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Was mir heute wichtig erscheint #262

Unterbrechung: In China hat man die Zensurinfrastruktur ausgebaut und ein neues Feature als Service eingeführt: Wenn dort z.B. das Wort Protest in einem Telefonat fällt, wird das Gespräch automatisch abgebrochen. Hinweis bei netzpolitik auf einen NYT Artikel.

Frieden: In der Nacht zum Sonntag hat ein neuer Krieg ums Öl, diesmal gegen Libyen begonnen. Bereits jetzt ist offenkundig: Es geht nicht um die Durchsetzung eines Waffenstillstandes und um die Verhinderung weiteren Blutvergießens im libyschen Bürgerkrieg. Die Bomben und Raketenangriffe der westlichen Koalition der Willigen bedeuten nicht weniger sondern mehr Krieg und Blutvergießen - egal, wie dies von bürgerlicher und kleinbürgerlicher Presse verkauft wird. Die Friedensbewegung fordert einen sofortigen Stopp der Luftangriffe und des Krieges. Dazu: 1. die Erklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag, 2. eine Erlärung des Netzwerkes Friedenskooperative, 3. eine Erklärung des Bundesausschusses der VVN-BdA und 4. eine Erklärung des Deutschen Freidenkerverbandes.

Offensivstrategie: Vor 90 Jahren begann der Mitteldeutsche Aufstand. Ein ausführlicher kritischer Beitrag von Bernhard Langer in der "junge Welt".

Bedrohung: Das selbstverwaltete Jugendzentrum Café Irrlicht im südbadischen Schopfheim ist bedroht. Nicht, wie gewohnt, von den lokalen Faschisten und ihren nächtlichen Angriffen, sondern von ungewohnter Seite. Alles Augenreiben half nichts, die SPD Schopfheim will auf der kommenden Gemeinderatssitzung am 21. März 2011 über ihren Antrag auf Schließung des Irrlichts abstimmen lassen. Die Jugendlichen erfuhren dies über die Lokalpresse.

Olivgrün: Daniel Cohn-Bendit, der Fraktionsvorsitzende der Europa-Grünen, liebt Militärinterventionen, sofern sie in imperialistischem Interesse liegen. Flugverbotszone für Libyen? Daniel Cohn-Bendits grüner Imperialismus.

Wahlkampf: Der "Föhrer" muss sich schon wieder über die Mehlmützen der NPD aufregen. Der "Föhrer" in den "neuesten nationalen Nachrichten" über kochende NPD Pleitegeier. Und wie sehen die Nazis das Desaster selber? "NPD-Pleite: “Mit einem blauen Auge davongekommen–" Beitrag von Patrick Gensing bei npd-blog.info - Eine Dokumentation über die NPD und menschenfeindliche Einstellungen

Placebo: "(...) Das Ergebnis von von der Leyens medial groß angekündigter Initiative findet in Form eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung am Donnerstag seinen Weg in den Bundestag. Doch was im Entwurf steht, ist nicht mehr als ein Placebo, geschaffen für einen einzigen Spezialfall. Künftig, so will es der Gesetzentwurf von Schwarz-Gelb, sollen Beschäftigte nicht innerhalb von sechs Monaten nach einer Kündigung als Leiharbeiter zu schlechteren Konditionen im gleichen Konzern beschäftigt werden dürfen. Ausdrücklich erlaubt bleibt es, Arbeitnehmer zu kündigen, um sie anschließend zu gleichen Konditionen wie zuvor als Leiharbeiter wieder einzustellen. Finanziell wäre dies für die Betroffenen wohl kein Verlust, ein Druckmittel wäre dies dennoch - immerhin geht die Arbeitsplatzsicherheit verloren. (...)" Beitrag von Silvio Duwe bei telepolis

Diffamierung: "»Mit den Ermittlungen nach §129 und dem Versuch das Bündnis als »kriminelle Vereinigung« maßregeln und verurteilen zu wollen, ist ein Vorgehen ganz im Sinne der NPD eingeleitet. Die rechte  Partei verlangte im Februar nach derartigen Ermittlungen gegen »Dresden –“ Nazifrei!««, so Franziska Radtke, Sprecherin des Bündnisses »Dresden –“ Nazifrei!«. »Erneut versucht die Staatsanwaltschaft, antifaschistisches und zivilgesellschaftliches Engagement zu diffamieren.«" Solidaritäterklärung des Bündnisses "Dresden Nazifrei" anlässlich einer durch CDU und FDP beantragten Aktuellen Stunde zum Thema "Friedliches Gedenken in Dresden ermöglichen - Null-Toleranz gegenüber rechten und linken Gewalttätern" im Sächsischen Landtag über den 19. Februar. Die Erklärung kann und sollte verbreitet und unterzeichnet werden.

Umgerechnet: Roberto J. De Lapuente hat die Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt auf die tatsächlichen Anteile gerechnet. Angesichts der Zahlen kommt er zum Schluss: "Die wahrscheinliche Große Koalition hat damit einen Rückhalt bei allen Wahlberechtigten von 26,9 Prozent - anders gesagt: nur jeder Vierte hat die Große Koalition gewählt. Das Lager der Nichtwähler ist, auf alle Wahlberechtigten umgelegt, beinahe doppelt so groß. Eine hypothetische rot-rot-grüne Koalition würde bei 26,1 Prozent liegen." Es "bleibt nur sich über die rausgeflogene FDP und die draußengebliebenen Nazis zu freuen und ansonsten zur Tagesordnung überzugehen." (Duckhome)

Updates: "Nie wieder Motorola!" meint Josef A. Preiselbauer. Ok. Dann verkneifen wir uns mal das Update. Wobei mich besonders ärgert, dass damit monatelanges Warten umsonst war. Firefox ist offiziell in der Version 4.0 erschienen und soll bis zu sechs mal schneller als Firefox 3.6 sein. Meldet der Schockwellenreiter. Und es gibt auch Updates für Flash Player und Adobe Reader sowie Debian Squeeze. Nachdem die finale Version von Firefox 4 für den PC fertig ist, macht auch der mobile Firefox für Android Fortschritte und liegt als Version 4 Release Candidate 1 im Android Market zum Download bereit. Mehr bei Carsten Knobloch. Das Teil läuft übrigens auch (noch) nicht auf dem Milestone.

Farce: "(...) Alle an der Atompolitik Beteiligten –“ ob in Japan, den USA oder Deutschland –“ wissen es: Wenn ein Atomreaktor explodiert, wenn die Sicherheitssysteme nichts mehr aufhalten können, dann gibt es keinen Rettungsplan, keinen Ausschalter mehr. Dann ist es so, als würde die Regierung eine Atombombe auf ihre eigene Bevölkerung abwerfen. Alle wissen, dass das, was als –ºRestrisiko–¹ verharmlost wird, ein wissentlich in Kauf genommenes –ºVerbrechen gegen die Menschlichkeit–¹ ist. (...)" Wolf Wetzel über die Todeszone der Atompolitik und einen Versuch, Gedanken und Empfindungen einzufangen, die nach dem Bekanntwerden des GAU in Tschernobyl herrschten. Apropos Verharmlosung: Ein japanisches Video erklärt den Kindern Fukushima. Wie wird den Kindern erklärt, dass "die Werte radioaktiven Jods (...) in Teilen Tokios nach Behördenangaben auf das Doppelte der für Kleinkinder empfohlenen Grenze gestiegen" sind? (Video via fefe). Die Notkühlprobleme von Fukushima-Reaktorensind jedenfalls seit 1971 bekannt. Die aktuellen Strahlenwerte hierzulande beim Bundesamt für Strahlenschutz.

