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Die vielköpfige Hydra. Die verborgene Geschichte des revolutionären Atlantiks
Im Gegensatz zur gängigen Geschichtsschreibung stellen die Autoren die Perspektive der multi-ethnischen Proletarier, die der erlittenen Gewalt etwas entgegenzusetzen versuchten, in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Es ist dies die Geschichte der verarmten Massen, der Seeleute und Sklaven, der Schuldknechte, der einfachen Frauen, der marginalisierten Arbeiter und Bauern. Sie treten hier als politische Subjekte in Erscheinung, anstatt als unberechenbare und politisch naive Masse abgetan zu werden, die den Gang der Geschichte durch plan- und hoffnungslose Revolten vorübergehend aufhielten.
Aus einer Fülle historischer Überlieferungen rekonstruieren die Autoren Aufstände, Streiks und Meutereien gegen das gewaltige Kolonialisierungs- und Siedlungsprojekt des Empire.
Landlose, Sklaven und Entrechtete entwickelten Formen kooperativer Widerständigkeit, ohne dass dabei Fragen von nationaler Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht eine bestimmende Rolle spielten. Die Deklassierten entwarfen durchaus eigene Entwürfe eines besseren Lebens.
In den Augen der Obrigkeit handelte es sich bei dieser unberechenbaren amorphen Unterschicht um eine »vielköpfige Hydra«, der für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue wuchsen.
Dieses außergewöhnliche und glänzend geschriebene Werk zeichnet die untergründige Geschichte des transatlantischen Empires nach und rückt die revoltierenden Heerscharen afrikanischer Sklaven, städtischer Proletarier, der Piraten und Ureinwohner der Karibik in den Mittelpunkt. Im angelsächsischen Raum gilt es als Klassiker der neueren Labor History. Im Jahr 2001 wurde es mit dem International Labor History Award ausgezeichnet.
Peter Linebaugh & Marcus Rediker
Die vielköpfige Hydra. Die verborgene Geschichte des revolutionären Atlantiks
Aus dem Englischen von Sabine Bartel
ISBN 978-3-86241-489-5 | 432 Seiten | Paperback | 24,00 €
Aber Moment, warum passiert denn sowas dann nicht öfter?
In München will Bosch ein Werk schließen. Jetzt kämpfen die Belegschaft und KlimaaktivstInnen gemeinsam dagegen. Auch wenn die Frage, welche Positionen die Gewerkschaften - in dem Fall die IG Metall - einnehmen werden, wenn es richtig zur Sache geht, zu sehr mit der rosaroten Brille gesehen wird: Ein Beispiel, das Schule machen sollte:
(...)
Es gibt bislang nicht viele Beispiele für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Klimabewegung und Industriearbeiter*innen. Warum ist die Zusammenarbeit aus eurer Perspektive dennoch wichtig – und warum ist sie auch so schwierig?
Schwierig finde ich sie gar nicht so sehr. Als in der Zeitung stand, dass das Werk geschlossen werden soll, sind wir da hingegangen, haben die Leute angesprochen und gefragt: Denkt ihr auch, dass ihr für Klimaschutz entlassen werdet, und alle haben gesagt: Äh, nee, es ist uns vollkommen klar, dass das nur vorgeschoben ist. Also wie gesagt: So schwierig fand ich das eigentlich nicht …
Aber Moment, warum passiert denn sowas dann nicht öfter?
Weil in der Klimabewegung der Bezug auf die Klasse fehlt. Das ist ein Problem. Die Klasse ist nicht nur aus moralischen Gründen wichtig, sondern vor allem aus strategischen: Der Kampf gegen den Klimawandel ist untrennbar mit der Frage verknüpft, was wir produzieren – und wie. Und Demonstrationen allein können in dieser Frage keinen Druck erzeugen. Bei Fridays For Future hat die Politik gezeigt: Hunderttausend Menschen auf der Straße können einfach ignoriert werden. Das ist bei Streiks anders. Zudem ist es ein genuines Klasseninteresse, gegen den Klimawandel vorzugehen. Die Lohnabhängigen sind diejenigen, die den am stärksten ausbaden werden. Die Spaltung zu überwinden, die aus der Behauptung resultiert, es bestünden unterschiedliche Interessen zwischen Industriearbeiter*innen und Klimabewegung, ist also essenziell für eine Strategie gegen die Klimakatastrophe. Bei der Kohle ist das nicht gut gelungen. Aber es gibt keinen anderen Weg.
