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7. April 1919: Münchner Räterepublik. Ernst Toller

Foto, entstanden im Gefängnis zwischen 1919 und 1924. Quelle: National Library of Israel, CC BY 3.0
Ernst Toller gehört 1918/19 zu den Hauptakteuren in Revolution und Räterepublik, er rief zusammen mit Gustav Landauer, Erich Mühsam u. a. am 7. April 1919 die Münchner Räterepublik aus. Am Morgen des 4. Juni 1919 wird Ernst Toller verhaftet. In den ersten Maitagen hatte er sich gerade noch vor den brutal vorgehenden Soldaten der gegenrevolutionären „Weißen Garden“ verstecken können. Nach aufreibenden Fluchten von Quartier zu Quartier hatte er im Haus des Kunstmalers Hans Reichel ein Versteck gefunden.

"Die Verteidigung Tollers übernahmen in der Hauptsache der Berliner Rechtsanwalt Hugo Haase [...] daneben die Münchener Rechtsanwälte Anton Gänßler und Adolf Kaufmann. Insgesamt waren zur Verhandlung 50 Zeugen geladen, neben Max Weber auch die Schriftsteller Max Martersteig, Björn Björnsen und Max Halbe. Sie sollten im Sinne der Verteidigung mit Gutachten über Tollers dichterisches Werk für dessen ethische Grundhaltung zeugen [...]. Carl Hauptmann und Thomas Mann ließen ihre diesbezüglichen schriftlichen Äußerungen von den Verteidigern verlesen." (Max Weber: Zur Neuordnung Deutschlands: Schriften und Reden 1918-1920, Studienausgabe Bd. 16, hg. Wolfgang J. Mommsen u.a., Tübingen 1991, S. 234)

Angesichts der öffentlichen Aufmerksamkeit für den Inhaftierten wurde ihm 1920 von der bayerischen Landesregierung anlässlich der 100. Aufführung des bereits 1917/18 geschriebenen Dramas Die Wandlung die Begnadigung angeboten. Diese lehnte Toller mit der Begründung ab, dass er gegenüber den anderen Gefangenen nicht bevorzugt werden wolle, nachdem seine Forderung nach einer allgemeinen Amnestie für alle Revolutionäre der Räterepublik abgelehnt wurde.

"In den zwanziger Jahren war Ernst Toller der bekannteste lebende Dramatiker deutscher Sprache. Sein Bühnenerstling 'Die Wandlung' (1919) gilt als eines der Schlüsselwerke des dramatischen Expressionismus. In seiner berühmten, noch heute fesselnden Autobiographie 'Eine Jugend in Deutschland' (1933) schildert Toller exemplarisch für seine Generation seine durch den Ersten Weltkrieg geprägte Wandlung 'vom Patrioten zum Pazifisten'."
Wallstein Verlag, Anmerkung zur kritischen Gesamtausgabe.

"Er war einer der ganz wenigen, die präzise und analytisch vorhergesagt haben, wie Hitler funktioniert und was passieren wird, wenn die Nazis an die Macht kommen. Er hat auch früh entdeckt, welchen Anteil daran die Medien haben und wie die Nazis mit neuen Medien umgehen. Deswegen ist er ja auch von den Nazis angegriffen worden. Die Kommunisten haben Ihn, weil er eher aus dem Anarchismus gekommen war, ebenfalls angefeindet. Zwischen diesen Blöcken Ist er zerrieben worden.– (Albert Ostermaier, 2002)

"Ich habe eine stille Liebe zu Tollern. Der Mann hat das, was wir heute alle sagen, in jenen Jahren 1916 und 1917 gesagt, als das noch Kopf und Kragen kostete; er hat seine Gesinnung auch im Krieg entsprechend bestätigt; er hat diese Gesinnung durchgehalten, mit der Tat und mit dem Wort, und er hat für diese seine Gesinnung bezahlt. Und das darf man nie vergessen." (Kurt Tucholsky, 1931)

Ernst Toller hat sich kurz nach der Niederlage der spanischen Republik am 22. Mai 1939 im Mayflower Hotel am Central Park in New York erhängt. Schon seit Jahren hat er auf Reisen einen Strick in seinem Koffer mitgeführt. „Nicht, weil er schlechtere, sondern weil er feinere Nerven als seine Mitkämpfer gegen den Faschismus gehabt hat“, so der Schriftsteller Sinclair Lewis bei seiner Beerdigung bei der er zusammen mit Oskar Maria Graf die Totenreden hielt. Klaus Mann verlas ein Grußwort seines Vaters Thomas.