Verstärkung: Washington kündigt seine Bereitschaft an, Frankreich und UK die Federführung im Krieg gegen Libyen abzutreten, potenziert derweil aber seinen militärischen Apparat im Mittelmeer. Übersetzung eines Beitrages von Antonio Mazzeo bei europolice.

Rekordhalter: In keinem entwickelten Industrieland gibt es mehr Arbeitslose die ein Jahr oder mehr nach einer (bezahlten) Lohnarbeit suchen als in Deutschland. Die Herausforderungen für die Gesellschaft in Deutschland seien unverändert groß, heißt es in der Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Beitrag von Reinhold Schramm.

Abolish: "(...) Wir sind rund 170 BewohnerInnen in diesem Lagers, die meisten von uns bekommen gar kein Bargeld, keine Kleidungsmarken, bloß Gutscheine für Lebensmittel, die ausschließlich dafür ausgegeben werden können. Eine Erlaubnis zum Arzt zu gehen, bekommen wir nicht, wenn wir krank sind, wir bekommen sie, wenn die Sozialarbeiterin uns eine geben will. Wir sind isoliert von der Welt –“ einschließlich allem, was „Isolation“ bedeuten kann. Wir werden bestraft, bloß weil wir hier in Deutschland Asyl suchen. (...)" Die Flüchtlingsgemeinschaft in Zella-Mehlis fordert das Recht, ein freies Leben in Deutschland zu leben und ruft auf zur Demonstration in Meiningen am 24. März, 14.00 Uhr, Hauptbahnhof.

Was mir heute wichtig erscheint #249

Ostwärts: Wegen der doppelten Abi-Jahrgänge werden Studienplätze knapper. Ministerin Schavan will daher den Hochschulpakt aufstocken und Studenten den Osten schmackhafter machen. Statt Rübermachen raten wir: An den Bildungsprotesten teilnehmen und für mehr und bessere Bildung kämpfen! Zum Beispiel in Stuttgart am 29.01.

Verharmlosung: Der Infoladen Ludwigsburg dokumentiert einen reichlich verharmlosenden Artikel der Stuttgarter Zeitung zu den rechten Umtrieben in Neuhausen a.d.F. (bei Esslingen). Zu den Hintergründen siehe auch den Beitrag der VVN-BdA Esslingen.

Beendet: Gute Nachrichten für Freunde der altägyptischen Kunst! Der jahrzehntealte Streit zwischen Deutschland und Ägypten um die weltberühmte Büste der Nofretete ist endlich beigelegt. Kunstkenner sprechen von einer "wahrlich salomonischen Lösung des Problems".

Austausch: Die Vollversammlung für Autonome Politik in NRW, wurde im Sommer 2010 gegründet um ein themenübergreifendes Forum zu schaffen für AktivistInnen aus dem breiten autonomen Spektrum, in dem Erfahrungen ausgetauscht und auch kritische Auseinandersetzungen solidarisch auf gemeinsamer politischer Grundlage geführt werden können. Am 30.1.2010 findet die mittlerweile vierte Autonome Vollversammlung NRW im Autonomen Zentrum in Köln statt. Los geht es ab 13 Uhr.

Tauchspass: "René Mähl hat eine Vision. Der IT-Manager bei den Energiewerken Nord (EWN) will ein riesiges Indoor-Wassersportzentrum in den Blöcken 7 und 8 des ehemaligen Kernkraftwerkes Bruno Leuschner entstehen lassen. Neben dem größten Indoor-Tauchbereich Europas samt Korallenriff und 16 Meter langem Wrack gehören zu dem Projekt ein Spaßbad, Fitnesscenter, Wellness- und Saunabereich, ein Abenteuerspielplatz, eine 40 Meter hohe Kletterwand, Geschäfte und Gastronomie. (...)" Bericht der Ostsee Zeitung vom 24.01.2011

Führerpärchen: Gestern war sie bei "Maischberger", heute  in Ursula und Thilo und Bonnie und Clyde bei ad sinistram: "Die Albernheit mit der Debatten zuweilen geführt werden, zeichnet sich oft schon im lapidaren Schlagwort ab, unter dem das Geschwafel firmiert. Man muß nicht wissen, was hinter der Frau Sarrazin-Debatte steckt, um zu erahnen, dass das eine besonders belämmerte Abwicklung reaktionärer Feuchtträume sein muß; der dösige Versuch, die Frau eines Reaktionärs in Szene zu rücken, sie zum Fels in dessen Brandung umzuschreiben - im gemeinsamen Heim der Sarrazins, so das Bild das entstehen soll, da gedeihen Ansichten, die jeder hege, die sich aber niemand zu formulieren getraut. (...)"

Empörung: Niki Lauda, seines Zeichens pensionierter Rennfahrer und Mitschwafler bei der Formel 1, empört sich über zwei miteinander tanzende Männer bei einer “Dancing-Show– des österreichischen öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Dazu ein Beitrag beim Dwarslöper.

Unübersichtlich: Es sieht so aus, als ob es in Ägypten gerade eine Revolution gibt. Meint fefe

Bürgerkriegsübungen:
Mit den European Union Police Forces Trainings und der Europäischen Gendarmerietruppe schafft sich die Europäische Union ein stattliches Arsenal zivil-militärischer Intervention –“ nicht nur im Ausland. Matthias Monroy zu "Bürgerkrieg in Askania - Europäisches Polizeitraining in Lehnin". Über die Zusammenarbeit europäischer Sicherheitskräfte referiert der Autor dieses Wochenende in Berlin beim Kongress »Europa entsichern«. Dazu passend: "Mitte Februar findet der »14.Europäische Polizeikongreß« im Berliner Congress Center am Alexanderplatz statt. Das Treffen wird von Privatfirmen wie der Telekom gesponsort und von den Polizeigewerkschaften und dem Bundes­innenministerium unterstützt. Sicherheitsexperten, Militärs, Polizeibeamte und politische Entscheidungsträger werden dort unter dem Motto »Migra­tion Integration Sicherheit in Europa im Wandel« zusammenkommen. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem das Thema »Neueste Entwicklungen im polizeilichen Informationsaustausch in Europa« und die Zusammenarbeit von Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz. (...)" Beitrag von Markus Bernhard in der "junge Welt" zu den geplanten Protesten.

Klarstellung: Die Unternehmer gegen S 21 organisieren im Café Schlossblick eine Lesung mit dem Erfolgsautor Gunter Haug zum Thema: Württembergische Sternstunden –“ Robert Bosch und Gottlieb Daimler –“ Männer die die Welt bewegten. Gunter Haug wird u. a. klarstellen, dass sich Bosch und Daimler keinesfalls, wie von Stefan Mappus behauptet, für S 21 ausgesprochen hätten. Montag, 31. Januar 2011. Café Schlossblick, Königstraße 22, Stuttgart 20 Uhr (Dauer der Lesung: ca. 75 Min.) Eintritt: frei, Spenden zugunsten des Fonds für die Schwerstverletzten vom 30.09.2010.

Identität: Eine schöne Grafik aus dem Graphitti-Blog, zum Thema billige Lebensmittel. Via Konsumpf

Haltung: Norbert Schatz, der suspendierte Kommandant der "Gorch Fock", hat offenbar eingeräumt, Offiziersanwärter nach dem Todessturz einer Kadettin beschimpft zu haben. Laut "Sueddeutsche" nannte er Soldaten "minderwertiges Menschenmaterial". Das ND meint zum Bericht des Wehrbeauftragten: "Beim Bund geht's weiter bunt zu." Wenigstens ist die Nachfolge von Schatz geregelt: "Nach ihrer Beurlaubung hat Verteidigungsminister Guttenberg der strengen Frau Sarrazin das Kommando der "Gorch Fock" angeboten."

