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k9 - combatiente zeigt geschichtsbewußt: "Der Maze-Gefängnisausbruch: 25. September 1983"

Der Einladungsflyer zeigt eine Luftaufnahme des Knastes und Bilder der Ausbrecher mit den Angaben aus dem BeitragstextMAZE erzählt die wahre Geschichte vom größten europäischen Gefängnisausbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs

1983: Auf dem Höhepunkt des Befreiungskampfes in Nordirland in 1970er und 1980er Jahren inhaftierte die britische Regierung hunderte Mitglieder der militärischen Organisation „Provisional Irish Republican Army“ (IRA) im berüchtigten Maze-Gefängnis (Long Kesh). Das Labyrinth als Europas sicherster Hochsicherheitsknast angepriesen, galt als ausbruchsicher, bis 38 IRA-Gefangene am 25. September 1983 den größten Gefängnisausbruch äischen Geschichte, aus H-Block 7 machten.

Sonntag 24.September 2023 - 19 UHR

kinzigstraße 9 + 10247 berlin + Us samariterstraße + S frankfurter allee

Die größte Gefängnisflucht der britischen + irischen Geschichte und die größte G-Flucht in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg.

Film über einen Ausbruch aus dem Maze Prison - Stephen Burke 2017, 92 Min.

combatiente zeigt geschichtsbewußt: revolucion muß sein! filme aus aktivem widerstand & revolutionären kämpfen

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Re: Ein Volk auf Reise. Das harte Leben der Irish Traveller

Neulich bin ich auf eine Ausstellung der Fotografin Jamie Johnson aufmerksam geworden. In ihrer präsentierten Serie „Growing up Travelling“, die es auch als Bildband gibt, näherte sich Jamie Johnson der Gemeinschaft der „Travellers“, einer irischen nomadisch lebenden ethnischen Minderheit. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stehen Porträts von Kindern.

Zu den porträtierten Menschen gibt es bei arte auch eine sehenswerte Doku, die ich hier mal verlinke:



Die Europäische Union schreibt in einem aktuellen erschütternden Bericht über die Minderheiten, dass die Gemeinschaft der Irish Traveller in England und Irland am meisten unter Armut leidet, und dass sie die wohl diskriminierteste Minderheit im Europa von heute ist.

Obwohl sie vielen kaum bekannt sind, leben heute über 40.000 Irish Traveller in England und Irland. Sie werden oft mit den Roma verglichen, mit denen sie die Lebensweise des Reisens gemeinsam haben. Ansonsten werden sie noch stärker als andere Minderheiten ausgegrenzt und diskriminiert. In England und Irland ist der Rassismus gegen dieses Volk auf Reise tief verwurzelt.
Offensichtlich aber wird ihre Lage immer schlimmer. Die Irish Traveller leben lange schon am Rande der Gesellschaft. Die seriöse Studie der Europäischen Union hat allerdings einen Schock ausgelöst, vor allem wegen der ermittelten Zahlen: Heute begehen 11 % der Irish Traveller Selbstmord, und nur 3 % von ihnen werden älter als 65 Jahre. In Europa sind das die schlimmsten Statistiken für eine Bevölkerungsgruppe.

Mairéad Farrell: "Für die Leute von Falls Road war sie eine Patriotin. Für die Briten war sie eine Terroristin. Für ihre Familie war sie ein Opfer der irischen Geschichte.“

Heute vor 34 Jahren wurde Mairéad Farrell, Kämpferin der Irish Republican Army (IRA) zusammen mit den ebenfalls unbewaffneten Dann McCann und Sean Savage auf Gibraltar durch ein Kommando der britischen Spezialeinheit Special Air Service (SAS) im Rahmen der "Operation Flavius" erschossen. Bei ihrer Beisetzung schoss der Loyalist Michael Stone in die Trauergemeinde und warf Handgranaten; dabei wurden drei Personen getötet und 60 verletzt. In einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte stellte das Gericht 1995 fest, dass es sich bei dem Zugriff der SAS um einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention gehandelt habe.

Mairéad Farrell wurde am 5. April 1976 nach einem versuchten Anschlag festgenommen, zu vierzehn Jahren Gefängnis verurteilt, sie war 10 Jahre im Frauengefängnis in Armagh und weigerte sich Gefängnisuniform zu tragen. Sie war die erste Frau, die dies tat. Sie war die offizielle Kommandantin der weiblichen IRA-Gefangenen, organisierte den Dirty Protest und Hungerstreik.





Mehr Information:

Zeitgleich zum Hungerstreik fanden ebensolche auch in der BRD durch RAF und andere Gefangene vom 2.2. bis 18.4.1981 statt.

40. Todestag von Bobby Sands

Bobby Sands in Long Kesh, 1973
Foto: Léargas by Sinn Féin's Gerry Adams

Heute vor 40 Jahren starb der IRA Kämpfer und Abgeordnete im britischen Unterhaus für Fermanagh & South Tyrone, Bobby Sands nach 66 Tagen Hungerstreik im Hochsicherheitsgefängnis Maze bei Lisburn, Nordirland). Aus dem Anlass zeigen wir noch einmal die Dokumentation: Bobby Sands, IRA-Kämpfer.

