Skip to content

Buschkowsky - der ausgerutschte Realist beim Eintritt ins Rechtskartell.

Buschkowsky ist verdächtigt worden, den neuen Sarrazin machen zu wollen. Zu Unrecht. Er macht es viel geschickter. Und spielt den ungeheuren Vorteil aus, den Gegenstand genau zu kennen, von dem ein Sarrazin bloß Statistikzahlen träumt. Insofern gelingen ihm ohne weiteres eindrucksvolle Szenerien von Säufern, Schulschwänzern und U-Bahnkrakeelern, die jedem ähnliche Zusammenstöße in Erinnerung rufen. Und jede und jeden ärgerlich zusammenfahren lassen. Selbst zur Satire findet sich Waschkowsky geneigt. Wenn er etwa den Uraltspruch variiert: "Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründ ich einen Arbeitskreis". Bei jedem auftauchenden und natürlich ungelösten Problem drängeln sich Fachleute in Berlin um neue Posten.

Soweit alles in Ordnung. Bei größtem Wohlwollen ließe sich so ein Schilderer mit Balzac vergleichen. Der war politisch bekanntlich eher Königsanhänger, schilderte aber so genau und eingehend seine Aufsteiger und Absinker in der frühen bürgerlichen Epoche, dass Marx und Engels ihn als einen der genauesten Widerspiegler der Zeitumstände nach Napoleons Abgang in Frankreich anerkannten.

Allerdings rutscht unser Berliner regelmäßig aus.Bei Buschkowsky prescht leider grundsätzlich die propagandistische Absicht vor - und aller Realismus wird ins Ideologische verdreht. So gelangt er zum Beispiel zu Folgerungen aus seinen Erfahrungen, die als Maxime ohne jeden Beweis einmarschieren. Etwa sinngemäß in der Behauptung: "Nicht jeder Schulschwänzer wird einmal Verbrecher. Aber alle Verbrecher waren einmal Schulschwänzer." (Ohne Seitenangabe zitiert, da nur eine Kindle-Ausgabe als Quelle vorliegt). Hat Buschkowski da die Himmlers und Goebbels ganz vergessen,die richtig schulgeil waren - oder auch nur die Hochstapler in intellektuellen Kreisen, die ohne ziemliches Vorwissen wohl kaum durchgekommen wären?

Hauptmangel des Buches, auch wenn alle aufgeführten Details stimmen sollten: der Denkstil. Von Anfang an schmiedet Buschkowsky die gesamte Leserschaft zu einem Block zusammen. Den Block der unter sich einverstandenen Ureinwohner, die mit vollem Recht verlangen können, dass jeder Hinzukommende sich nach ihnen richtet. Und zwar nicht nur im rechtlichen Sinn. Sondern in jeder Einzelheit ihres alltäglichen Verhaltens. Immer wieder im Anklageton: Wenn welche schon zu uns kommen wollen, dann ist es wohl das Mindeste, dass sie unsere Bräuche kennenlernen und sich danach richten.Nur, wenn ich mich auf mich selbst zurückwende, finde ich in der Eile in mir solche Maßstäbe gar nicht. Was hätte ich gern, dass solche Neubürger beachten sollten? Weniger Lärm vielleicht, wenn sie gruppenweise in Kneipen zusammensitzen. Nur den Wunsch würde ich ohne Klassenrücksichten auch an viele andere Ur-Einwohner richten, wenn ich zufällig in ihre Mitte gerate. Und in einem solchen Fall ist
Buschkowkis Rat wahrscheinlich zu akzeptieren. Wenn es Dir im Lokal "zum Löwen" nicht gefällt, zieh einfach aus und um zum "Restaurant Fasan".

Recht hatte der bekannte Autor gestern bei Maischberger, als er betonte, dass seine Verbesserungsvorschläge sich nicht an eine bestimmte Art Einwanderer richteten, sondern an alle, die "unseren" Ansprüchen nicht entsprechen. Damit verfällt allerdings das ganze Prekariat seinem Urteil. Und seine Denkweise enthüllt sich nicht so sehr als rassistisch, denn als Heilmittel gegen jede Art von Denken in Kategorien des Klassenkampfs.