Nachruf: Fritz Güde hat gestern ein Nachwort zu Peter Paul Zahl geschrieben. Bei Entdinglichung wird ein ebenfalls lesenswerter Nachruf der Libertarian Press Agency zitiert.

Geschmacklos: Bionade ist nach dem Verkauf an Dr. Oetker auch nicht mehr das, was es mal war.

Schöngeschrieben:
Die "Bild-Zeitung schreibt die Leiharbeit schön", Beitrag von Silvio Duwe auf telepolis mit dem Nachweis: Die Fachberatung zum Artikel stammt von einem Lobbyverband.

Anerkennung: Lateinamerika erkennt Palästina an. Zwei Interviews zur Anerkennung Palästinas in den Grenzen von 1967 durch lateinamerikanische Staaten - mit Robert Kurz und Harald Neuber.

Streikvorbereitung:
Am 27. Januar beginnt ein Generalstreik gegen die Folgen der Krise in Katalonien, Baskenland und Galizien. Mobilisiert wird unter anderem zu einer Demo in Barcelona um 17.30 Jardines de Gracia. Dazu rufen auf: CNT, CGT, Coordinadora Obrera Sindical, Solidaritat Obrera, La Assamblea de Barcelona und viele antikapitalistische Gruppen. Mehr Infos bei: http://assemblea.byethost2.com/  sowie http://29-s.net/ und http://www.kaosenlared.net. Die baskische Gewerkschaft LAB hat in einer symbolischen Aktion mehrere Banken in Bilbao, Donostia und Gasteiz besetzt. So drangen u.a. gegen 11.30 ca. 60 Personen in die Santander Bank auf der Gran via in Bibao ein und entrollten Transparente mit Aufschriften wie “Euer Geschäft, ist unsere Misere–, “Hände hoch dies ist ein Banküberfall–, “Banken und Staat klauen unsere Pensionen– oder “Unsere Pensionen sind nicht verhandelbar–. (Freunde des Baskenlandes)

Ausgrenzung: Ablehnende Einstellungen gegenüber Minderheiten wie Muslimen oder Langzeitarbeitslosen nehmen gerade in besserverdienenden und bildungsnahen Schichten zu. Das zeigen aktuelle Einstellungsuntersuchungen der Universitäten Bielefeld und Leipzig. Eine inhaltliche Debatte über fremdenfeindliche und rassistische Vorurteile und ihre Ursachen ist dringend notwendig. Eine Möglichkeit hierfür sind die Internationalen Wochen gegen Rassismus, die vom 14.-27. März 2011 stattfinden werden. Via DERSCHWARZEBLOG

Legalisierung: Am 25. Januar 2011 haben 300 MigrantInnen in Athen und Thessaloniki einen unbefristeten Hungerstreik begonnen. Asylsuchende, Papierlose und Flüchtlinge fordern mit dieser koordinierten Aktion eine Legalisierung aller MigrantInnen in Griechenlan. Siehe die Erklärung der Hungerstreikenden sowie die Presseinformation von w2eu zum Hungerstreik in Griechenland 25. 1. 2011 via Bündnis gegen Lager Berlin / Brandenburg

Perspektive: Kurz nach dem Sturz des tunesischen Präsidenten, Zine El Abidine Ben Ali, sprach Amy Goodman von Democracy Now! mit Juan Cole, Professor für Geschichte an der University of Michigan über die Lage in Tunesien. YeniHayat führte ein Interview mit dem Sprecher der Kommunistischen Arbeiterpartei Tunesiens und Direktor der Zeitung „Al Badil“ (Die Alternative), Hamma Hammami, über die Entwicklungen und die Zukunft Tunesiens und die Forderungen des tunesischen Volkes.

Hoffnung: Troy Anthony Davis' Verteidigersteam startet einen neuen Versuch zu einer erneuten Aufnahme des Verfahrens gegen den Todeskandidaten mit dem Ziel der Verhinderung seiner Hinrichtung.


Was mir heute wichtig erscheint #246

Unüberhörbar: Interview von Birgit Gärtner mit Suzanne Ross über die Solidaritätsbewegung mit Mumia Abu-Jamal im "Neuen Deutschland". Siehe dazu auch: "US-Bundesberufungsgericht: Staatsanwalt fordert Mumias Hinrichtung".

Unerwünscht:
Der Wasserkonzern VEOLIA hat in Paris Klage gegen den Film "Water Makes Money" wegen "Verleumdung" eingereicht. Gegen diesen Versuch des Konzerns, Kritik an seinen Machenschaften gerichtlich untersagen zu lassen, wehren sich die FilmemacherInnen mit einem Aufruf, weitere Aufführungen des Film zu organisieren und VEOLIAs Angriff auf die Pressefreiheit bekannt zu machen.

Unterstützenswert: In diesem Jahr wird bundesweit eine neue Volkszählung - der Zensus 2011 - durchgeführt. Die Umsetzung läuft in Bund und Ländern auf Hochtouren. Nach Auffassung der internationalen Liga für Menschenrechte ist dieses Vorhaben verfassungs- und datenschutzrechtlich hochproblematisch. Beitrag zu den Hintergründen und Protesten bei graswurzelrevolution via racethebreeze.

Unfriedlich: Vom 17. bis 19. März organisieren die U.S. Friedensbündnisse ANSWER, Veterans for Peace, World can't Wait und andere Gruppen Aktionstage gegen den Krieg in Afghanistan und Irak.

Ungeniert: "Bei der Räumung der friedlichen Blockade gegen das öffentliche Gelöbnis der im grundgesetzwidrigen Kriegseinsatz befindlichen Bundeswehr am 30.7.2010 in Stuttgart mit Unterstützung der CDU-Landesregierung und des Pfarrers der Eberhardtskirche kam es zu zahlreichen gewältätigen Übergriffen mit erheblichen Körperverletzungen und 66 "Gewahrsamnahmen" durch die Polizei. Ein Blockierer, dem auch dadurch das Recht auf Teilnahme an der Gewerkschaftskundgebung genommen wurde, wurde nun am 18.Januar 2011 vom Amtsgericht Stuttgart zu 150 Euro Strafe auf ein Jahr Bewährung verurteilt, weil er angeblich bei der "Ingewahrsamnahme" mit den Ellenbogen gewackelt hatte. Obwohl der Staatsanwältin klar war, wer die Täter der Übergriffe und auch attestierten Körperverletzungen waren, konnten diese auch noch ungeniert als "Zeugen" von ihrer gut eingeübten Brutalität berichteten und sie sah bisher keine Veranlassung Strafverfahren einzuleiten. Die Richterin wies zweimal darauf hin, daß sie wegen der über 1000 Strafverfahren im Zusammenhang mit dem berechtigten Widerstand gegen das zerstörerische Profitprojekt S21 auch hier keine Freisprüche machen dürfe." (Quelle: Pressemitteilung)

Unfreundlich: "(...) Das ist, als hätten die Tunesier den Dieb zwar verjagt, aber seiner Bande sollen sie nun den Revolver und zwei Monate Zeit lassen und ihnen vertrauen, dass sie nichts anfassen. (...)" Faical Salhi im Interview mit marx21.de zum Charakter der bereits wieder bröckelnden sog. "Übergangsregierung" in Tunesien. Peter Grohmann von den "Anstiftern" dazu: "Deutschlands Bel Ami Ben Ali hat rübergemacht, nach Saudi Arabien. Der Dieb muß aufpassen, denn dort hackt man den Leuten, die geklaut haben, noch die Hände ab. Eine frühchristliche Sitte, die hier lediglich bis zum Mittelalter galt. Die Äxte liefert der Westen. Und was die Waffenlieferungen angeht: Die beliebteste Waffe der Geheimpolizei in Tunis ist eine Mauser. Irgendwann, ganz früher, also 2010, als die Schmerzensschreie der Gefolterten bis hin zum Strand zu hören waren und sich deutsche Gäste beklagten, meinte Staatssekretär Dr. Pfaffenbach: "Die deutsch-tunesischen Wirtschaftsbeziehungen sind traditionell gut und ohne Probleme.“ Deutschlands bester Freund im Maghreb saß nicht im Knast, sondern auf dem Thron. Unsere Freunde sitzen übrigens immer auf dem Thron, sonst wären sie nicht unsere Freunde, meint Peter Grohmann." Bei entdinglichung gibt es einige Lesehinweise zur Revolte in Tunesien.

