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SPIEGEL: Schmeichelmund und Schmunzeligel beim zweisamen Lobgesang auf das Schlichterwesen

Zwei verdiente Spiegelautoren entdecken in der neuesten Nummer des Blatts (SPIEGEL-print: 30.10.2010-S.31/32: Runder Tisch statt High Noon von Matthias Bartsch und Andrea Brandt) die todsichere Methode, jeden Volksaufstand rechtzeitig zu ersticken. "Mediation" heißt sie - und besteht darin, rechtzeitig - bevor alle die Lästigkeiten des Programms mitbekommen haben - "runde Tische" zusammenzurufen, um sich friedlich zu einigen. Mappus schrie sich schon mehrfach sehnsuchtsheiser nach den schönen Zeiten um Frankfurt in Mörfelden und Flörsheim, wo sich die Anwohnenden geduldig das Fell über die Ohren ziehen lassen. Genauer: eben diese Ohren füllen lassen vom ungeniertesten Lärm der startenden und vor allem landenden Jets aus allen Ländern.

Was haben die beiden verzückten Engel des Preises der Verschleimung an Beispielen zusammengekratzt?

Das Nichtrauchergesetz in Bayern, die Schulreform in Hamburg, den Flughafenausbau um Frankfurt. Im Hintergrund darf der "Runde Tisch" an sich nicht vergessen werden. Derjenige von 89/90 in Berlin, wo die Überwältigten sich dem Anschluss preisgaben und die Selbst-Plattwalzung begrüßten. Das klappte damals einfach dadurch, dass die wenigsten schnell genug kapierten, wohin die Währungsreform nach einem Jahr führen würde. Zur Gesamtübernahme des Handels- und Produktionswesens in einem vor kurzem noch lebensfähigen Gebiet.

Nicht das Gerede um den geduldigen Tisch herum schuf die Unterwerfungslust, sondern aktiv betriebene Verdummung. Die Landschaften blühten vielleicht, wie versprochen, aber in einem entvölkerten Gelände.

Zum Triumph des Gymnasiums in Hamburg muss nicht viel mehr gesagt werden. Zur gewollten Nichtaufklärung über die Folgen kam hier die Selbstorganisation der gymnasien-bezogenen Minderheit, die das Wahlrecht wahrnahm und ausnutzte. Die Folgen werden sich zeigen - und möglicherweise dann zu den Aufständen führen, die jetzt vermieden wurden.

Die größte Unverschämtheit des Artikels besteht im psalmodierenden Lobpreis auf die wunderbare Mediation im Streit um den Frankfurter Flugplatzausbau. Hier kann von Überraschung der Menge freilich keine Rede sein. Eher von Ermattungsstrategie. Nach so und soviel Demonstrationen, über die Jahre hin, die zum größten Teil brutal niedergeschlagen wurden, kamen die Wohlgesinnten und versuchten - sicher oft selbst getäuscht und guten Willens - Verhandlungen anzubieten. Nach langer Zeit endlich eine fadenscheinige Einigung. Wichtigster Punkt: Um den Leuten in den Einflugsschneisen halbwegs ein ruhiges Überleben zu sichern: Nachtflugverbot. Also für kurze Zeit Ermattungsfrieden.

Was folgte? Systematische Bestreitung der Rechtsverbindlichkeit des "Friedensschlusses". Aitport schluchzte durch alle am Ort vorfindbaren Zeitungen: "Pleite - ohne Nachtflugerlaubnis". Die Regierung Koch sprach sich wie ein Mann gegen die Verbindlichkeit aller Abmachungen aus.

Verwaltungsrichter wussten allesamt, was sie der Industrie des Landes schuldig waren - und neue Lärmschneisen wurden erfunden und genehmigt. Da man in den einzelnen Ortschaften um Frankfurt herum ganz verschieden belästigt war, wurde einheitlicher Widerstand nicht mehr möglich. Die jungen und alten Banker sangen den Begleitchoral.

In einem winzigen Sätzlein geben die Autoren diesen Misserfolg zu, ohne erkennen zu lassen, dass damit die zwei Seiten vorher zu Verklärungslügen im Wind werden.

Soviel zu den Aussichten für Stuttgart. Mappus und die seinigen haben nicht einmal die Rechtsgültigkeit einer Einigung in Aussicht gestellt. Die Volksabstimmung wäre ein Verbrechen an unserer repräsentativen Demokratie. Die Regierung wusste das automatisch. Für Uneinsichtige wurde Richter Kirchhof herangezogen als Gutachter. Der wuste es, wie zu erwarten war, noch viel, viel besser.

Was also kann bei den weiteren Runden in Stuttgart noch herauskommen? Die Hör- und Sehbereitschaft der Interessierten wird für die nächsten Termine an Radio und Fernsehen abnehmen. Die Regierung Mappus hat ihre Verhandlungsunwilligkeit und damit Geschäftsunfähigkeit für den vorliegenden Fall offen ausgesprochen. Gelegenheit genug, mit Dank an den möglicherweise illusionsfrohen und gutherzigen Geissler das unfruchtbar werdende Verfahren abzukürzen.

“Juristen zu S21″ zum Polizeieinsatz und Untersuchungsausschuss

Die "Juristen zu S21" haben eine Pressemitteilung zu den Ereignissen am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten veröffentlicht, die wir im Wortlaut dokumentieren:

Rechtsverdrehung von Staats wegen- Szene in Heiligendamm, 2007
Die „Juristen zu Stuttgart 21“ sind ein unabhängiger Arbeitskreis von zurzeit etwa 30 Juristinnen und Juristen unterschiedlicher Berufsgruppen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Diskussionen über Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 zu versachlichen.

Die Ereignisse des 30. September 2010 sind mit dem Projekt Stuttgart 21 eng verknüpft.

Entgegen wiederkehrender Ausführungen seitens Teilen der Politik und seitens der Polizei war die Räumung des Mittleren Schlossgartens durch die Polizei zur Ermöglichung der Baumfällarbeiten rechtswidrig. Die Polizei hat nicht berücksichtigt, dass im Mittleren Schlossgarten eine grundrechtlich geschützte Spontandemonstration stattgefunden hat. Solange sich die Demonstranten aber auf das Versammlungsgesetz berufen können, findet das Polizeirecht keine Anwendung. Die Polizei war außerdem für eine Auflösung der Spontandemonstration nicht zuständig. Aufgrund der Fortgeltung des Versammlungsgesetzes durfte kein unmittelbarer Zwang durch Einsatz von Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcken ausgeübt werden. Darüber hinaus waren die Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs auch unverhältnismäßig. Ein solch schwerer Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit lässt sich mit Provokationen durch Einzeltäter juristisch nicht rechtfertigen.

