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120 Jahre Fritz Bauer - Antifaschist und streitbarer Demokrat aus Stuttgart

SharePic mit den Veranstaltungsdaten und einem Bild von Fritz BauerFritz Bauer wurde 1903 als Sohn liberaler jüdischer Eltern in Stuttgart geboren. Er verstand sich selbst aber als bekennender Atheist. Sein Vater war der Textilgroßhändler Ludwig Bauer, seine Mutter Ella Bauer, geb. Hirsch. In Stuttgart und Tübingen wuchs er mit seiner drei Jahre jüngeren Schwester Margot in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Er studierte nach dem Besuch des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums Rechtswissenschaft in Heidelberg, München und Tübingen. Während seiner Studienzeit engagierte er sich in einer liberalen jüdischen Studentenverbindung, vor allem in politischen Debatten.

Nach dem Studium wirkte er 1929 bis 1933 als jüngster Amtsrichter am Stuttgarter Amtsgericht. 1933 wurde der begabte Jurist und leidenschaftlicher Demokrat verhaftet und ins KZ Heuberg gesperrt. Nach seiner Haftentlassung konnte Fritz Bauer nach Dänemark und später nach Schweden fliehen, wo er Asyl erhielt.

Ab 1949 kehrte er in die Bundesrepublik zurück. Als Generalstaatsanwalt in Hessen widmete der Weggefährte von Willi Brandt seine ganze Energie der Aufklärung von NS-Verbrechen. Mit seinem Namen und Wirken als Generalstaatsanwalt in Hessen von 1956 bis 1968 verbinden sich die Entführung Adolf Eichmanns nach Israel, die positive Neubewertung der Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 und die Frankfurter Auschwitzprozesse. Unerschrocken, rücksichtslos gegen den herrschenden Zeitgeist prangerte er die weit verbreitete Schluss-Strich Mentalität in der jungen Bundesrepublik an. Dass Bauer sich damit in einem Land, in dem die alte Nazigarde gerade wieder in die Chefsessel der Ämter zurückkehrte, nur wenig Freunde machte, liegt auf der Hand. Eine der wichtigsten Lehren aus dem Untergang der Weimarer Republik war für ihn, dass Demokratie dauerhaft nur gesichert werden kann, wenn die Rechte der Bürger gegenüber der Macht des Staates gestärkt werden. Seine öffentlich geäußerte Befürchtung, dass in Deutschland noch immer der Nährboden für neuen „Nationalsozialismus“ bestehe, brachte ihm heftigste Kritik der hessischen CDU ein, die seine Absetzung als Generalstaatsanwalt forderte.

Fritz Bauer, ein Vorreiter und Vordenker bei der Gestaltung einer demokratischen Justiz, der streitbare Demokrat, der „Nestbeschmutzer“, hat nie eine staatliche Ehrung erfahren. Am 30 Juni 1968 ist er in Frankfurt am Main verstorben.

18.11.2023, 18:00
Forum 3 Theater, Gymnasiumstr. 21, Stuttgart
Veranstalter: DGB-Region Stuttgart, Rosa-Luxemburg-Stiftung Baden-Württemberg, VVN-BdA Kreisverband Stuttgart

55. Todestag von Fritz Bauer

"Wir Emigranten hatten so unsere heiligen Irrtümer. Daß Deutschland in Trümmern liegt, hat auch sein Gutes, dachten wir. Da kommt der Schutt weg, dann bauen wir Städte der Zukunft. Hell, weit und menschenfreundlich. [...] Dann kamen die anderen, die sagten: „Aber die Kanalisationsanlagen unter den Trümmern sind doch noch heil!“ Na, und so wurden die deutschen Städte wieder aufgebaut, wie die Kanalisation es verlangte. [...] Was glauben Sie, kann aus diesem Land werden? Meinen Sie, es ist noch zu retten? [...] Nehmen Sie die ersten Bonner Jahre! Keine Wehrmacht! Keine Politik der Stärke! Nun betrachten Sie mal die jetzige Politik und die Notstandsgesetze dazu! Legen Sie meinethalben ein Lineal an. Wohin zeigt es? Nach rechts! Was kann da in der Verlängerung herauskommen?"