Unterschiedslos: Das Problem sind nicht die Sendungen sondern die Leute, die sich derlei Dreck auch noch ansehen. Und das sind nur Vollpfosten: "Die Marktanteile sind in sämtlichen Zuschauergruppen exorbitant hoch –“ bei Zuschauern mit Abitur sah am Montagabend fast jeder Dritte zu, bei Zuschauern mit Uni-Abschluss immerhin noch fast jeder Vierte, der zu diesem Zeitpunkt vor dem Fernseher saß."  "Der Dschungel und die Mär vom Unterschichtenfernsehen"

Ungeschützt: "(...) Neue Schutzgesetze für Whistleblower sind hierzulande immer noch nicht in Sicht. Dabei hat auch die deutsche Regierung im letzten Jahr auf dem G-20-Gipfel in Seoul den G20-Anti-Corruption-Action-Plan unterzeichnet, in dem sich die G-20-Staaten verpflichten, bis Ende 2012 Whistleblower-Schutzgesetze nach den Best-Practice-Standards zu verabschieden. G-20-Erklärungen haben zwar keinen völkerrechtlichen Charakter und sind eher Absichtserklärungen als bindende Verpflichtungen –“ es wäre jedoch ein weiteres Armutszeugnis für Deutschland, wenn sich die Regierung ein weiteres Mal durch die Hintertür aus ihrer Verantwortung stiehlt. (...)" Der Spiegelfechter zu den versus die Realität gehaltenen Sonntagsreden

Unklug: Alle Menschen sind klug, einige vorher, und einige erst hinterher. Meint der Nachtwächter zur Auseinandersetzung nerdcore.de  vs. "euroweb". Siehe auch die Berichterstattung von netzpolitik sowie bei Spreeblick und das Gespräch von pEtEr / blog.rebellen.info mit René (via Pantoffelpunk).

Unabhängig: "Am 09. Januar 2011 stimmte die Bevölkerung von Südsudan darüber ab, ob aus dieser etwa zweimal die Fläche der BRD umfassenden Region ein unabhängiger Staat wird. Die Erfolgschancen für ein „Ja zur Unabhängigkeit“ stehen gut. Die zukünftigen Bürger eines neuen Staates eint keine gemeinsame Sprache, auch keine gemeinsame Religion und zuvor wurden sie nicht als „südsudanesisches Volk“ bezeichnet (von sich selber oder von anderen), sondern als Dinka, Nuer, Schilluk, Azande, Acholi usw. Es fehlen also die wichtigen Merkmale, die Nationalisten weltweit für entscheidende Faktoren der Staatsgründung halten. Die Gemeinsamkeit, die die neuen Staatsbürger eint, ist eine rein negative: Sie alle entsprachen nicht dem Ideal von Staatsvolk, das der sudanesische Staat unter verschiedenen Regimen seit seiner Gründung propagierte –“ sie waren nicht arabischsprachig und islamgläubig. (...)" Ausführlicher Beitrag bei luzi-m

Unlösbar:
Professor Richard Falk, ein US-Völkerrechtler, der 2008 zum Sondergesandten des UN­ Menschenrechtsrates für die Palästinensischen Autonomiegebiete berufen wurde, hält einen gemeinsamen Staat für Israelis und Palästinenser, wie er in der Stuttgarter Erklä­rung gefordert wird, für die einzige realistische Perspektive zur Beendigung eines unlösbar erscheinenden Konflikts.

Unzureichend:
"Egal ob an den Schulen, den Universitäten oder in der Ausbildung: Auslese und Verwertungslogik haben System. Zu wenige Master- und Ausbildungsplätze, Studiengebühren, G8, unbezahlte Praktika und eine diskriminierende Aufteilung in verschiedene Schulformen, das alles sind nur einige Ausdrucksformen hiervon. Bildung dient nur noch dazu, aus dem Menschen wirtschaftlichen Profit herauszuschlagen. Für freie Entfaltung ist dort kein Platz. Wir sollen uns fügen, statt Selbstgestaltung und Demokratie in der Bildung zu leben. Die Konkurrenz um Zukunftschancen wird immer weiter verschärft und äußert sich in einem extremen Noten- und Leitungsstress. Statt den Menschen zu befähigen, entfremdet dieses Bildungssystem den Menschen von seinem selbstbestimmten und zugleich solidarischen Wesen. (...)" Der ausführliche Forderungskatalog zum Bildungsstreik findet sich HIER.

Unbefristet:
LeiharbeiterInnen können zeitlich unbefristet Löhne nachfordern. Verlinkung des Beitrages von frontal21 bei der FAU

Ungenügend: Die am 1. Mai in Heilbronn stattfindende Nazidemonstration mit dem Motto: "Fremdarbeiterinvasion stoppen" soll von einem großen, bunten –šFest der Vielfalt–˜ blockiert werden. Gewerkschaften und die Stadt organisieren das Fest, um die großen Straßen und Plätze für sich zu reservieren. Nebenher wird die Gewerkschaftsjugend mit einem –šDeeskalationstraining–˜ darauf vorbereitet, die Antifa-Gruppen zu behindern, während die Heilbronner Bullen das aktive Wegschauen und Rolläden runter lassen propagieren. Der Protest gegen den Naziaufmarsch wird dann jammernd damit kommentiert, dass dies wohl der Preis für einen toleranten Rechtsstaat sei. (Via AAF)

Ungerührt: Dietrich Wagner hat am 30.09.2010 beim gewaltsamen Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten sein Augenlicht verloren. Hr. Mappus habe keine Schuldgefühle, so die "Welt".

Uneinig: Am letzten Wochenende fand in Toulouse ein Kongress der französischen Sektion der Internationalen Arbeiter Assoziation statt, der den Bruch mit anderen Gruppen innerhalb der CNT-AIT endgültig vollzog.


Zahl des Monats: 7.200.000

7,2 Millionen Menschen arbeiten in Deutschland auf 400 Euro Basis. Das entspricht 20 % aller Beschäftigten. Für 5 Millionen Menschen ist der "Minijob" die einzige Erwerbsquelle. Im Sommer 2009 benötigten 1,3 Millionen Beschäftigte zusätzlich zum Arbeitseinkommen ALG II, darunter 614.000 Minijobber. (Quelle: WSI / Hans Böckler Stiftung)

Leyens Nachhilfe für alle! Empirisch überprüft!

Am Freitag geriet die sonst so  feine und überlegene Frau v.d.Leyen derartig in Rage, dass man Angst um ihre Frisur bekam. Hielt das Gel durch? Ihre Erregung war verständlich. Hatte sie nicht pro Kind einen Festsatz zugelegt von 10 Euro, über den neben vielem anderen auch Nachhilfe bezahlt werden sollte - falls nötig.