(...)
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kritisch-lesen.de Nr. 47: Neue Klassenpolitik
Diese Ausgangslage hat die seit über einem Vierteljahrhundert andauernde Krise der Linken vertieft. Die knifflige Frage lautet: Wie können sie am besten umgeworfen werden, die Verhältnisse, in denen „der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“? An Ansätzen mangelt es ja eigentlich nicht: Stadtteilpolitik, Linkspopulismus, Selbstorganisierungen, Gewerkschaftsarbeit, Hegemoniepolitik und vieles mehr. Doch was könnte eine gemeinsame Klammer sein? Seit einiger Zeit diskutieren Linke in Europa und den USA über Ansätze einer Neuen Klassenpolitik. Diese versucht, den falschen Entgegensetzungen von objektiven Bedingungen und subjektiven Möglichkeiten, von materiellen und kulturellen Kämpfen, von Klassenkampf und „Identitätspolitik“ etwas entgegen zu setzen.
Die Debatte um Neue Klassenpolitik (hier ein Überblick) lotet aus, wie eine Klassenpolitik „auf Höhe der Zeit“ aussehen könnte. Ein Minimalkonsens: Sie darf nicht hinter die Kämpfe der vergangenen Jahrzehnte zurückfallen. Das mag mit Blick auf lange vorhandene antirassistische, feministische wie auch antiimperialistische Klassenpolitiken nicht allen neu erscheinen. Das macht es aber nicht weniger notwendig, diese Leitplanken der Debatte auszuleuchten.
Davon ausgehend lauten die Fragen, die wir mit dieser Ausgabe stellen: Was bedeutet überhaupt Klasse? Wie hängen Klassenpolitik, Antirassismus und Feminismus zusammen? Was ist von einigen bisherigen Versuchen Neuer und alter Klassenpolitik zu halten? Wie kann Neue Klassenpolitik aussehen und wie kann sie gelingen?
In der Ausgabe #48 im Juli 2018 werden wir uns dem Thema „Kapitalismus digital“ widmen. Was ist digitaler Kapitalismus? Ist er überhaupt so neu wie er sich gibt? Wie sieht eigentlich Arbeit im digitalen Zeitalter aus und welche Rückschlüsse lassen sich daraus für linken Widerstand ziehen?Zur Ausgabe Nr. 47
Mörderische Textilproduktion: Über Geschmack lässt sich streiten, über Ausbeutung nicht

Die Textilindustrie in den kapitalistischen Kernländern ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen. Zehntausende wurden entlassen und die Produktion in Länder mit noch niedrigeren Löhnen verlagert. Große Bekleidungsunternehmen wie z.B. H&M, C&A, Primark, Zara, Mango und KiK lassen heute u.a. in China, Bangladesch, Pakistan und Kambodscha produzieren. Die Produktion befindet sich in einer dauernden Wanderbewegung, denn produziert wird dort wo die Produktionskosten am Niedrigsten sind. Dies betrifft die gesamte Produktionskette, von der Baumwolle bis zum fertigen T-Shirt. Wenn ein T-Shirt hier für 3 Euro verkauft wird, ist klar, dass dies nur aufgrund unmenschlicher Arbeitsverhältnisse inbegriffen Hungerlöhne und grenzenloser Ausbeutung möglich ist. Sicherheitsstandards werden regelmäßig missachtet, immer wieder kommt es zu Fabrikbränden und Unfällen bei denen bereits mehrere Zehntausend Beschäftigte getötet wurden. Am 11.09.2012 kam es beispielsweise zu einem Großfeuer in der Textilfabrik „Ali Enterprises“ in Pakistan, bei dem über 250 ArbeiterInnen bei lebendigem Leib verbrannten. Am 24. April 2014 jährt sich der Tag des Einsturzes des „Rana Plaza“ Einkaufszentrums, in Savar, Bangladesch, in dem sich mehrere Textilfabriken befanden. Allein dabei kamen 1.134 ArbeiterInnen ums Leben und über 2.000 wurden zum Teil so schwer verletzt, dass sie nicht mehr arbeitsfähig sind. Profit geht über Leichen!