"Bobby Sands war ein Mitglied der Irish Republican Army (IRA) und setzte sich für ein wiedervereinigtes Irland ein. 1976 wird er nach einem Anschlag festgenommen und später ohne Beweise zu 14 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Der Aktivist tritt in den Hungerstreik, um die Forderung nach Anerkennung als politischer Häftling durchzusetzen. Obwohl die Medien viel über seinen Kampf berichteten und er während der Haft ins Unterhaus gewählt wurde, gab die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher nicht nach. Am 5. Mai 1981 stirbt Bobby Sands nach 66 Tagen Hungerstreik. Neun weitere Kameraden folgen ihm in den Tod. Als Bobby Sands beigesetzt wird, geben ihm Zehntausende das letzte Geleit. Die Geschlossenheit der Katholiken lässt London erkennen, dass es keine militärische Lösung geben kann. Aber erst 1990 werden –“ nach Margaret Thatchers Wahlniederlage –“ die Verhandlungen wieder aufgenommen und der bewaffnete Kampf beendet."

Bis zum 3.Oktober, dem Abbruch des Streiks, starben zehn Gefangene im Hungerstreik.

Außer Sands waren das:

Francis Hughes (25 Jahre alt, am 12. Mai)
Raymond Mc Creesh (24 Jahre alt, am 21. Mai )
Patsy O`Hara (23 Jahre alt, am 21. Mai )
Joe Mc Donnell (30 Jahre alt, am 8. Juli )
Martin Hurson (25 Jahre alt, am 13. Juli )
Kevin Lynch (25 Jahre alt, am 1. August )
Kieran Doherty (25 Jahre alt, am 2. August )
Thomas Mc Elwee (25 Jahre alt, am 8. August )
Mickey Devine (27 Jahre alt, am 20. August )

Verantwortlich für ihren Tod war die britische Regierung unter Margret Thatcher.

"Unsere Rache ist das Lachen unsrer Kinder" (Bobby Sands)



Siehe auch:
40 Jahre irisch-republikanischer Hungerstreik: Vorgeschichte
• A Night Of Story & Song
• Beitrag von info-nordirland.de: „Unsere Antwort wird das Lachen unserer Kinder sein“

Doku: Bobby Sands, IRA-Kämpfer

"Bobby Sands war ein Mitglied der Irish Republican Army (IRA) und setzte sich für ein wiedervereinigtes Irland ein. 1976 wird er nach einem Anschlag festgenommen und später ohne Beweise zu 14 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Der Aktivist tritt in den Hungerstreik, um die Forderung nach Anerkennung als politischer Häftling durchzusetzen. Obwohl die Medien viel über seinen Kampf berichteten und er während der Haft ins Unterhaus gewählt wurde, gab die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher nicht nach. Am 5. Mai 1981 stirbt Bobby Sands nach 66 Tagen Hungerstreik. Neun weitere Kameraden folgen ihm in den Tod. Als Bobby Sands beigesetzt wird, geben ihm Zehntausende das letzte Geleit. Die Geschlossenheit der Katholiken lässt London erkennen, dass es keine militärische Lösung geben kann. Aber erst 1990 werden –“ nach Margaret Thatchers Wahlniederlage –“ die Verhandlungen wieder aufgenommen und der bewaffnete Kampf beendet."

Ein Veränderer

Foto (Sinn Féin, Nov. 2017): Gerry Adams und die Nordirlandchefin von Sinn Féin Michelle O–™Neill kurz vor Beginn des Parteitags auf dem Podium
Der langjährige Präsident von Sinn Féin, Gerry Adams, hat den Rückzug aus seinen Ämtern angekündigt.

Im nächsten Jahr feiert Gerard „Gerry“ Adams seinen siebzigsten Geburtstag. Er ist der weltweit bekannteste Vertreter der irisch-republikanischen Bewegung und seit 1983 Präsident der irischen Linkspartei Sinn Féin. Am vergangenen Samstag gab er auf deren Parteitag in Dublin vor 2500 Delegierten und Gästen bekannt, sich im nächsten Jahr aus seinem Amt als Präsident von Sinn Féin zurückzuziehen und auch nicht mehr für das Parlament in Dublin zu kandidieren.

Der Schritt kam nicht unerwartet. Gemeinsam mit dem im März überraschend verstorbenen Martin McGuinness hatte Gerry Adams den Wechsel der Führungsspitze von langer Hand geplant. Er habe sich „immer als Teamplayer und Teambuilder gesehen“ sagte er in seiner Rede, die der staatliche irische Fernsehsender RTÉ live übertrug. An der Spitze eines kollektiven Führungsteams hat er Sinn Féin in den vergangenen 34 Jahren zu einer starken linken Partei entwickelt, die selbstbewusst dabei ist, die Verhältnisse im Süden und im Norden zu verändern.

Im Widerstand

Gerry Adams wurde 1948 in einen nordirischen Staat hineingeboren, den Großbritannien 1921 gegen den Willen der irischen Bevölkerung künstlich geschaffen und vom Rest Irlands abgespalten hatte. Die herrschende probritische Elite verweigerte der irischen, meist katholischen, Hälfte der Bevölkerung Arbeit, vernünftige Wohnungen und jede Art politischer Mitsprache. Sie schürte einen protestantischen Rassismus, der sich immer wieder in anti-katholischen Pogromen entlud. Als die Situation Ende der 1960er Jahre explodierte und die brutale Unterdrückung der Bürgerrechtsbewegung durch nordirische Polizei und britische Armee in einen bewaffneten Konflikt zwischen den Streitkräften und der Irisch Republikanischen Armee (IRA) mündete, war Adams schon einer, auf dessen Rat man hörte.