So genau dieser Sozialdemokrat das Auseinanderfallen aller denkbaren Lebenswelten in seinem Bezirk schildert, in regem Aufgebot des Abwertungsattributs parallel, so fern steht ihm der Gedanke, dass alle Angehörigen der "Unterschicht" zusammen sich auflehnen müssten gegen materielle und psychische Unterdrückung. Gerade wo Buschkowsky holländische Verhältnisse schildert mit den Rechten der dortigen Polizei auf Begutachtung und selbständige Eingriffe, merkt man dem Staatsmann seine Leidenschaften an. Im günstigsten Fall von Kindergartenpflicht - Schulpflicht - Ernstmachen mit allen staatlichen Bedrohungen könnte nichts herauskommen als Dressur. Dressur der Unteren nach dem von Buschkowsky eingebildeten Maßstab von "uns". Es wäre Drill in Reinkultur.

Das Buch hat schon regen Beifall gefunden und wird ihn weiter finden, wenn erst die Buchläden die vorderen Regale freigeräumt haben. Buschkowsky kann und wird sich - cleverer als Sarrazin - als der anständige und gemäßigte Vertreter der gesunden bürgerlichen Belange ins Schaugeschäft einarbeiten und vor allem von seinen SPD-Genossen begeistert herangezogen werden, wenn sie gerade mal wieder Lust auf etwas Polizeiliches in einem Stadtkern verspüren. Also vorwärts mit Buschkowsky!

Freiheitlicher wird es allerdings dadurch auch nicht.

Quelle: Neukölln ist überall. Von Heinz Buschkowsky, 400 Seiten
Verlag: Ullstein Hardcover (21. September 2012)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3550080115
ISBN-13: 978-3550080111

    "Nicht Sarrazin war für die 'Sarrazindebatte' entscheidend"

    Ein Interview aus der graswurzelrevolution 364

    Sebastian Friedrich ist Redakteur von kritisch-lesen.de, freier Mitarbeiter der Opferberatungsstelle ReachOut Berlin, Mitglied des AK Rechts und der Diskurswerkstatt des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS). Er ist aktiv bei der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP). Im August 2011 hat er bei edition assemblage "Rassismus in der Leistungsgesellschaft. Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der "Sarrazindebate"" herausgegeben. Der GWR gab er dieses Interview über das Buch, die "Sarrazindebatte", antimuslimischen Rassismus und was wir dagegen tun können. (GWR-Red.)

    GWR: Kannst du uns, als Herausgeber von Rassismus in der Leistungsgesellschaft, einen kurzen Überblick über die verschiedenen Beiträge und AutorInnen geben?

    Sebastian Friedrich: Der Sammelband besteht aus 15 Beiträgen, die insgesamt von 17 AutorInnen verfasst wurden.

    Zunächst gibt es eine ausführliche Einleitung, in der sowohl die "Sarrazindebatte" nachgezeichnet, als auch der Zusammenhang von ökonomischen und rassistischen Argumentationen untersucht wird.

    Es folgt das Kapitel "Migration und Rassismus". Z.B. analysiert hier Yasemin Shooman die dominanten Bilder im antimuslimischen Rassismus, die auch bei Sarrazin ins rechte Licht gerückt wurden.

    Im zweiten Kapitel liegt der Fokus auf "Bevölkerungs- und Biopolitik". Juliane Karakayali zeigt etwa auf, wie die "Sarrazindebatte" sich in aktuelle Geschlechterpolitiken einfügt.

    Im Abschnitt "Kapital und Nation" finden sich vier weitere Beiträge. So entfaltet zum Beispiel Jürgen Link die verschiedenen Dimensionen des von Sarrazin vorgestellten Deutschland und zeigt auf, dass "Sarrazins Deutschland" nicht nur von Neoliberalismus, sondern auch von Neo-Sozialdarwinismus durchzogen ist.

    Schließlich widmen sich zwei Beiträge möglichen "Interventionen und Perspektiven".

    Gabriel Kuhn und Regina Wamper befassen sich in ihrem Essay mit der rhetorischen Figur der Meinungsfreiheit und empfehlen kritischen Analysen, sich nicht auf rechte Opferdiskurse einzulassen.

    Entgegen vieler anderer kritischer Beiträge zur "Sarrazindebatte" fokussiert sich euer Buch weder darauf, Sarrazin als Person zu kritisieren, noch versucht es, die Thesen von Deutschland schafft sich ab zu widerlegen. Wie kam es zu diesem Zugang und wie sieht eure Herangehensweise aus?

    In der Einleitung heißt es, dass nicht Sarrazin für die "Sarrazindebatte" entscheidend war, sondern das Feld, auf dem seine "Thesen" wirken konnten. Fast alles, was Sarrazin geschrieben und gesagt hat, kennen wir aus den Diskursen der letzten Jahrzehnte. Jedoch wurden bei Sarrazin und bei der nachfolgenden Debatte verschiedene Diskurse - wie etwa der Ökonomie-, der Eugenik- und der Einwanderungsdiskurs - weiter und zum Teil engmaschiger verknüpft.