Die vollständige Stellungnahme des Arbeitskreises ist auf der Webseite www.juristen-zu-stuttgart21.de abrufbar.

Die „Juristen zu Stuttgart 21“ begrüßen daher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Landtag des Landes Baden-Württemberg.

Die „Juristen zu Stuttgart 21“ fordern sowohl die Landesregierung als auch die im Landtag vertretenen Parteien auf, die Arbeit des Untersuchungsausschusses konstruktiv zu unterstützen. Die Klärung der politischen Verantwortung ist vor allem für die vielen Verletzten, aber auch für die Polizeibeamten, die von der Politik gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wurden, von großer Bedeutung. Da der Untersuchungsausschuss mit Ablauf der Wahlperiode automatisch endet (Diskontinuität), wäre seine Verschleppung bis zur Landtagswahl im März 2011 ein Signal an die Bevölkerung, dass die Regierungsparteien kein Interesse an der Aufklärung haben.

Neben der Aufarbeitung der politischen Verantwortung für den Polizeieinsatz am 30. September 2010 in einem Untersuchungsausschuss, erwarten die „Juristen zu Stuttgart 21“ eine objektive Aufarbeitung durch die Justiz. Berichte, dass Polizeibeamte, die sich kritisch zu dem Einsatz und zu den Verantwortlichkeiten äußern, starkem Druck innerhalb ihrer Behörde ausgesetzt werden, wecken Zweifel am Aufklärungswillen der Verantwortlichen. Auch hier ist die Landesregierung gefordert, eine objektive juristische Aufarbeitung zu unterstützen und nachgeordnete Behörden dazu anzuhalten.

Die sorgsame Aufarbeitung der Räumung des Mittleren Schlossgartens vom 30.September 2010 hat letztlich der Gewissheit der Bürger zu dienen, dass sie von ihrem Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit Gebrauch machen können und dabei –“ so wie es das Versammlungsgesetz auch vorsieht –“ durch staatliche Organe geschützt werden.

Quelle: via Bei Abriss Aufstand

Flop am Samstag: Die Pro S21 Kundgebung

Gestern dachte ich mir: "Schau doch mal bei der PRO S21 Kundgebung auf dem Schlossplatz vorbei".  Nicht, dass ich mir eines Tages nicht vorwerfen lassen muss, ich hätte der Gegenseite keine Chance gelassen. Die haben sie jedoch nicht genutzt.

Die Polizei rechnete die Anwesenden auf 7000 hoch, die Veranstalter rundeten auf: 10000 sollen es gewesen sein, und das, obwohl sie in ihrer tollen Facebook Gruppe ganz doll mobilisiert haben und es kostenlose Fahrten nach Stuttgart gab, wie bei der CDU Göppingen. Gehässiger Seitenhieb der Moderation auf die Gegner: "Wenn wir so rechnen würden wie die Gegner, nämlich die Füße zu zählen, wären wir heute doppelt so viele". Beifall vom Fußvolk für den Flachwitz.



Ein (Noch) Bahn Chef, der dazu aufrief, die "ohnehin hochgekochte, politisch und emotional aufgeladene Situation" nicht noch weiter zu befeuern und natürlich das Schlichtungsverfahren lobte. Um im selben Atemzug - "ich sage es Ihnen ganz ehrlich..." die sattsam bekannten Plattitüden von sich zu geben: "Die Deutsche Bahn kann darf und will keinen Baustopp", winkte erneut mit tausenden neuer Arbeitsplätze, Bäume und Wohnungen und erhielt artig Beifall von der zwischendrin "Weiterbauen! Weiterbauen" skandierenden und mit Deutschland Fähnchen winkenden Menge. Kennen wir alles, wurde schon oft genug widerlegt.



Ein paar abgehalfterte Politiker, die außer den PRO S21 Demonstranten keiner mehr sehen will. Ex - Ministerpräsident Erwin Teufel sieht die "Grundpfeiler der Demokratie" in Gefahr, wenn sich die Gegner von S21 durchsetzen. Dafür gab's frenetisches "Erwin! Erwin!" Gejohle des vom kostenlosen Sekt offenbar schon berauschten Publikums. Kein Wunder, wollten die unsere sauren Gurken nicht haben. Naja, RESIST schmeckt sowieso besser, außerdem passen Alkohol und Demo ohnehin nicht zusammen.



Ein gescheiterter Projektsprecher, dessen Nachfolger vorsorglich nicht an der Kundgebung teilnahmen. Immerhin hat er ausgemacht, warum "Boulevardblätter" wie der "Stern" kritische Berichte bringen: Weil dort nicht die Südwestpresse über ihre Beteiligungen die Finger drin hat, wie bei der Regionalpresse. Aber immerhin, einige seiner wichtigen Argumente fielen auf fruchtbaren Boden:



Die Moderation inne hatte ein sich ganz und gar unchristlich verhaltender Pfarrer, der nebenbei sämtliche Redner heiligsprach, die Gegner des Projektes jedoch auch gestern diffamiert: Alle auf jeden Fall "linksgerichtet". Hach, wenn's nur so wäre!

Dazwischen: Absolut unterirdische, billige "Sex sells Pro S21" Reklame. Und ein Nazivergleich, den nicht nur ich zum Kotzen finde:



Klar, das waren bestimmt linksradikale Provokateure. Nach der Sichtung dieses Motives langte es mir. Zum Glück gab es noch die Möglichkeit, an einer Spontandemo mit mehreren tausend S21 GegnerInnen teilzunehmen, die ausgehend von der Kundgebung am Nordausgang stattfand.



Berittene und andere Polizeikräfte hatten dabei die beiden Demonstrationen fein säuberlich getrennt. Dazwischen die Stimme ihres Herrn aus dem Off: "–˜Ich stehe uneingeschränkt zur Polizei und es wäre gut, wenn dies alle tun würden. Dabei verbieten sich öffentliche Ferndiagnosen, denn sie nützen niemanden und desavouieren die aktiven Polizisten, denen viel Aggression entgegenschlägt–™, [...]. Und: –˜Es ist eine Hysterie und eine planmäßig gesteuerte Erregung gegenüber der Polizei zu spüren, aber auch gegenüber allen, die für dieses Projekt sind.–™"(Via politblogger)



Ab morgen beginnt dann die 12. Aktionswoche gegen Stuttgart 21.