Aufgewachsen ist Gerry Adams im irischen Teil von West Belfast, einem der ärmsten Viertel Nordirlands. Dort lebt er noch heute. In den 1970er Jahren entwickelte sich West Belfast nicht nur in ein Zentrum des Widerstands und des zivilen Ungehorsams, sondern auch in ein Laboratorium für alternative Strukturen der Wirtschaft und der Bildung. Aus der Nachbarschaftshilfe entstanden solidarische Formen des Zusammenlebens, wie zum Beispiel das kollektive Transportsystem der Black Taxis, eine Mischform aus Taxi- und Busverkehr. Die einstige Leinenfabrik Conway Mill und das aus einer Kirche in ein irisches Kulturzentrum verwandelte An Culturlann wurden als Freiräume für zivilgesellschaftliches Engagement erkämpft und existieren noch heute. Damals lernten die jungen Revolutionäre, dass der britische Staat keineswegs nur die Männer und Frauen der IRA verfolgte, sondern politische Aktivist/innen, Frauengruppen und soziale Initiativen mit derselben Härte bekämpfte. Die BBC bezeichnete West Belfast als „Terroristenviertel“. Sinn Féin war bis 1974 eine verbotene Partei und Gerry Adams landete schnell im Untergrund und mehrere Male in Internierungslagern.

Über die Kultur des Widerstands hinaus gehen

Der bewaffnete Konflikt schien unlösbar, erst recht, als 1981 im nordirischen Hochsicherheitsgefängnis Maze zehn republikanische Gefangene im Hungerstreik starben. Aber der Kampf um Solidarität mit den politischen Gefangenen erreichte eine gewaltige Dynamik. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher, die mittels ihrer repressiven Politik in den Gefängnissen die „IRA wie eine Tube Zahnpasta ausquetschen“ wollte, musste zusehen, wie in beiden Teilen Irlands IRA-Aktivisten während ihres Hungerstreiks in die jeweiligen Parlamente gewählt wurden. Ihr charismatische Anführer Bobby Sands wurde im nordirischen Wahlbezirk Fermanagh/South Tyrone mit mehr Stimmen ins britische Unterhaus gewählt als Thatcher in ihrem eigenen Wahlkreis.

Als Gerry Adams 1983 Präsident von Sinn Féin wurde, verkündete er „über die Kultur des Widerstands hinaus“ als neue Form einen „irlandweiten Kampf um die Veränderung der Gesellschaft“. Heutzutage ist Sinn Féin in den Parlamenten vertreten, hat aber ihre Präsenz auf der Straße und ihre Fähigkeit, Massenproteste zu mobilisieren, nicht nur nicht verloren, sondern weiterentwickelt.

Parteiaufbau und Friedensprozess

Dieser politische Weg war und ist ihren Gegnern ein Dorn im Auge. Zwanzig Parteiaktivist/innen wurden von probritischen Paramilitärs ermordet. Auch Gerry Adams wurde 1984 bei einem Attentat schwer verletzt. Die Regierungen in London und in Dublin verhinderten bis 1994 durch harte Zensurgesetze eine Medienpräsenz von Sinn Féin. Bis zum heutigen Tage versuchen herrschende Parteien und Medien vor allem im Süden Irlands, Gerry Adams durch Schmutzkampagnen zu diskreditieren.

Am Zustandekommen des Friedensvertrags von 1998, der den bewaffneten Konflikt beendete, war Gerry Adams maßgeblich beteiligt. Schon Jahre zuvor hatte er in Gesprächen mit dem katholischen Priester und Friedensmoderator Alex Reid und dem Chef der nordirischen Sozialdemokraten John Hume Wege zum Frieden ausgelotet. Das Karfreitagsabkommen, wie der Vertrag genannt wird, beendete nicht den Konflikt, sondern seine militärische Phase. Es enthält eine Blaupause für eine radikale Demokratisierung Nordirlands und ermöglicht die friedliche Wiedervereinigung der beiden Teile Irlands. Gerry Adams nennt den Friedensprozess „einen unserer wichtigsten Erfolge“.

Ausgefeilt wurden solche Strategien nie im Alleingang. Die irisch-republikanische Bewegung ist eine internationalistische Bewegung mit weltweiter Vernetzung. Bekannt ist die enge Verbindung zur baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung. Nach dem Tode Nelson Mandelas war Gerry Adams auch zur internen Gedenkveranstaltung des African National Congress (ANC) geladen. Die Botschafter von Kuba und Palästina sind regelmäßige Gäste auf den Parteitagen.

Seit 1982 ist Gerry Adams auch als Schriftsteller tätig. In seinen Büchern verarbeitet er politisches Geschehen in Irland auf humorvolle Art und Weise. In Kurzgeschichten und in seiner frühen Autobiographie, die unter dem Title „Bevor es Tag wird“ auch in deutscher Sprache erschienen ist, gibt er Einblicke in das Leben in Irland. Im Internet betreibt er den Blog „Léargas“ in englischer Sprache.

Zuerst veröffentlicht bei info-nordirland.de

Martin McGuinness: ein Erbe, auf das wir aufbauen müssen

Rede des Sinn Féin Präsidenten Gerry Adams am Grab von Martin McGuinness

Derry, 23.3.2017

Zunächst möchte ich mein Beileid Martins Frau Bernie, seinen Kin­dern Athena, Grainne, Fionnuala und Emmett, sowie ihren En­kel­kindern aussprechen. Sinn Féin ist sehr stolz auf Martin Mc­Guin­ness. Wir sind alle tief betrübt darüber, dass wir unseren Freund und unseren Mitstreiter Martin vor ein paar Tagen ver­lo­ren haben ... Irland verlor diese Woche einen Helden, Derry einen Sohn. Sinn Féin verlor eine Führungspersönlichkeit und ich einen gu­ten Freund und Mitstreiter. Aber Martins Familie hat den größ­ten Verlust zu beklagen. Sie hat einen liebenden und fürsorg­li­chen Ehemann, Vater und Großvater verloren. Einen Bruder und einen Onkel. Im Namen von Sinn Féin, im Namen (meiner Frau) Colette, meiner ganzen Familie und mir und stellvertretend für Euch alle bezeuge ich der McGuinness Familie unsere Solidarität. Wir danken den Doktor/innen und Krankenpfleger/innen, die sich während seiner Krankheit so gut um ihn gekümmert haben. Wir denken auch an die Familie von Ryan McBride und beten für sie. Unser Beileid gilt ihnen und der Welt des irischen Fußballs.