Frau v.d. Leyen geht streng individualistisch vor. Nichts für alle - Alles für jeden Einzelnen. Damit das geförderte Kind später lernt, sich auch weiterhin allein durchzuschlagen, um bald nur noch am Kaminfeuer Kindern und Enkeln zu erzählen, wie die eigenen Eltern mal  Hartz-IV-Hungerleider waren.

Zu Sang und Klang, zu Sport und Spiel weiß ich nur wenig zu sagen. Aber zu Nachhilfestunden! Nach  vierzig Jahren mit Glückwunsch von Frau Bildungsministerin aus dem Geschirr genommen, müsste ich als Aktiv-Lehrer wohl mindestens 3000 Euro netto erhalten. Für ca. 100 Stunden im Monat. (Alles vereinfacht, zur Rechenerleichterung. Da es bei Beamten ums Dienstalter geht, bekommen Jüngere etwas weniger.)  Jedenfalls ergäben sich dann pro Unterrichtsstunde im Monat 3000 durch 100 gleich ca. dreißig Euro für eine Stunde. Da für eine Nachhilfestunde  - nur im Normalfall! - keine Vor-und Nachbereitung anfällt, ließe sich eine Barmherzigkeitspreissenkung auf 10 Euro gerade noch denken.

Womit also ein Schulkind eine einzige Unterrichtsstunde von mir im Monat bekäme. Wenn das gleiche Kind natürlich auch noch gern Fußball spielen möchte oder Gitarre lernen, dann hätte es - was den Zuschuss angeht - eben Pech gehabt.

Und das Dumme ist, dass meiner brüchigen Erinnerung nach eine Stunde im Monat gar nicht reicht. Und dass es leider in gewissen kitzligen Fächern immer viel mehr als einen einzigen Nachhilfebedürftigen pro Klasse geben wird.

Wie ich die Ministerien in Erinnerung habe, werden die es an Erlassen nicht fehlen lassen, die Lehrer und andere Unterrichtgebende aus sozialen Gründen zur Tarifsenkung zu ermuntern. "Lässt sich doch
erwarten, dass jeder verantwortungsbewusste Pädagoge am Nachmittag  denen zu Hilfe kommt, deren Lücken er am Vormittag erkannt hat."


Schon, Herr Ministerialrat. Habe ich im Lauf des Lebens auch oft genug getan. Meist für umme. Nur: Was dabei von Leyen und den ihrigen ganz vergessen wird: Nachhilfe ist heute Teil eines Marktes mit eingefahrenen Tarifen - je nach Dienstalter und Qualität des Nachhelfers oder der Helferin! Den kann man nicht durch erzwungene Billigangebote an einer Stelle kaputt machen. Vor allem dann nicht, wenn man im sonstigen Leben  keine Messe der Marktanbetungskonfession auslässt!

Fazit: Allein das Teilsegment: "Nachhilfe" lässt sich unter den gegebenen Umständen bei gleichbleibenden Zuschüssen nicht liefern. Geschweige denn der Rest vom Angebot!

Und zwar in keinem System! Nicht einmal im vollendeten Sozialismus. Und warum nicht?  Weil die aufgewendete Kraft des Nachhelfers total unökonomisch eingesetzt würde.

Für ein Mal wäre sogar der Rhetorik eines Gabriel Recht zu geben, wenn er auf den Vorzug einer Gesamtschule mit Nachmittagsunterricht hinweist. (Die Praxis entfällt allerdings in vielen Bundesländern völlig).

In einer Gesamtschule würde nämlich die gleiche Lehrkraft - also ich - vor einer Gruppe stehen - und würde - bei gleicher Anstrengung und hoffentlich halbwegs gleichem Ertrag - die Ergebnisse der ganzen Gruppe steigern. Vorausgesetzt natürlich, dass die Klassen am Vormittag nicht aufgebläht werden, so dass überhaupt Erkenntnis der Ursachen von Kenntnislücken und Lerndefiziten  bei den Einzelnen möglich ist.

Bis dahin muss es mit und ohne Leyen wohl beim alljährlichen Griesgram bleiben, wenn wieder neu die Pisa-Noten vergeben werden.

Lebenshilfe: Beim Lügen nie mehr rot werden

Wer öffentlich auftritt, hat oft noch Schwierigkeiten beim Umgang mit der Unwahrheit. Viele befürchten mit Recht die Folgen einer guten Erziehung. Rot zu werden nämlich, wenn`s ans Lügen geht.

Dagegen gibt es mehrere Mittel. Eines - genug Schminke auflegen. Da diese aber bei Regierungsmitgliedern im Bedarfsfall  schon einen Zentimeter dick sein sollte, könnte das auf die Dauer der Gesundheit schaden. Elisabeth I. soll durch zuviel Bleiweiß in ihrer Gesichtsauflage ihr Leben merklich verkürzt haben.

Bei genügend Einfluss auf unsere staatstragenden Sender lässt sich wohl auch ein Kurzausfall der Farbe vorsehen, so dass im sittigen Schwarz-Weiß Verfärbungen nicht auffallen. Am ergiebigsten freilich ein Immunitätstraining gegen Zweifel jeder Art. Unbeirrt vorlesen, was die Dienste Dir aufgeschrieben haben.

Einem solchen hat sich Frau v.Leyen offenbar schon vor ihrem Dienstantritt  unterzogen. Inzwischen verliert sie ihr vornehmes Blass auch bei den schweinischsten Lügen nicht. (de Maizière stand ihr nicht nach. Er verkündete mit unveränderter Alabasterstirn, dass die Terroristen jetzt wirklich kämen. Seinen Amtsvorgänger Schäuble hatten sie ja regelmäßig beim Rendez-Vous versetzt. Es soll sich noch einmal um Rächer der Sauerlandgruppe handeln. Wir verzichten weisungsgemäß auf Panik.)

Unvergleichlich ungerührt erwies sich vor allem v.d. Leyen bei der Proklamation, dass Rente mit 67 überhaupt nicht mehr schmerzlich sei, weil alle Alten von der Industrie gierig angeheuert werden. Grund: Die Lieblingserfindung der gesamten Regierung: Der demographische Wandel. Es muss nicht lang gebohrt werden, um den Wahrheitsgehalt der Behauptung zu ergründen. Dass die Regelung faktisch auf Rentenkürzung hinausläuft, liegt auf der Hand. Wenn Merkels  Einfachrechnung stimmen würde - Zahl der Arbeitenden im Verhältnis zur Zahl der Rentnerinnen und Rentner - hätte die Rentenzahlung nach 1945 sofort eingestellt werden müssen. Wer von der Volksseuche Erinnerungs-Ausfall noch nicht erfasst wurde, erinnert sich, wieviel Arbeitende damals durch Krieg und Gefangenschaft zusätzlich fehlten, wieviel Alte aber überlebten. Da grundsätzlich der Produktivitätszuwachs pro Arbeiter verdrängt  wird, klingt die Zahlungsnot immer überzeugend.

Viel interessanter ein anderer Aspekt. Die gleiche Regierung,  die hier Arbeit bis zum Verrecken fordert, verlangt ohne Unterlass permanente Leistungssteigerung. "Deutsche Wertarbeit!" "Wir - die ersten in der Welt".

Da steckt das eigentliche Problem. Und zwar nicht erst für den oft bedauerten Dachdecker, sondern auch für Berufe mit weniger körperlicher Abnützung. Nach dem Krieg gab es Schulen, in denen ohne weiteres Siebzigjährige zum Unterricht herangezogen wurden. Wir hatten so einen in Karlsruhe als Direktor. Er verpasste manchmal  im Dienstzimmer die Unterrichtsstunden. Aber wenn wir ihn dann unterwürfig aufgefunden und zur Lehre eingeladen hatten, konnte er seinen Homer auswendig. Wir hatten keine Lernausfälle. Nur: Neues konnte er nicht mehr bieten. Und hatte in dieser Richtung auch keinerlei Ehrgeiz.

