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Rede der VVN-BdA bei der Kundgebungstour “Nazis entgegentreten” in Nürtingen

Bei der Kundgebungstour gegen rechte Umtriebe im Kreis Esslingen hielt die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen folgende Kurzrede in Nürtingen:

Sehr geehrte Anwesende,

seit einem Jahr mißbrauchen die sogenannten „Freien Nationalisten Esslingen“ einen Todesfall, der sich in Folge eines Streites am 16.03.13 im Asylbewerberheim in Kirchheim/Teck ereignete für ihre menschenverachtende Hetze gegen Flüchtlinge.

Doch damit nicht genug. Diese seit Anfang 2013 aktive Gruppe junger Neonazis aus dem Kreis Esslingen bedrohten aktiv Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie schreckten auch vor einem Mordaufruf gegenüber einem Jugendlichen nicht zurück.

Im Internet und in verschiedenen Orten in dieser Woche verteilten Aktivisten aus dieser Gruppe Flugblätter gegen unsere heutige Kundgebungstour und drohten offen damit, gegen die unterstützenden Organisationen vorzugehen. Dabei beziehen sich die Freien Nationalisten Esslingen im Internet positiv auf den „NSU“, indem deren offen terroristischen Morde an Migranten relativiert werden.

Es verwundert deshalb auch nicht wirklich, dass die „Freien Nationalisten Esslingen“ eine gute Zusammenarbeit mit einer anderen Nazitruppe, den „Autonomen Nationalisten Göppingen“ pflegen.

Gegen diese Gruppe läuft ein Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Am 26. Februar 2014 durchsuchte die Polizei 19 Wohnungen mutmaßlicher Mitglieder der „Autonomen Nationalisten Göppingen“ in den Landkreisen Göppingen, Esslingen und im Rems-Murr-Kreis.

Insgesamt 18 Beschuldigte im Alter von 22 bis 33 Jahren stehen unter dem Verdacht, eine kriminelle Vereinigung gebildet und zur Durchsetzung ihrer Ziele Straftaten begangen zu haben. Das unterstrich auch das Waffenarsenal an Schreckschusspistolen und weiteren gefährlichen Gegenständen wie Teleskopschlagstöcken, Schlagringen, Wurfsternen und Quarzhandschuhen, die dabei gefunden wurden und nicht nur zur Dekoration dienten: Die „Autonomen Nationalisten Göppingen“ griffen mehrfach MigrantInnen und AntifaschistInnen an. Einem Stadtrat der Partei „Die Linke“ in Göppingen wurden die Bremsschläuche seines Autos manipuliert. Nur mit viel Glück kam es zu keinem Unglück.

Dabei gibt es durchaus personelle Überschneidungen und gegenseitige Unterstützung dieser militanten rechtsradikalen Gruppen. Und mehr. Einer der Festgenommenen fungierte bis vor einigen Tagen noch als Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“.

Menschen, die zu solchen Taten fähig sind, maßen sich an, nicht nur über andere urteilen zu können, sondern diese auch tätlich anzugreifen, wenn es ihnen beliebt?

Das unterstreicht, warum die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sagt, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, das nicht durch demokratische Rechte abgesichert ist.

Vorgestern markierte der 8. Mai den 69. Jahrestag des Endes des II. Weltkrieges.

Die Gründer der VVN waren damals direkt von faschistischer Terrorherrschaft Betroffene: Gewerkschafter, Juden, Sozialdemokraten, Sinti und Roma, Kommunisten, Homosexuelle, Christen. Denen von ihnen, denen es gelang, durch Flucht den Nazis zu entkommen und noch mehr denen dies nicht gelang, sind wir alle verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Faschismus nie wieder sein Haupt erhebt. Das bedeutet heute aktiv zu werden, ganz konkret gegen die Nazis in unserem Landkreis.

Hier in Nürtingen machten die „Freien Nationalisten Esslingen“ unter anderem mit einer Aktion gegen die Ausstellung „Demokratie stärken –“ Rechtsextremismus bekämpfen“ im Nürtinger Rathaus von sich reden, als sie dort rechtsradikale Flugblätter und Aufkleber gegen Texte der Ausstellung austauschten. Auch darin relativieren sie die Straftaten mit rechtem Hintergrund. Dass die Ausstellung unter anderem wegen deren Aktivitäten –“ unter anderem Angriffe auf ein alternatives Wohnprojekt in Nürtingen - notwendig wurde, verschwiegen sie. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit rechtsradikalen Vorgängen gerade in Nürtingen unbedingt notwendig:

Nicht erst seit den Landtagswahlen 1968, als 12,65 % der Nürtinger Wähler für die NPD votiert hatten und dadurch „in die Weltpresse einging“, wie die Nürtinger Zeitung damals schrieb. Die Partei zeigte ihre Verbundenheit und hielt 1981 ihren Parteitag hier gegenüber unserer Kundgebung, in der damaligen Stadthalle ab. Das lohnte sich für die Partei so sehr, dass der Nürtinger „Verein zur Pflege nationaler Politik“ im Jahr 2010 die Summe von 150.225,57 Euro an die NPD überwies.