Doch auch der Widerstand wächst
Am 21.09.2013 haben in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch mehr als 50.000 TextilarbeiterInnen für höhere Löhne gestreikt. Am 12. und 13.11.2013 kam es in Ashulis und Savar zu Demonstrationen mit jeweils mehreren zehntausend TeilnehmerInnen. Im Januar dieses Jahres haben 450.000 ArbeiterInnen der Textilindustrie Kambodschas gestreikt und trugen damit ihren Protest in die Öffentlichkeit. Gefordert wurde bei allen Kämpfen die Gewährung eines lebenssichernden Standards am Arbeitsplatz, sowie eine Erhöhung der Mindestlöhne, die derzeit bei ca. 60 Euro monatlich liegen. 80% der Arbeitenden in der Textilbranche sind Frauen und an der untersten Ebene der Produktionsketten stehen die Heimarbeiterinnen.
Staatlicherseits wurde mit Repression reagiert, so wurde in Kambodscha sogar die Armee gegen die Streikenden eingesetzt. Hauptprofiteure des Geschäfts mit der Kleidung sind die internationalen Handelsketten und Konzerne. Auch die nationale Bourgoisie will weiterhin ihren Teil vom Kuchen nicht verlieren und den Standortwettbewerb um die billigsten Arbeitskräfte weiter anheizen.
Mit Zehra Khan haben wir eine, über Pakistan hinaus bekannte, kämpferische Gewerkschafterin eingeladen. Sie ist Generalsekretärin der „Home Based Women Workers Federation (HBWWF)“. Nach dem Großfeuer in der Textilfabrik „Ali Enterprises“ stellte sich die HBWWF sofort an die Seite der Opfer und Hinterbliebenen. Zehra Khan wurde zu einer Sprecherin des „Workers Rights Movement (WRM)“ und kämpft mit den Betroffenen für Entschädigungszahlungen, grundlegende Verbesserung der Arbeitsbedingungen und für höhere Löhne. Dabei geht es nicht nur um einzelne Verbesserungen, sondern um eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse auf antikapitalistischer Grundlage. Für Zehra Khan ist dieser Kampf untrennbar mit dem Kampf gegen die patriarchalen Verhältnisse und für die Rechte der Frauen verbunden. In Pakistan ein lebensgefährliches Engagement.
Solidarität ist unsere Stärke
Wir wollen die Verhältnisse auch hier zum Tanzen bringen. Konsum ist die Pille, mit der die Menschen hier in diesem System der internationalen Ausbeutung und damit auch ihrer eigenen Ausbeutung versöhnt werden sollen. Viele Beschäftigte in den Textilketten beklagen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Überwachung und Druck – Betriebsräte sind in der Regel unerwünscht. Dies ist die andere Seite der Ausbeutung in der Textilindustrie. Die Verhältnisse hier und in den Weltmarktfabriken des Südens lassen sich nicht voneinander trennen.
Es gibt viel zu tun, packen wir es gemeinsam an! Wir müssen dies gemeinsam mit all denen weltweit tun, die sich mit ihrem Herzen, ihrem Verstand, Mut und oft unter Einsatz ihres Lebens für eine Welt jenseits der kapitalistischen Ordnung und patriarchalen Verhältnisse einsetzen. Verbinden wir unsere Kämpfe, lernen wir voneinander. Kämpfen wir in diesem Sinne gemeinsam für gleiche soziale Rechte und ein gutes Leben für alle – für eine emanzipatorische Perspektive. Unsere Solidarität darf sich nicht auf Erklärungen beschränken, sondern muss ein Verständnis von internationaler Praxis entwickeln, die die Ausbeutung und die Kämpfe in den Ländern des Südens und in den hiesigen Metropolen verbindet.
Beugen wir uns nicht dem Diktat des Kapitalismus, streiten und kämpfen wir grenzenlos und solidarisch für ein selbstbestimmtes und gewaltfreies Leben ohne Ausbeutung und Unterdrückung.
In der Veranstaltung wird Zehra Khan über ihre Erfahrungen im Kampf für die Rechte der TextilarbeiterInnen sowie für Frauen sprechen.
