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Über Informationsimperialismus

„Die den Suchvorgängen zugrunde liegende algorithmischen Programme verstärken jedoch Mehrheitsmeinungen und verdrängen Ansichten von Minderheiten, denn als Suchergebnis wird vorrangig das präsentiert, was schon auf großes Interesse (das oft durch Einflussinitiativen stimuliert wurde) gestoßen ist. Hinzu kommt, dass die meisten Nutzer in der Regel nur die ersten beiden Einträge (die zumeist auch noch kommerzielle Schaltungen sind) zur Kenntnis nehmen. Das wird systematisch ausgenutzt. Alleine schon dadurch wird wirksam der Möglichkeit vorgebaut, dass alternative Ansichten sich in einer relevanten Intensität zur Geltung bringen können.

Es ist also gar nicht nötig, dass Inhalte verfälscht oder verzerrte und sachwidrige Behauptungen verbreitet werden. Es reicht aus, dass nur bestimmte Sichtweisen in der Vordergrund gerückt werden und kritische Sachverhalte im rauen und grauen Meer der Informationen untergehen. Eine Konsequenz dieses Informationsimperialismus ist der allmähliche Verfall eines kritischen Realitätsbildes, weil es eine wirkungsmächtige Tendenz gibt, das netzvermittelte "Wissen" (das mittlerweile fast einen Monopolstatus besitzt) für bare Münze zu nehmen.“

„Die Multiplikationswirkung eines herrschenden Geistes durch digitale Kommunikationsprozesse wurde durch das Projekt eines "Sozialen Netzwerkes" deutlich, dass seine Teilnehmer aufgefordert hatte, favorisierte Bilder zu verbreiten. Das Ergebnis war - anders als erwartet - keine Vervielfachung und Intensivierung ästhetischer Erfahrungen, weil in der Mehrzahl bloß jene Bilder weitergeleitet wurden, die man selbst im Rahmen dieses Projekts erhalten hatte. Es fand mit Ausweitung des Kreises der Beteiligten eine zunehmende Konzentration auf ein immer engeres Spektrum von Bildern statt. Die intendierte Seh- und Erlebniserweiterung endete in einer medialen Kreisbewegung, in der Verbreitung des Immergleichen.

In dieser Episode spiegelt sich eine verbreitete Konsequenz des digitalen Kommunikationsmodus; durch sie wurde deutlich, dass die "Sozialen Netzwerke" intellektuelle Gleichschaltungsmaschinen sind, die manipulative Wirkungen haben, weil sie standarisieren und homogenisieren. Verstärkt wird ein verbreiteter Konformismus, und gefördert wird eine latente Bereitschaft, sich noch bereitwilliger den Mehrheitsmeinungen und Einstellungstrends anzuschließen, als es sowieso schon geschieht.“

Quelle: Das sehr lesenswerte Interview von Reinhard Jellen mit Walter Seppmann: "Der Mann, der vor Computern warnt"

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