Fotos von den Protesten gegen S21:
Buntgrau
Realfragment
Action-Stuttgart

Was mir heute wichtig erscheint #232

Hochwasserschutz: "Diesen Winter will die Stadt Hannover am Glocksee-Ufer gegenüber dem Ihmezentrum mit dem Abholzen von 300-400 erhaltenswerten Bäumen beginnen. Die Abholzung ist Bestandteil des umstrittenen Jahrhundert-Hochwasser-Projektes „Calenberger Loch“, dass gegen den Willen zahlreicher Anwohner und Nutzer der Parkanlagen durchgeführt werden soll. Der Glocksee-Park liegt in einer der dichtbesiedeltesten Gegenden von Hannover. Die Abgrabung führte zu dem Verlust einer wichtigen grünen Ausgleichfläche und „einer ökologischen Degradierung für Jahrzehnte und zur Zerstörung des Stadtbildes mit dem Ihmegrünzug“ (BUND). Der Kinderspielplatz an der Glocksee würde verschwinden, genauso wie das Nistgebiet von sieben geschützten Fledermausarten. (...)" Mehr Information bei der Bürgerinitiative gegen das Calenberger Loch

Gebilligt: Das Kabinett hat nun den Referentenentwurf vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialem für die Hartz IV Regelleistungen nach SGB II / SGB XII gebilligt. Die Erhöhung der Hartz-IV-Sätze um lediglich fünf Euro verstößt gegen mehrere Bestimmungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Zu diesem Ergebnis kommt die Jura-Professorin Anne Lenze in einer Studie für das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) mit Sitz in Düsseldorf. Verschiedene  Stellungnahmen und Einschätzungen zum alten Entwurf sind bei Harald Thome zu finden. Lutz Hausstein schreibt beim Spiegelfechter über eine Alternative.

Streikrecht: "Als Reaktion auf die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassene Tarifpluralität haben der Arbeitgeberverband BDA und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine gemeinsame Initiative zur gesetzlichen Wiederherstellung der Tarifeinheit gestartet. Der Vorstoß wurde von verschiedenen Parteien und RegierungsvertreterInnen ausdrücklich begrüßt, so dass in absehbarer Zeit mit einem entsprechenden Gesetzgebungsverfahren zu rechnen ist. Wir als BasisgewerkschafterInnen aus der FAU lehnen diese Initiative und entsprechende Gesetzesvorhaben entschieden ab. (...)" Ein für jedeN GewerkschafterIn sehr lesens- und bedenkenswertes Positionspapier der FAU-IAA. Siehe auch die Themenseite bei LabourNet

Hintergrund: Warum die Polizei in Stuttgart wirklich so hart zuschlug: Die "Monitor" Sendung vom 21.10.2010 um 21:45 zum "blutigem Donnerstag" und wie nett "unsere Polizei" eigentlich ist. Außer am 30.09. halt. Denn wirklich aufgedeckt, wer die Verantwortung dafür zu tragen hat und deshalb zurücktreten muss hat der Beitrag nicht. Leider. Ein Hinweis gibt Thomas Mohr von der Gewerkschaft der Polizei und muss deshalb offenbar mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen. Siehe auch die Pressemitteilung der "Kritischen Polizisten" vom 19.10. und deren Kritik an mindestens mindestens 15 Rechtswidrigkeiten, die seitens der Polizei und der Politik zu verantworten sind. Daher hier nochmal: "Mappus und Rech müssen wech!"

Haarsträubend: "Zweifelsohne ein Tiefpunkt der Ideologieproduktion der deutschen K-Gruppenszene, ein vergeblicher Versuch der KPD/ML sich mittels verschwörungstheoretischer Pseudoanalyse populärkultureller Erscheinungen in das deutsche Spiesserherz einzuschleimen. Immerhin hielten sich nicht alle KPD/ML-Mitglieder an die mode-politischen Vorgaben ihrer Parteileitung." Entdinglichung hat einen drolligen Text eine Anleitung zum Thema abendländische wahrhaft moralische und kulturelle Werte ausgegraben.

Mitprügeln: Am morgigen Samstag gibt es eine Demonstration in Kreuzberg, organisiert vom Aktionsbündnis “Atomkraft wegbassen– mit dem Titel "Den Castor durch Kreuzberg prügeln".  Via blogrebellen

Schachmatt: Schon in der Vergangenheit ist es AntifaschistInnen aus Karlsruhe und Region immer wieder geglückt gegen sich etablierende Neonazi-Zentren erfolgreich vorzugehen. Weder in Rastatt noch in Karlsruhe-Durlach konnten sich die Zentren lange halten. Trotz der abgelegenen Lage und der schwierigen Besitzverhältnisse des „Rössle“, die ein Vorgehen schwieriger machen als bei bisherigen Zentren in der Region, sind antifaschistische Proteste dringend notwendig. Gerade die Tatsache, dass Neonazis hier über längere Zeit ungestört Infrastruktur schaffen und Konzerte zur Finanzierung ihrer Arbeit durchführen konnten, macht dieses Zentrum besonders gefährlich. Ein Aufruf zur Demonstration gegen das Nazizentrum in Rastatt um 12 Uhr am Bahnhof 23.10.10, danach in Söllingen ab 15 Uhr beim "Rössle".

Angriffsziel: Mit Handys telefoniert heute kein Mensch mehr. Ausschließlich. Die modernen Telefonzellen haben sich längst zu Kleincomputern mit eigenständigen Betirebssystemen entwickelt, all dazugehörende Probleme inclusive. "Die Artikel "Mobile Bedrohungen - Spionageangriffe und Abzocke auf Android und iPhone" und "Ungesicherte Einsichten - Sicherheit von Apps für Android und iPhone" setzen sich mit der Sicherheit der Plattformen sowie der darauf laufenden Anwendungen auseinander." via heise.de

Reaktion: Die Bundeswehr sieht laut eigener Darstellung durch die Inbetriebnahme ihres zweiten Kommunikationssatelliten ComSat Bw 2 "die deutschen Streitkräfte in der Lage, globale strategische und taktische Fernmelde-Netze herzustellen und schnell auf alle Lagen reagieren zu können." So beispielsweise mit dem Aufklärungssystem SAR-Lupe. Es soll ermöglichen, "krisenhafte Entwicklungen aus dem All weltweit frühzeitig zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren."

Planungstreffen: Am Freitag, dem 22. Oktober, dem Jahrestag der Audimax-Besetzung, lädt #unibrennt in die ARENA Wien ein, um bei Geburtstagstorte und guter Musik über ein Jahr Bildungsprotest zu diskutieren. Bereits ab 18 Uhr gibt es Reflexionen mit FM4-Ombudsmann Hosea Ratschiller. Am 27. Oktober findet ein großes #unibrennt-Plenum an der Technischen Universität Wien statt. Studierende aller Wiener Universitäten werden dort das weitere Vorgehen im Herbst planen.

