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Keine Aufklärung.

Denkmal Kants (Bildhauer: Christian Daniel Rauch) in seiner Heimatstadt Königsberg, dem heutigen Kaliningrad

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Kant schreibt in seinem Aufsatz: Was ist Aufklärung? folgende wichtige Regel für alle, die ihm folgen wollen: "Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen". Wenn das so ist, habe ich nicht einmal einen Ansatz zum Aufklären. Denn alles, was ich mitkriege, ist durch irgendeine Art von Medium vermittelt. Kein einziger Anblick ist mir gegönnt. Ich lese, was auf mich zukommt. Und kann das Gefängnis des Buches nicht brechen.

Was bleibt? Was ich immerhin noch kann, ist die Widersprüche in den Texten zu enthüllen. Wenn ein Bundestagsausschuss behauptet, die NSU hätte nur aus drei Mitgliedern bestanden, dann stellt sich sofort das Rätsel, wie dann von Rostock aus eine Botschaft nach Nürnberg gekommen sein soll. Irgend jemand muss ja wohl die Botschaft ermittelt haben.

Wenn die Kiewer Regierung immer neue Zornbotschaften gegen die Ostukrainer schickt, zugleich aber verkündet, sie wolle nichts als Friedensmilde äußern, dann kann etwas nicht stimmen.

Wenn Obama nach kurzem Zögern neue Düsenjäger nach Ägypten schickt, um Terroristen in der Wüste zu vernichten - hat er da nicht etwas vergessen?

Und so weiter. Die kreischende Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit zeichnet sich hüben wie drüben gleichermaßen ab.

Damit kann ich zwar niemals wissen, was Wahrheit ist. Wohl aber und immerhin, dass es in jeder Nachricht Lücken gibt, Löcher, vor die jemand sich stellt, um etwas zu verbergen. Und zumindest das kann dann noch gesagt werden: dass es gilt, all jenen Lügnern zu misstrauen, die sich da aufspielen. Ein weiterer Gebrauch ist nicht zu machen. Außer dem einen: verschließe Dich ihren Versprechungen. Die eigentlich in der Regel Drohungen heißen müssen.

Verhandeln ist immer die beste Lösung. Wirklich?

Frank-Walter Steinmeier auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2014

Foto: Kleinschmidt / MSC
Lizenz: CC 3.0 Deutschland / Namensnennung
Steinmeiers Credo: "Solange man redet, wird nicht geschossen." stimmt normalerweise schon. Nur sollte man beim Verhandeln wenigstens die Karte vor Augen haben. Wenn - wie jetzt gerade - unmittelbar nach dem Verhandeln nicht einmal klar ist, um welchen Landesteil es sich gerade handelt,dann bekommt das ganze Gerede ziemlich schnell Schlagseite. Nach dem Wutgebrüll trotz Reden scheint nicht einmal klar, ob es sich beim Waffentillstandsversprechen um Städte der Ostukraine oder um Kiew handelt. Damit ist nichts gewonnen. Sondern das Restvertrauen einiger Ukrainer endgültig verloren. Das nämlich, es könnten sich dort oben Richter zusammensetzen, die entscheiden, was für alle Ukrainer das Beste sein sollte.

In Wirklichkeit hat sich demnach der Hass auf beiden Seiten eher gesteigert. Obama faucht Moskau an, er werde demnächst schärfere Sanktionen einsetzen, wenn Putin seine Pflicht zur Abmahnung der Widerstandwilligen nicht wahrnehme. Russland umgekehrt verwarnt die Restregierung in Kiew, so ginge es nicht weiter. Wo bliebe die Entwaffnung der "Rechte Rand" Leute?

Ergebnis: Verhandeln ist nur dann besser als Gleichlosschlagen, wenn die Beteiligten sich selbst am Reden beteiligen. Davon konnte dieses Mal in den beteiligten Landesteilen keine Rede sein. Es wurde von den Mächtigen nicht entschieden, sondern mit Scheinlösungen befriedigt, die dieses Mal noch kürzer hielten als sonst. Frohe Ostern allerseits!

kritisch-lesen.de Nr. 32: Deutschland im Krieg

Dass militärisches Handeln von deutschem Boden aus wieder denkbar ist, zeigte sich nicht erst in der Antrittsrede von Bundespräsident Gauck im Jahr 2012, in der er die Bundeswehr als „Armee des Volkes“ bezeichnete. Bereits in den vorangegangenen Jahren –“ nicht zuletzt durch Joschka Fischers Plädoyer für einen militärischen Einsatz Deutschlands im Kosovo –“ fand eine Militarisierung der Außen- und Innenpolitik zunehmende Zustimmung in der Politik. Diese Normalisierung wurde begleitet von Forderungen nach der Wahrung universalistischer Menschenrechte und –“ im Falle des Kosovo –“ begründet mit einer historischen Verantwortung Deutschlands, ein neues Auschwitz zu verhindern. Weitgehend ausgeblendet bleiben in der öffentlichen Debatte das aufpolierte geschichtspolitische Selbstverständnis des „Demokratieweltmeisters“, die humanitären Auswirkungen der Kriege und die ökonomischen und geopolitischen Interessen, die mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden.

Innerhalb der Linken bildet das Thema Antimilitarismus ein Feld für grundsätzliche theoretische Kontroversen. Praktisch agiert wird dort, wo die Bundeswehr zunehmend präsent ist und Akzeptanz erfährt. An vielen Orten finden zahlreiche kreative Proteste gegen Auslandseinsätze, die Rekrutierung von potenziellen SoldatInnen an Schulen und Universitäten und die Militarisierung des Inneren statt.

Mit dieser Ausgabe wollen wir uns mit der Militarisierung der Gesellschaft befassen und Impulse für linke Auseinandersetzungen mit dem Thema liefern. Dafür bespricht Christin Bernhold zunächst das Buch „Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen“ von Norman Paech und Gerhard Stuby und diskutiert die Bedeutung des Völkerrechts für die Legitimierung von Bundeswehreinsätzen im Ausland. Völkerrecht, so stellt sie heraus, wird hier zum Feigenblatt für Machtpolitik in internationalen Beziehungen. Mit solcherlei Legitimationsstrategien beschäftigen sich die folgenden Besprechungen. In der Rezension „–šWir–˜ über –šuns–˜ und –šdie Anderen–˜“ zum Buch „Heimatdiskurs“ zeigt Rita Werth auf, wie im Namen der Modernisierung und der Emanzipation Militäreinsätze von Deutschland aus für notwendig erklärt werden. Dem Humanismus als Begründung für Kriegseinsätze widmet sich auch Christian Baron in „Sehnsucht nach dem Stahlbad“, einer bissigen Rezension von Bernd Ulrichs „Warum Deutschland Krieg führen darf. Und muss“. Heinz-Jürgen Voß geht es in der Besprechung des Buchs „Gendering 9/11. Medien, Macht und Geschlecht im Kontext des –šWar on Terror'“ von Andrea Nachtigall speziell um die Legitimation des Afghanistaneinsatzes.

