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Symbol des Widerstands

Platz der Revolution, Havanna, Kuba
Foto: redblog


Zum 50. Todestag von Ernesto Che Guevara

9. Oktober 1967, La Higuera, Bolivien: Mario Terán, Feldwebel der bolivianischen Armee, betritt einen Raum der kleinen Dorfschule. Auf Anweisung des bolivianischen Machthabers General René Barrientos Ortuño exekutierte Terán Ernesto Che Guevara mit neun Schüssen. Er war sofort tot.

Geboren wurde Ernesto Rafael Guevara de la Serna am 14. Juni 1928 in Rosario, Argentinien. Im Alter von zwei Jahren bekam er seinen ersten Asthmaanfall. Die Krankheit sollte ihn auf allen Etappen seines Lebens und Kampfes begleiten. Nach dem Abitur ging er nach Buenos Aires, um Medizin zu studieren. Während des Studiums unternahm er mehrfach Reisen durch Argentinien und Südamerika. Es waren Reisen, die den jungen Medizinstudenten prägten. Die Armut der Landbevölkerung, die sozialen Gegensätze, aber auch die Freiheit, als er mit seinem Freund Alberto Granado auf dem Motorrad unterwegs war.

Kurz nach dem Ende seines Studiums brach er 1953 erneut zu einer Reise auf, die sein Leben nachhaltig veränderte. Von Argentinien ging es nach Bolivien, Peru, Panama, Costa Rica und von dort nach Guatemala, wo er 1954 den von der CIA initiierten Putsch gegen den guatemaltekischen Präsidenten Jacobo Arbenz Guzmán miterlebte. Arbenz Guzmán hatte in seiner Amtszeit u.a. einen Mindestlohn eingeführt, brachliegende Ländereien verstaatlicht und eine Agrarreform auf den Weg gebracht. Betroffen davon war auch United Fruit Company („Chiquita“), die sich mit Hilfe der CIA für den blutigen Putsch einsetzte.

Mit den Erfahrungen emigrierte er nach Mexiko, wo er auf eine Gruppe Kubaner, darunter Fidel und Raul Castro. Nach einem gescheiterten Aufstand gegen den kubanischen Diktator Fulgencio Batista, Flucht und Haftstrafen, bereiteten sich die Exilkubaner auf den weiteren Kampf und eine Rückkehr auf die Insel vor. Che Guevara schloss sich ihnen als Arzt an.

Am 25. November 1956 verließ die Gruppe Mexiko auf einem kleinen Motorboot. Von den 86 auf dem Boot wurde der größte Teil nach der Landung erschossen oder verhaftet. Nur ein kleiner Teil, 22 der 86, konnte sich in die Berge durchschlagen. Es war die Keimzelle der Rebellenarmee der Bewegung des 26. Juli. Ein gutes halbes Jahr nach der Ankunft in Kuba wurde Che, wie ihn die Kubaner nur nannten, zum Comandante befördert. Mit der Einnahme der zentralkubanischen Stadt Santa Clara am 29. Dezember 1958 war der Kampf entschieden. Batista packte seine Koffer, unter anderem mit rund 40 Millionen Dollar in bar, und verließ Kuba in Richtung der Dominikanischen Republik. Die kubanische Revolution hatte am 1. Januar 1959 gesiegt.

Einen knappen Monat nach dem Sieg wurde Ernesto Che Guevara zum kubanischen Staatsbürger von Geburt erklärt. Er beteiligte sich am Aufbau eine revolutionären Kubas auf vielen Ebenen. Ob als Nationalbankchef, als Minister, als Freiwilliger beim Zuckerrohrschlagen oder kollektiven Baueinsätzen. Als überzeugter Marxist war er maßgeblich mit verantwortlich, dass die kubanische Revolution eine sozialistische wurde, und die kubanische Wirtschaft neu ausgerichtet wurde.

Im Februar 1965 besuchte er im sozialistisch regierten Algerien eine afrikanisch-asiatischen Solidaritätskonferenz, wo er in Kontakt mit Mitgliedern afrikanischer Befreiungsbewegungen kam. Als Revolutionär, Internationalist und Unterstützer von Befreiungsbewegungen kam er zunehmend in Widerspruch mit der sowjetischen Politik. Seit dem Sieg gegen Batista hegte Che den Traum, die Revolution nach Lateinamerika zu tragen. Für ihn war klar, dass er nicht für immer in Kuba bleiben werde.