Verhaftungen: Bei einer Grossrazzia im Baskenland und in Katalonien verhaftete die spanische Polizei in den frühen Morgenstunden mehr als 10 Jugendliche aus dem Umfeld der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung. Die Jugendlichen hätten angeblich die in Spanien verbotene baskische Jugendorganisation Segi neu gründen wollen. Segi ist in Frankreich legal. Mehr bei den Freunden des Baskenlandes

Infotour: Am 30. Oktober 2010 werden in Neuhausen und Leonberg antifaschistische Infotische stattfinden. Die Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart will "damit verdeutlichen, dass es in der Region um Stuttgart keine Rückzugsorte für Faschisten geben darf und dass den kontinuierlichen Naziaktivitäten in diesen Regionen unter Anderem mit dieser Aktion zusammen mit jungen Gruppen vor Ort entschlossenes antifaschistisches Engagement entgegengesetzt wird".

Blasmusik: In Balingen soll vom 22. - 24. Oktober 2010 das "BW-Musix", veranstaltet von der Bundeswehr, stattfinden. Es handelt sich um einen Musikwettbewerb für Blasmusikgruppen mit dem Ziel, unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen neue Soldaten zu rekrutieren und das öffentliche Bild der Bundeswehr zu verbessern. Dagegen gibt es eine Demonstration am Samstag, 23. Oktober, Uhr, zu dem unter anderem das "Offene Treffen gegen Militarisierung Stuttgart" aufruft. Aus Stuttgart und Tübingen gibt es gemeinsame Zugfahrten, Stuttgart: 12.00 Uhr an Gleis 12 im Hauptbahnhof, Tübingen: 12.45 Uhr an Gleis 2b im Hauptbahnhof.

nachschLAg: Ein unvollständiger Wochenrückblick zur Entwicklung in Lateinamerika

Das LINKE am Sturm gegen Stuttgart 21

Protestdemo gegen den drohenden Abriss des Nordflügels am 19.08.2010
Catrin Dinger, strenge Richterin aus "Jungle Word" hat herausgefunden, dass die Gesamtbewegung in und um Stuttgart nur zur deutsch-nationalen Knollenbildung reichte. Und wie flugs die das bewies! Ihre Methode: Zerlegung. Sie sieht die Leute, die Bäume retten wollen. Gleich legt sie uns die alten Germanen - sinngemäß -nahe, die um die Eichen tanzten. Gegen die was Sankt Bonifatius noch ein Aufklärer mit seinem Hackebeilchen. Oder die Verehrung für das Bauwerk eines Architekten, der aus dem nationalen Monumentalismus auch nie herausfand. Am verdächtigsten die teilnehmenden Personen: die wollten ihr Grün und ihre Ruhe! Manche wurden erwischt, die in der Eile "Lebensraum" sagten. Was an dem Ganzen soll da "links" sein?

Was fehlt bei der Kritik der Griesgramin? Anwort: Der Zusammenhang.

Von niemand bestritten wird, dass viele von denen, die sich heute einmütig gegen "Stuttgart 21" wenden, unter anderen Umständen gegeneinander stellen würden. Wenn es etwa um höhere Erbschaftssteuer ginge.

Die Kritikerin hält an einer allzu engen Fassung des "Linken" fest. Links - das sollte nach ihr wohl die Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter innnerhalb der Fabriken sein. Zunächst um den Lohn, später vielleicht um das ganze System der Lohnarbeit.

Gestehe ich es offen, dass im Kommunistischen Bund Westdeutschland selig, dem ich mit Kretschmann zusammen einst angehören durfte, ähnliche Vorstellungen umgingen. Eigentlicher Klassenkampf gehörte nach dieser Vorstellung in den Betrieb. Die Tatsache, dass die erbitterten Auseinandersetzungen um Wyhl, um Wackersdorf, um Startbahn West,in Brockdorf samt und sonders außerhalb der Fabrik stattfanden, sollte uns nicht irremachen. Hilfsweise wurde der Begriff der "Volkskämpfe" herangezogen, die sozusagen als Wolke um die "eigentlichen" Klassenkämpfe zu wogen hatten. Nicht, als hätten die Leute vom KBW und "Roter Fahne" sich nicht als entschlossenste auch an die Spitze dieser Kämpfe gesetzt. Nur reichte das als Salbe gegen das schlechte Gewissen nie ganz: was war mit dem Aufstand in den Fabriken?

Bis dem einen oder anderen unter uns auffiel, dass der Ansatz falsch war. Produktion selbst war zu eng gesehen. Wir richteten den Blick auf den Mann, die Frau am Fließband, an der Werkbank, als verbrächten sie dort das ganze Leben. Als wäre Produktion überhaupt noch einschließbar in irgendwelche Hallen. Was war mit den Produktionsgelegenheiten - und Möglichkeiten zwischen einem Arbeitsort und dem weiterverarbeitenden nächsten? Was mit dem An-und Abtransport der Leute, die sich erst einmal in den Hallen einzufinden hatten. Was mit der Gegend um die Wohnungen der Arbeitenden herum?

Was mit den Schlaf- und Bewegungsmöglichkeiten um Flörsheim oder Offenbach, welche die Startbahn West schmatzend wegfraß? Das gleiche gilt nach den Erfahrungen von Tschernobyl aber mit dem Leben selbst der Arbeitenden - wie aller übrigen- und den Gesundheitsbeeinträchtigungen.

Versuchsweise lässt sich also formulieren, dass es heutzutage im Klassenkampf nicht um die Herrschaft in der Fabrik allein gehen kann, sondern dass er darüber hinaus Verfügung über den gesamten Bewegungsraum anzielen muss - damit Bestreitung des Zugriffs der großen Monopole und ihrer Planungs-und Enteignungskompanie.

Hinzu kommt eines: Gramsci hatte sehr gut auseinandergesetzt in den zwanziger und dreißiger Jahren, als er im Knast Mussolinis saß, dass es im Zusammenhang mit dem Klassenkampf um Hegemonie geht.. Hegemonie - gemeint als die Meinungsführerschaft, die gegenwärtig Merkel und Seehofer als "Lufthoheit über den Stammtischen" beanspruchen. Hegemonie - gemeint als Kraft, gewisse Gesichtspunkte, Meinungen und Handlungsanweisungen als unumgänglich alllen anderen aufzuzwingen, die im Gespräch ernst genommen werden wollen. Aus der Hegemonie heraus würden sich demokratische Mehrheitsentscheidungen ergeben.

Warum hat das Rezept Gramscis bisher so selten hingehauen?

Weil es bisher sehr oft einer Mehrzahl gelungen ist, sich einfach uninteressiert zu geben. Nicht betroffen. Was die da oben beschlossen haben, wird schon seine Ordnung haben. Sind doch mit den Mappussen und Rechs immer gut gefahren. Damit konnten sich die Vielen aus dem Streit heraushalten.