Mit der Bedeutung von Militarisierung für die kapitalistische Staatenkonkurrenz befasst sich Ruldoph Bauer in der Rezension des Buches „Geopolitik“ von Tobias ten Brink. Der Frage nach Waffenproduktion in Deutschland und deren Export in andere Länder geht Sophia Hoffmann nach, die das Buch „Bombengeschäfte –“ Tod made in Germany“ von Hauke Friedrichs bespricht. Adi Quarti widmet sich in seiner Rezension „Die neue Dimension“, die mit dem Buch „Drohnenkrieg. Tod aus heiterem Himmel - Morden per Fernbedienung“ die neuesten technischen Entwicklungen in der unbemannten Kriegsführung aus den USA vorstellt. Neben der fachwissenschaftlichen Diskussion um den Afghanistaneinsatz haben aktuell auch Romane, die Einfluss auf Militärdiskurse in Deutschland haben, Konjunktur. Stephanie Bremerich diskutiert mit „Fiktion als Alibi“ den Antikriegsroman „Jenseits von Deutschland“, der mit seinem Anliegen jedoch das Genre verfehlt hat. Einen tatsächlichen Erlebnisbericht hinterfragt in „Wir fühlten uns bereits wie Kriegshelden“ Fabian Virchow. Das Buch „Vier Tage im November. Mein Kriegseinsatz in Afghanistan“ von Johannes Clair offenbart das Selbstbild eines ehemaligen Fallschirmjägers.

Mit dem Konzept der Nachwuchsrekrutierung der Bundewehr an Schulen und Universitäten befassen sich drei Rezensionen. Elke Michauk bespricht in „Im neuen Gewandt: Offensive Bundeswehr an Schulen" den Einfluss des Militärs auf Bildungseinrichtungen und betont dabei die vielfältigen Aktivitäten gegen die Rekrutierung an Schulen. Ebenfalls mit dem Wirken der Bundeswehr an Schulen und der Gegenwehr beschäftigt sich Ismail Küpeli in seiner Rezension des Buches „Soldaten im Klassenzimmer“. Christoph Golasch widmet sich dem Buch „Zivilklauseln für Forschung, Lehre und Studium“, das die zunehmende Bereitschaft der Universitäten, Drittmittel aus der Rüstungsforschung einzuwerben, zum Thema hat.

Abschließend werfen wir einen Blick auf die außenpolitische Debatte der Partei DIE LINKE. Christian Stache war selbst langjähriges Mitglied der Partei und des ihr nahestehenden Jugendverbandes ['solid]. Er kritisiert in seiner Rezension „Zu den Waffen, Genossen!“ das Buch „Linke Außenpolitik“ und damit den aktuellen Versuch einer Neukonzeption der außenpolitischen Ausrichtung der Partei.

Den Anfang bei den Rezensionen außerhalb des Schwerpunkts macht Jens Zimmermann, der die aktuelle Publikation zu „Obamas Krisen-Empire“ von Ingar Solty empfiehlt. Andrea Strübe widmet sich in ihrer Rezension „Was sich nicht bewährt“ der umfangreichen Studie „Bewährungsproben für die Unterschicht? Soziale Folgen aktivierender Arbeitsmarktpolitik“ um das Team des Jenaer Soziologen Klaus Dörre, in der die Arbeitsmarktreformen der letzten Jahre alles andere als gut wegkommen. Der Tod eines Anti-AKW-Aktivisten ist Aufhänger von „XXX“, einem überraschenden „Atomkraft-Krimi“ von Martin Sudermann, den Alice Freitag gelesen hat. An den Dimensionen des Themas scheitert Robert Claus zufolge eine Arbeit zu „Rechtsextremen Strategien im Sport“. Der Sammelband „Migration und Arbeit in Europa“ fokussiert laut der Rezensentin Hannah Schultes zwar ein wichtiges Thema, dennoch kommt sie in ihrer Rezension „Gäste, die arbeiten“ zu einem gemischten Fazit. Schließlich beschäftigt sich Moritz Altenried anhand des Buches „Die Prekarisierungsgesellschaft“ von Oliver Marchart mit der Frage, wie Proteste gegen Prekarisierung gesellschaftstheoretisch gefasst werden können.

Und nun noch zum Schluss: Kritisch-lesen.de ist nun seit drei Jahren online! Nach 32 Ausgaben mit 340 Rezensionen, interessanten Diskussionen und vielen Höhen und Tiefen blicken wir zurück auf drei wunderbare, arbeitsintensive, nervenaufreibende und ereignisreiche Jahre. Wir danken allen Leser_innen, Autor_innen und Freund_innen, die uns in dieser Zeit so tatkräftig unterstützt haben! Nach der nächsten Ausgabe, die mit dem Schwerpunkt Kritische Soziale Arbeit am 1. Juli erscheint, werden wir eine Pause einlegen, um ein bisschen durchzuatmen und über kritisch-lesen.de nachzudenken. Wir würden uns freuen, wenn ihr uns eure Eindrücke an info@kritisch-lesen.de schicken würdet: Was gefällt euch an kritisch-lesen.de, was nicht, welche Ausgaben fandet ihr besonders gut, welche Themen interessieren euch, was können wir besser machen?

Rezensionen zum Schwerpunkt

1916 - 2016: Blutpumpe light

Nachdem es mit den Überfallstechniken des Schlieffenplans offenbar nicht geklappt hatte, erfand der Generalstabsoffizier von Falkenhayn etwas ganz Neues: die Blutpumpe. Es sollte an einem namensträchtigen Ort eine Situation geschaffen werden, in der die Gegner - die Franzosen - sich verpflichtet fühlen mussten, mehr Soldaten zu opfern, als ihrer Gesamtstärke entsprach. Das würde - nach geraumer Zeit - dazu führen, dass die französischen Opfer so groß würden, dass sie schließlich den Deutschen gegenüber aufgeben und kapitulieren müssten. Und zwar war das damals dem statistischen Denken gemäß zwar in erster Linie am Verlust von Soldaten gemessen. Darüber hinaus - versteht sich - aber auch Verlust von sämtlichen Hilfsmitteln: Waffen aller Art, Lebensmittel usw.