Mittwoch, 23. April, 19.00 Uhr, Linkes Zentrum Lilo Herrmann, Böblingerstr. 105, 70199 Stuttgart (U1, U14, Bus 42, Haltestelle Erwin-Schöttle-Platz)
Via: Frauengruppe Stuttgart
Was mir heute wichtig erscheint #342
Verrohung: "Die Publizistin, Soziologin und politische Aktivistin Jutta Ditfurth setzt sich seit Jahrzehnten kritisch mit dem Kapitalismus und dem politischen Zeitgeschehen auseinander. Im Gespräch erklärt sie, warum Reformen und Parteien nichts am Kapitalismus ändern und weshalb die Revolution noch immer nicht ausgebrochen ist." Das sehr lesenswerte Gespräch bei telepolis: "Große Teile der bürgerlichen Mittelschicht sind dabei, sozial zu verrohen"
Marktmacht: Eigentlich weiß ja jedeR Bescheid, wie es in der Tierherstellung und den Schlachthöfen zugeht. Die "Süddeutsche" über eine für Hersteller und Konsumenten und vor allem das Produkt scheinbar ausweglose Situation. Solange Ernährung das große Geschäft ist. "(...) Hühnern werden also zack-zack die Schnäbel gekürzt, weil das die einfachste Methode ist, sie vom gegenseitigen Picken abzuhalten. Kälbern werden ohne Betäubung die Hornansätze weggebrannt und Schweinen die Ringelschwänze kupiert. Im Sinne der Verbraucher, die immer wieder klar zum Ausdruck bringen, dass sie großen Wert auf Tierschutz legen, ist all das sicher nicht. Für die Landwirte aber ist es die einzige Möglichkeit, noch einigermaßen kostendeckend zu arbeiten. (...)"
Verschlimmbesserung: ""Und ich finde, es ist legitim zu fragen, welche Haltung die Linkspartei - deren Ikone Frau Wagenkecht nun einmal ist - beispielsweise zu Europa hat, und wie das gemeint ist, wenn in einem Parteiprogramm-Entwurf in Bezug auf die EU die Adjektive „militaristisch“ und „diktatorisch“ auftauchen. Sie sagte in der Sendung zwar, das sei unglücklich formuliert, eine klare Distanzierung war das aber nicht. Und daran entzündete sich die Debatte." Mal abgesehen davon, dass Nachfragen nur Sinn machen, wenn auch Antworten zugelassen werden, - das Adjektiv 'diktatorisch' steht gar nicht im Parteiprogramm-Entwurf der Linken. Wer den Unterschied zwischen 'diktatorisch' und 'weithin undemokratisch' nicht kennt und falsch zitiert, sollte die Moderation von politischen Formaten vielleicht wirklich besser lassen." Markus Lanz macht alles nur noch schlimmer. Meint Andrej Hunko.
Kampflieder: Songs, die von Klassenkampf und Revolution erzählen, haben den Menschen aller Epochen Mut und Kraft gegeben auf ihrem langen Weg in die befreite Gesellschaft. Es sind »Lieder, in deren Melodie man das Herz singen hört«, wie der sozialistische Schriftsteller Henri Barbusse sagte. Die Redaktion der Musikzeitschrift Melodie&Rhythmus will diesen Songs ein Denkmal setzen. Ein Hinweis im neuen redblog.
Öffentlichkeit: Am 27. Januar 2014 - dem Gedenktag für die Opfer des Faschismus lädt die Nürtinger Gedenkinitiative um 17.30 Uhr alle Interessierten in den Saal des Bürgertreffs im Rathaus Nürtingen ein. Sie gibt einen kurzen Impuls zum Gedenktag, stellt sich vor, informiert über ihre Ziele und die bisherige Chronologie und gibt Gelegenheit zum gegenseitigen Austausch.
Nulltarif: In Estlands Hauptstadt Tallinn sind Busse und Straßenbahnen für die EinwohnerInnen seit einem Jahr umsonst. Nun verzeichnet die Stadt eine Welle von Zuzügen und andere Städte sind sauer.
Polizeigewalt: Mehrere tausend Menschen demonstrierten am Freitag abend in der Wiener Innenstadt gegen den von rechtsextremen Burschenschaften veranstalteten Akademikerball in der Wiener Hofburg. Die Polizei griff unverhältnismäßig hart gegen die KundgebungsteilnehmerInnen durch - im Pressebüro der "Offensive gegen Rechts" gingen bis 21 Uhr laufend Meldungen über massive Polizeigewalt und Verletzte ein. Es kam zum Einsatz von Tränengas, Pfefferspray und Schlagstöcken. Die Infozentrale verwandelte sich im Laufe des Abends zu einem Lazarett. Zur Pressemitteilung.