Da verwundert es kaum noch, dass es in dieser Stadt möglich war, daß trotz seiner Funktionen in der extremen Rechten der in Nürtingen wohnende Altnazi Walter Staffa nicht nur lange Zeit eine Praxis für Allgemeinmedizin unterhielt, sondern auch 37 Jahre lang im Gemeinderat von Nürtingen und in Esslingen 30 Jahre lang im Kreistag saß. Dafür bekam er 1984 auch noch das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Wir als VVN-BdA begrüßen es deshalb außerordentlich, dass mit den heutigen Kundgebungen ein klares Signal gegen rechts gesetzt und gezeigt wird, dass diese menschenverachtende Hetze weder im Kreis Esslingen noch anderswo erwünscht ist und auch nicht geduldet wird.

Rechten Umtrieben im Kreis Esslingen entgegentreten!

Im Kreis Esslingen haben verschiedene antifaschistische Gruppen eine Kundgebungstour am 10. Mai 2014 angekündigt. Wir dokumentieren den Aufruf:

Antifaschistische Kundgebungstour. Naziumtrieben entgegentreten!
Die Freien Nationalisten Esslingen sind eine seit Anfang 2013 aktive Gruppe aus jungen Faschisten. Die aus dem Kreis Esslingen stammenden Neonazis fallen immer wieder durch Hetzereien und Drohungen gegen Asylsuchende und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, auf. So versuchten sie in Wendlingen und Nürtingen ganz gezielt die allgemeine Stimmung via Flugblätter und Internet gegen dort lebende Asylsuchende aufzuheizen. Sie verunglimpften die Menschen als "kriminelle Ausländer" und versuchten mit der Warnung vor einer angeblichen Asylflut die Anwohner in Panik zu versetzen.

Um Nachwuchs zu akquirieren haben die FNES an Schulen sogenannte Schulhof-CDs verteilt und gezielt Jugendliche angesprochen. Doch es bleibt nicht nur beim Flyer und CDs verteilen: mehrfach bedrohten sie einen alternativen Jugendlichen, riefen öffentlich zu dessen Mord auf und schmissen Fensterscheiben in einem alternativen Wohnprojekt ein. Auf bundesweiten Naziaufmärschen, wie z.B. in Magdeburg im Januar 2014 oder auch auf den homophoben und rechtsgesinnten Demos gegen den Bildungsplan in Stuttgart, treten sie im Schulterschluss mit der NPD und anderen rechten Netzwerken auf, um ihr menschenverachtendes Weltbild zu verbreiten. Die Freien Nationalisten Esslingen sind sehr gut mit den Autonomen Nationalisten Göppingen vernetzt: beide Gruppen führen immer wieder gemeinsame Aktionen durch. Gegen die Autonomen Nationalisten Göppingen läuft gerade ein Verfahren wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung. Weitere Vorwürfe sind Waffenbesitz, gefährliche Körperverletzung und Volksverhetzung. Durch personelle Überschneidungen kam es im Zuge der Ermittlungen auch zu Hausdurchsuchungen bei den Freien Nationalisten Esslingen.

Von öffentlicher Seite wird ihnen bislang kaum Widerstand entgegengesetzt und ihr Gefahrenpotential heruntergespielt. Dass der Staat gerne auf dem rechten Auge blind ist, hat nicht zuletzt der Skandal um den "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gezeigt. Deshalb gilt es sich entschlossen und solidarisch solchen Umtrieben entgegenzustellen. Mit Kundgebungen in Nürtingen, Wendlingen und Altbach wollen wir ihnen zeigen, dass ihre menschenverachtende Hetze nicht erwünscht ist und auch nicht geduldet wird, nicht im Kreis Esslingen und auch sonst nirgendwo!

Nürtingen: Kreuzkirchpark, 10:00 Uhr
Wendlingen: St. Leu-la-Foret Platz, 12:00 Uhr
Altbach: Marktplatz, 14:00 Uhr

Unterstützer:
Antifa Esslingen
Antifa Göppingen
Antifaschistische Jugend Rems-Murr
Antifaschistisches Aktionsbündnis Stuttgart und Region
Die Linke Esslingen
Die Linke Kirchheim
Die Linke Nürtingen
linksjugend [solid] Esslingen
Offenes antifaschistisches Aktionsbündnis Kirchheim (OABK)
RASH Stuttgart
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen VVN-BdA, Kreisvereinigung Esslingen
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