Das ist im Fall des Protests gegen "Stuttgart 21" kaum noch möglich. Wie selbst die Apostel der Bahn zugeben, wird der Bau zehn Jahre lang dazu bringen, in Schlammstiefeln die Innenstadt zu durchqueren. Dieser Situation gegenüber ist faule Neutralität kaum noch möglich. Man muss Stellung nehmen und gerät damit in den Sog der hegemonialen Ausrichtung.

Geissler hat in einer der hundert Diskussionssendungen mit Recht darauf hingewiesen, dass in seinen Runden endlich einmal die Verträge offengelegt werden müssen, die Bahn, Stuttgart und Regierung untereinander abgeschlossen haben, als seien das Abmachungen zwischen ein paar privaten Besitzern. Nur reicht diese Offenlegung bloß für den ersten Schritt. Für eine Annäherung an die entscheidende Frage: Wer wen? Wenn nämlich erst einmal die zu erwartenden Kosten feststehen - wohlgemerkt die im gegenwärtigen Augenblick - kann - und muss - sinnvoll gefragt werden:

Wem soll das hier zu Bezahlende zukommen? Dem Monopol und dem ihm zuarbeitenden Staatsapparat - oder denjenigen, die endlich volle Verfügung über den eigenen Bewegungsraum verlangen. Und zu erkämpfen haben.

Ein weiteres Ergebnis der bisherigen Bewegung: wer sich einmal auf die Hinterbeine gestellt hat, auf die eigenen, wohlgemerkt, um seine Stadtmitte, seinen Baumbestand, seine Kontakte zu verteidigen, der kommt schrittweise ab vom kindischen Vertrauen, die Oberen- insbesondere die Parteien- würden im Endeffekt die Sache schon regeln. Entweder CDU und FDP. die uns so lange trefflich geführet - oder die neuen, die im Augenblcik manche Interessen der Kämpfenden vertreten. Es wird hoffentlich nur wenige geben, die über dem gegenwärtigen löblichen Einsatz der GRÜNEN die Schamlosigkeiten vergessen, die unter Fischer - und nicht nur unter ihm - begangen wurden. Vom Wackelpudding selbst, der SPD voller Wehmut und Gebetshaltung, gar nicht zu reden. Es kann sich empfehlen, bei allem Misstrauen gegen den Rest der Parteien Mappus abzuwählen. Das wird ohne ein Ja zu LINKEN, GRÜNEN und voller Nachsicht für die Verjauchten der SPD nicht gehen. Wichtig aber, nach der Wahl die Maßnahmen schärfster Aufsicht nicht zu vergessen. Nie mehr darf eine Regierung, einmal gewählt, sich vergnügt im Faulbett wälzen, in der genüsslichen Illusion: Ab jetzt sei alles erlaubt. Mindestens eine Wahlperiode lang. Auch ein Kretschmer oder ein anderer grüner Sendbote muss Tritte in den Hintern fürchten - die ganze Regierungszeit lang.

Ergebnis also: Der Proteststurm gegen Stuttgart 21 ist nicht einfach links, wie ein Ding, das man gefällig angemalt hätte. Aber dieser Sturm eröffnet die Möglichkeit für viele, links zu werden - dann nämlich, wenn sie über die dabei gemachten Erfahrungen lernen, sich - unabhängig von allen angeblich vorgegebenen Instanzen - auf die eigenen Beine zu stellen und die eigenen Interessen zu vertreten - gegen den Raubzugriff der Monopole und des ihnen dienstbaren Staates.

"Stuttgart 21" - längst keine Frage der Argumente mehr...

Jetzt konsequent bleiben!
Am 9. Oktober kam es in Stuttgart erneut zu einer Großdemonstration gegen "Stuttgart 21" mit bis zu 150.000 Menschen. Damit verdreifachten sich innerhalb weniger Wochen die Teilnehmerzahlen. Insbesondere sich politisierende Jugendliche, linke AktivistInnen, kämpferische GewerkschafterInnen und BürgerInnen die sich nicht länger alles gefallen lassen wollen, zeigen ein enormes Durchhaltevermögen und haben einen von vielen kaum vermuteten und auch unterschätzten Widerstandswillen entwickelt.

Polizeigewalt am 30. September verbreitert den Widerstand und setzt Kampf um demokratische Rechte auf die Tagesordnung.

Unter dem Motto „Bildung statt Prestigebahnhof“ sind an diesem Tag 2.000 SchülerInnen auf die Straße gegangen. Alarmiert durch die Meldung, dass starke Polizeikräfte zusammengezogen wurden und offenbar das Fällen der ersten Bäume unmittelbar bevorstand, zog die friedliche Schülerdemonstration in den mittleren Schlossgarten.

Die Hoffnung vieler, die Polizei werde sich auch diesmal weitgehend friedlich verhalten, wurde jedoch enttäuscht: Im Schlossgarten wurde die Schülerdemo durch einen brutalen Polizeieinsatz beendet. Unter den mehreren hundert Verletzten waren viele nicht nur körperlich sondern auch seelisch verletzte und traumatisierte Kinder.

Immer mehr Menschen trafen im Laufe des Tages ein und widersetzten sich durch friedliche Sitzblockaden, Baumbesetzungen, Transparente oder einfach durch ihre Anwesenheit.

Mit einer pflichtbesessenen Brutalität, die an Heiligendamm oder Strasbourg erinnerte, wurden Blockaden durch die aus verschiedenen Bundesländern zusammengezogene Polizei geräumt. Hierbei kamen neben Wasserwerfern mit beigemischten Chemikalien auch Reizgase und Pfefferspray sowie Schlagstöcke zum Einsatz. Begründet wurde der Einsatz durch die Polizei mit der "massiven Behinderung durch die DemonstrantInnen".

In der darauf folgenden Nacht wurden die ersten von insgesamt fast 300 Bäumen gefällt. Und das trotz Erlass eines Stopps jeglicher Baumfällarbeiten bis 6. Oktober durch das Eisenbahnbundesamt.

Die Argumente der Befürworter: Wasserwerfereinsatz bei Räumung einer Sitzblockade am "blutigen Donnerstag"
Spaltung und Kriminalisierungsversuche fehlgeschlagen"Der Einsatz von Wasserwerfern, Tränengas und Pfefferspray ist durch nichts zu rechtfertigen, da die Demo-Teilnehmer sich alle friedlich verhalten haben. Die Konsequenz von Hunderten von Verletzten, insbesondere Schüler, ist ein Skandal, den Ministerpräsident Mappus zu verantworten hat und der Baden-Württemberg in ganz Europa einen enormen Imageschaden bescheren wird," sagte der BUND Regionalvorsitzende Axel Wieland, der selbst vor Ort war.