Der Gedanke hört sich damals wie heute wahnsinnig an. Denn - das lag dem Kalkül zugrunde - es mußten bei dem Pumpenmanöver unweigerlich Tausende und Zehntausende deutscher Soldaten eingesetzt werden, wenn nur der Feind noch größere Schäden davontrug. Zugleich war alles völlig berechenbar. Tag für Tag konnte das Unternehmen überschaut werden. Wo an einer Stelle zuwenig Blut floß, konnte nachgegossen werden. Das ganze Manöver zugleich haltloser Irrsinn und berechenbarer Kalkül.

Nun zu den Revanchegelüsten des Westens heute. Aktiver Krieg scheint ausgeschlossen. Was bleibt dann? Obama hat es ziemlich deutlich ausgesprochen: Putin muss "seinen Preis zahlen". Und worin soll der bestehen? Dem ersten Anschein nach diesesmal weniger im Verlust von Soldaten. Aber mehr in der Anhäufung von Verlusten anderer Art. Über Absatzmärkte und Warenstaus schließlich der Ruin des Landes.

Kapitulation mit anschließendem Gericht über Putin und die Seinigen. Und endlich die große westliche Gemeinschaft von Wladiwostok bis zum Atlantik.

Auf den ersten Blick könnte die Rechnung aufgehen. So schlecht es den USA geht, den Resten der UDSSR geht es nicht besser.

Zugleich aber der Falkenhayn-Wahnsinn. Damit der Sieg über Russland gelingt, müsste zwangsweise Europa an allen Stellen sich verkrümmen. Sich auf Sparkurs setzen. Den Zusammenbruch eigener Systeme erdulden. Es ginge nicht anders, als es 1916 ging. Am Ende stehen zwei tödlich Verwundete einander gegenüber. Selbstverteidigung wird zum allmählichen Selbstmord.

Vor allem eines fällt bei den zahllosen Kommentaren auf. Die Selbstbegeisterung. Wenn Obama von einer "Provinzialmacht" spricht, die sich auflehnte, gibt er nur den Ton vor oder nach von hundert Medien. Die Grundvoraussetzung aller: Wir sind im Recht. Der Feind muss zahlen. Kaum einem fällt wieder ein, was Lenin auch vor hundert Jahren schon sagte: Wir leben in der Zeit der Imperialismen. In denen Recht und Umgangsformen nichts mehr zu melden haben gegen die bloße Besitzwahrung. Möglicherweise Ausweitung. Und da sind nicht nur Putin und Obama gleich, sondern auch alle anderen Machthaber auf der ganzen Welt.

Gerade darum ist es so schwer, sich zu erheben gegen den Wahnsinn von Krieg und Rüstung. Es müssten sich Leute zusammenschließen, die über dieses Unheil hinausschauen könnten. Wo aber sind die geblieben? Es könnte sein, dass ihre Zahl nach all den blutigen Erfahrungen heute geringer ist als zu Lenins Tagen.

Das Schlimmste: die Verächtlichmachung der jeweiligen Gegner. Als ob nicht erwiesen wäre, dass vor der Verzweiflung der Generalangriff kommt. Kommen muss. Und dann sich enthüllen wird, dass es ganz am Ende doch wieder die Menschen trifft. Die sterben müssen, damit das Blutopfer seinen letzten Glanz erhält.

Druck gleich Krieg in Vorratshaltung. Was ist zu tun?

Krieg? Keine Rede. Das Ganze in der Ukraine ist nur Rollenspiel. Rollenspiel Putins, um wieder ins Geschäft zu kommen.

Obama, Steinmeyer, Merkel und so weiter sind ernste Sorgenkreaturen. Sie mahnen, wo sie können. Und erwägen gewichtige Ausreden. Für den Augenblick. Weil dummerweise der eigentliche Krieg schon gelaufen ist. Zugunsten Russlands. Und alle deshalb schon nachdenken, wie sie Putin - später einmal - wirtschaftlich um die Ecke kriegen können.

Nach langem Grübeln muss man dann leider sagen, dass beide Parteien genau das gleiche in ihren Überlegungen behandeln: Wie können wir unserem Gegner mit möglichst großem Erfolg eine reinwürgen, ohne uns selbst zu großen Schaden zuzufügen. Also stehen sich Obama mit seinem Rausschmiß aus der G8-Kommission und Putin mit seinen zunächst waffenlosen Männern ziemlich gleich gegenüber.

Was können Friedensfreunde gegen diese Konstellation unternehmen? Eines muss klar sein. Es unterliegt die ganze Bevölkerung der Krim seit vielen Jahren einer bewußtlosen Umwälzung. Durch Herrschende, die nach dem Willen der Untertanen nicht fragen. Wäre Chruschtows Willkürakt nicht geschehen mit der Preisgabe einer ganzen Provinz an die Ukraine - in den fünfziger Jahren - dann würde sich das gegenwärtige Problem gar nicht stellen. Dann würden sich keine nationalistischen Streitigkeiten vor das Hauptproblem stellen. Dasjenige nämlich, welche Klasse herrscht, welche beherrscht wird. Dann könnten sich die dortigen Einwohner zusammen - oder gegeneinander - selber einigen, wie und von wem sie regiert werden wollen.

Vor diesem Hintergrund wird die Verlogenheit unserer westlichen Dröhner klar. Wenn Merkel zum Beispiel sich in ihren Äußerungen immer wieder beruft auf die "Unveränderlichkeit der Grenzen des ukrainischen Territoriums", dann bedingt sie sich mit gewohnt leiser Stimme genau das aus, was dem Ganzen zugrundeliegt. Den Fortbestand des Unrechts der Gewalt über die Völker. Anstatt seine Aufhebung.

Was bleibt uns, den restlichen Friedensfreunden? Wir können nicht losrennen mit Fahnen voller Versprechen. Nicht einmal das bloße "Waffen nieder" hilft hier mehr. In einer Welt, die ganz zuletzt nur vom Dröhnen der Waffen bestimmt wird, hat das keinen Zweck. Uns bleibt nur eines. Wenigstens den Rückgang der letzten Vergewaltigung - die Schenkung Chrustschows - zu beschleunigen. Und damit den Rückgang aller Völker zum eigentlichen Kampf. Zur Auflehnung gegen die jahrhundertelange Unterdrückung.