Ich selber bin vor zehn Jahren aus dem Schuldienst verabschiedet worden. Zur gegebenen Zeit. Seither hatte ich nie auffallende Krankheiten. Man hätte mich also als "Charaktermajor" - wie Kaiser Wilhelm I zu sagen pflegte - noch in irgendwelche Klassenzimmer stecken können. Und ich hätte mit abgelebten Witzen und  aufgeblähten Unterrichtsblättern aus vergangenen Jahrzehnten ohne weiteres noch den Platz gehalten. Das heißt, so getan, als ob es keinen Lehrermangel gäbe und alles in Ordnung wäre. In oberschulamtsbeaufsichtigter Ordnung.

Nur eines hätte sich eben unter keinen Umständen mehr erreichen lassen: Eine Leistungssteigerung. Etwas Neues. Ein frischer Tipp zur neuesten Literatur. Eine Stellungnahme zur geschichtlichen Forschung über das Außenministerium im "Dritten Reich". Da hätte ich passen müssen. Und damit Schavans heiligen Auftrag verraten: Wissenschaftlich immer an der Spitze zu marschieren.

Und deshalb wird es die nächsten Jahre nur zum Weiterschleppen reichen. Mit der zwangsrekrutierten Fußkrankenmannschaft. Mit viel Ächzen und Stöhnen. Aber ohne den geringsten  Vorstoß in die Super-Moderne. Und ohne ein einziges Mal rot zu werden.

Sparpakete zurück an die Bundesregierung

Betriebsräte schicken „Sparpakete“ zurück an die Bundesregierung

Foto: IG Metall
In 48 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie hat die IG Metall Esslingen eine Abstimmung über die Politik der Bundesregierung durchgeführt, an der sich rund 5.000 Beschäftigte beteiligt haben. Auf Abstimmungskarten votierten die Beschäftigten für einen Kurswechsel der Politik.

Sie forderten von der Bundesregierung eine gerechte Verteilung der Krisenlasten, z.B. durch höhere Besteuerung großer Vermögen und Einkommen und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, um die Verursacher der Krise in die Pflicht zu nehmen und Spekulationen künftig zu erschweren.

Weitere Forderungen an die Bundesregierung sind die Rücknahme der Rente mit 67, eine solidarische, paritätisch finanzierte Bürgerversicherung statt der geplanten Kopfpauschale im Gesundheitswesen, mehr Investitionen in das Bildungssystem und eine Begrenzung der Leiharbeit sowie die Durchsetzung des Prinzips „Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“.

Dafür werden morgen mehrere zehntausend Teilnehmer auf der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Stuttgart demonstrieren. Aus dem Bereich der IG Metall Esslingen werden sich über 1.000 Beschäftigte daran beteiligen.

Die 55 Sparpakete aus dem Kreis Esslingen werden morgen (13.11.10) von Stuttgart aus zusammen mit mehreren hundert weiteren Paketen aus dem ganzen Land an den Absender zurück geschickt und nächste Woche in Berlin der Bundesregierung übergeben.

Quelle: Pressemitteilung der IG Metall Esslingen

Schröder: Der Täter kehrt immer zum Schauplatz seiner Untat zurück

Die SPD schaut inzwischen verschämt weg, wenn Nachfragen auftauchen nach "Agenda 20"- "Rente mit 67" "Zwangsarbeit nach Arbeitslosigkeit " usw. Ganz lossagen kann sie sich nicht von den Verbrechen der letzten Jahre von Rot-Grün. Steinmeier, der Handlanger Schröders, hindert sie immer noch daran. Nur wollen die meisten Roten es inzwischen nicht mehr gern gewesen sein. Die GRÜNEN schon gar nicht. Die tun inzwischen so, als hätten sie mit allem nichts zu tun, was sie unter Fischer zu den Verbrechen beigesteuert haben.

Der Hauptschuldige am Ganzen brachte bisher noch das von der Partei angeforderte Restschamgefühl auf, die Klappe zu halten. Jetzt nicht mehr. In der WELT vom 27.10. tritt er auf - als Posaunenengel. Mit geschwollenen Backen. Das lang zurückgehaltene Eigenlob drückt von innen. Er - er allein - war Ursache des jetzigen Aufschwungs. Die gegenwärtige Bundesregierung hat nichts damit zu tun. Und dann- verräterisch genug- Frankreich müsse jetzt nachdackeln. Nachhetzen hinter den Erfolgen, die er Deutschland hinterlassen hat. Genau die Argumente Sarkozys, der seinem Geistesverwandten nicht nachstehen will. An Gewissenlosigkeit kann er es sicher mit ihm aufnehmen. Nur dass die Franzosen bis jetzt immer noch dem Despotismus an der Spitze einigen Widerstand leisten.

Man darf gespannt sein, wie die Gabriels und seine Mit-Leisetreter auf den Vorstoß reagieren. Wollten sie sich ernstlich verpflichten, die Brutalitäten eines Schröder nach Bedarf immer wieder zu wiederholen, reicht es vielleicht nicht mal mehr zum Unterschlupf beim Grünen Adler nach den nächsten Wahlen in Baden-Württemberg.

Offen gegen die Taten des Ex-Diktators Schröders können sie sich auch kaum wenden. Nicht nur Steinmeier, alle Mittäter dürfen nicht zu schroff ans Schienbein getreten werden.

Wohlwollen bei den Börsen erreicht nicht der schon, der einmal blutig um sich geschlagen hat. Nur, wer sich immer neu dazu bereit erklärt, bekommt den tätowierenden Kuss auf die Stirn.

Dumm nur: auch diese Möglichkeit ist schon vorweggenommen. Von der Konkurrenz. Von niemand lässt sich Merkel derzeit im Schnauben überbieten. Für die Gesamtwirtschaft kommt wenig heraus. Aber zum weiteren Schinden der Untersten - wie Merkel mit von der Leyen gerade vorführt - reicht es schon noch.

Folge: Auch wenn die SPD ihren Angst-und Überbietungsneigungen folgen wollte -, sie käme mit ihren Vorsätzen gegen Frau Metzgermeister mit dem Hackebeil nicht auf. Einfach, weil die schon Schröders Erbe in Besitz genommen hat. Sie treibt schon vorwärts, was die SPD -im selbstmörderischen Fall der Schröder. Imitation - nur versprechen könnte.

In dieser Klemme wird es für die SPD ein langes Päuschen geben. Ein sehr langes. Und einigen Schröder-Ex-Genossen wird die Zeit so lange werden, dass sie vorher nach besser bezahlten Pöstchen ausschauen. Wie Pinkwart von der FDP das gerade vorgemacht hat. Schlaft euch gut aus, Genossen im rosaroten Himmelbett! Bessere Zeiten kommen nicht mehr.

Man kann auch ohne Regierungsbeteiligung in einem deutschen Land in Berlin seine Zeit absitzen und sein Geräusch erzeugen.

Lyon: La Rafle de Bellecour - Die Razzia von Bellecour

Lyon, 21.10.2010 Foto: biloud43
Zur Vorgeschichte: Wie in ganz Frankreich kämpft ein großer Teil der Bevölkerung gegen die Erhöhung des Rentenalters, auch die Jugendlichen sind dabei. Das Rentenalter ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, aber längst nicht der einzige Grund. Sarkozy bezeichnete die unzufriedenen Jugendlichen, denen eine Zukunftsperspektive vorenthalten wird, als „Abschaum, den man mit dem Hochdruckreiniger wegsäubern muss“. Der Hauptschlag am 21.10.10 ging gegen Migrantenkinder.