Eines der besten Dinge, die Martin je tat, war die Heirat mit Ber­nie Canning. Einer seiner besten Erfolge war die Familie, die er und Bernie in der Bogside großzogen. Mehr als alles andere liebte Martin seine Familie. Wir fühlen mit seiner Frau Bernie, ihren Söhnen Fia­chra und Emmett, ihren Töchtern Fionnuala und Gráinne, Bernies und Martins Enkeln Tiarnan, Oisin, Ros­sa, Ciana, Cara, Dualta und Sadhbh; seiner Schwester Geraldine, den Brüdern Paul, William, Declan, Tom und John und der ganzen McGuinness Familie.

Ein guter Geschichtenerzähler

Diejenigen unter uns, die Martin kennen, sind stolz auf seine Erfolge. Auf seine Menschlichkeit und sein Mitge­­fühl. Martin war eine beeindruckende Persönlichkeit der seltensten Art - einer, der außerge­wöhn­­­­liche Dinge in außergewöhnlichen Zeiten tat. Er hätte sich nicht über die Kommentare einiger Leu­­te über ihn gewundert. Er wäre der erste gewesen, der gesagt hätte, diese Leute haben ein Recht, ihre Meinung zu äußern. Im speziellen diejenigen, denen durch die IRA Leid angetan wurde. Aber ich möch­te diejenigen in den Redaktionsstuben oder ihren politischen Elfenbeintürmen kritisieren, die Mar­­tin McGuinness als Terroristen verunglimpft haben.

Mar a dúirt An Piarsach (schon Patrick Pearse) sagte am Grab eines anderen Fenian (eines irischen Re­publikaners) –“ diese Dummköpfe, diese Dummköpfe, diese Dummköpfe. Martin kann ihnen nicht mehr antworten. So lasst mich die Antwort geben. Martin McGuinness war kein Terrorist. Martin Mc­Guin­ness war ein Freiheitskämpfer. Er war auch ein politischer Gefangener, ein Verhandlungsführer, ein Friedensstifter und einer, der Wunden heilt. Aber trotz seiner Leidenschaft für Politik war er nicht ein­dimensional. Er hatte viele Interessen. Draußen in der Natur. Spirituelles. Und er war bekanntlich hoch interessiert an anderen Menschen. Er liebte es, Geschichten zu erzählen. Das konnte er besser als die meisten, mich eingeschlossen.

In den frühen Wochen seiner Krank­heit, kurz nach Weihnachten, versuch­te ich, ihn dazu zu bewegen, ein Buch zu schrei­ben. Er ging darauf ein. Ein Buch über die Sommer seiner Kindheit in Donegal, auf der Halbinsel Inisho­wen, in der Um­ge­bung von Buncrana. Über seine Mut­ter. Die Erinnerungen an seinen Vater. Sei­ne Brüder und sei­ne Schwester. Schul­tage und mehr. Wie er Bernie ken­nenlernte. Ihre Be­zie­hung. Die Geburt ih­rer Kinder und Enkel. Leider wird er das Buch nicht mehr schreiben. Dabei war er ein gu­ter Schreiber, ein ordentlicher Poet, der sich besonders zu Seamus Heaney und Patrick Ka­vanagh hinge­zogen fühlte. Er liebte es, Kräuter zu züchten. Er dachte, er wäre der Welt bester Schach­spieler. Er lieb­te das Kochen. Fliegenfischen. Wandern, insbesondere in der Gegend des Grianan Fort - Grianán Ailigh. Bhain sé sult ag gach sórt spóirt, ach an raibh peileadóir ní na mheasa ná é riamh Er liebte jede Art von Sport, aber gab es je einen schlechteren Fußballer? ... Er brach einmal sein Bein beim Fußballspielen. Da­nach war er vom Fußgelenk bis zur Hüfte eingegipst und musste sich an der Trep­­pe hochziehen und sie herunterrutschen. Seine Mutter Peggy –“ möge sie in Frieden ruhen –“ er­zähl­­te mir, er sei über den Ball gestolpert. Er konnte großartig Witze erzählen. Er mochte diese Art von Zeit­­vertreib. Aber vor al­lem genoss er die Zeit mit Bernie und der Familie. Das erdete Martin McGuin­ness.

Bhí Martin ina chara mór acu siúd uilig a bhí ag troid ar son na saoirse ar fud an domhain. Er war ein Freund aller Freiheitskämpfer auf der ganzen Welt. Und er reiste häufig, um über die Notwendigkeit zu reden, Frieden zu schaffen, ins Baskenland und nach Kolumbien, in den Mittleren Osten und in den Irak. In Südafrika traf er Nelson Mandela und andere aus der Führung des ANC, um von ihren Erfah­run­gen zu lernen, aber auch Politiker der National Party.

