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Die Existenzangst wächst – es droht massive Verarmung

Logo: Auf Recht bestehenOb bei den Lebensmitteln, den Energiekosten, der Miete oder anderen Ausgabeposten: Die Preise steigen in hohem Tempo. Besonders für diejenigen, die schon vor der Krise finanziell nicht über die Runden gekommen sind, prekär Beschäftigte, arme Rentner*innen und Bezieher*innen von Grundsicherungsleistungen, ist die Aussicht auf Herbst und Winter äußerst düster. Viele Menschen fürchten, bald ganz ohne Heizung und Strom dazustehen oder am Ende des Monats hungern zu müssen. Die bisher von der Bundesregierung geplanten Entlastungen ändern daran wenig, sie sind völlig unzureichend. Den größten Anteil beim jüngsten Entlastungspaket hat zudem die geplante Steuerentlastung, von der der Chefarzt achtmal so stark profitiert wie die Kassiererin.

Wir fordern eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung
Das geplante „Bürgergeld“ setzt trotz kleiner Verbesserungen Hartz IV als System der Verarmung und der Angst weiter fort. Daran ändert auch die zum 1.1.2023 angekündigte Anpassung der Regelsätze an die Inflation der letzten Monate wenig. 502 statt 449 Euro für eine alleinstehende Person sollen die Menschen in der Grundsicherung über den Monat bringen. Doch das ist bei weitem nicht genug. Die Anpassung kommt viel zu spät und geht von einem kleingerechneten Ausgangswert aus, der schon jetzt nicht zum Leben reicht. Auf den Tag gerechnet steht Betroffenen so sehr wenig Geld zu, von dem sie dann Lebensmittel, Strom, Kleidung, Schuhe, Anschaffung von Möbeln, und vieles andere bezahlen sollen – sofern das Jobcenter nicht schon etwas davon für ein vorheriges Darlehen o. ä. aufrechnet. Für Lebensmittel bleiben so rechnerisch knapp 6 Euro pro Tag übrig. Dass das reicht, glauben offenbar nicht einmal die Leitungen der Jobcenter mehr, die von NRW haben schon Anfang 2022 in einem offenen Brief eine sofortige Erhöhung der Regelsätze um 100 Euro verlangt!

Wir fordern konkret:
- Die Regelsätze müssen auf mindestens 678 Euro ab 2023 erhöht werden. Bis dahin ist ein sofortiger monatlicher Zuschlag von mindestens 150 Euro notwendig.
- Der Strom muss zusätzlich zum Regelsatz übernommen werden.
- Bei massiven Preissteigerungen muss der Regelsatz zügig angeglichen werden.
- Die Wohnkosten einschließlich Heizkosten müssen für alle Grundsicherungsempfänger*innen vollständig in tatsächlicher Höhe übernommen werden.
- Der Regelsatz soll das Existenzminimum sichern und Teilhabe ermöglichen. Leistungskürzungen wie zum Beispiel Sanktionen müssen deshalb ausgeschlossen werden.

Es reicht!
Das „Bündnis AufRecht bestehen“ will die Unzufriedenheit und die Wut vieler Menschen bei einem dezentralen Aktionstag unter dem Motto „Etikettenschwindel „Bürgergeld“ – Wir fordern eine armutsfeste und repressionsfreie Grundsicherung!“ klar zum Ausdruck bringen. Bisher haben bereits Gruppen in Berlin, Bonn, Dortmund, Herne, Koblenz, Kaiserslautern, Münster, Oldenburg und Wolfsburg verschiedene Aktivitäten angekündigt, die vor allem am 14.Oktober stattfinden sollen. Wir sind sicher, dass noch mehr dazu kommen. Eine Übersicht, wo etwas stattfindet, gibt es hier.

Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ wird getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS – NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover, Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB‐KV Bonn/Rhein‐Sieg, Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG‐PLESA), Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V. (FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal, ver.di Bundeserwerbslosenausschuss, Widerspruch e.V. Bielefeld sowie vielen örtlichen Bündnissen und Initiativen

Quelle: Pressemitteilung 10. Oktober 2022

Regelsatzbedarfsermittlungsgesetz – jetzt einschreiten!

Das bundesweite Bündnis AufRecht bestehen fordert den Bundesrat dazu auf, den Entwurf der Bundesregierung für ein Regelbedarfsermittlungsgesetz in der vom Bundestag beschlossenen Form zu stoppen, indem es den Vermittlungsausschuss anruft.

Bei der Sitzung am 27. November wird dem Bundesrat der vom Bundestag verabschiedete Entwurf für ein neues Regelbedarfsermittlungsgesetz zur Zustimmung vorliegen (Bundesrats-Drucks. 654/20). Die darin enthaltenen neuen Regelbedarfe werden die materielle Situation und die Teilhabechancen von beinahe 8 Mio. Menschen in den kommenden Jahren bestimmen. Wir hoffen sehr, dass der Bundesrat bei seiner kritischen Haltung zu den Methoden und Ergebnissen der Bedarfsermittlung bleibt und den Vermittlungsausschuss anruft. Auch, wenn das bedeuten sollte, dass die geplante Anhebung der Regelbedarfe zum nächsten 1. Januar zunächst verschoben oder diese – ersatzweise – auf Grundlage des alten Bedarfsermittlungsgesetzes bestimmt werden müssten.