In Lyon wird die Stimmung systematisch gegen die Migranten aufgeheizt; sie werden wegen ihrer Hautfarbe als Randalierer registriert, ganz gleich, wie die Wirklichkeit aussieht. Die rechte Szene fühlt sich bestens unterstützt. In Lyon wurden seit dem 12. Oktober 2556 Menschen wegen „Randalierens“ vorübergehend festgenommen. Anscheinend werden dabei Menschen ohne gültige Papiere gleich für die Abschiebung festgehalten.

Die Kämpfe gehen jedoch täglich weiter. Lyoner Demonstranten blockierten heute u. a. den Rhône-Express und die Tram T3.

E.S. / Solidarität International.

Die Razzia von Bellecour Lyon, 21. Oktober 2010

„Was da am 21. Oktober 2010 auf der Place Bellecour in Lyon geschehen ist, kann nicht einfach nur von einem Präfekten entschieden worden sein. Die Regierung ist in Bedrängnis, und wie jedes Monster in seinen letzten Zügen kann sie sehr gefährlich werden. Diese Leute, die uns regieren, sind krank, sie sind nicht sehr kultiviert und intelligent, aber mit zugespitztem Überlebensreflex und der Macht zur Bosheit. Die Regierung hat nun beschlossen, dass am 21. Oktober 2010 in Lyon, place Bellecour die große Lektion erteilt wird. Also lernen wir diese Lektion, entdecken wir diese so genannte Regierung der Öffnung, die die Jugendlichen einen ganzen Nachmittag einsperrt, um sie mit Gas und Schlagstöcken zu bearbeiten und ihnen Angst und Schrecken einzujagen.

Per Zufall hatten wir uns mit einigen Kollegen in einem Restaurant auf der place Bellecour verabredet. Um 20 Uhr war der Platz noch blockiert, aber ruhig und verlassen. Nachdem wir mit den Robocops verhandelt hatten, die den Zugang untersagten und anscheinend nicht viel verstanden - Ja, nein, geht außen herum, da ist es auch blockiert - , begleitete einer von ihnen uns beide, einen Kollegen und mich zum Restaurant, vor dem ein Polizeibus mit weiteren Robocops parkte. Die Kollegen waren schon da, wir prosteten uns zu, und hinter der Glasscheibe des Restaurants, da prostete uns auch ein Robocops, der gerade seine Rüstung auszog, symbolisch zu, eine fast leere Weinflasche schwenkend - er war glücklich.“


jmw


Zur Aktion der Ordnungskräfte auf der Place Bellecour 21/10/10 Aussage von 5 mit eingekesselten Studenten


„Was wir an diesem 21. Oktober auf dem Bellecour-Platz in Lyon erlebten, war so etwas wie eine Sicherheitshaft unter freiem Himmel.

Alles beginnt am frühen Nachmittag. Wir wissen, dass von der UNL (nationale Schülergewerkschaft) und der CGT (Richtungsgewerkschaft für die Beschäftigten) in ihrem kleinen weißen Kombi auf dem Antonin Poncet-Platz eine friedliche Versammlung organisiert wird. Als Bürger und Betroffen von der Gleichung Jugendlicher=Randalierer erscheint es uns wichtig, mit den Jugendlichen und den Gewerkschaftern in Ruhe demonstrieren zu gehen.

Das Aufgebot der Polizei ist beeindruckend, und schon in der Victor Hugo–“Straße erleben wir Straßensperren-Filter. Die CRS (Bereitschaftspolizei) lassen uns zu unserem großen Erstaunen ohne Kontrolle passieren. Wir sind also auf dem Bellecour-Platz.

Eine große Zahl von Menschen versucht auf den Antonin Poncet-Platz zu gelangen, wir haben die Begleiter im Auge: Die Interventionsgruppe der Staatspolizei GIPN ist anwesend und schwer bewaffnet. In einer Reihe aufgestellt CRS blockieren von allen Seiten den Platz, auf dem die Demonstration beginnen soll. Wir denken, es handele sich nur um eine vorübergehende Maßnahme.

Wir versuchen den Platz über die Straße de la Barre zu erreichen. Dort entdecken wir zwei Aufstandsbekämpfungs-Panzer mit Wasserwerfern, die am Eingang der Président Édouard Herriot-Straße und der Gasparin-Straße aufgestellt sind. Dort, wo die CRS den Zugang zur Demonstration absperren, heizt sich die Stimmung auf: erste Tränengasbomben werden auf die dicht zusammen stehenden Menschen auf dem Antonin Poncet-Platz und auf der anderen Seite der Demarkationslinie abgefeuert

Wir fragen daraufhin die CRS, die in eine Reihe in der Barre-Straße stehen, ob wir von diesem Platz weggehen dürfen. „Wir wollen keine Steine abkriegen, und auch kein Gas, wir wollen doch nur friedlich auf der anderen Seite der Straße demonstrieren.“ Die Antwort ist trocken: Der Sektor ist sowieso abgeriegelt, die Anweisungen sind klar: Niemand kommt raus. Uns wird dann noch gesagt, wir sollten ganz an das Ende des Platzes Richtung Saône-Fluss gehen, um weniger Gas abzubekommen; dort könnten wir „vielleicht“ hinaus.

Das gab es noch nie. Wir umrunden den Platz, alle Zugangsstraßen sind abgeriegelt, an jeder Sperre, wo wir bitten hinaus gelassen zu werden, ist die Antwort: Unmöglich. Aber wir sehen doch Menschen, die ohne Probleme durch die Sperren der CRS gehen. Das sind Leute über 25-30 Jahre; sie verlassen den Platz ohne Probleme. Es ist klar, dass die Anweisung besteht, die Jugendlichen zwar auf den Platz gehen, aber für unbestimmte Zeit nicht wieder hinaus zu lassen. Unsere Besorgnis wird von einem CRS bestärkt, der uns sagt: Auf jeden Fall „geht Ihr Jungen nicht vor 20 Uhr oder vor 21 Uhr hier weg, wenn das nötig ist“.

Jetzt warten wir schon seit 1 ½ Stunden. Keine Bewegung, als ob die Zeit angehalten wäre. Es scheint als sei das zentrale Kommando stumm, die CRS in einer kleinen Gruppe mitten auf dem Platz sind völlig entspannt, nehmen ihre Helme ab, rauchen und reden sogar mit den Jugendlichen. Der Hubschrauber der Gendarmerie (Einheit der Armee mit Polizeifunktion) kreist ständig mit einer Kamera über uns, fährt wieder und wieder über die Jugendlichen. Das Klima ist fast entspannt. Aber so wird das nicht lange bleiben: CRS-Gruppen drehen die Runde, gehen vorbei, überqueren den Bellecour-Platz, um die Jugendlichen „aufzuwecken“ –“ sind sie vielleicht zu ruhig? Zwei Polizisten der Kriminalitätsbekämpfungsbrigade BAC fahren seit einer guten halben Stunde mit dem Motorrad auf dem Platz herum.
Wir warten immer noch. Nach drei Stunden beginnt die polizeiliche Belästigung Früchte zu tragen. Die Jugendlichen, die zu Beginn ganz verstreut und ruhig waren, beginnen sich zu sammeln und fordern hinaus gehen zu können.

Die Jungen werden erwischt, als sie in der Menge in Bewegung sind; die Polizei, die weiter den Platz blockiert, schießt Tränengasgranaten auf die frisch formierte Gruppe. Vom Gas Getroffene werden mit Schlagstöcken malträtiert. Es ist unmöglich heraus zu kommen.