Nach der Rückkehr legte er seine Ämter in Kuba nieder, um die Revolution in den Ländern des Südens voranzutreiben. Mit einer Gruppe kubanischer Genossen macht sich Che inkognito auf den Weg in den Kongo, wo er die Guerilla um Laurent Kabila im Kampf unterstützen will. Der Einsatz scheitert und Ende 1965 kehren sie nach Kuba zurück, wo er mit einer Hand voll Getreuer und Unterstützung der kubanischen Regierung einen neuen Einsatz plant. Sie wollen die Revolution nach Südamerika tragen, nach Bolivien. Gemeinsam mit 44 Genossen, darunter der deutschstämmigen Tamara Bunke, formierten sie die ELN, die Nationale Befreiungsarmee. Es gelang jedoch nicht, wie in Kuba die Bevölkerung in den Kampf einzubeziehen. Zudem mussten sie mit erheblichen Widerstand der bolivianischen KP erfahren.

Auch die Gegner hatten ihre Schlüsse aus der kubanischen Revolution geschlossen. Ein weiteres Kuba in Lateinamerika sollte unter allen Umständen verhindert werden. So unterstütze die USA den Kampf der Armee gegen die Rebellenarmee.

Am 8. Oktober 1967 fand unweit der Ortschaft La Higuera der letzte Kampf Che Guevaras statt. Er wurde festgenommen und in einen der beiden Klassenzimmer der Schule des kleinen Ortes gesperrt. Die Armee wartete auf eine Anweisung, wie dem Guerillero zu verfahren sei. Nach der Ermordung wurde er ins 30 Kilometer entfernte Vallegrande gebracht, wo man sein Leichnam der Presse präsentierte, bevor man ihm die Hände abtrennte und seine Leiche zusammen mit anderen Guerilleros auf dem Militärflughafen verscharrte.

Erst 30 Jahre später, 1997, wurden die sterblichen Überreste geborgen, nachdem ein ehemaliger Militär den Ort verriet. Die Gebeine wurden nach Santa Clara überführt, wo sie heute im Monumento Memorial Che Guevara liegen.

Monumento Memorial Che Guevara, Santa Clara, Kuba
Foto: redblog


Auch wenn er tot war, verschwand Che Guevara nie aus der Öffentlichkeit. Die 68er trugen sein Bild gemeinsam mit dem von Ho Chi Minh auf ihren Demonstrationen. Es ist ein markantes Bild. Ernst blickt er in die Ferne. Aufgenommen hat es der kubanische Fotograf Alberto Korda während einer Trauerfeier am 4. März 1960 in Havanna: das Porträt des Guerrillero Heroico (des heldenhaften Widerstandskämpfers). Veröffentlicht wurde das Bild erst nach dem Tod von Che, durch den italienischen Verleger Giangiacomo Feltrinelli. Es gilt das meist reproduzierte Foto des zwanzigsten Jahrhunderts.

Es war jedoch nicht nur das Foto, das für die 68er-Bewegung eine Rolle spielte. Es waren auch seine Schriften. Im Frühjahr 1967 sandte Che Guevara eine Botschaft aus Bolivien an eine Solidaritätskonferenz der OSPAAAL (Organización de Solidaridad de los Pueblos de África, Asia y América Latina) in dem er die Schaffung „zwei, drei, viele Vietnams“ forderte. Eine Forderung, die auch auf dem Vietnam-Kongress im Februar 1968 an der Berliner TU Verbreitung fand.

Verbreitung fanden auch die zahlreiche Schriften des Ches, vom „Kubanischen Tagebuch“, über das „Bolivianische Tagebuch“, seine Schriften zum neuen Menschen, zum Guerillakrieg oder aber seine Reisetagebücher, die mit „Die Reisen des jungen Che“ sogar verfilmt wurden.

Heute findet sich das Bild des Che, das Korda 1960 in Havanna aufnahm, auf allen möglichen Produkten: T-Shirts, Aufnähern, Zigaretten, Colaflaschen, Schlüsselanhängern, Unterhosen ...

Korda, der kein Geld für ein millionenfach reproduziertes Bild erhielt, sah die Vermarktung immer kritisch. In der Werbung wurde Che völlig entpolitisiert. Als im Jahr 2000 der Wodka-Hersteller Smirnoff das Bild für eine Werbekampagne nutze, klagte Korda. Die Werbung wurde eingestellt und man zahlte dem Fotografen 50.000 US-Dollar, die er für Medikamente für kubanische Kinder spendete.

Im September erschien ein Buch mit bisher unveröffentlichte Fotos von Che Guevara. Es sind Fotos, die Jahrzehnte in den Archiven der kubanischen Tageszeitung Granma lagen. Sie dokumentieren die ersten Jahre des neuen Kuba und zeigen Che Guevara im Alltag. Beim Arbeitseinsatz, bei Empfängen, bei Diskussionen.

