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Spiegel: Habermas halbierte Warnung

Habermas 2007 an der Hochschule für Philosophie München
Foto: Wolfram Huke
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Alles reibt sich die Augen. Habermas hat im letzten SPIEGEL Merkel samt ihrer Regierung scharf angegriffen.Er benennt offen "Merkels -tranquillistisches Herumwursteln". Und weiter: "Ihrer öffentlichen Person scheint jeder normative Kern zu fehlen". Insgesamt geißelt der greise Philosoph ein Verhalten der Eliten insgesamt - und damit schließt er mit Recht die SPD mit ein - als eine "Trägheit" - ein Ausweichen vor den Erfordernissen der deutschen Vormachtstellung. Nach Habermas - wie nach Augstein und anderen - müssten sie doch schon aus europäischer Kostenersparnis endlich zusammenhalten zur Rettung der EU.

Die Frage ist nur: reicht diese Verwarnung aus? Sie setzt auf jeden Fall eine Art Wegducken voraus - ein Aufschieben der unglücklichsten Folgen auf später. Immer später. Bis man selber nicht mehr an der Regierung ist.

Ist das wirklich das, wovor wir zittern beim Anblick der Eliten? Es ließe sich doch auch ganz anders denken. Vielleicht nicht mehr zu Lebzeiten von Merkel und Schäuble, aber in ihrer Linie. Dass nämlich, wenn man sich einmal als Vormacht sieht in Europa - und diesen Schritt nicht mehr zurückgehen kann und will - man sich ganz offen als Herrscher aufführt. Und mit den jetzt schon angebahnten Mitteln durchgreift - und wirklich die Hegemonie über den Rest Europas ergreift. Mit den gewohnten Mitteln der wirtschaftlichen, aber auch militärischen Macht. Das heißt - dass die Elite in Deutschland sich anschicken wird, in ganz Europa offen die Macht zu ergreifen. Und viele Zuläufer in anderen Ländern erwarten wird. Dann nämlich wird sich die Vision erfüllen, die jetzt - vor allem in Griechenland - schon umgeht.

Die eisige Herrschaft über den Rest Europas. Einfach aus dem Gefühl des Getriebenseins. Zurück können wir nicht mehr - also los und durch. Was jetzt noch "alternativlos" heißt, wird dann immer noch so heißen. Aber vom Schicksalhaften überwältigt werden. Dann heißt es nicht mehr: Wir können nicht anders - sondern: wir wollen, weil wir es müssen.

Diesen Aspekt lässt Habermas völlig aus. Er sieht nur die Trägheit des Augenblicks. Nicht das Kräftesammeln für die Zukunft. Das Räkeln als Vorform des Sprungs. Auf die Beute.

Wie kommt es, dass Habermas dies alles nicht sieht? Vielleicht weil er sich altersmilde nur noch auf die Sicht der "Eliten" bezieht. In deren Augen mag das sich weitgehend so abspielen. Was er inzwischen gänzlich aus den Augen verloren hat, sind die Massen der Völker. Sie liegen wirklich im Augenblick noch unter den Augen der Herrschenden. Könnten sie sich aber nicht doch einmal losreißen - und selbst eine ganz andere Alternative erreichen?

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