Kein gewöhnliches Leben

Martin war aber auch in vieler Hinsicht ein ganz normaler Mensch. Vor allem in seinen Gewohnheiten und seinem Lebensstil. Wie viele andere aus Derry. Martin wuchs in einer Stadt auf, in der Katholiken in großem Ausmaß politisch und wirtschaftlich unterdrückt wurden. Er wurde in einen Oranierstaat hi­n­ein­geboren, der ihn und seinesgleichen nicht wollte. Armut war endemisch. Ich erinnere mich, dass er einmal erzählte, wie verwundert er war, als sein Vater, ein ruhiger, gemäßigter Mann und Kirchgän­ger, mit der Bürgerrechtsbewegung hier in Derry auf die Straße ging. Die gewaltsame Unterdrückung die­ser Bürgerrechtsbewegung durch den Oranierstaat, die Schlacht um die Bogside und der aufkom­men­de Konflikt trieben Martin in ein weniger gewöhnliches Leben.

Bhuail muid don chéaduair blianta fada ó shin i nDoire Saor. Is cairde agus comrádaithe sinn ó shin. Wir trafen uns zum ersten Mal vor 45 Jahren hinter den Barrikaden von Free Derry. Seither sind wir Freun­de und Genossen. Auf der Flucht, inhaftiert im Curragh Camp und in den Gefängnissen von Portlaoise und Belfast, als Erziehungsminister von Nordirland und später als stellvertretender First Minister an der Seite von Ian Paisley, Peter Robinson und schließlich Arlene Foster, das ist Martins erstaunlicher und un­­ver­gleichlicher Weg.

Liest und sieht man einige der Reportagen der letzten Tage über sein Leben und seinen Tod, könnte man fast glauben, Martin hätte an einer nicht näher bezeichneten Stelle seines Lebens eine Art Straße-nach-Damaskus-Sinneswandel erlebt: Aufgabe seiner republikanischen Prinzipien, seiner Kampfgefähr­ten in der IRA, Eintritt in das politische Establishment. Wer das suggeriert, verkennt seine Führungs­kraft und seine Menschlichkeit. Es gibt keinen schlechten oder guten Martin McGuinness. Da war nur einer, der wie jeder anständige Mann und jede anständige Frau sein Bestes gab. Martin glaubte an Frei­heit und Gleichheit. Er leistete bewaffneten Widerstand gegen diejenigen, die uns diese Rechte vorent­hielten. Dann half er, die Bedingungen so zu verändern, dass es möglich wurde, Strategien zu entwik­keln, um ohne Waffen für diese Rechte zu kämpfen. In all dem blieb Martin denselben Idealen treu, die ihn einst zu einem republikanischen Aktivisten machten –“ ein Vereinigtes Irland, Freiheit, Gleichheit und Respekt für alle.

Durch die Wirren und Wendungen des Friedensprozesses

Martin war der Überzeugung, dass die Einmischung der britischen Regierung in Irland und die Teilung unserer Insel der Grund für unseren Konflikt sind. Er hatte damit 100% Recht. Die britische Regierung hat kein wie auch immer geartetes Recht, sich in Irland einzumischen. Mit anderen Gleichgesinnten ver­­stand er die Notwendigkeit, eine demokratische, radikale, republikanische Volkspartei für ganz Ir­land zu schaffen.

Er erkannte insbesondere, dass Verhandlungen und Politik andere Formen des Kampfes sind. Auf diese Weise half er, einen neuen Kurs mit einer anderen Strategie einzuschlagen. Das bedeutete, schwierige Initiativen zu starten, um politische Fortschritte zu erzielen. Unsere politischen Ziele und unsere repub­li­kanischen Prinzipien und Ideale änderten sich nicht. Ganz im Gegenteil. Sie leiteten uns durch die Wir­ren und Wendungen des Friedensprozesses. Martin hat großen Anteil daran, dass wir heute in einem ver­änderten Irland leben. Wir leben in einer Gesellschaft im Wandel. Die Zukunft kann jetzt durch uns ent­schieden werden. Sie sollte niemals für uns entschieden werden.

Ohne Martin wäre diese Art von Friedensprozess, die wir hatten, nicht möglich gewesen. Viel von dem, was wir heute für selbstverständlich halten, wäre nicht erreichbar gewesen. Aus meiner Sicht, liegt der Schlüssel darin, nie aufzugeben. Das war auch Martins Mantra. Er konnte zäh, durchsetzungsfähig und ein Fels in der Brandung sein, wenn das nötig war. Manchmal auch dogmatisch. Feiglinge sind keine gu­­­ten Verhandlungsführer. Aber sogenannte harte Typen auch nicht.

Martin erkannte die Notwendigkeit von Flexibilität. Sein Beitrag zur Weiterentwicklung des republikani­schen Denkens war enorm, wie auch seine Fähigkeit, republikanische Ideale populär zu machen. In den vielen Jahren der Zusammenarbeit erkannten wir beide, wie wichtig Kreativität, Vorstellungsvermögen und die Bereitschaft, die Initiative zu ergreifen, sind, um Erfolge in unserem Kampf zu erzielen. Martin nahm diese Herausforderung an, redete nicht nur über Veränderungen, sondern machte sie möglich. Er sagte einmal: „Wenn Veränderungen eintreten und wir die Zuversicht haben, sie als Chance zu begrei-fen und als Freund, und wenn wir ehrliche und positive Führung bieten, dann ist unendlich viel möglich.“

Freiheitskämpfer mit Führungsstärke

Bhí sé ina ábhar mór bróid agam chun Martin a ainmniú mar an chéad Aire Oideachais i ndiaidh Chomhaontú Aoine an Chéasta.