Und da verbreiten die Ordnungskräfte von den gepanzerten Aufruhrbekämpfungswagen eine irrwitzige Botschaft: „Achtung, Achtung! Wenn sie jetzt nicht auseinander gehen, müssen wir Gewalt anwenden.“ Wie sollen die Jugendlichen denn auseinandergehen, wenn alles blockiert ist?

Im gleichen Augenblick wurden wir an einer Sperre eingekeilt, wo wir zum vielleicht 10. Mal versuchten herauszukommen. Die Sicherheitskräfte geben das Signal zum Angriff und gießen die Soße auf unbewaffnete, völlig eingekreiste Jugendliche ohne jeden Schutz: Wasserwerfer, Tränengas in allen seinen Formen, Polizeiknüppel, Nebelgranaten, Knaller...

Nach dieser irrwitzigen Attacke wird uns befohlen, an einem –“ endlich! geöffneten –“ Ausgang Richtung Saône-Uferstraße zu begeben. Die Erniedrigung geht weiter: Ausweiskontrolle mit Polizisten, die alle Informationen über jede anwesende Person erfassen, Leibesvisitation, Photo. Außerdem ist die Presse da, um die Tagesaufnahme zu filmen. Wir werden geduzt, es fallen die unerlässlichen kleinen rassistischen Witze. Alle „Araber“ werden zum Photographen der RG, des zentralen Nachrichtendienstes geschickt. Wer keinen Ausweis bei sich hat (das ist in Frankreich keine Pflicht! –“ Anm. des Übersetzers), wird systematisch in Sicherheitsverwahrung genommen und in die Busse, die wir in der Ferne auf der Bonaparte-Brücke sehen, gesteckt.

So behandelt der französische Staat seine Jugend, er löst mit keinem Deut die Probleme der Unsicherheit in Frankreich. Dazu ist zu sagen, dass nur die Sender FR 3 Rhône Alpes und TLM von dem Ereignis wenn auch halbherzig berichtet haben. FR2, der öffentliche Sender erdreistete sich zu sagen, dass der Bellecour-Platz „den ganzen Nachmittag von Randalierern“ eingenommen war.

Ich glaube ich sehe nicht recht, von den Randalierern gab es nur ein paar wenige, der Rest wurde unter den Augen der laufenden Kameras blockiert, die mit ihren Bilder zur Desinformation der Regierung beitragen konnten.
Solche Methoden sind eines faschistischen Regimes würdig.

• Erniedrigung
• Willkürliche Gewalt
• Verletzung des Grundrechts auf Bewegungsfreiheit

Quelle: Übersetzung des Beitrages "La Rafle de Bellecour - Lyon, 21 octobre 2010" durch E.S.

Mehr Fotos und Videos bei rebellyon.info

England, Frankreich, Deutschland: Lohnkosten senken mit brutalsten Mitteln

Collage: IndyMedia
England hat diese Woche alle anderen Konkurrenten in Europa überboten in der Kunst des Drückens von Lohnkosten und Lohnnebenkosten, wie man das volkswirtschaftlich fein umschreibt. England - Rente ab 66. Frankreich angeblich ab 62 - bei genauerem Hinsehen ab 67 - wie in Deutschland.

Hauptabsicht in allen drei Ländern ist natürlich nicht die Ausdehnung der realen Arbeitszeit. Da weiß jeder Chef, dass normalerweise ab sechzig keine Sahne mehr abzupressen ist. (Kleine Einsteins auf dem Bürosessel werden immer Ausnahmen bleiben). Es geht brutal um möglichst weitgehende Lohnsenkungen für alle, die vorzeitig aufgeben müssen. Also: Für nahezu alle.

Nur in Frankreich zeigt sich erbitterter Widerstand gegen diese Maßnahmen.Die europaweit gesäten Ausreden haben dort alle nicht verfangen. Was hier durch jede Sitzung des Bundestags hallt, die fromme Sorge um die kommende Generation,  die "Generationengerechtigkeit" zieht im Nachbarland einfach nicht mehr. Die Jugendlichen nehmen Sarkozy beim Wort, sehen die paar Stellen, die ihnen offen stehen könnten, auf weitere fünf Jahre besetzt und blockiert - rotten sich vor ihren Schulen zusammen, verbinden sich teilweise mit den gefürchteten Bewohnern der Vororte und widersetzen sich allen polizeilichen Ermunterungen zum Kleinbeigeben. Arbeiterinnen und Arbeiter, ebenso aber auch Angestellte aller Richtungen streiken. Die Raffineriearbeiter haben eine Methode gefunden, besonderen Druck zu machen:

Sie liefern kein Benzin mehr und keinen Diesel. Kräftige Hilfstruppen blockieren zusätzlich die Zugänge.

Sarkozy in seiner Brutalo-Denkweise stellt das alles als Geiselnahme hin. Die Streikenden nehmen "unsere" Wirtschaft als Geisel. Als wäre die ganze Volkswirtschaft eine leidende Frau Betancourt, der Gewalt angetan würde. Dabei  ist "Wirtschaft" nur ein anderes Wort für die Gesamtleistung eben der streikenden Arbeiter-und Angestelltenschaft selbst. Sie nehmen sich also selbst etwas weg - um Druck auf solche auszuüben, die den Ertrag "unserer" Wirtschaft nach Möglichkeit ganz für sich allein haben wollen.

Dass Sarkozy höhnisch auf das deutsche Nachbarland  verweist, das "es" schon hinter sich hat, versteht sich. Schadenfreude der letzte Trost, den Beraubten hingeworfen.

Genau wie umgekehrt! Wer fleißig sich den Züchtigungen des Morgenmagazins hingibt, durfte die Kommentare unserer Sprecher über sich ergehen lassen. Was - für Rente mit 62 streiken? Wo leben die denn? Haben die noch nie was davon gehört, dass die Zahl der Erwerbstätigen immer mehr abnimmt, die der Rentner aber zu? Die Nachfrage nach dem Produktivitätszuwachs in der gleichen Zeit wird tunlichst unterlassen. Ohne diesen Produktivitätszuwachs wäre Rentenzahlen schon 1950 ausgefallen.

Sarkozy wird seine Mehrheit  am Freitagabend  zur Abstimmung treiben. Und dann hoffen, dass die Leute, die heute schreien, morgen schon sich in den Herbstferien freuen. Zunächst wird seine Diktatur sich durchsetzen. Fragt sich nur, wie lange. Es spricht wenig dafür, dass die Geknechteten im Nachbaeland ihren Chefausbeuter ab jetzt  lieber haben.Verschiedene Gewerkschaften haben sich auch fest vorgenommen, die Schrauben fester anzuziehen.

Die größere Gefahr- und ein Sarkozy hofft darauf und lechzt danach - bestünde in Resignation und Ermattung. Warum jetzt noch weitermachen, da die Keule heruntergesaust ist? Wie bei uns die Hunderttausende sich trollten nach den großen Aufmärschen gegen die deutsche Atomaufrüstung.

Nur: Sarkozy ist einer, der - aus eigener Gier oder aus gefühlter Notwendigkeit - niemals aufgibt. Er wird weiterknüppeln. Auch der Anblick der Konkurrentenstaaten innerhalb Europas wird ihm keine Ruhe lassen. Frankreich muss für solche wie Sarkozy und die seinigen immer oben bleiben.Dann -hoffentlich- wird sich der Widerstand konzentrierter zusammenfassen und vielleicht  zum Generalstreik  finden, zu welchem es dieses Mal nicht gekommen ist.
cronjob