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„Solange nicht jeder Mensch auf dieser Erde ein menschenwürdiges Leben führen kann, darf die Idee des Sozialismus nicht begraben werden.“

Ilse Werner bei der Feier anlässlich Alfred Haussers 100. Geburtstag

Foto: Thomas Trueten

Ilse Werner ist am vergangenen Freitag Morgen gestorben. Sie hat sich ihr Leben lang für die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) eingesetzt. Sie war die Lebenspartnerin des Mitbegründers der VVN-BdA, Alfred Hausser.

Die Esslinger Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes-Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) veröffentlichte auf ihrer Webseite die von Dieter Keller am 17. Mai 2013 gehaltene Trauerrede für Ilse Werner:

Danke Wilma Heuken für die gefühlvolle, musikalische Einleitung der Trauerfeier zur Feuerbestattung mit dem Lied „Brot und Rosen“ für Ilse Werner.

Brot und Rosen, dieses Lied ist entstanden im Jahre 1912 bei einem Streik von 14.000 Textilarbeiterinnen in den USA. Der Streik richtete sich gegen Hungerlöhne, Kinderarbeit und soziale Armut. Es symbolisiert: Wir brauchen Brot als Voraussetzung für ein Leben ohne Hunger und Armut. Darüber hinaus Rosen um ein besseres, selbst bestimmtes Leben führen zu können.

Brot und Rosen schmücken den Sarg unserer verstorbenen Genossin, Kommunistin, Kameradin der VVN/BdA, unserer Freundin und Cousine, Ilse Werner. Brot und Rosen umreißen auch das Lebenswerk von Ilse.

Liebe Trauergemeinde,
Ilse Werner am 7. Dezember 1927 in einem sozialdemokratisch orientierten Elternhaus geboren. Sie verstarb nach kurzer schwerer Krankheit am 10. Mai. Also an jenem Tag, wo vor 80 Jahren die Bücherverbrennungen in Deutschland stattfanden und zwei Tage wo vor 68 Jahren Deutschland vom Faschismus befreit wurde. Heute können Neonazis über Jahre unentdeckt, gedeckt wieder mordend durch Deutschland ziehen.

Als Kind und Jugendliche erlebte Ilse die Machtübertragung auf Hitler mit all seinen grausamen Folgen. Ihr Vater und einziger Bruder sind im Krieg nach offizieller Version „gefallen“. Ihre Schulzeit, acht Jahre Volksschule von 1934 – 1942. Ein Pflichtjahr und kaufmännische Lehre bei AEG erlebte sie im Faschismus und sie musste deren faschistische Ideologie und Propaganda über sich ergehen lassen.

Dies alles prägte das weitere Leben und Arbeit von Ilse nach Beendigung von Faschismus und Krieg.

Im Juli 1945 bekam sie übers Arbeitsamt, Arbeit bei der Rückführungsstelle für ehemalige politische Häftlinge. Dort lernte sie auch ihren späteren Ehemann Hermann Werner kennen. Sie trat seit dieser Zeit dafür ein dass:

die faschistischen Verbrechen nicht verschwiegen, verdrängt oder gar ins Gegenteil verkehrt und die Opfer nicht vergessen werden. Dass die Opfer und ehemaligen Zwangsarbeiter Wiedergutmachung erhalten.
Sie bekämpfte leidenschaftlich faschistische, rassistische Ideen und Handlungen.

Das Kampffeld gegen Faschismus und Krieg war für Ilse Lebensmittelpunkt und Arbeitsschwerpunkt.

Die Würdigung von Ilse durch die VVN/BdA wird im Anschluss von der Bundesvorsitzenden Cornelia Kehrt vorgenommen.

Ilse Werner, das sind mehr als 60 Jahre Mitglied und aktiv in der kommunistischen Partei. Zunächst in der KPD, die ja heute noch widerrechtlich verboten ist, in die sie 1950 eintrat. Seit 1968 in der DKP, in der sie viele Funktionen inne hatte. Sie trat dafür ein, dass alle Menschen ohne Hunger, Not, Unterdrückung und Krieg leben können. Sie sah im kapitalistischen Profitstreben die Wurzel allen Übels und wollte eine Welt in der nicht das kapitalistische Profitprinzip, sondern die Menschen im Mittelpunkt aller Dinge stehen. Ihr Motto lautete:

„Solange nicht jeder Mensch auf dieser Erde ein menschenwürdiges Leben führen kann, darf die Idee des Sozialismus nicht begraben werden.“

Ilse Werner, das sind ebenso viele Jahre Engagement für Frieden, gegen Wiederaufrüstung und Remilitarisierung, Kampf gegen den Atomtod und gegen die Stationierung der US-amerikanischen Mittelstreckenraketen in Europa, gegen den Krieg in‚ Vietnam und bei den Ostermärschen. In den Anfangsjahren hat sie diese mit organisiert.

Ilse Werner, das sind ein Leben für die Rechte der Frauen. Insbesondere innerhalb der Naturfreundebewegung. 1956 wurde sie Mitglied der Naturfreunde. Von 1957 bis 1990 war sie 33 Jahre lang Leiterin der Stuttgarter Frauengruppe der Naturfreunde.

Ebenfalls 1956 wurde Ilse Werner Mitglied im „Clara Zetkin Waldheim“ Dort war sie in verschiedenen Funktionen unermüdlich aktiv. Sie wirkte für das Vermächtnis Clara Zetkins, ihr grosses Vorbild. Das Waldheim „Clara Zetkin“ wurde und war die zweite Heimat von Ilse.

