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Rede über Transphobie auf der Querfeministischen Nachttanzdemo in Stuttgart 8.März 2018

Hallo,

mein Name ist Janka Kluge. Ich bin Feministin, Antifaschistin, Marxistin und Lesbe. Das wären einige Gründe hier eine Rede zu halten. Es ist aber nicht die ganze Geschichte. Ich soll zu Transphobie reden, also über den Hass gegen Transmenschen.

Um zu erklären, warum ich gefragt wurde muss ich über meine Vergangenheit reden. Eine Vergangenheit, von der ich dachte sie ist vorbei und abgeschlossen.

Ich muss also meine Vorstellung noch mal anders anfangen. Ich kam 1959 in Stuttgart zur Welt, nach der Zuschreibung –“ als Junge. Sehr früh habe ich gemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt. Ich dachte damals, dass ich der einzige Mensch bin, der so empfindet. Mein Vater hat auf alles, was darauf hindeutete, dass ich mich als Mädchen sah und mich entsprechend anziehen wollte mit Schlägen reagiert. Er hat mich grün und blau, und dann wieder blau und grün geschlagen. Nachdem er merkte, dass seine Prügel keinen Erfolg hatten hat er seine Strategie geändert. Jetzt hat er mir über Jahre den Tod gewünscht. Über Jahre hat er zu mir gesagt, dass ein Mensch wie ich kein Recht hat am Leben zu sein. Zum Glück war er zu feige mich umzubringen. Von meiner Mutter habe ich auch keine Hilfe bekommen.Sie hat mir immer wieder gesagt, dass ich immer hässlich sein und nie Freunde haben werde. Um zu überleben floh ich in die Arme des Alkohols und wurde sehr jung süchtig. Nach dem Abitur bin ich nach Berlin gezogen um dort zu studieren. Das war 1980. Um andere Betroffene kennenzulernen habe ich eine Kleinanzeige in der taz aufgegeben Die Frauen, die sich gemeldet und die ich dann kennengelernt habe, sind alle auf den Strich gegangen. Eine ältere Frau hat mir stolz erzählt, dass sie mittlerweile nicht mehr selbst anschaffen muss, sondern dass sie inzwischen als Puffmutter arbeitet. Ich war entsetzt und vor den Kopf gestoßen. Mein Leben war irgendwo zwischen Hausbesetzungen, wir nannten es damals Häuserkampf, der Anti-Atom Bewegung, Feminismus und Studium. Prostitution war für mich keine Perspektive mein Leben zu führen. Es war damals aber eine der wenigen Wege, die Transfrauen offen standen. Sie wurden regelrecht in die Prostitution gezwungen. Ich dachte dann vielleicht bin ich schwul und getraue mich nicht als Mann sexuelle Beziehungen zu einem Mann zu haben. Ich bin in die schwule Szene von Berlin gegangen, habe nette Menschen kennengelernt, Sex ohne Beziehungen gehabt und gemerkt, dass ich nicht schwul bin, sondern eine Frau im Körper eines Mannes. Ich war so verzweifelt, dass ich mich umbringen wollte. Im Laufe des Jahres 1981 habe ich vom gerade verabschiedeten Transsexuellen Gesetz gelesen. Das Gesetz hat mir das Leben gerettet. Endlich sah ich eine Chance jenseits der Prostitution leben zu können. Überleben zu können. Ich musste 25 werden, so stand es im Gesetz, um die Namensänderung zu beantragen. An meinem 25. Geburtstag habe ich dann den Antrag geschrieben. Der Richter hat mir gesagt, dass er mir die Änderung auch zu meinem Geburtstag hätte ausstellen können. Das schönstes Geburtstagsgeschenk meines Lebens habe ich mir selbst gemacht. 4 Jahre später lag ich dann im Krankenhaus und hatte meine Geschlechtsangleichende Operation.

Jetzt habe ich viel von mir gesprochen. Ich habe den Hass geschildert, der mir entgegengebracht wurde und wie ich trotzdem überlebt habe. Die Anfänge der Geschichte liegen inzwischen mehr als 40 Jahre zurück. Hat die Welt sich seit damals gerändert? Können Transmenschen heute sich freier entfalten und geschützter leben?