BlockG8: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat entschieden, dass der G8-Gipfel 2015 in Schloss Elmau stattfinden wird. Schloss Elmau liegt in den bayerischen Alpen in der Nähe von Garmisch-Partenkirchen, rund 100 Kilometer südlich von München. Über die notwendigen Gegenproteste wird in diesem Blog berichtet werden.
Kampfschrift: Das neue Buch einer „Verfassungsschützerin“ erreicht einen publizistischen Tiefpunkt: Bettina Blank sucht Antifaschismus, findet Kommunismus und stellt KZ-Häftlinge unter Extremismus-Verdacht. "Der Antifa-Schwindel". Eine notwendige Rezension auf linksunten.
Hungerlohn am Fließband

Nicht nur RentnerInnen und Erwerbslose sind in der BRD besonders von Armut betroffen. Durch prekäre Arbeitsverhältnisse nimmt auch die Zahl der Lohnabhängigen, die trotz Arbeit in Armut leben nehmen, ständig zu. So haben aktuell mehr als 4 Millionen Beschäftigte, einen Bruttolohn, der unter 7 Euro liegt. Viele sind daher auf einen Zweitjob oder Hartz IV-Aufstockung angewiesen, um über die Runden zu kommen.
Noch bis vor kurzem hatten vor allem LeiharbeiterInnen die Jobs mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen. Nun weichen immer mehr Unternehmen auf Werkverträge aus, was für die Beschäftigten noch schlechtere Löhne und noch weniger Rechte am Arbeitsplatz zur Folge hat. Die mit den prekären Beschäftigungsverhältnissen einhergehenden Entwicklungen, insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeiten von Arbeitskämpfen, sollen auf der Veranstaltung thematisiert, aber auch die Möglichkeiten dagegen anzukämpfen, diskutiert werden.
Als Einführung in das Thema zeigen wir die aktuelle SWR-Dokumentation „Hungerlohn am Fließband“. Danach folgt ein Vortrag von Tom Adler, ehemaliger Betriebsrat bei Daimler. Im Anschluss daran sollen Erfahrungen und mögliche Aktivitäten diskutiert werden.
Die Veranstaltung wird organisiert vom Offenen Treffen der Initiative Klassenkampf Stuttgart, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, soziale Kämpfe in den Betrieben und auf der Straße zu unterstützen und mit zu initiieren.
Karfreitag: Revolution an der Tanzbar statt Tanzverbot!
• Lyrics
• Basstabs
Silvesterdemo am 31.12.2011 in Stuttgart
"(...) Das Jahr 2011 war geprägt von vielfältigen und kämpferischen linken Mobilisierungen. Mit dem Widerstand gegen Nazis und Rassisten, gegen Kriegstreiber und -profiteure, sowie mit klassenkämpferischen Aktionen gegen die Krisenpolitik der Herrschenden und für die Überwindung des Kapitalismus, konnten Kämpfe weiterentwickelt und linke Bewegungen gestärkt werden.
Viele der Aktivitäten hatten jedoch mit einem ausufernden Problem zu kämpfen: Staatliche Repression in verschiedensten Formen. Die staatlichen Kriminalisierungsversuche gegen linken Widerstand nahmen gerade in unserer Region in den letzten Monaten immer umfassendere Ausmaße an. Die seit August andauernde Untersuchungshaft eines Stuttgarter Antifaschisten wegen antirassistischer Proteste stellt nur den Höhepunkt der Repression dar.
Die Angriffe und Provokationen von Staat und faschistischer Bewegung gegen die Bestrebungen für eine fortschrittlicher Gesellschaft können nicht unwidersprochen bleiben. Wo auch immer sie versuchen uns zu treffen, gilt es sich gemeinsam und solidarisch zu verteidigen und politisch zurückzuschlagen. Am Silvesterabend werden wir uns noch einmal in diesem Jahr die Straße nehmen und deutlich machen, dass wir uns weder einschüchtern, noch einmachen lassen. Auf die Straße gegen Klassenjustiz und für ein revolutionäres 2012! (...)"