Lesehinweise:

Dramen
1919 - Die Wandlung
1922 - Die Maschinenstürmer
1923 –“ Der deutsche Hinkemann
1939 - Pastor Hall

Prosa und Lyrik
1924 - Das Schwalbenbuch
1930 - Feuer aus den Kesseln
1933 - Die blinde Göttin
1936 - Eine Jugend in Deutschland
1934 - Nie wieder Friede
1935 - Briefe aus dem Gefängnis

Sechs Tage im April - Erich Mühsams Räterepublik



Erich Mühsam (Fotografie aus dem Jahr 1928, kurz vor seinem 50. Geburtstag)

„Der feierliche Glockenklang der Revolution tönt stark und erschütternd durch unsere Seelen. Wunderbar begeistert empfangen wir die Weihe einer neuen Zeit.“ - So beschreibt der anarchistische Dichter Erich Mühsam den Ausbruch der Revolution im November 1918. Zwei Tage vor Philipp Scheidemann und Karl Liebknecht ruft er in seiner Wahlheimat München die Republik aus, nicht ahnend, dass sechs Monate später, Anfang Mai 1919, hier auch der letzte Akt der Revolution stattfinden wird: Auf Befehl der sozialdemokratischen Reichsregierung marschieren revanchistische Freikorpstruppen, von denen einige bereits das Hakenkreuz am Helm tragen, in München ein und zerschlagen die erst am 7. April begründete „Bairische Räterepublik“, die als „Dichterrepublik“ in die Geschichte einging und deren wichtigstes Sprachrohr Erich Mühsam war. Zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt, dichtet er Ende 1919:

„Ach, der Freiheit rotes Laken
war gestohlenes Ornat.
Hinter holden Worten staken
Meuchelmord und Volksverrat.
Fromme Sehnsucht brach in Stücke.
Aus den Trümmern hob in Tücke
neu sich der geborstne Staat.“

Markus Liske erzählt in seinem Buch „Sechs Tage im April - Erich Mühsams Räterepublik“ (Verbrecher Verlag / Hörbuch bei speak low) anhand von montierten Originaltexten Mühsams die Entstehung und das Ende der „Bairischen Räterepublik“, die bis heute sozialrevolutionäre Träume von einer gesellschaftlichen Alternative zu Parlamentarismus einerseits und Parteidiktatur andererseits beflügelt. Einer sozialistische Gesellschaft, die die Freiheit nicht der Gleichheit opfert und deren Bezugsrahmen kein Nationalstaat ist.

Montag, den 07.10.2019
20:00 Uhr
Buchladen Schwarze Risse
Berlin | Gneisenaustr. 2a /Metrostation Mehringdamm

85. Jahrestag der Ermordung von Erich Mühsam

Erich Mühsam (Fotografie aus dem Jahr 1928, kurz vor seinem 50. Geburtstag)
Erich Mühsam war einer der bedeutendsten politischen Journalisten und Schriftsteller in der Weimarer Republik. Seine Teilnahme an der Münchner Räterepublik brachte ihm fünfzehn Jahre Festungshaft. Er blieb trotz der Haft ungebrochen und setzte seine journalistische Arbeit fort. In der Nacht vom 9. zum 10. Juli 1934 wurde der Dichter, Bohemian und Anarchist im Konzentrationslager Oranienburg von der SS ermordet.

Der Gefangene
Ich hab's mein Lebtag nicht gelernt,
mich fremdem Zwang zu fügen.
Jetzt haben sie mich einkasernt,
von Heim und Weib und Werk entfernt.
Doch ob sie mich erschlügen:
Sich fügen heißt lügen!Ich soll? Ich muß? –“ Doch will ich nicht
nach jener Herrn Vergnügen.
Ich tu nicht, was ein Fronvogt spricht.
Rebellen kennen beßre Pflicht,
als sich ins Joch zu fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Der Staat, der mir die Freiheit nahm,
der folgt, mich zu betrügen,
mir in den Kerker ohne Scham.
Ich soll dem Paragraphenkram
mich noch in Fesseln fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Stellt doch den Frevler an die Wand!
So kann's euch wohl genügen.
Denn eher dorre meine Hand,
eh ich in Sklavenunverstand
der Geißel mich sollt fügen.
Sich fügen heißt lügen!

Doch bricht die Kette einst entzwei,
darf ich in vollen Zügen
die Sonne atmen –“ Tyrannei!
Dann ruf ich's in das Volk: Sei frei!
Verlern es, dich zu fügen!
Sich fügen heißt lügen!

Erich Mühsam

21. Februar 1919: Ermordung von Kurt Eisner

Kurt Eisner (* 14. Mai 1867 in Berlin; –  21. Februar 1919 in München)
Von Richard Huber, nachbearbeitet durch Der Bischof mit der E-Gitarre - Commons-Datei, CC BY-SA 3.0, Link
„Man kann einem Mordanschlag auf die Dauer nicht ausweichen, und man kann mich ja nur einmal totschießen.“

Kurt Eisner, kurz vor seiner Ermordung durch Anton Graf von Arco auf Valley
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