Auf den ersten Blick lautet die Antwort: Ja. Durch das Internet sind viele Informationen schnell verfügbar. Noch immer ist die Selbstmordrate von jungen TransMenschen viermal höher als von anderen Jugendlichen. Das liegt nicht daran, dass wir eher zu Depressionen und Selbstmord neigen, sondern weil auch heute noch für Viele - das ihnen zugewiesene Leben - unerträglich ist. Vor einiger Zeit habe ich mich mit der Mutter eines Transjungen gesprochen. Seine Eltern unterstützen ihn, in der Schule ist er geoutet und trotzdem .so hat es mir seine Mutter geschildert, hört sie ihn oft nachts weinen. Trotz dieser Unterstützung ist er tief verzweifelt. Vielen Trans-Jugendlichen wird die richtige medizinische Behandlung verweigert, weil immer noch zu viele Ärzte sagen, dass ein Kind nicht sicher sagen kann was es fühlt und was los ist. Nach wie vor gilt Transsexualität als Geisteskrankheit und wir werden oft von den Krankenkassen und den Ämtern entsprechend behandelt. Für uns nötige Behandlungen werden nicht bezahlt, so dass arme TransMenschen deutlich benachteiligt sind, weil sie sich die Kosten solcher Behandlungen einfach nicht leisten können.

Ich habe Kontakt zu einer Frau, deren Schicksal mich sehr berührt hat. Sie ist ungefähr genauso alt wie ich. Sie hat ihre Transsexualität auch schon in jungen Jahren gemerkt. Als im Sportunterricht Jungen aus ihrer Klasse beim Umziehen gesehen haben, dass sie Mädchenunterwäsche trägt, wurde sie zum Gespött. Einige Monate später ist sie bei einem Klassenausflug von Mitschülern vergewaltigt worden. Für sie war das Wissen um ihre Weiblichkeit mit körperlicher Gewalt und Demütigungen begleitet. Um dem Schmerz zu entfliehen hat sie sich in ein Männerleben gestürzt, geheiratet, zeugte einen Sohn und machte sich mit einer kleinen Firma selbstständig. Die Firma ging gut, bis sie sich vor einigen Jahren entschloss ihren Weg endlich zu gehen. Als sie sich als Frau zu erkennen gab sprangen die Kunden nach und nach ab. Mit so einer „Perversen“ wollten sie nichts zu tun haben. Sie hätte mehrere Jobs bekommen können hat sie mir erzählt, aber sie hätte als Gegenleistung Sex machen müssen. Sie meldet immer wieder auf den sozialen Medien wie viel hundert Bewerbungen sie schon geschrieben hat.

Transphobie im Jahr 2018 reicht von der offenen Gewalt, bis zu Mord, Totschlag und Vergewaltigung, es sind aber auch die vielen kleinen Diskriminierungen, die in der Summe für uns auch erdrückend sein können.

Ich möchte an Jelena erinnern, eine junge Transfrau, die mit ihrer Familie aus Serbien nach Österreich geflüchtet war. Vor drei Wochen hat sie sich in Wien vor die U-Bahn geworfen. Sie galt als stark und selbstbewusst. Weil die Gesellschaft ihr als geflüchteter Transfrau keine andere Möglichkeit gelassen hat, hat sie als Sexarbeiterin gearbeitet. Nach Aussagen ihrer Freundinnen ist sie an der Ablehnung der Gesellschaft und ihrer Familie zerbrochen.

Der Wirklichkeit wird aber auch die Erwartung nicht gerecht, dass Trans sein automatisch bedeutet sichtbar und öffentlich zu sein. Auch diese Vorstellung ist eine Fremdzuschreibung und wird damit dem Leben der meisten von uns nicht gerecht Ich kenne viele Trans
Menschen, in großer Mehrheit ist ihr Ziel anonym zu leben, so wie sie es als richtig empfinden.

Ich bin Marxistin genug um zu wissen, dass wir uns selbst befreien müssen. Wir brauchen aber die Solidarität anderer die mit uns zusammen kämpfen um eine Verbesserung und Veränderung zu erreichen.

Eine der Forderungen der politischen Transgender und ihrer Organisationen ist, dass wir ein neues Personenstandgesetz brauchen und das Transsexuelle Gesetz abgeschafft gehört. Außerdem muss das System der Psychiatrischen Zwangsbegutachtung abgeschafft werden. Wir wissen selbst am besten was mit uns los ist.

Den TDoR im November letzten Jahres habe ich mit den Worten beschlossen: Passt aufeinander auf. Das ist was wir uns schenken können, Aufmerksamkeit und das wir aufeinander aufpassen und achtgeben.


Vielen Dank

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