Weiterlesen im Aufruf http://silvesterdemo0711.tk und im Interview zur Demo
"(...) Wir rufen alle auf, sich geschlossen, solidarisch und Spektren übergreifend an der diesjährigen Silvesterdemo in Stuttgart zu beteiligen. Mit diesem Aufruf zu einem libertären Block wollen wir uns nicht von anderen Gruppen und der Demo abgrenzen, sondern verstärkt in und aus unserem Spektrum heraus dazu mobilisieren, um so der Zersplitterung der Linken eine kraftvolle und kämpferische Demo gegenüber zu stellen. Faschisten, die herrschende Klasse und ihre Repressionsorgane müssen 2012 mit einem starken Bündnis aller fortschrittlichen und revolutionären Gruppen rechnen. (...)"
Weiterlesen im Aufruf "Hinein in den libertären Block!"
Bewegte Blicke
Perspektiven autonomer Politik
Im Sammelband wird umfassend und abwechslungsreich der Ist-Stand der autonomen Bewegung im deutschsprachigen Raum nachgezeichnet.
Der vom AK Wantok herausgegebene Band „Perspektiven autonomer Politik“ räumt mit diesen Bildern auf und zeigt das umfassende Spektrum an Themen auf, um die sich die vergangenen und aktuellen Diskussionen drehen. Die Themen der über 50 Texte reichen von „Politik und Alltag“, „Freiraumpolitik“, „Organisationsformen“, „Taktiken“, „Internationalismus“ bis hin zu bekannten und mittlerweile meist nur noch gähnend langweiligen Debatten zwischen „Anti-Imps“ und „Anti-Deutschen“. Gestaltet sind die einzelnen Beiträge zudem nicht vom AK Wantok allein, es kommen in Interviews zahlreiche Aktivist_innen zu Wort. Diese Perspektivwechsel belegen eines: Autonome Politik ist vielseitig und nicht auf wenige Punkte zu begrenzen. Die Herausgeber_innen stellen in der Einleitung klar, die Auswahl der Themen „hätte zweifelsohne eine andere sein können“ (S. 13). Es gelingt ihnen dennoch einen umfassenden Blick über die Trümmer und Errungenschaften der Bewegung und den Ist-Stand zu offenbaren. Sie widerstehen glücklicherweise der Versuchung, eine Definition vorzunehmen, denn „einheitliche Glaubensgrundsätze autonomer Politik hat es noch nie gegeben, und das macht einen großen Teil der Attraktivität und historischen Stärke der Bewegung aus.” (S. 8) Als gemeinsamer Bezugspunkt könne dennoch ein libertär linkes Grundverständnis, das auf individuelle und kollektive Freiheit abzielt, betont werden.
Es liegt auf der Hand, dass es bei den Kämpfen für Freiheit, Solidarität und Selbstbestimmung nie nur um Praxis oder Theorie geht. Dennoch zieht sich die Frage nach dem Zusammenhang von Theorie und Praxis durch den Band. Wolf Wetzel (L.U.P.U.S.-gruppe) meint zur Rolle der Theorie, dass eine Analyse nicht dazu da sei, „die Wahrheit gefunden, sondern einen Faden gelegt zu haben, an dem man sein Tun ausrichtet“ (S. 26). Er kritisiert das gegenwärtige Verhältnis von Theorie und Praxis und beschreibt diese als „zwei völlig fremde und selbstverliebte Universen“ (S. 30).
Antirassistische und antisexistische Praxen
Dieses Problem zeigt sich zum Beispiel beim Thema Rassismus. Dort hat sich vor allem im universitären Rahmen in den letzten Jahren mit der Kritischen Weißseinsforschung einiges innerhalb der Linken getan. Problematischerweise wird kaum über diesen Rahmen hinaus agiert, was auch Katrin Landesfeind in einem Interview thematisiert. Die Aktivistin Verena schildert in einem Gespräch außerdem sehr anschaulich, wie sich institutionalisierte antirassistische Lohnarbeit mit autonomer Politik verbinden lässt – und wo die Grenzen liegen. Der Reformismus-Vorwurf, der bei der Arbeit in breiten Bündnissen hin und wieder aufkommt, sei eine „unproduktive Dichotomie“, denn realpolitische Kampagnen wie die gegen die Residenzpflicht seien „kein Gesichtsverlust, kein Eingeständnis an den Staat und Verlust radikaler Ideale. Es ist Solidarität. Wie kann so etwas im Gegensatz zu radikaler Politik stehen?“ (S. 298) Außerdem werden in dem Antirassismus-Kapitel zwei Texte der Antifa Genclik aus den Jahren 1989 und 1995 dokumentiert. In letzterem reflektiert das Gründungsmitglied Ercan Yasaroglu die Gründe für die Auflösung der Gruppe. Das Papier zeigt, wie notwendig Reflexionen innerhalb der weiß-dominierten autonomen Bewegung sind. In einem das Kapitel abschließenden Gespräch machen drei migrantische Aktivist_innen auf strukturelle Probleme innerhalb der autonomen „Szene“ aufmerksam. Auf die Frage, warum die „Szene“ so weiß sei, wird z.B. darauf verwiesen, dass es sich vornehmlich um ein „sozial-strukturelles und subkulturelles Problem“ handele (S. 320). Die „Szene“ sei an vielen Orten sehr homogen und klein, was den Einstieg problematisch mache. Außerdem sei oft eine eurozentristische Sichtweise vorzufinden.