Ein Sprecher der Polizei verteidigte dagegen das Vorgehen der Beamten. Wenn die DemonstrantInnen sich rechtlich nicht einwandfrei verhielten, „dann kann die Polizei auch mal hinlangen“, betonte er.

Ministerpräsident Mappus stellte sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Er nahm den für den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen Innenminister Heribert Rech öffentlich in Schutz und kriminalisierte die DemonstrantInnen.

Die Regierung Mappus zeigt sich trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von „Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat."

Im Nachhinein versuchte auch die Polizeiführung den Einsatz zu rechtfertigen und den Protest der Jugendlichen zu diffamieren. Der Versuch, die zu erwartende größte Protestdemonstration gegen Repression und "Stuttgart 21" am nächsten Tag noch im Vorfeld mittels der durch die Polizei verbreiteten Mär, dass "7000 Autonome nach Stuttgart kommen" sollten, zu kriminalisieren und zu spalten, schlug jedoch ebenfalls grandios fehl.

Statt dessen  verstärkte sich das Protestpotenzial nach diesen Ereignissen enorm: Bei der Freitagsdemo am 1. Oktober unter dem unmittelbaren Eindruck des „blutigen Donnerstags“ waren es 100.000 DemonstrantInnen, eine Woche später sogar 150.000.

Der Innenminister hat sich verRECHnet. Da er der Verantwortliche für die Polizeitaktik ist, wurde von den Protestierenden  sein Rücktritt gefordert: "Wir sind hier, wir sind laut, weil man unsere Kinder haut!"

Der Delinquent tritt inzwischen die Flucht nach vorne an und lässt seinen Verfassungsschutz die Kinder und Jugendlichen zu "Linksextremisten" erklären. Damit wird nur notdürftig kaschiert, dass sich die Regierung in Baden - Württemberg seit Monaten in einer politischen Krise befindet, die sich durch die Ereignisse am Donnerstag erheblich vertieft und längst auch Berlin erreicht hat.

Bundesregierung ins Visier nehmen
Wie in Stuttgart verhält sich auch die Merkel Regierung und will den Protest aussitzen: "Im Bundestag kam es zu einem Schlagabtausch zu den Ereignissen. Union und FDP lehnten einen Grünen-Antrag für eine Aktuelle Stunde ab - diese soll nach den Worten von Grünen-Fraktionschefin Renate Künast nun kommende Woche stattfinden. "Der Antrag ist politisch schädlich", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier." (Quelle: NTV)

Auch Bundeskanzlerin Merkel hat ihr Schicksal an das Infrastrukturprojekt gekoppelt. Wer "Stuttgart 21" zu Fall bringen will, muss deshalb die Bundesregierung ins Visier nehmen! Dass die Bewegung dazu auf dem besten Wege ist, zeigten die Solidaritätsaktionen, die inzwischen in vielen Städten stattfinden.

Es ist alles gesagt...
Die größte Gefahr für die Protestbewegung droht nicht von außen...
Bisher sorgte neben dem eigentlichen Anlass vor allem die Landesregierung mit ihrer Arroganz für ständigen Zulauf zur Protestbewegung. Trotz verstärkter Pro "Stuttgart 21" Propaganda und dem Einsatz professioneller PR Agenturen –“ die sogar Gegenproteste organisieren –“ wurde der Widerstand gegen das Projekt nicht geschwächt.

Eine ganz andere Rolle spielen allerdings die Kräfte innerhalb der Protestbewegung, die vor allem auf Legalismus, Appelle an die Regierung, die Landtagswahlen und möglichst wenig Konfrontation wie zum Beispiel auf die Ausweitung der Proteste in die Großbetriebe der Region setzen.

Bei der Abschlusskundgebung am 9. Oktober erhielten die RednerInnen eher verhaltenen Beifall, die die Bewegung zurückzerren wollen, indem sie auf die Schlichtung durch Heiner Geißler setzen. Der durch ihn verkündete und binnen kürzester Zeit von Ministerpräsident Mappus stornierte angebliche Baustopp entpuppte sich bei genauerem Hinsehen denn auch als Mogelpackung: Zum Zeitpunkt seiner Verkündigung waren laut Bauplan sowieso keine weiteren Abrissmaßnahmen geplant. Die zur Vorbereitung der Baugrube notwendige Absenkung des Grundwasserspiegels dagegen wird gegenwärtig offenbar trotzdem durchgeführt und bedroht nicht nur die europaweit zweitgrößten Mineralquellen, sondern alle Bäume im Park, denen damit das Wasser abgegraben wird. Dafür sollten nach Mappus Willen die Proteste ausgesetzt werden.  Konsequenterweise lehnen die "aktiven Parkschützer" die gegenwärtigen Sondierungsgespräche ab. Solange Bahn und Politik keinerlei Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen, halten die Parkschützer weitere Gespräche für Zeitverschwendung.
Auch von anderer Seite droht Ungemach: In Berlin hat die Hartz IV und Jugoslawienkriegspartei "Die Grünen" die Proteste gegen "Stuttgart 21" für sich entdeckt und will diese vor ihren Landtagswahlkampfkarren spannen. Trotz ihrer Zustimmung zu "Stuttgart 21" im Bundestag im Jahr 2005. In Baden-Württemberg will der Grüne Winfried Kretschmann, der sich beste Chancen auf den Ministerpräsidentenposten ausrechnet, nicht garantieren, dass ein Ausstieg aus dem Projekt überhaupt noch möglich ist...

Schlussfolgerungen ziehen für andere politische und soziale Kämpfe

Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob die Bewegung weiterhin politisch selbständig bleibt, an Entschlossenheit gewinnt und sich dementsprechend auch durchsetzen kann, oder ob Beschwichtigungsversuche und kleinere Zugeständnisse es vermögen, sie zu schwächen oder gar zu spalten. Es geht dabei längst nicht nur um das Bahnprojekt, sondern auch um einen rasanten Politisierungsprozess zahlreicher Menschen, die selbst handeln, bereit zur Konfrontation mit Regierung und Polizei sind und sich mit dem, was hinter der Fassade von "Demokratie" und "sozialer Marktwirtschaft" steckt, immer kritischer auseinandersetzen.

Die neu entstandene Offenheit muss genutzt werden, um nicht nur gegen "Stuttgart 21" zu mobilisieren. Die Auseinandersetzung um "Stuttgart 21" zeigt, dass es möglich ist, eine Massenmobilisierung für positive Ziele und über parteipolitische, weltanschauliche und soziale Grenzen hinweg aufzubauen. Die Frage ist auch, ob die Bewegung gegen "Stuttgart 21" die Schlussfolgerung zieht, dass nicht nur an "Stuttgart 21" etwas faul ist, sondern auch an dem sozialen Dauerbrenner Hartz IV, der Atompolitik, der Kriegspolitik, der Haushaltspolitik und sich mehr und mehr die Frage stellt, ob es nicht positivere gesellschaftliche Perspektiven gibt.