Es bleibt dabei. Auch der Kampf um Frieden bleibt Kampf. Nur ein solcher um den letzten Kern- ohne falsche nationale und nationalistische Ablenkungen-der eigentliche Kampf Klasse gegen Klasse.

Obama: Nicht mal mehr sein Absturz zählt.

Gibt es noch jemand, der sich an den Obama-Kult erinnert, kurz um seine Seligpreisung herum? Als er zur Unzeit den Friedensnobelpreis erhielt. Als er sein "Yes. We can" anstimmte. Und zumindest in Deutschland Tausende und Abertausende in ihm den Erlöser sahen. Rein und glatt den Mann, der uns alle aus den Banden der gewöhnlichen Politik hinausführen sollte.

Die ersten vier Jahre seiner Politik waren dann nicht viel anders als gewohnt. Von Friedensbringer keine Rede. Vor allem die ungerührte Beibehaltung von Guantanamo und die erweiterte Bedienung von Todesschwadronen machten den Glanz des Friedensfürsten zunichte. Nach kurzer Zeit erschien Obama als ein Präsident. Einfach und gewöhnlich: Präsident.

Darin liegt das Problem. Die meisten seiner Zuhörer und ihrer Verbreiter sind von Obamas Versicherungen zur weiteren Kriegsführung sicher nicht begeistert. Nur - dieselben neigen dazu, sich zu sagen: Na ja, was kann er schon viel anderes tun. Unter dem Druck, unter dem er steht. Politik ist eben so.

In dieser Form des Macchiavelismus läßt sich dann allenfalls noch mutmaßen: Redet er wenigstens besser als Bush? Hat er eine Idee zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, die genauer passt zu den Gegebenheiten als das, was seine Vorgänger ausgegeben haben? Die Antwort wird auf jeden Fall lauten - lauten müssen: mag sein. Zwei Quäntchen besser. Aber ändern tut sich dabei nichts.

In diesem Fall die große Trostlosigkeit. Es ändert sich nichts. Das ist der Lauf der Welt - und unserer Politik.

Immerhin liesse sich auch fordern: Mach es doch einfach. Löse tatsächlich dein Folterlager auf. Versuche, von vornherein herauszubekommen, was die Insassen möglicherweise verbrochen haben. Üb dein Präsidentenamt aus, wie es nun einmal in der amerikanischen Verfassung festgelegt ist. Und wenn Du dann fällst an tausend Widersprüchen der Justizorgane: Du fällst mit Recht. Und erhebst einen Anspruch an alle kommenden Generationen.

So wie etwa Gandhi. Er lehnte sich auf gegen hundert wirtschaftliche Einwände. Und gewann für sehr kurze Zeit. Bis zum bekannten Ende.

Welchen Weg wählen? Den der brutalen Gleichgültigkeit - oder den des unerfüllbaren Wunsches. Oder gibt es noch etwas dazwischen?



Erklärung des Friedensbündnisses World can't wait gegen Folter und zur Schließung von Guantanamo

Gaddhafi beseitigt! Imperialisten, Beutegierige, Betrogene im Blutrausch!

Nach der  wochenlang  eintrainierten Arbeitsteilung ist nun der ehemalige Führer des Landes Libyen offenbar abgeknallt worden. Die Arbeitsteilung: irgendwelche Libyer, deren Kraft zum Knarretragen ausreicht, befinden sich auf Panzern oder Lastwagen, grölen herum und schießen in die Luft. Die zum Kriegführen nun einmal notwendige Mordarbeit wird von den Nato-Truppen erledigt. Nato im weitesten Sinn: Wie inzwischen die englische Regierung zugegeben hat, waren seit diesem Frühjahr immer schon englische Geheimdienstler zusätzlich im Land. Jetzt fallen sie sich alle in die Arme. Die Imperialisten, denen es zu allerletzt um befreite Gegenden ging- die Beutegierigen, die sich ein kleines Stück der Erträge wünschten, und kleinlaut - aber immer noch - die wenigen Freiheitskämpfer, die es möglicherweise auch gegeben hat. Sie haben das letzte Mal Gelegenheit zu lachen.

Gaddafi

Ich erinnere mich noch gut an den Augenblick, als er den Günstling Englands, Idris, entmachtete. Es regte damals wirklich auf Gottes Erdboden niemand auf. Alle verstanden: hier erfolgte ein Aufstand im Sinne und in der Nachfolge Nassers von Ägypten. Mit der Absicht, sich die Erträge der eigenen Erde wieder selbst anzueignen. Das Öl.

Alle Versuche Gaddafis, das Fundament zu erweitern, durch Zusammenschluss mit anderen arabischen Staaten, schlugen fehl. Warum? Der nationalistische Ansatz vertrug sich schlecht mit den Ideen des Panarabismus. Um es noch genauer zu sagen: die Nachbarn waren so nationalistisch wie der Herrscher Libyens selber. Und das Schwadronieren von der UMMA- der arabischen Einigung- half nicht viel weiter.

Was wir vom "Grünen Buch" mitbekommen haben, haben wir kaum verstanden. Immerhin haben seine unklaren und undeutlichen Ideen dazu verholfen, die total verschiedenen Leute der verschiedenen Landesteile halbwegs zusammenzuhalten. Sonst hatten die Berber auf der einen Seite, die Tuareg auf der anderen und die verschiedenen Arabergruppen in der Mitte einander herzlich wenig zu sagen. Einzige Gemeinsamkeit: das Interesse am Ölertrag. Von dem- immerhin- mehr den einfachen Leuten zukam als in vielen anderen Öl-Fürstentümern. Nicht zu vergessen auch die umfassenden Bewässerungsanlagen, die ohne Krieg und hochfahrende Abenteuer dem Land einen dauerhaften landwirtschaftlichen Fortschritt ermöglicht hätten.

Gaddafis Hauptfehler in den letzten Jahren: Sich seinen jetzigen Feinden -und Verrätern!- vorzeitig auszuliefern . Durch Verträge und Stillhalteabkommen. Vor allem durch das schändlichste: die Vereinbarung mit Italien, Flüchtlinge aus dem Innern Afrikas im Dienste der Schengen-Sicherheit zurückzuhalten (Womit er sich allerdings vom inzwischen hochgelobten Tunesien nicht unterschied, das eben im Begriff stehen soll, den gleichen Vertrag mit dem mittelmeerischen Westen zu erneuern. Aber hochdemokratisch dieses Mal, bitte sehr)

Humanitär - inzwischen das Ekelwort des Jahres.