Im Kapitel Geschlechterverhältnisse / Sexualität wird – der auch bei radikal Linken vorhandene – Sexismus diskutiert. Es geht beispielsweise um Paternalismus, der die Aktivist_innen immer wieder vor die Frage stellt, welche Rolle Männer in Frauenpolitik spielen sollen und können. Oder die Frage der Definitionsmacht – dem Recht der Betroffenen sexualisierter Gewalt zu definieren, was sexualisierte Gewalt ist – zu dem es laut dem AK Wantok „einfach keine Alternative gibt.“ (S. 124) Auch der Vorwurf der Identitätspolitik von feministischer Arbeit, der häufig aus queeren Zusammenhängen fällt, wird unter mehreren Gesichtspunkten vor allem vom Antisexismusbündnis Berlin betrachtet. Die Infragestellung und Dekonstruktion binärer Geschlechternormen sei zwar ungemein wichtig, aber es wäre „Quatsch zu behaupten, dass Geschlechterkategorien mitsamt ihrer macht- und gewaltvollen Dimension keine Rolle spielen.“ (S. 149) Konsens aller Beiträge ist, dass der antisexistische Kampf nicht nur nach außen, sondern auch nach innen wirken muss – reflexiv und solidarisch.
Kapitalismus und Metropolen
In den beiden Kapiteln zu Antimilitarismus und Antikapitalismus zeigt sich, wie sich unterschiedliche Ansätze im Kampf gegen Prekarisierung und Militarisierung herausgebildet haben. Ein Verwerfen der Theorie des Hauptwiderspruchs, nach der die Ökonomie die Ursache allen Übels ist, führte nicht dazu, dass die Kritik am Kapitalismus in der autonomen Bewegung keine Rolle mehr spielt. Selbst wenn die Grenzen der Autonomie auch mal strapaziert werden – wichtig ist auch hier Vernetzung und praktische Solidarität.
Neben diesen erwartbaren und dennoch nicht langweiligen Feldern, finden sich im Buch Themen, die bisher wenig Berücksichtigung in den einschlägigen Zeitschriften und Diskussionszirkeln fanden. Besonders empfohlen sei an dieser Stelle das Kapitel zur Metropolenpolitik. Anhand mehrerer Interviews mit Menschen, die die Bewegung sowohl aus städtischen wie aus ländlichen Wohnzusammenhängen kennen, wird deutlich, dass autonome Politik auf dem Land spezifischer an die Lebensbedürfnisse anknüpft. Hier kann autonome Arbeit direkt die kollektiven und individuellen Bedürfnisse erfüllen und alltagssolidarische Netzwerke sind mitunter unabhängiger. Im Gegensatz zum Leben in der Stadt ermöglicht das Landleben eher direktere Kommunikation mit Menschen außerhalb der bekannten Kreise, wodurch linke Themen breiter platziert werden können. Außerdem werden Erfahrungen von Menschen geschildert, die vom Land in die nahezu mystifizierten „Szenen“ in den Städten eintauchen wollten und sich mit Verschließungen und „metropolenautonome[r] Szenearroganz“ (S. 162) konfrontiert sahen.
