Skip to content

Giftstreuanlage fürs Militär - im Trüblicht des Romans

In Korsika wurde ein riesiges Gebiet für militärische Versuche zur Verfügung gestellt. Land- und Meerfläche zusammen mehr als die Realfläche der Insel zusammen. Es leben auch noch Menschen in dem Gebiet.

Unbefragte.

Alle Firmen können sich für 35 000 Euro pro Stunde für Experimente anmelden. Offenbar werden vor allem die Auswirkungen von heruntergestuftem Uran überprüft - auf Lebewesen aller Art. Besonders ergiebig und langlebig in der Pulverform, wie sie beim Beschuss mit der entsprechenden Munition auftritt. Das Gelände ist aber auch geeignet zur Überprüfung der Treffsicherheit von Drohnen. Bekanntlich wissen all ihre Handhaber, dass mit ihnen gezielte Tötungen vorzunehmen sind - ohne Kollateralschäden.

Obama setzt solche unbekümmert und sorglos in Pakistan ein. Anderswo wohl auch. Dass neben den angezielten Personen regelmäßig mehrere Unbeteiligte nebendran auf dem Boden zappeln- tot- ,soll als noch ungelöstes Problem im korsischen Gelände mituntersucht werden.

Woher ich das weiß? Aus einem kleinen Roman des italienischen Krimi-Autors Carlotto. "Tödlicher Staub". Roman als Quelle! Geht es noch phantastischer? Leichtgläubiger? Nur: Gibt es zuverlässigere Quellen? Im Gespräch mit Denis Scheck am Sonntag bei DRUCKFRISCH verteidigt der Krimi-Mann seine Vorgehensweise. Es gibt - sagt er sinngemäß - in Italien keine kritische Zeitungsveröffentlichung mehr, die das Problem wissenschaftlich angehen dürfte. Bleibt also nur der Roman!

Sind wir also in die Zeiten der frühen Aufklärung zurückgeworfen, in welcher die Montesquieus und Diderots angeblich Erfundenes aus dem Morgenland berichten mussten, um auf die nahen Ereignisse im Heimatland Frankreich hinzuweisen. Auch damals war die Romanform Schutz vor dem unmittelbaren Angriff durch Obrigkeit und Gericht.

Wie heute auch.

Aber wie damals gibt es auch heute Hilfsmittel, um das Erfundene zur Quelle zurückzuverwandeln. Wie Carlotto dies im Gespräch mit Denis Schlick getan hat. Er verwies hier auf neuere Untersuchungen, auch solche der Staatsanwaltschaft, die die Geschichten von missgestalteten Schafen und verunstalteten Neugeborenen aus dem Gebiet in jedem Punkt bestätigten. So lässt sich nachträglich aus dem trüben Licht des inzwischen fünf Jahre alten Romans doch wachsende Helligkeit gewinnen.Wenigstens Neugierde nach dem gegenwärtigen Stand einer Sache, die alle angehen sollte. Zumindest solche, die Abend für Abend die Kämpfe im Fernsehen sehen. In fernen Ländern. Bei denen wir uns aber inzwischen deutlicher vorzustellen haben, in welcher Nähe die dort eingesetzten Waffen bei uns erprobt werden. Es geht darum, den Zugwind tödlicher Gefahr zu spüren, der an uns vorbeipfeift. Jetzt noch nur im Roman zu spüren.

Aber immer bedrohlicher als nahende Wirklichkeit.

Quelle: "Tödlicher Staub: Roman" Roman von Massimo Carlotto, Mama Sabot und Hinrich Schmidt-Henkel von Tropen-Verlag Label von Klett-Cotta

Kindle Edition - 23. Mai 2012, EUR 10,99
cronjob