Ein flatterseeliger Schreiber französischen Slangs - ein nach allem schnappender französischer Präsident in Not - die englische Blair geschulte Gierhalskompanie frömmsten Angesichts - stürzten sich auf die Gelegenheit. Warum Russland und China kein Veto einlegten, ist kaum zu begreifen. Jedenfalls ergab sich die herrliche Gelegenheit für die NATO, HUMANITÄR abzuknallen, was sich breit machte.  Wenn Tote im Fernsehen oder den gefälligen anderen Medien erwähnt wurden, dann stammten sie immer und ausschließlich von den sich verteidigenden Truppen Gaddafis, die sich  vom ersten Tag des Überfalls in "Heckenschützen" verwandelten. Ihr Chef wurde "Machthaber". In Jugoslawien hatte es immer noch - versehentlich - zivile Opfer gegeben, die verschämt zugegeben wurden. In Libyen: Kein einziges. Wenn wir dem Wehrmachtsbericht glauben dürfen.

Die trübsten rassistischen Phantasien der ausländischen Pressechefs und libyscher Chauvis  rasten auf bei der Vorstellung einer Unmenge schwarzhäutiger Milizen und "Söldner" aus dem Inneren Afrikas. Dass die in der Regel unter Prügeln gestanden, nur Fremdarbeiter gewesen zu sein,bewies ihren Verfolgern, mit welchem Recht es die Prügel gesetzt hatte.

Bei Licht besehen unterschied sich Gaddafi nicht wesentlich von den Gewalttätern, die sonst die Gegend beherrschen. Sein Pech: er hatte sich von den meisten Nachbarn isoliert. So wurde er -trotz allem- nach langem Widerstand leichte Beute der viel schlimmeren Machthaber im Westen, die ihn billig und "HUMANITÄR" loswerden konnten. Trotz allem: Friede seiner Asche! Er war der schlimmste nicht im Kreis der blutigen Brüder.

PS: Nur für Leute mit Fernsehen im Bad: Das Auftreten zweier Friedensfreunde aus purem Versehen, die sich im letzten Augenblick anschleimen werden: Westerwelle und Merkel. Beide haben ein dringendes Interesse daran, mitgesiegt zu haben und mitzuernten. Westerwelle im Ersaufen, Merkel im Sarkozyclinch. Klodeckel offen halten! Sie erflehen Absolution für das einzig Anständige ihrer Laufbahn.

Siehe auch:

Armee als Killerkommando: Alles für das Menschenrecht!

Protest gegen den Krieg vor dem weissen Haus
Foto: "The World can't wait"
Am Anfang stand der Beschluss des Sicherheitsrats: Schutz der Zivilbevölkerung Libyens! Als linguistisch unbefangener Leser hätte man meinen können, das beziehe sich allenfalls auf ein Flugverbot. Als historisch erfahrener wusste man natürlich, dass das -wie in Jugoslawien, wie im Irak- eine Erlaubnis für alles sein sollte- außer Besatzung.

In vier Wochen hatte sich die Erlaubnis dahingehend verselbständigt, dass sie zum Abknallen von jedermann ab Unteroffizier aufwärts berechtigte. Logisch! Denn jeder überlebende Unteroffizier würde augenblicklich Befehl zum Erlegen von Zivilisten geben. Zivilisten sind aber zu schützen. Also!!

Nun hat die NATO zugegebenermaßen ein Haus in Tripolis niedergebombt, aus dem angeblich Befehle kamen. Befehle sicher -s.o.- zum Niederschießen von Zivilisten. Also nix wie drauf! Wenn von dort aus auch vielleicht nur Handy-Botschaften nach draußen drangen.

Ein Sohn Gaddafis wurde dabei erschossen. Nebst drei Kindern dieses Sohnes und also Enkeln Gaddafis. Die hätten eigentlich als schutzwürdig gelten sollen. Aber wenn sie groß geworden wären - bei der Erziehung! - hätten sie sicher Befehl gegeben zum Abknallen von Zivilisten. Also! s.o.

Eine Meisterleistung der NATO und der abgerichteten Jawoll-Sager unter den Freiheitskämpfern war es, den Beschuss zugleich massenhaft zu bejubeln - und zu verneinen! Der zweite Teil spontan von der deutschen staatstragenden Presse mitvollzogen. Martin Gehlen weiß alles schon im voraus. Auf der Meinungsseite der Frankfurter Rundschau dieses Montags berichtet er unter dem Titel: Mord oder Propaganda: "Ob Beerdigungen mit leeren Särgen, Bombenschäden, die mit Vorschlaghämmern inszeniert wurden...das Propaganda-Arsenal von Gaddafis Getreuen kannte schon in der Vergangenheit viele Facetten." (FR 2.5.2011-S.11). Man beerdigt in Libyen, wie in anderen arabisch-sprachigen Ländern allerdings meist sarglos, durch Einwickeln in Tücher. Aber das hat sicher nichts zu sagen!

Dem Gaddafi nur nichts glauben! Der verkauft den eigenen Sohn für einen Tag des Überlebens!

Glücklich trifft es sich, dass in den Morgenstunden dieses Tages Bin Laden abgeknallt werden konnte. Damit wird von jetzt bis zur Abendstunde unser Nachrichtenhunger gestillt werden.

Um auch einmal bösartig mutmaßen zu dürfen: Republikaner-Schreihals McCain, Gegner Obamas, hatte zum Wochenende schon einmal in aller Unschuld die Tötung Gaddafis gefordert - selbstverständlich in Befolgung des Beschlusses des Sicherheitsrates. Wie Obama frühmorgens selbst widerkäute, hatte sein Killerkommando das Versteck des Führers von Al Kaida schon lange ausfindig gemacht. Jetzt die bösartige Vermutung: Friedensfürst Obama hat die Nachricht des Kilerlkommandos von Tripolis freudig zum Anlass genommen, jetzt einen drauf zu geben und siegreich ins Lager der noch offeneren Kriegshetzer - der Republikaner nämlich - einzureiten. Ihre Forderungen überbietend zum Sieg zu schreiten! Zweitwahl sicher!