Ich war Stolz darauf, nach dem Karfreitagsabkommen Martin als nordirischen Erziehungsminister zu nominieren. Es war eine Position nach seinem Geschmack: Gleichheit und Fairness im Erziehungsminis­te­ri­um in die Praxis umzusetzen, das Ende des „Eleven Plus“ (genannten schriftlichen Examens für 11-jährige, das den Weg in die Grammar School öffnete oder verschloss) einzuleiten und die Bildungschan­cen der Kinder zu verbessern. 2007 wurde er stellvertretender First Minister (der nordirischen Regio­nal­re­gie­rung) und ein gleichberechtigter Partner des (First Minister) Ian Paisley. Sie wurden zu Freun­den und illustrierten damit den Fortschritt, den wir auf dieser irischen Insel gemacht haben.

Seine Versöhnungsinitiativen, das Zugehen auf den pro-britischen Teil der Gesellschaft, sein Einsatz für die Opfer des Konflikts und für Frieden in Irland und international wurde zurecht in breiten Kreisen ge­wür­digt. Als Teil dieser Aktivitäten traf Martin mehr­fach die englische Königin Elisabeth. Er war sich sehr bewusst, dass dies Kritik provozieren würde. Ihm war klar, dass einige Republikaner und Patrioten da­rü­ber verärgert waren.

Das ist der echte Beweis von Führungsstärke –“ über die eigene Basis hinaus weiterzugehen. Es ist ein Test, den Martin jedes Mal bestand.

Auch einige unionistische Politiker waren verärgert, als ihre Königin Martin die Hand gab oder als sie bei anderer Gelegenheit die cúpla focal benutzte (irisch sprach) oder sich in Respekt vor den Männer und Frau­en des Aufstands von 1916 verbeugte. Dies sind symbolische Gesten, aber sie sind trotzdem be­deu­­tend. Martin schrieb im Brief, in dem er am 9. Januar 2017 seinen Rücktritt bekanntgab: „Gleich­heit, gegenseitiger Respekt und ein gesamtirisches Vorgehen, wie es im Karfreitagsabkommen festge­legt ist, wurden von der DUP nie umfassend akzeptiert. Über die negative Haltung gegenüber irischen Patri­o­ten, irischer Identität und Kultur hinaus, war und ist eine beschämende Respektlosigkeit gegen­über vielen Bereichen des irischen Teils der Gesellschaft zu beobachten.“

Auf sein Erbe aufbauen

Ich zitiere das mehr aus Betroffenheit als aus Ärger. Ich versuche zu verstehen, warum das so ist. Das war auch Martins Ansatz. So Lasst mich am Grab dieses besonderen Mannes an unsere unionistischen Nachbarn appellieren. Lasst uns lernen, uns gegenseitig zu mögen, Freunde zu sein, uns über unsere Un­terschiede zu freuen. Lasst uns mit gesundem Menschenverstand, mit Respekt und Toleranz fürein­an­der und für alle anderen uns auf Augenhöhe begegnen. Lasst mich auch an Republikaner und irische Patrioten appellieren –“ handelt nicht in Respektlosigkeit gegenüber unseren unionistischen Nachbarn oder dritten. Steht auf gegen Bigotterie, gegen Sectarianism (religiös geprägten Rassismus). Aber res­pek­tiert Eure unionistischen Nachbarn. Geht auf sie zu. Macht wie Martin Schritte nach vorn, gebt ein Beispiel. Durch kleine Gesten der Freundlichkeit und Großzügigkeit.

Is féidir linne bheith iontach bródúil as Martin. Is duine é de na fir agus de na mná iontacha sin a sheas an fód ar son saoirse na hÉireann. Wir können sehr stolz auf Martin sein. Er ist einer der großen und be­merkenswerten Männer und Frauen, die für die irische Freiheit eingetreten sind und für das, was sie für richtig hielten. Martin glaubte fest daran, dass ein besseres und wirklich neues Irland möglich ist. Er bekämpfte die Einstellung, dass auf Grund von Geschlecht, Rasse, Klasse, Hautfarbe, Behinderung, sexu­eller Orientierung oder Religion Bürgern ihre vollständigen Rechte und Ansprüche vorenthalten wer­den könnten. Das ist ein Erbe, auf dem wir aufbauen müssen.

Natürlich wissen wir irischen Republikaner, dass trotz des großen Fortschritts, der gemacht wurde –“ nicht zuletzt wegen der vielen Leben, die die letzten 20 Jahre gerettet wurden –“ dass ein langer, langer Weg mit vielen Abbiegungen und Kurven vor uns liegt. Alles dreht sich um Rechte. Bürgerechte. Men­schen­rechte. Religiöse Rechte. Sprachrechte. Rechte der Lesben und Schwulen. Soziale und wirt­schaft­li­che Rechte. Rechte für Frauen. Nationale Rechte. Das Recht auf Freiheit. Der Kampf für diese Rechte kann keiner politischen Partei überlassen werden.

Organisiere und mobilisiere

Du willst ein Gesetz zur Gleichberechtigung der irischen Sprache (Acht na Gaeilge)? Starte eine Kam­pag­ne dafür. Ná habair é. Dean é. Ohne Dich geht es nicht. Willst Du eine Charta der Grundrechte? Gleich­geschlechtliche Ehe? Mobilisiere dafür. Wenn Du frei sein willst, dann werde aktiv.. Organisiere. Mo­bilisiere. Trete gemeinsam mit anderen für Deine Rechte ein. Das ist die Aufgabe, vor der wir ste­hen. Eine Massenbewegung für eine progressive Veränderung in allen 32 Counties unserer Insel. Und für alle, die hier leben. Dank Martin sind wir für diese Aufgabe besser gerüstet.

So trauert nicht. Feiert und werdet aktiv. Das ist es, was auch Martin gewollt hätte.