Die Bundesregierung hat ihre Hausaufgaben einfach nicht gemacht. Die vom Bundesrat vorgetragene dezidierte Kritik hat sie gänzlich unbeeindruckt gelassen. Die Erwiderung der Bundesregierung zu dieser Kritik, die sich in der Bundestags-Drucksache 19/34549 findet, lässt keine ernsthafte Bereitschaft erkennen, auf die Länderkammer zuzugehen. Abgesehen von den Anpassungen, die im Zuge der Aktualisierung anhand der jüngsten Preis- und Lohnentwicklung vorgenommen wurden, und der Hinzufügung weiterer Artikel bleibt der wesentliche Inhalt des Gesetzes in den hier maßgeblichen Artikeln 1, 2 und 3 der alte. Die Summe der Streichungen einzelner Ausgabepositionen widerspricht dem Statistikmodell und stellt die Ermittlung der Regelsätze insgesamt in Frage.

Wir teilen zusammen mit Gewerkschaften, Wohlfahrts- und Sozialverbänden die fundierte Kritik der Länderkammer an dem Gesetzesentwurf der Regierung (Näheres dazu auch unter https://www.erwerbslos.de/aktivitaeten/716-kritik-an-zu-niedrigen-regelsaetzen). Der Umfang der letztlich willkürlichen Streichungen bei einzelnen Bedarfspositionen macht z. B. für Alleinstehende rund 160 EUR aus. Das ist für die Betroffenen ein gewaltiger Betrag, der Monat für Monat in der Haushaltskasse fehlt. Tatsächlich verfügte das ärmste Zehntel der Bevölkerung 2017 nach dem aktuellen Verteilungsreport 2020 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung real sogar über niedrigere Einkommen als 2010. In dieser Einkommensgruppe wird das Einkommensniveau bei den meisten Menschen vermutlich fast vollständig durch die staatlichen Grundsicherung (SGB II, XII und AsylBlG) bestimmt. Das weist deutlich darauf hin, dass die jährlichen Anhebungen der Regelbedarfe nicht ausreichen, um den ohnehin niedrigen Lebensstandard der Leistungsbeziehenden zumindest auf niedrigem Niveau stabil zu halten. Armut und Ausgrenzung in Deutschland werden also schlimmer, nicht besser. Dieser Befund wird durch den jüngst vorgestellten Armutsbericht 2020 des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes bestätigt. Von Armut betroffen sind neben Arbeitslosen auch z. B. viele Alleinerziehende, Personen mit niedrigem Erwerbseinkommen, die dies durch Leistungen der Grundsicherung aufstocken müssen, Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Pflegende und auch viele Kinder, die mit im Haushalt leben.

Das sind für uns und viele Betroffene ausreichende Gründe, den Gesetzentwurf der Regierung abzulehnen. Bundesländer, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände haben wiederholt auf die methodischen Unzulänglichkeiten bei der Bedarfsermittlung hingewiesen und Alternativen vor-geschlagen. Die Bundesregierung hingegen schaltet auf stur. Sie möchte eine breitere Diskussion über die Art der Regelsatzbemessung und die Höhe der daraus resultierenden Sätze offenkundig vermeiden. Die bisherigen Fehler und Schwächen der Bedarfsermittlung werden mit dem Entwurf einfach fortgeschrieben.

Das Bündnis „AufRecht bestehen“ fordert die Vertreter und Vertreterinnen der Bundesländer beim Bundesrat daher auf den Gesetzesentwurf der Bundesregierung abzulehnen. Sie sollten sich stattdessen für ein faires und nachvollziehbares Verfahren zur Bestimmung der Regelbedarfshöhe sowie für eine armutsfeste Regelleistung einsetzen. Das fordern wir zusammen mit all den anderen Menschen, die anlässlich der Aktionstage am 30./ 31.10.2020 bundesweit in vielen Städten unter Beteiligung von Gewerkschaften und Sozialverbänden protestiert haben (siehe dazu die Dokumentation). Die in diesem Zusammenhang unter den erschwerten Bedingungen einer Pandemie gesammelten über 1.500 Unterschriften für die Rücknahme aller politisch motivierten Streichungen am Existenzminimum und für eine Bemessung der Regelbedarfe, die Armut und Ausgrenzung verhindern, werden wir beim Präsidenten des Bundesrates einreichen.


Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ wird getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS – NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover, Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB-KV Bonn/Rhein-Sieg, Bundesarbeitsgemeinschaft Prekäre Lebenslagen (BAG-PLESA), Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V. (FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal, ver.di Bundeserwerbslosenausschuss, Widerspruch e.V. Bielefeld sowie vielen örtlichen Bündnissen und Initiativen


Quelle: Pressemitteilung 26. November 2020

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