„Wir haben 1.200 Bilder ausgewertet, die bis dato im Archiv der Granma lagerten und aus Beständen mehrerer kubanischer Zeitungen der Jahre 1959 bis 1964 stammen.“ erklärt René Lechleiter in einem Interview mit dem Kulturmagazin M&R.

Bereits im Mai erschien im Tropen Verlag eine Biographie über die Familie des Revolutionärs, geschrieben von seinem jüngsten Bruder Juan Martín Guevara. Mit seinem Buch „Mein Bruder Che“ wolle er Che als Menschen „jenseits des Mythos“ und der Kommerzialisierung darstellen.

Juan Martín Guevara, der selber acht Jahre in den Kerkern der argentinischen Junta saß, gibt einen eindrücklichen Einblick in die Familie und räumt auf mit der Legende, die Castros hätten sich mit seinem Bruder zerstritten.

Auch 50 Jahre nach seinem Tod ist Ernesto Che Guevara für viele Menschen weltweit eine Ikone des antikolonialen Kampfes und der antikapitalistischen Bewegungen.

Auf die Frage, was im heutigen Kuba von Che bleibe, antworte seine Tochter Aleida Guevara March in einem Interview mit der jungen Welt: „In Kuba wird den Kindern beigebracht, sensibel für jegliches Unrecht zu sein, das irgendwo auf der Welt begangen wird. Ohne dieses Einfühlungsvermögen kann ein Mensch nicht komplett sein. Um eine neue Welt aufbauen zu können, brauchen wir Menschen mit dieser Fähigkeit. Wie wollen wir beispielsweise einem unserer Ärzte erklären, dass er sein Land verlassen und in Afrika sein Leben im Kampf gegen das Ebola-Virus riskieren soll, wenn er nicht über diese Vorbildung verfügt, diese Fähigkeit besitzt zu lieben, sich voll und ganz einzubringen.“

Literaturhinweise:

René Lechleiter (Hg.): Che –“ die ersten Jahre. Unveröffentlichte Fotos 1959–“1964.

64 Seiten Fotos und 32 Seiten Text, Verlag 8. Mai, Berlin 2017, Preis: Euro 16,90 / CHF 19.50, ISBN: 978-3-931745-23-3

Juan Martín Guevara: Mein Bruder Che,

Verlag Tropen Imprint, Stuttgart 2017, 352 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, ca. 36 Abbildungen, ISBN: 978-3-608-50374-6

Weitere Literatur:

Che Guevara: Aufsätze zur Wirtschaftspolitik, Weltkreis, Köln, 1988

Che Guevara: Das magische Gefühl, unverwundbar zu sein: das Tagebuch der Lateinamerika-Reise 1953 –“ 1956, Kiepenheuer und Witsch, Köln, 2003

Che Guevara: Kubanisches Tagebuch, Kiepenheuer und Witsch, Köln, 2008

Aleida March: „Evocación (2008): Mi vida al lado del Che“ (engl. „Remembering Che. My Life with Che Guevara“. 2012).

Frank Niess: Che Guevara. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-499-50650-5.

Eberhard Panitz: Comandante Che. Biographische Skizze. Verlag Wiljo Heinen, Böklund 2007, vergriffen, Neuauflage in Vorbereitung

Paco Ignacio Taibo II: Che. Die Biographie des Ernesto Guevara. Edition Nautilus, Hamburg 1997, ISBN 3-89401-277-3.

Paco Ignacio Taibo II u. a.: Das Jahr, in dem wir nirgendwo waren. Ernesto Che Guevara und die afrikanische Guerilla. Edition Id-Archiv, Berlin 1996, ISBN 3-89408-054-X.

Doku: Schatten über dem Kongo

"Der Film erzählt die Geschichte des europäischen Imperialismus und Kolonialismus in Afrika und seiner ungeheuren Verbrechen, deren Auswirkungen bis heute nachwirken. 1885 setzte die Kongo-Konferenz in Berlin den belgischen König Leopold II. als Herrscher des Kongo-Staates ein. Während der Monarch der Welt den selbstlosen Philanthropen vorgaukelte, verwandelte sich der Kongo in ein riesiges Arbeitslager. Leopolds Gier nach Kautschuk und Elfenbein blutete das Land aus. Als man ihm 1908 den Kongo wieder wegnahm, hatte der belgische König 1,1 Milliarden Dollar Gewinn aus seiner Kolonie gezogen. Schätzungsweise 10 Millionen Menschen mussten dafür mit ihrem Leben bezahlen."

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