Er war ein Beispiel für alles, was in unserer republikanischen Ideologie anständig und fair ist und lebte unsere zentralen Werte von Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Wir müssen nun den Kampf dort wie­terführen, wo er aufgehört hat. Wie Bobby Sands war er der Überzeugung, dass unsere Revanche das La­­chen unserer Kinder sein sollte. Er zeigte durch sein Leben, dass es möglich ist, Frieden aus dem Kon­flikt zu bilden, eine bessere und gerechtere Zukunft auf der Basis von Fairness zu schaffen und Spaltung durch Einheit zu überwinden. Martin wird uns auch in der Zeit, die vor uns liegt, inspirieren und ermuti­gen.

Ar dheis Dé go raibh a anam dílis. Ní bheidh a leithéid arís ann.

Ich habe nicht gedacht, dass ich an diesem heutigen Tag eine Grabrede halten werde. Martin freute sich so darauf, im Mai von seinem Amt zurückzutreten. Das sollte nicht sein, aber alles andere hat er gut gemacht.

Es gibt heute kaum Trost für Ber­nie und die Familie, aber wir be­ten dafür, dass sie alle in künfti­gen Tagen Trost in der Erinnerung an die glückliche Zeit mit Martin fin­den ... Danke, Bernie, dass Du Mar­tin mit uns geteilt hast. Er wird von vielen vermisst werden. Du wirst ihn mehr als alle anderen vermissen. Farewell Martin. Slán a chara, slán go deo. Auf Wieder­se­hen, mein Freund, auf Wieder­sehen für immer.

Wir danken Martin McGuinness. Wir ehren Martin McGuinness. Wir applaudieren Martin McGuinness.

Es lebe die Republik.



Übersetzung: Uschi Grandl / nordirland.info

"Respekt, Gleichberechtigung, Integrität"

Sinn Féin mobilisiert die Zivilgesellschaft und überwindet zum ersten Mal in der Geschichte Nordirlands die absolute Mehrheit der pro-britischen (unionistischen) Parteien.

Der große Wahlerfolg der irisch-republikanischen Linkspartei Sinn Féin bei den Wahlen zum nordirischen Regionalparlament am 2. März 2017 fand auch international Beachtung. Mit 27,9% der Stimmen und 27 Sitzen trennen sie nur 1.168 Stimmen und ein Sitz von der stärksten Partei, der pro-britischen, unionistischen DUP. Drittstärkste Partei ist mit deutlichem Abstand die sozialdemokratische SDLP mit 12 Sitzen und 11,9% der Stimmen.

Die wichtigste Wahl seit dem Friedensabkommen von 1998

Newsletter der internationalen Abteilung von Sinn Féin, März 2017, deutsche Übersetzung
Drei große Themenblöcke bestimmten die Wahl. Zum einen hatte sich die Mehrheit der nordirischen Wähler/innen im Juni letzten Jahres gegen den Brexit, also für den Verbleib in der Europäischen Union ausgesprochen. Auch pro-britische Wähler fürchten eine EU-Außengrenze, die mitten durch Irland geht und die nordirische Wirtschaft vom Süden abkoppelt. Zum anderen ist das nordirische Regionalparlament keine gewöhnliche politische Institution. Es wurde im Friedensvertrag von 1998 als Parlament mit Allparteienregierung festgelegt, um die im Karfreitagsabkommen und in späteren Ergänzungsabkommen ausgehandelten Kompromisse gemeinsam umzusetzen. Von der dominierenden DUP wird diese Aufgabe seit längerem blockiert. Die pro-britische und in vielen Bereichen erzkonservative Partei blockierte wichtige Themen wie Aussöhnung, Aufarbeitung des Konflikts, und die Demokratisierung Nordirlands. Nach dem Friedensabkommen sollte nicht nur die Gleichberechtigung der irisch-katholischen Bevölkerungshälfte erreicht werden, sondern auch eine offene Gesellschaft, die Diversität als Reichtum und nicht als Belastung sieht.

Als die DUP Regierungschefin Arlene Foster auch noch Vorwürfe der Vetternwirtschaft und der Korruption ohne Konsequenzen aussitzen wollte, zog Sinn Féin die Reißleine. Mit dem Rücktritt des stellvertretenden nordirischen Regierungschefs Martin McGuinness erzwang die Linkspartei Neuwahlen, die sie unter dem Motto „Respekt, Gleichberechtigung, Integrität“ führte. Damit traf sie den Nerv des progressiven Teils der Bevölkerung und schaffte es, viele Menschen zu aktivieren, nicht nur zur Wahl zu gehen, sondern sich auch aktiv im Wahlkampf einzusetzen.

Relikt der kolonialen Vergangenheit

In vielen deutschsprachigen Berichten zur Wahl wird Sinn Féin (SF) als „katholisch“ oder als „republikanisch-katholisch“ bezeichnet. Diese falsche Bezeichnung resultiert aus einem falschen Verständnis des Nordirlandkonflikts als eines Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten. Tatsächlich hatten die englischen Kolonialherren in Irland schon in den vergangenen Jahrhunderten „protestantische“ Einwanderer gegen die irisch-katholischen Eingeborenen instrumentalisiert, wurden Protestanten in militanten Organisationen wie den Oranierorden organisiert, um Forderungen nach Gleichberechtigung gewaltsam zu unterdrücken. Nach dem Osteraufstand von 1916, dem SF-Wahlsieg von 1918 und dem Unabhängigkeitskrieg von 1919-1922 war Irland als Ganzes für das britische Empire nicht länger zu halten. Das britische Unterhaus schuf 1920 Nordirland als neuen Kunststaat und spaltete ihn von Irland ab, ohne die irische Bevölkerung einzubeziehen. Sie schuf damit einen protestantischen Apartheid-Staat, der 50 Jahre lang von einer einzigen Partei, der Unionist Party regiert wurde.