... die Machtfrage stellen!

Die „Fakten“ sind den Projektbetreibern von Anfang an klar. Es geht nicht mehr darum, sie zur „Einsicht“ zu bewegen, sie mit „besseren Argumenten“ zu „überzeugen. Die besseren Argumente der Projektgegner haben die Gegenseite noch nie interessiert, ihr geht es darum, Kasse zu machen.

Vielmehr geht es darum, den Protest zu verschärfen, ihn auch auf andere politische Felder auszuweiten –“ wozu der Herbst einige hervorragende Möglichkeiten bietet –“ und vor allem:

Den vorgegebenen Rahmen zu durchbrechen und die Initiative nicht aus der Hand zu geben.



Quelle: Vorabveröffentllichung meines Beitrages für die "Graswurzelrevolution" Nr. 353
Siehe auch: Stuttgart 21: Aufstand der Anständigen in der Ausgabe Nr. 352

Stuttgart 21: Aufruf von IG Metall-Vertrauensleuten der Firma Festo / Esslingen

Gestern haben die IG Metall Vertrauensleute bei Festo / Esslingen folgenden Aufruf beschlossen:

Wir sind entsetzt über die Brutalität mit der im Auftrag der Landesregierung Baden-Württembergs, versucht wurde, den Bürgerprotest gegen Stuttgart 21 am Donnerstag 30.09.2010 gewaltsam zu brechen. Wir freuen uns, dass mit der Demonstration am nächsten Tag von über 100.00 Menschen gezeigt wurde, dass diese Rechnung nicht aufgeht.

Unabhängig von der Einstellung zum Erhalt des Bahnhofs und Schlossgartens in Stuttgart steht nun der Erhalt von demokratischen Rechten, wie der Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit in Deutschland auf der Tagesordnung. Die Verantwortlichen, allen voran Ministerpräsident Mappus, Innenminister Rech, Bahnchef Grube und der OB Schuster müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Gewerkschaften und die Arbeiterbewegung, darf nicht tatenlos zusehen, wenn friedliche Volksbewegungen mit staatsterroristischen Methoden attackiert werden. Solidaritäts-Adressen, Solidaritäts-Demonstrationen und auch Solidaritätsstreiks gehören da auf die Tagesordnung!

Laßt uns das offen in Gewerkschafts- und Betriebsversammlungen diskutieren! Wir unterstützen den Aufruf der Delegiertenversammlung der IG Metall Esslingen für einen sofortigen Abrissstopp und Volksentscheid.

Bei der DGB-Demonstration am 13.November, sowie im ganzen anstehenden „heißen Herbst“ muss es zu einem Schulterschluß von Umweltbewegungen und Gewerkschaftsbewegung kommen!

Das einminütige Lärmen als „Schwabenstreich“, sollte weiter Schule machen.
Nutzen wir die erfolgreichen Aktionsformen der Bewegung gegen „Stuttgart 21“ zur Herstellung von Aufmerksamkeit für gewerkschaftliche Forderungen, wie die notwendige Herabsetzung des Rentenalters bei vollem Rentenaus-gleich oder im Kampf um unsere Arbeitsplätze!

Wir wollen Oben Bleiben!
Das ist auch eine politische Grundsatzentscheidung!

Propagandakompanie zum Breschenschlagen für Wasserwerfer 2!

Waffenlager am Bauzaun
Ganz offenbar haben Merkel und Mappus eines gemerkt: Es muss lauter trompetet werden. Sonst wird es nichts mehr mit dem Fortmarschieren ins 22.Jahrhundert. Also her mit Tröten und Schalmeien.

In der sonst politisch fast abgestorbenen LINDENSTRASSE am Sonntagabend fing es an. Der behäbig gewordene Redakteur Jung-Beimer soll was gegen "Stuttgart 21" schreiben - leidet daran fünf Minuten lang. Alles Leute dort, die fünfzehn Jahre nichts tun, im sechzehnten anfangen zu quengeln.

Das gab den Auftakt für den Artikel Kurbjuweits im neuen SPIEGEL. Schon der Titel ein Fund: "Die Wutbürger". Das ist keine neue Burgersorte für den Hunger zwischendurch. Es ist der Inbegriff einer Zeitanalyse. Zu diesem Zweck müssen eng gebündelt werden die Trottel, die hinter Sarrazin her geifern, und die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, die partout nicht den Rest ihres Lebens über Schlamm und Ziegelstein klettern wollen.

Die einen wie die anderen wollen was weg haben. Nach Kurbjuweit die Sarrazinfreunde die Ausländer, die Stuttgarter den wunderbaren Neubau, "so kühn und elegant", wie der Seher ihn jetzt schon erblickt.

Natürlich könnte jemand frech behaupten, die Stuttgarter wollten was behalten: Ihren Bahnhof, den sie schon haben. Die kommen Kurbjuweit gerade recht. Die wollen was behalten - Ja! Ihre gottverdammte Ruhe.
Vor Muezzinen und Baulärm in der Innenstadt. Egoisten! Von ihren Villen am Hang herunter wollen sie nicht den Rest ihres Lebens in Schlamm und Dreckhaufen starren.

Damit der Autor so was hinbekommt, muss er erst einige Vorkehrungen an seinem Körper treffen. Die Daumen - beide - beispielsweise, tief in die Augen bohren, wenn abends das Fernsehen läuft. Sonst hätte er guten Gewissens nicht die Behauptung hinbekommen, in Stuttgart und überhaupt unter den Wütenden befänden sich in der Mehrzahl Ältere und Alte. Die Säcke denken bloß noch an sich und ihre ungestörten Pensionistenjährchen. Egoisten! Wo bleibt da das, woran im Bundestag bei jeder Gelegenheit erinnert wird: Die junge Generation?

Vor allem, wenn schon die Chinesen vor der Türe stehen. Die werden uns Dampf machen. Eine Moderne pfeift uns demächst um die Ohren, die sich gewaschen hat. Wir aber sind "zukunftsvergessen"...

Und dann das Schlimmste an uns "Wutbürgern": Wir denken nicht, wir denken nicht. Argumente gegen Stuttgart 21 gibt es bekanntlich keine. Die Kosten? Ist doch klar, dass alles teurer wird als vorher angegeben.

Vom treuherzig abgesenkten Grundwasser schreibt ein Kollege im gleichen SPIEGEL, dass das- brutalweggepumpt - wahrscheinlich den Zusammenbruch des Stadtarchivs mitverschuldet hat. Für Kurbjuweit kein Grund zur Beunruhigung. Er erwähnt so was vorsichtshalber schon gar nicht.