Bekanntlich haben ein paar Militärforscher in friedlicheren Zeiten schon herausgebracht, dass die relative Stärke von Al-Kaida darin besteht, recht unabhängig von einer zentralen Führung in Einzelgruppen loszuschlagen. Insofern wird auf der materiellen Ebene der Tod ihres Führers nicht viel ändern. Wohl aber ist zu erwarten, dass noch ehe die zweite Woche nach Ostern zu Ende gegangen sein wird, eine Botschaft oder eine Statthalterschaft der USA irgendwo auf der Welt in Flammen stehen wird. Dann wird sich der universelle Kriegsruf von 2001 wiederholen: Kampf gegen die Mörderbande! In den USA selbst wird eine nur noch schwer überprüfbare Militär- und Geheimdienstherrschaft sich errichten. Und die europäischen Innenminister werden alle mehr oder weniger dankbar, mehr oder wenig er gefügig mitziehen. Und die Welt wird insgesamt - nach dem Wahrspruch des Sicherheitsrats - für alle wahren Zivilisten, aber nur für die, um einiges sicherer geworden sein. Wir freuen uns getrost darauf.

Libyen: Die Schlächter sind unter uns. Stoppen wir sie!

Zum Krieg gegen Libyen dokumentieren wir den Appell des Bundesverbands Arbeiterfotografie vom 21.3.2011 als Diskussionsbeitrag:

Die Schlächter sind unter uns. Einige von ihnen sind gewählt. Sie heißen Obama, Sarkozy usw. Sie sind die Despoten, die sich an das große Kapital verkauft haben und in dessen Interesse agieren und die Weltöffentlichkeit manipulieren. Das große Kapital ist der eigentliche Diktator, der seine Handlanger operieren läßt. Sie sind es, gegen die ein Aufstand erforderlich ist.

Diejenigen, die uns einreden wollen, es ginge in Libyen um den Schutz von Zivilisten - wie das z.B. der mit dem "Friedensnobelpreis" versehene US-Präsident Obama am 19. März 2011 in aller Öffentlichkeit tut [1] - sind die eigentlichen Despoten und Demagogen. Sie erfinden Verbrechen, gegen die sie vorgeben einschreiten zu müssen, nennen diejenigen, deren Beseitigung sie planen, Schlächter und lassen selber Menschen abschlachten - in unzähligen Kriegen und jetzt auch in Libyen.

Dabei ist klar, worum es dort geht. Ziel ist, ein Land in die Knie zu zwingen, das einen eigenständigen Weg gehen will, sich der hemmungslosen Gier des großen Kapitals in den Weg stellt und seine Bodenschätze nicht bedingungslos ausbeuten lassen will. Dazu gehören Öl, Gas und - nicht zu vergessen - Wasser.

Das achte Weltwunder - Libyens Wasserprojekt

Libyen verfügt über gigantische Wasserreserven und hat die Einnahmen aus dem Öl- und Gas-Geschäft in ein Projekt investiert, das als das achte Weltwunder bezeichnet wird. Es geht um Süßwasserressourcen tief unter der Wüste. Sie haben nach bisherigen Erkenntnissen ein Volumen von ca. 35.000 Kubikkilometern. Das entspricht einem Wasserbecken von der Größe Deutschlands mit einer Tiefe von 100 Metern. Und dieses Wasser hat - wenn man von einem Preis von 2 Euro pro Kubikmeter Wasser ausgeht - einen Wert von Zig Billionen Euro. Die Kosten für die Bereitstellung von einem Kubikmeter Wasser liegen bei nur 35 Cent (für die Gewinnung aus Meerwasser werden dagegen 3,75 Dollar angegeben). Das Wasser reicht für die Versorgung der libyschen Bevölkerung und ihrer Landwirtschaft für mindestens 50 Jahre - wenn nicht noch wesentlich länger. Die Realisierung des fast unvorstellbaren Projekts begann in den 1980er Jahren und ist nach 30jähriger Bauzeit an einem Punkt angekommen, daß sie die erhofften Früchte bringen und zu einer regelrechten "grünen Revolution" führen könnte. [2] [3] [4] [5] [6] [7]

Damit könnte sich Libyen selber mit Lebensmitteln versorgen, diese sogar exportieren - beträchtliche Teile von Afrika versorgen - und sich damit weitgehend befreien von den knebelnden Zwängen von Weltbank und Internationalem Währungsfond (IWF) - wenn es jetzt nicht das Opfer eines brutalen, international legitimierten Raubüberfalls würde. Gaddafi soll zu dem Wasser-Projekt gesagt haben, es sei "die größte Antwort auf die USA... die uns beschuldigen, an Terrorismus beteiligt zu sein". Es ist klar: Libyens und Gaddafis "Verbrechen" besteht darin, das Land nicht kostenlos preiszugeben. Die Kapitalverbrecher sitzen nicht in Tripolis. Die Kapitalverbrecher sind diejenigen, die Libyen angreifen lassen. Sie sitzen in den Machtzentralen des 'westlichen' Kapitals.

Lebensstandard 2010 gemäß Human-Development-Index der Vereinten Nationen - Libyen steht an der Spitze in Afrika

(mehr zum HDI hier, hier und hier
)

Mit Libyen geht es um das Land, das in ganz Afrika den höchsten Lebensstandard hat und das seinen relativen Reichtum der Bevölkerung zukommen läßt wie kaum ein anderer Staat. Quelle für die Angaben zum Lebensstandard ist der "Human Development Index" (HDI) der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2010 [8] [9] [10]. "Das Gesundheitswesen in Libyen gehört zu den am besten ausgebildeten auf dem afrikanischen Kontinent; die Sozialversicherung umfasst u.a. auch eine Altersvorsorge und eine Witwen- und Waisenrente. Die mittlere Lebenserwartung liegt bei 76 Jahren... Die Wirtschaft Libyens ist sozialistisch geprägt.. Die 'Große Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Jamahirija' basiert auf der Verfassung von 1977, die das Land zum basisdemokratischen Staat auf der Grundlage des Islam erklärt [97 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Islam]..." (WISSEN-digital.de) [11] In der HDI-Weltrangliste ist Libyen von Position 64 im Jahr 2000 auf Position 53 im Jahr 2010 gestiegen. [12]