Demgegenüber sieht sich Sinn Féin in der antikolonialen Tradition der United Irishmen (Vereinigte Iren) des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die „Katholiken, Protestanten und Atheisten“ aufriefen, gemeinsam ein demokratisches und freies Irland zu schaffen. Auf dem Jugendkongress seiner Partei in Derry rief der Sinn Féin Präsident Gerry Adams in Erinnerung, dass die DUP aus der Politik gegen die Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre entstanden sei. Sie war die „Verkörperung des Aufwiegler-Unionismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das sind ihre Ursprünge, ihre Politik ist Teil unserer kolonialen Vergangenheit. Sie basiert auf Sectarianism (religiös verbrämtem Rassismus). Einige ihrer Mitglieder sind der festen Überzeugung, Katholiken seien das Problem. Nicht wir (in Sinn Féin), sondern Katholiken im Allgemeinen. Für sie ist tatsächlich jeder, der nicht Freier Presbyterianer ist, das Problem und der Feind.“ (Eine Zusammenfassung der Rede von Gerry Adams findet sich im Newsletter der internationalen Abteilung von SF, der in deutscher Übersetzung beiliegt).

Hohe Wahlbeteiligung

Hatten im Vorfeld Kommentatoren vom Desinteresse der nordirischen Wähler/innen gesprochen und davor gewarnt, dass die Wahlbeteiligung unter 50% sinken könnte, wurden sie am letzten Donnerstag, den 2. März 2017 eines besseren belehrt. Fast 10% mehr Wähler/innen gingen zur Wahl als bei der letzten Wahl im Mai 2016, insgesamt 64,8% der stimmberechtigten und im Wahlregister eingetragenen Bevölkerung.

In 18 Wahlbezirken standen jeweils fünf Sitze zur Wahl, die nach einem System der Persönlichkeitswahl ermittelt werden, bei dem Wähler Stimmen durch Angabe einer zweiten, dritten, ... Präferenz transferieren können. Die Stimmen der nach Vergabe aller Sitze unterlegenen Kandidaten verfallen.

Ergebnisse der Wahlen zum nordirischen Parlament
Wikipedia, März 2017 (in englischer Sprache)


Bemerkenswert

Das Wahlergebnis ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Der Abstand der führenden unionistischen Partei DUP zu Sinn Féin als zweitstärkste Partei ist von bisher zehn Sitzen auf gerade einmal einen Sitz geschrumpft. Die SF-Nordirland-Chefin Michelle O–™Neill erzielte das beste Ergebnis aller Kandidaten. Und zum ersten Mal haben die pro-britischen Parteien DUP und UUP gemeinsam nicht mehr die absolute Mehrheit im Parlament. Das gute Abschneiden von Sinn Féin ging nämlich nicht auf Kosten der kleineren Partei des irischen Lagers, der sozialdemokratischen SDLP, die trotz leichter Verluste ebenfalls einen Sitz zulegen konnte.

Eine solche Änderung der Mehrheitsverhältnisse war lange als irisch-republikanische Utopie abgetan worden. Sie hätte Konsequenzen. Denn im Friedensvertrag ist festgelegt, dass Großbritannien in Nordirland ein Referendum zum Austritt aus dem United Kingdom zulassen muss, wenn es die Mehrheit der nordirischen Bevölkerung wünscht. Die Diskussion um die Wiedervereinigung Irlands wird nach diesem Wahlergebnis und der Auseinandersetzung um den Brexit wohl an Fahrt gewinnen.


Titelfoto (Omagh, 3.3.2017): Sinn Féin feiert Erfolg der Regionalwahlen 2017 –“ im Wahlbezirk West Tyrone gewinnt die irisch-republikanische Partei 3 von 5 Sitzen.

Newsletter der internationalen Abteilung von Sinn Féin vom März 2017: Download in deutscher Übersetzung (450 KB)

Quelle: Info-Nordirland.de

Café Consolidated: Filmvorführung "Bloody Sunday"

FlyerSeit Ende der 60er Jahre befindet sich Nord Irland in einer Art des Ausnahmezustands. Die republikanischen Teile der Bevölkerung sind Ziel von Übergriffen durch Polizei und loyalistische Paramilitärs. 1969 führte die Stationierung der britischen Armee zu einer weiteren Eskalationsstufe. In den republikanischen (Arbeiter)vierteln wurden Barrikaden errichtet um sich gegen die andauernden Übergriffe zu schützen. Am 30.01.1972 gab es eine Bürgerrechtsdemonstration in Derry. Bei dieser wurden driezehn unbewaffnete Demonstrant_innen durch britische Fallschirmjäger erschossen. Bis heute gilt das Massaker als „Bloody Sunday“.

Um die Aufmerksamkeit auch auf die aktuellen Entwicklungen in Nordirland zu lenken, wird es eine kleine Einführung in die komplexe Thematik geben. Anschließend wird der Film „Bloody Sunday“ gezeigt werden.

Wann: Dienstag 11.12.2012 um 19:30
Wo: Mehr Generationen Haus Linde im Keller, Alleenstr. 90 - Kirchheim Teck

Eine Veranstaltung des offenen antifaschistischen Bündnisses Kirchheim mit Essen & Trinken auf Spendenbasis!



Siehe auch:
Die Lehren aus dem "Bloody Sunday"
"You are now entering Free Derry"
The peoples own MP
Bobby Sands über sich selbst
Wie alles anfing
Irische Begräbnisse ...<
"Unsere Rache ist das Lachen unsrer Kinder" (Bobby Sands)
cronjob