Am Ende der literarische Schlenk. Thomas Buddenbrook war leider auch schon ein Früh-Stuttgarter. Merkte nichts von den Zeichen der Zeit. Und ging unter. Aber voller Contenance. In tadelloser Haltung! Da können sich die heutigen Wutnickel was abschneiden. Indirekt gibt uns allen der Prophet damit freilich zu verstehen, dass diese Sorte Bürgertum wirklich nichts mehr zu erwarten hat. Endgültig passé. Dann freilich wäre Kurjuweits Voradventspredigt überflüssig gewesen. Beim Aufsteigen der Sintflut wünscht er sich zumindest eines: Haltung. Aufrecht zur Grube fahren, wenn es sich nicht vermeiden lässt.

So also arbeitet der Sturmtrupp der Propaganda. Noch recht brüchig. Sie bieten auf, was sie unter den Vorräten finden. Wenn die Wasserkanonen wieder auffahren, sollen vorher ein paar Sprachranken gestreut werden. Recht und schlecht, wie früher Blumenblätter vor der Prozession. Wenn es auch am Überzeugungskräftigen fehlt, die Polizeipräsidenten und Minister stehen nicht mehr ganz so traurig da im bewegten Klipp-Klapp ihrer Münder.

Zu ein wenig Begleitgeräusch wird es reichen.

Stuttgart 21: Wenn Widerstand zur Straftat wird...

Flyer Aussenteil
Das Stuttgarter "Bündnis für Versammlungsfreiheit" hat anlässlich des Polizeieinsatzes am 30. September in Stuttgart einen neuen Flyer veröffentlicht. Der Text des auch als Druckvorlage zur Verfügung stehenden Flyers im Wortlaut:

Wenn Widerstand zur Straftat wird...

Der Protest gegen Stuttgart 21 und das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit


Am Donnerstag, den 30. September ereignete sich in Stuttgart etwas, das viele Menschen nicht für möglich gehalten hätten:

In einem brutalen Polizeieinsatz wurden hunderte friedlich protestierende "Stuttgart 21" GegnerInnen, darunter Alte, Jugendliche, Behinderte und Mütter mit Kindern mit Wasserwerfern, Reizgas und Knüppeln zum Teil schwer verletzt. Der in zahlreichen Fotos und Videos dokumentierte Polizeieinsatz wurde mit dem angeblichen Begehen einer Straftat begründet.

Das Bündnis „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ hatte nachweislich Wochen vorher eine Schülerdemonstration und Kundgebung im Schlossgarten angemeldet. Der Einsatz der Polizei zu diesem Zeitpunkt war illegal.

Das Brokdorf Urteil

Versammlungen „enthalten ein Stück ursprünglich - ungebändigter unmittelbarer Demokratie“, urteilte das Bundesverfassungsgericht zu Sitzblockaden. Diese sind verfassungsrechtlich als eine Versammlung nach Art. 8 des Grundgesetzes anzusehen und nicht in jedem Fall als Nötigung.

Polizeieinsatz wegen Ordnungswidrigkeiten?

Ministerpräsident Mappus stellt sich uneingeschränkt hinter das brutale Vorgehen der Polizei. Den für den Einsatz verantwortlichen und massiv in die Kritik geratenen Innenminister Heribert Rech nimmt er öffentlich in Schutz und kriminalisiert die Demonstranten.
Die Regierung Mappus zeigt sich trotz breiter Kritik selbst aus den Reihen von Befürwortern von „Stuttgart 21“ uneinsichtig: "Entschuldigen muss man sich, wenn man Fehler begangen hat."

Unser Bündnis macht dagegen die Landesregierung verantwortlich für die eklatanten Verstöße gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und fordert:

Treten Sie zurück Herr Rech!
Treten Sie zurück Herr Mappus!


Statt immer weiterer Einschränkung ist ein fortschrittliches Versammlungsrecht nötig!

Flyer Innenteil
Wir brauchen ein Versammlungsrecht, das spürbare Proteste ermöglicht und denen, gegen die protestiert wird, die Forderungen deutlich macht. Vor einem solchen demokratischen Recht haben nur diejenigen Angst, gegen die sich der Protest richtet.

Seit Jahren finden Einschränkungen des Versammlungsrechts statt:

• Die Anfang der 80er Jahre in Zusammenhang mit den Protesten gegen die Atomraketenstationierung vom späteren Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführte „Wegtragegebühr“.
• Die gewaltsame Räumung friedlicher Sitzblockaden wie die vor der Kirche St. Eber­hard im Zusammenhang mit den Protes­ten gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr am 30. Juli 2010 in Stuttgart.
• Faktisches Demoverbot in der Königsstraße.
• Schikanöse Auflagen, wie Breite von Transparenten, Beschallung von Plätzen, Bezahlung von Absperrmaßnahmen durch die Veranstalter.
• Die willkürliche Ablehnung von Demoanmeldern.
• Das Filmen von Demonstrationen.

Statt dessen fordern wir:

• Abschaffung der „Wegtragegebühr“!
• Einstellung der Verfahren gegen Protestierende!
• Keine Einschränkung des Rechts auf Versammlungsfreiheit durch Polizei- und Stadtverordnungen.
• Übernahme aller Kosten, die den Protestierenden durch juristische Verfahren, Verdienstausfälle, medizinische Behandlung usw. entstanden sind.
• Das Recht für alle, jederzeit und ohne Anmeldung an demokratischen und antifaschistischen Protesten teilnehmen zu können und diese auch organisieren zu dürfen.
• Schluss mit den Repressionen gegen die SchülerInnen und Lehrer und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, die an den Protesten am 30. September teilgenommen haben.




„Ja zur Versammlungsfreiheit –“ Nein zur Verschärfung des Versammlungsgesetzes“ ist aktueller denn je.


Die Landesregierung versucht seit 2008 ein neues Versammlungsgesetz durchzusetzen. Dies soll das Recht auf Versammlungsfreiheit erheblich einschränken. Ihr Entwurf schafft bürokratische Hürden, sieht die Registrierung, Überwachung und Erfassung der TeilnehmerInnen vor. Gleichzeitig soll das neue Gesetz Polizei und Behörden die Möglichkeit für willkürliche Erschwernisse, Eingriffe in die Versammlung und die Rechte der Versammelten geben.

Dagegen hat sich im Oktober 2008 unser Bündnis gegründet, das inzwischen aus über 120 Organisationen und zahlreichen Einzelpersonen besteht. Wir haben eine Großdemonstration am 6. Dezember 2008 mit weit über 5000 TeilnehmerInnen, diverse Veranstaltungen, Vortragsreihen und mehr durchgeführt und stellen Demobeobachter auf.
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