Fritz Bauer, Generalstaatsanwalt, Nazi-Jäger, 1903-1968

Quelle: Gerhard Zwerenz: Gespräche mit Fritz Bauer, 1967


Anpassung an einen Unrechtsstaat ist Unrecht

Generalstaatsanwalt Fritz Bauer Quelle: Fritz Bauer Institut / A. Mergen
Generalstaatsanwalt Fritz Bauer
Quelle: Fritz Bauer Institut / A. Mergen
"Wenn die Prozesse einen Sinn haben, so ist es die unumgängliche Erkenntnis, daß Anpassung an einen Unrechtsstaat Unrecht ist. Wenn der Staat kriminell ist, weil er die Menschen- und Freiheitsrechte, die Gewissensfreiheit, das Recht auf eigenen Glauben, (...) das Recht auf eigenes Leben systematisch verletzt, ist Mitmachen kriminell. Es ist, wie unsere Prozesse demonstrieren sollen, möglicherweise Mord, gemeiner Mord. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ich selber Hand anlege oder nicht. Es kommt nicht darauf an, ob an meinen eigenen Händen Blut klebt oder ob sie nur mit Tinte besudelt sind, ob ich aktiver Täter, Nutzniesser oder nur beifällig nickender Zuschauer bin."

Fritz Bauer (* 16. Juli 1903 in Stuttgart; –  1. Juli 1968 in Frankfurt am Main): "Warum Auschwitz-Prozesse?", in: Neutralität. Kritische Zeitschrift für Kultur und Politik, Jg. 2 (1964/65), H. 6–“7 S. 9, via Fritz Bauer Institut

Blogkino: Abschied von gestern

In unserer Reihe Blogkino zeigen wir heute Abschied von gestern, stilbildender Klassiker des Neuen Deutschen Films von Autor, Regisseur und Produzent Alexander Kluge. Zum Hintergrund des Films: "Abschied von gestern ist einer der ersten Langfilme, welcher die beim Oberhausener Manifest postulierten Anforderungen an einen zeitgemäßen Film zu erfüllen suchte. Alexander Kluge hatte das Schicksal der Anita G., das auf einem authentischen Justizfall aus dem Jahr 1959 basierte, bereits in seinem vier Jahre zuvor erschienenen Buch Lebensläufe aufgegriffen. In Stellungnahmen und Interviews bereitete er die Öffentlichkeit auf den Film vor, in dem seine Schwester Alexandra (eigentlich Karen) die Hauptrolle übernahm. Die Dreharbeiten fanden vom Dezember 1965 bis zum Februar 1966 in Frankfurt am Main, Mainz, Wiesbaden und München statt.

Die Darstellungsweise des Films ist unverkennbar den Prinzipien des Epischen Theaters geschuldet. Die einzelnen Szenen besitzen weitgehend Eigenständigkeit, das Geschehene wird in kühler, dokumentarischer, detailreicher Form präsentiert. Unvermittelt taucht der echte hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer als handelnde Person im Film auf und plädiert für eine Humanisierung der Justiz. Alfred Edel, damals wirklicher wissenschaftlicher Mitarbeiter, spielte auch im Film einen solchen, was für ihn der Einstieg zu einer Filmkarriere wurde.

Die FSK-Freigabe war zunächst strittig. Die Freigabe des Films für die deutschen Kinos kam erst, nachdem er beim Filmfestival von Venedig mit dem „Silbernen Löwen“ ausgezeichnet worden war." (WikiPedia)





Fritz Bauer: Heilige Irrtümer

Fritz Bauer als Heidelberger Student 1921
Quelle: WikiMedia
"Wir Emigranten hatten so unsere heiligen Irrtümer. Daß Deutschland in Trümmern liegt, hat auch sein Gutes, dachten wir. Da kommt der Schutt weg, dann bauen wir Städte der Zukunft. Hell, weit und menschenfreundlich. [...] Dann kamen die anderen, die sagten: „Aber die Kanalisationsanlagen unter den Trümmern sind doch noch heil!“ Na, und so wurden die deutschen Städte wieder aufgebaut, wie die Kanalisation es verlangte. [...] Was glauben Sie, kann aus diesem Land werden? Meinen Sie, es ist noch zu retten? [...] Nehmen Sie die ersten Bonner Jahre! Keine Wehrmacht! Keine Politik der Stärke! Nun betrachten Sie mal die jetzige Politik und die Notstandsgesetze dazu! Legen Sie meinethalben ein Lineal an. Wohin zeigt es? Nach rechts! Was kann da in der Verlängerung herauskommen?"

Fritz Bauer, 1903-1968

Quelle: Gerhard Zwerenz: Gespräche mit Fritz Bauer, 1967

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