Die Propaganda, die den Raubüberfall legitimieren soll, hat die Medien fast vollständig durchdrungen. Zu einem großen Teil sind die Medien treibende Kraft bei der Manipulierung der Weltöffentlichkeit. Allenthalben ist zu hören und zu lesen, Gaddafi bombardiere - wofür es keinerlei Belege gibt - die eigene wehrlose Bevölkerung. Und auch wesentliche Teile der Friedensbewegung und der Linken sind infiziert. Jan van Aken (Die Linke) sagt am 18.3.2011 im Bundestag: "Natürlich ist es völlig richtig, das mörderische Treiben von Gaddafi zu stoppen; da sind wir uns hier alle einig." [13] In einer Erklärung des Aachener Friedenspreises vom 6.3.2011 heißt es: "Mit großer Sorge beobachten wir das brutale und mörderische Vorgehen des Gaddafi-Regimes gegen die eigene Bevölkerung. Wir verurteilen dieses Vorgehen entschieden." [14] Und bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) ist am 3.3.2011 zu lesen: "Mit einer ungeheuren Brutalität versuchen gegenwärtig die Truppen des Diktators Muammar al Gaddafi den Aufstand in Libyen niederzuschlagen... Muammar Gaddafi ist ein Verbrecher und er gehört vor Gericht –“ besser früher als später." [15]

All das sind Stimmen, die zwar einen Krieg verurteilen, aber ihm dennoch durch Übernahme der Kriegspropaganda Munition liefern. Doch es gibt auch Stimmen, mit denen sich die Friedensbewegung vollständig diskreditiert. So schreibt z.B. Uri Avnery am 19.3.2011, zwei Tage nachdem der UN-Sicherheitsrat die Kriegs-Resolution 1973 verabschiedet hat: "Menschen werden von einem unbarmherzigen, halbverrückten Diktator getötet, ein ganzes Land geht den Bach hinunter", um dann das Zögern beim Losschlagen gegen Libyen zu verurteilen und zum Krieg zu treiben. [16]

Zur Legitimation des Krieges wird Libyens Gegenwehr herangezogen. Dabei ist es sein gutes Recht, einen Angriff von außen abzuwehren - einen Angriff, der zunächst verdeckt über die so genannten Rebellen geführt worden ist und jetzt von Staaten der NATO offen betrieben wird. Reinhard Merkel, Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg, sagt am 18.3.2011 in einem n-tv-Interview dazu: "Man muss... sehen, dass jede Regierung, die nach außen hin völkerrechtlich legitimiert ist, das grundsätzliche Recht hat, gewaltsame Aufstände niederzuschlagen. So bitter das sein mag." [17] Das gilt natürlich erst recht in dem Fall, daß ein Aufstand der Auftakt für einen geplanten Raubüberfall ist.

Wir appellieren umzudenken und von der Übernahme der Kriegspropaganda abzulassen. Es ist eine Situation vergleichbar den Kriegen gegen den Irak. Was wir brauchen, ist eine Mobilisierung aller Kräfte des Friedens wie 1991 und 2003, als mit dem Slogan "Kein Blut für Öl" ein wesentlicher Aspekt für den Kriegshintergrund im Fokus der Friedensbewegung stand. Was ist geschehen, daß wir heute einen räuberischen Krieg ohne wirkungsvollen Protest geschehen lassen? Das darf nicht wahr sein! Laßt uns auf die Straße gehen und Widerstand organisieren.

Die Schlächter sind unter uns. Stoppen wir sie!



Fußnoten:

[1] Ansprache des US-Präsidenten Obama vom 19.3.2011
"Good afternoon, everybody. Today I authorized the Armed Forces of the United States to begin a limited military action in Libya in support of an international effort to protect Libyan civilians. That action has now begun. In this effort, the United States is acting with a broad coalition that is committed to enforcing United Nations Security Council Resolution 1973, which calls for the protection of the Libyan people..."
www.whitehouse.gov/the-press-office/2011/03/19/remarks-president-libya

[2] "GMR (Great Man-made River) Water Supply Project, Libya"
www.water-technology.net/projects/gmr/

[3] "Libya–™s Great Man-Made River Project"
Artikel vom 1.9.2010
www.goumbook.com/4729/libyas-great-man-made-river-project/

[4] "Libyens Wüstenwasser - Der künstliche Fluss durch die Sahara! - Wasser ist das Thema des 21. Jahrhunderts"
Ankündigungstext zu einer ARTE-Sendung vom 18.1.2006
www.jensduecker.de/libyen/libyen-text.htm

[5] "Great-Man-Made-River Projekt - Über Libyens 'Weltwunder', das GMMRP: Great Man Made River-Projekt. Pipelines zur Wasserversorgung der libyschen Städte und landwirtschaftlicher Nutzflächen."
libyen.com/Wirtschaft/Great-Man-Made-River-Projekt#

[6] "Virtually unknown in the West: Libya's water resources"
Artikel vom 4.3.2011
poorrichards-blog.blogspot.com/2011/03/virtually-unknown-in-west-libyas-water.html

[7] "Die 'Libysche Revolution' und die gigantischen libyschen Wasserreserven"
Artikel vom 6.3.2011
www.politaia.org/kriege/die-libysche-revolution-und-die-gigantischen-libyschen-wasserreserven-politaia-org/

[8] UNDP: Human Development Reports
Position 53: Libyan Arab Jamahiriya
hdr.undp.org/en/statistics/

[9] Wikipedia: Human Development Index
The Human Development Index (HDI) is a composite statistic used to rank countries by level of "human development" and separate developed (high development), developing (middle development), and underdeveloped (low development) countries. The statistic is composed from data on life expectancy, education and per-capita GNI (as an indicator of standard of living) collected at the national level using the formula given in the Methodology section below. There are also HDI for states, cities, villages, etc. by local organizations or companies.
en.wikipedia.org/wiki/Human_Development_Index

[10] Wikipedia: List of all countries by Human Development Index
This is a list of all countries by Human Development Index as included in a United Nations Development Program's Human Development Report released on 4 November 2010, compiled on the basis of estimates for 2010. It covers 168 UN member states (out of 192) and Hong Kong, China. 24 UN member states are not included due to lack of data. The average HDI of regions of the World and groups of countries are also included for comparison.
Position 53: Libya
en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_Human_Development_Index

[11] Angaben zu Libyens Geografie, Klima, Flora und Fauna, Bevölkerung, politischem System und Wirtschaft
Aus WISSEN-digital.de
www.wissen-digital.de/Libyen

