jeden Tag die Nächste sein kann die abgeholt und ins Gefängnis gesperrt wird.

Was den Frauen aber sicherlich sehr Mut gemacht hat ist die starke Solidarität aus der Bevölkerung nach den Verhaftungen. Nachdem am 14. April die Repressionswelle gegen gegen die DÖKH und PolitikerInnen der DTP losging gingen tausende von Menschen vor die Zentrale der AKP (Regierungspartei) und blockierten dort die Strasse. Über 5000 Frauen zogen Lautstark vor das Gefängnis in Diyarbakir. Viele Hundert Frauen schickten Postkarten an die gefangenen Frauen. In den Stadtteilen kochten Frauen Essen um es zu verkaufen und dann mit dem Geld die Gefangenen zu unterstützen. Aus der gesamten Türkei reisten am 31. 5.2009 Frauen verschiedener Organisationen zum Frauenforum nach Diyarbakir und beschlossen sich gemeinsam verstärkt einzumischen und Initiativen zu ergreifen, damit die Waffen endlich schweigen, die Gefangenen frei gelassen werden und eine Friedenslösung erreicht werden kann. Die Verhaftungswelle hat leider noch nicht aufgehört. So wurden am 28. Mai 36 Mitglieder, des Gewerkschaftsdachverbandes des öffentlichen Dienstes (KESK) festgenommen. Proteste in der ganzen Türkei waren die Folge.

Nicht erst darüber, auch schon vorher hat eine Diskussion in der Türkei begonnen und melden sich kritische Menschen in den Zeitungen und Fernsehen zu Wort, die Hoffen lassen, dass die Kräfte die eine politische Lösung unterstützen stärker werden.


Adressen der Gefängnisse und Namen der dort inhaftierten Frauen der DÖKH:

Urfa Kapalı Cezaevi

Urfa - Türkei

Zahide Besi, Zeynep BoÄŸa, Ebru Günay, Heval Erdemli, Roza Erdede, Pergüzar Kaygusuz


Midyat M Tipi Kapalı Cezaevi

Midyat - Türkei

Hacire Ozdemir, Pınar Işık, Sara Aktaş, Herdem Kızılkaya, Leyla Deniz, Çimen Işık,

Seve Demir, Pero Dündar, Zöhre Bozacı, Esma Güler

Diyarbakır E Tipi Kapalı Cezaevi

Diyarbakir - Türkei

Gülcihan ÅžimÅŸek, Selma Irmak


Siirt E Tipi Kapalı Cezaevi

Siirt - Türkei

Elif Kaya, Olcay Kanlıbaş, Besime Konca, Nihayet Taşdemir, Dirayet Taşdemir


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