Es war der große Wunsch von Ilse, dass wir uns nach Abschluss der Trauerfeier im Clara Zetkin Haus in Sillenbuch treffen. Dazu möchte ich Sie/Euch in ihrem Namen recht herzlich einladen. Dort werden und können weitere Nachrufe und Würdigungen für Ilse erfolgen.

In einem Nachruf auf Ilse Werner darf in keinem Fall fehlen, ihr unermüdliches, soziales Engagement. Davon zeugt ihre 67 jährige Mitgliedschaft in der Gewerkschaft. Ihre langjährige Tätigkeit als 2. Vorsitzende des VDK in Rohracker und ihre Mitarbeit im Krankenpflegeverein.

Über Jahre hinweg pflegte Ilse ihre schwerkranke Mutter. Mehr als drei Jahre fuhr sie jeden Tag ins Pflegeheim und half ihrer Mutter beim Überleben.

1950 mit 23 Jahren heiratete sie ihren Mann Herrmann Werner. Er verstarb 1975. Bis zu seinem Tode pflegte Ilse sieben Jahre lang ihren schwerkriegsgeschädigten Hermann.

9 Jahre später starb ihr Lebensgefährte, Genosse und Widerstandskämpfer Alfred Lauterwasser.

1987 hat sie sich mit dem für uns unvergessenen Alfred Hausser liiert. 1999 bezogen sie gemeinsam ihre Wohnung. Der gemeinsame antifaschistische Kampf, die gemeinsame Tätigkeit bei der VVN brachte beiden persönliche Zuneigung und Glück. Aber auch Alfred wurde krank und bedurfte ihrer liebenvollen Pflege.

Wie Ilse diese persönlichen Rückschläge verkraftete und wie sie dies alles schaffen konnte ist bewundernswert und zeugt von der Kraft und Überzeugung dieser bewundernswerten Frau und Genossin.

Erst mit ihrem Einzug ins Augustinum auf dem Killesberg vor zwei Jahren hatte sie das Glück, dass sich andere um sie kümmerten. Wir hätten ihr gegönnt dass dies noch viele Jahre so anhält. Doch ihr
Tod lies das nicht mehr zu.

Die Gedenkfeier zum 100. Geburtstag von Alfred Hausser, organisiert von der VVN/BdA, war für Ilse wie sie in ihrer Neujahrsanzeige in der UZ der sozialistischen Wochenzeitung der DKP schrieb. „der Höhepunkt 2012 und hat (ihr) viel Kraft gegeben.“

Wie werte Trauergemeinde, soll man eine solche Frau charakterisieren?

Ilse hat sich selbst nie geschont. Sie war keine Mitläuferin, sondern stets aktiv und Antriebsmotor. Sie überzeugte, weil sie selbst von dem überzeugt war, was sie sagte und danach auch handelte. Dabei nahm sie kein Blatt vor den Mund. Sie war freundlich konnte aber auch resolut zugleich sein.

Ihr Wort hatte Gewicht. Auf sie war Verlass. Sie war konsequent, gründlich, genau, verantwortungsbewusst und die Zuverlässigkeit in Person. Sie war ein wandelndes Geschichtslexikon. Wenn sie aus dem eigenen Wissen heraus eine konkrete Frage nicht beantworten konnte, genügte ein Griff in ihr Ordnungssystem um die Frage zu beantworten. Darin war sie perfektionistisch.

Sie hatte drei große Feinde: Den Kapitalismus, als Ursache von Krieg, Faschismus und Hunger in der Welt. Das Chaos und die Unzuverlässigkeit. Wenn jemand oder irgendwas diesen ihren hohen Ansprüchen nicht entsprach, so konnte sie auch bruddeln. Ansonsten war sie immer sehr freundlich, herzlich, hilfbereit, humorvoll.

Sie feierte gerne. Nicht nur in ihrer damaligen Mietwohnung in Rohracker, sondern auch in den beiden Waldheimen und anderswo wurde manche auch spontane Fete mit ihr gefeirt. Von ihr initiert oder und auch organisiert. Dabei Arbeiter, Kampf und Wanderlieder gesungen.

Die bereits von mir erwähnte Neujahrsanzeige von Ilse in der UZ wird eingeleitet mit folgenden Zeilen von Louis Fürnberg:

Unser Leben ist nicht leicht zu tragen,
nur wer fest sein Herz in seinen Händen hält,
hat die Kraft zum Leben Ja zu sagen
und zum Kampf für eine neue Welt.

Ja Ilse, dein Leben, so schön es oft war, war nicht leicht zu tragen. Du hattest dein Herz in festen Händen und „die Kraft zum Leben Ja zu sagen und zum Kampf für eine neue Welt.“ Du warst Vorbild, eine großartigen Frau, Genossin und Kampfgefährtin. Dafür danke ich dir persönlich von ganzem Herzen. Ich bin überzeugt dies auch im Namen der gesamten Trauergemeinde zu tun.

Wenn zum Abschluss auf deinen ausdrücklichen Wunsch „Die Internationale“ erklingt, dann wird klar, du warst eine überzeugte Kommunistin und Internationalistin. In Zukunft müssen wir dieses Lied ohne deine kraftvolle Stimme singen. Aber wir versprechen dir, wir werden diesen Weg in deinem Sinne weiter gehen. In unseren Liedern, Herzen und Kämpfen wirst du weiter leben.

Für dich liebe Ilse als Zeichen meines Dankes zu Brot und Rosen, die Rote Nelke die unsere Kämpfe immer begleitet hat.

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