[12] Bildungswesen in Libyen
Statistische Daten: HDI (Human Development Index) Index menschlicher Entwicklung nach UNDP (2000): Platz 64
libyen.com/Kultur/Bildungswesen-in-Libyen

[13] Jan van Aken, Mitglied im außenpolitischen Ausschuß für die Partei 'Die Linke' am 18.3.2011vor dem Bundestag
"Kein Krieg gegen Libyen - Gaddafi kann anders gestoppt werden!"
www.jan-van-aken.de/aktuell/rede-libyen-18.3.2011.html

[14] "Kein Krieg in Libyen"
Erklärung der Arbeitskreise "Antimilitarisierung" und "Nahost" des "Aachener Friedenspreis e.V." vom 6.3.2011
www.aachener-friedenspreis.de/uploads/media/Kein_Krieg_gegen_Libyen.pdf

[15] "Libyen: Intervention im Namen des Volkes?"
IMI-Analyse 2011/06 vom 3.3.2011 von Jürgen Wagner, Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
www.imi-online.de/2002.php?id=2258

[16] "Ein schmutziges Wort" [A Dirty Word]
Artikel von Uri Avnery vom 19.3.2011
www.palaestina-portal.eu/Stimmen_Israel_juedische/Uri_Avnery/avnery_uri_ein%20schmutziges_wort.htm
www.zmag.de/artikel/ein-schmutziges-wort
derstandard.at/1297821063063/Wider-die-Doktrin-der-Nicht-Einmischung

[17] "Möglicher Militäreinsatz illegitim - Gaddafi hat keine Chance"
n-tv-Interview vom 18.3.2011 mit Dr. Reinhard Merkel, Professor für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg
www.n-tv.de/politik/dossier/Gaddafi-hat-keine-Chance-article2889771.html

Militärintervention ist keine Lösung für die Menschen in Libyen!

Protest gegen den Krieg vor dem weissen Haus
Foto: "The World can't wait"
Französische, britische und US-amerikanische Truppen haben den Krieg gegen Libyen begonnen. Pünktlich am 8. Jahrestag des "Shock and Awe" Krieges gegen den Irak wurden von einem US-Kriegsschiff 112 Raketen auf Libyen abgefeuert. Zuvor hatten französische Kampfflieger Angriffe auf Panzer der libyschen Armee in der Nähev von Bengasi geflogen. Bei den Angriffen gab es offenbar auch hunderte zivile Opfer, wie Fotos der Nachrichtenagentur AP belegen.

Gegen den Krieg gab es in zahlreichen nordamerikanischen Städten Proteste, wie in Chicago. Einige Stimmen aus der U.S. Friedensbewegung:

Der gebürtige Iraker Raed Jarrar sprach letzte Nacht über seine Erfahrungen in Bagdad im Krieg gegen den Irak und warum er gegen die US-Bombardierung Libyens zur "Rettung" der libyschen Rebellen ist: "Amerikanische Panzer können keine Frauen befreien, nur Frauen können Frauen zu befreien, im Irak oder in Libyen."

Cindy Sheehan
schreibt:
"Mit der skandalösen Begründung des "Schutzes" von Zivilisten, wurden wie wir alle wissen, durch die US-UN Flugverbotszone und die Sanktionen gegen den Irak mindestens 1,5 Millionen für die Kriegsgewinnler entbehrlichen Iraker zwischen den beiden US-Invasionen getötet. (...)  Ich hoffe nur, dass die Menschen in Libyen sich dessen bewußt werden, wie ehrenvoll es ist, durch eine U.S. Bombe getötet zu werden anstatt von einer libyschen Bombe und was für eine Ehre es ist, dass die USA die inneren Unruhen überhaupt beachten, weil wir das nicht immer tun - wir suchen uns das immer aus -  und im Fall von Libyen, ist es wahrscheinlich nur ein Zufall, dass wir Sie wählen, weil SIE Öl haben. (...) Ich bin peinlich davon berührt, wenn ich an die vergeudeten Jahre denke, in denen wir uns vorstellten, dass es eine andere Möglichkeit geben könnte, Probleme zu lösen, ohne immer mehr unschuldige Menschen töten, in denen ich dachte, es ist okay, Libyer durch Bomben auf Libyer zu schützen (oder auf Iraker um Iraker, auf Afghanen um Afghanen zu retten oder auf Jemeniten um Jemeniten zu retten, etc), weil ein demokratischer Präsident sie vom Mandat des UN-Sicherheitsrats gedeckt bombardieren darf. "

Ken Theisen:
"Dass die USA keine "Bodentruppen" zum Einsatz bringt bedeutet nicht, dass die US-Streitkräfte nicht stark in Krieg verwickelt wären und in der Tat in diesem Krieg eine wichtige Rolle spielen. (...) Die Vergangenheit ist sehr lehrreich, was die Einführung von Flugverbotszonen betrifft. Die jüngsten Flugverbotszonen gab es im ehemaligen Jugoslawien und im Irak. Diese beiden mündeten in massive Kriege mit viel Tod und Zerstörung von unschuldigen Menschen in diesen Ländern. Wie kommt man daraufzu denken, dies könnte dieses Mal anders sein?"

Chris Floyd:
"Und nun, ein neuer Krieg. Von den Vereinigten Staaten und religiösen Extremisten in Saudi-Arabien angeführt stimmte der UN-Sicherheitsrat dafür,  im Namen einer Seite in den libyschen Bürgerkrieg einzugreifen. Nachdem sie schon die Armeen und Sicherheitskräfte Muammar Gaddafi's ausgebildet und ausgerüstet haben, entschieden die westlichen Kriegsgewinnler jetzt, das gleiche für seine Gegner zu tun.

Diese Gegner - das muss betont werden - werden derzeit von Leuten angeführt, die nur Wochen zuvor an dem mörderischen und repressiven Gaddafi Regime beteiligt waren - welches selbst nur wenige Wochen zuvor als ein würdiger Partner von den westlichen Regierungen und von geschäftlichen Interessen gehuldigt wurde. Es ist wie As'ad AbuKhalil - ein scharfer Kritiker Gadaffi's seit vielen Jahren - vor dem UN-Abstimmung festgestellt hat: Das libysche Volk ist verraten worden. Ihre Revolution gegen die libyschen Tyrannen ist von den USA und Saudi-Arabien gekapert worden."


Mehr Stimmen aus der internationalen Friedensbewegung gibt es unter anderem im Libyen Dossier der AG Friedensforschung.
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