Positionen und Perspektiven
In der Einleitung wird ein ursprünglich 1981 in der radikal erschienenes und 1995 überarbeitetes Thesenpapier dokumentiert, in dem versucht wurde, eine Positionsbestimmung der autonomen Bewegung vorzunehmen. Demnach gehe es beispielsweise um eine Politik der ersten Person (Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung), den Zusammenhang von Reform und Revolution, die Aufhebung der entfremdeten Arbeitsverhältnisse, die Herstellung von Gegenmacht sowie um Freiräume, Reflexion und die Abkehr von parteiförmigen Organisationsstrukturen und den Staat als positiven Bezugsrahmen. Am Schluss des Sammelbands präsentiert der AK Wantok „21 Thesen zur Zukunft der autonomen Bewegung“. Diese können als Erweiterung des Thesenpapiers von 1981/1995 gelesen werden. Die Herausgeber_innen appellieren für den Aufbau und den Erhalt von autonomen Strukturen, da dies Orte für „subversive Gegensubjektivierung“ seien (S. 402). Die eigene Homogenität, die sozialen Positionen und Privilegien müssten hinterfragt werden, um sich öffnen zu können und um Unterdrückungsverhältnisse wie Sexismus und Rassismus auch innerhalb der autonomen Bewegung bekämpfen zu können. Ebenfalls viel Raum wird der Unterschiedlichkeit eröffnet:
„Fatal für eine undogmatische radikale Linke wäre eine Gegennormierung, die ebenso wie gesellschaftliche Normierung Gewalt ausübt. Wollen wir nicht nur den König vom Pferd ziehen, sondern auch das Pferd befreien, kann es nur um Pluralisierung, Perspektivierung und Entideologisierung gehen.“ (S. 403)
Das beinhalte eine Abkehr von Ein-Punkt-Politik. Vielmehr sollte es darum gehen, die verschiedenen Unterdrückungsverhältnisse zusammen zu denken und deren gegenseitige Stützen und Verschränkungen zu analysieren und zu bekämpfen. Dazu gehöre auch, das gemeinsam erarbeitete Wissen weiterzugeben – ohne einem Wahrheitsanspruchs zu erliegen. Bei der Weitergabe von Wissen und in den laufenden Diskussionen sollte sich um einen intellektuellen Diskurs bemüht werden, wobei die sprachlichen Zugangsbarrieren so niedrig wie möglich gehalten werden müssten. Doch – so wird schließlich festgestellt – seien Thesen bedeutungslos, „wenn sie keinen realen Ausdruck finden. Dies ist als Aufforderung zu verstehen. Eine Bewegung, die sich bewegt, wird weitergehen!“ (S. 406)
Das gezeichnete Bild der autonomen Bewegung lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Vielleicht erscheint es für manche schief, für andere verschwommen, von manchen Seiten farblos, von der entgegengesetzten Seite knallbunt. Perspektiven autonomer Politik zeigt offensiv und in sehr verständlicher und ansprechender Weise Facetten der Geschichte und Gegenwart autonomer Politik auf. Zukunftsgerichtete Perspektiven werden jedoch nur angedeutet. Perspektiven also eher im Sinne der Bedeutung „Hindurchsehen“ und „Hindurchblicken“ verstanden. Fokussiert werden die unterschiedlichen Blickwinkel und Sichtweisen innerhalb der autonomen Bewegung, womit zugleich deren Stärke dargestellt wird. Durch eine Sensibilität für die verschiedenen Perspektiven und Schwerpunktsetzungen und der Schärfung der Verbindungslinien zwischen den Themen eröffnen sich Räume für gemeinsame Widerstände – oder wie es in den 21 Thesen angedeutet wird: Es geht darum, „Widerstandsnetze“ zu knüpfen (S. 404). Dieser Blickwinkel zieht sich durch den Sammelband und macht Perspektiven autonomer Politik auch deshalb sehr lesenswert. Vor diesem Hintergrund erscheint das Risiko der Kanonisierung, des Festschreibens der Themen der Bewegung, abgemildert. Dem AK Wantok geht es „nicht darum, Wahrheiten zu verbreiten, autonome Politik oder Identität zu normieren, sondern konkrete Vorschläge zur Diskussion anzubieten“ (S. 13). Das ist mehr als gelungen, denn eines könnten die verschiedenen Perspektiven und individuellen Blicke gemeinsam haben: Die Blickrichtung – und die Erkenntnis, dass hinter scheinbar Statischem wirbelnde und wuselnde Dynamiken sichtbar werden können. Solange nur alles in Bewegung bleibt.
ak wantok (Hg.) 2010: "Perspektiven autonomer Politik"
ISBN: 978-3-89771-500-4. 400 Seiten. 18.00 Euro.
Erstveröffentlichung durch Andrea Strübe und Sebastian Friedrich unter kritisch-lesen.de Nr. 2