    Um solche komplexen Debatten zu untersuchen, bietet es sich an, die Diskurse und ihr Zusammenwirken, also ihre Verschränkungen, zu analysieren. Im Buch sind aber auch viele andere theoretische Zugänge zu finden. Für eine diskurstheoretische Perspektive jedoch ist entscheidend zu fragen, was wann von wem wie sagbar ist. Bezogen auf die "Sarrazindebatte" zeigt sich deutlich, wie es innerhalb der Debatte zu einer Verschiebung nach rechts im Mainstream kam. Während Anfangs noch Sarrazins Rassismus und in Teilen sogar seine Verwertungslogik kritisiert werden konnten, verlagerte sich die Debatte letztlich auf die Frage, ob in Deutschland Fachkräfte aus dem Ausland im Sinne einer standortnationalistischen Logik benötigt werden. Linke Positionen, die Verwertungslogiken grundsätzlich in Frage stellen, waren gegen Ende der Debatte in den hegemonialen Medien kaum bis gar nicht mehr zu finden.

    Denkst du, dass es dennoch sinnvoll ist, zu versuchen, Sarrazins Thesen schlichtweg durch Studien und Zahlen zu widerlegen?

    Sollten Interventionen darauf beschränkt sein, fände ich das problematisch.

    Wenn Statistiken aufgefahren werden, die Sarrazins Zahlen widersprechen und widerlegen, setzt das den Unterdrückungsdiskursen zwar etwas entgegen, wiederholt aber die Prinzipien, etwa von Nützlichkeit. Was ist, wenn "bewiesen" wird, dass eine bestimmte Menschengruppe doch eine weitaus produktivere Funktion hat, als von Sarrazin dargestellt?

    Da besteht die große Gefahr, die Einteilung von Menschen nach kapitalistischer Verwertung zu akzeptieren und sogar mitzutragen. Es findet dann ein Einlassen auf die von Sarrazin eingeführten Spielregeln statt.

    Jedoch waren Interventionen wie etwa die von Naika Foroutan und ihrem Team gerade zu Beginn der "Sarrazindebatte" sehr wichtig.

    Als Ende August letzten Jahres täglich die Thesen Sarrazins heißer gekocht wurden, waren ihre Entgegnungen in den Talkshows und in Zeitungsartikeln hilfreich, um Sarrazins Image als vermeintlich objektiver, neutraler Statistiker als Farce zu entlarven.

    Yasemin Shooman spricht in ihrem Beitrag davon, dass der Rassismus wandlungsfähig sei. Der Wandel von einem biologistischen Rassismus hin zu einem kulturellen scheint sich größtenteils bereits vollzogen zu haben. Hierfür wurden u.a. Begriffe wie "Rassismus ohne Rassen" oder "Neorassismus" geprägt. Kannst du uns diese Begriffe und Theorien kurz erklären?

    In der Zeit des Kolonialismus wurden die Ausbeutung und Ermordung von Menschen durch die Konstruktion von "Rassen" legitimiert. "Rassen" sind somit biologistische Erfindungen des Rassismus. Im kulturellen Rassismus sind es nicht mehr "Rassen", in die Menschen eingeteilt werden, sondern "Kulturen". Die Begriffe änderten sich, der Inhalt der Begriffe jedoch nicht. "Kultur" wird im kulturellen Rassismus zum unveränderlichen Rahmen, zur quasi-natürlichen Eigenschaft, die Werte und Verhalten determiniert.

    Der von Yasemin Shooman angesprochene antimuslimische Rassismus ist eine Form eines solchen Rassismus. "Der Islam" wird als dem "eigenen" Westlichen gegenüberstehende homogene "Kultur" konstruiert. Es wird davon ausgegangen, dass zwischen "islamischer" und "westlicher Kultur" eine unaufhebbare Differenz besteht.

    Der konstruierten islamischen Kultur werden dabei negative Eigenschaften zugeschrieben. Zugleich findet eine Konstruktion des Westens als überlegene Kultur statt.

    Ein beliebtes Instrument ist der Verweis auf Frauenrechte: In einer binären Logik wird behauptet, im Islam spielten Frauenrechte keine Rolle, was zugleich darauf verweisen soll, dass in Europa dahingehend alles relativ in Ordnung sei.

    Solche Argumentationsformen verlagern gesellschaftliche Unterdrückungsstrukturen ins Außen und schieben sie einer gemachten Gruppe zu. Dabei wird geflissentlich übersehen, dass Sexismus (aber auch Homo- und Transphobie sowie Antisemitismus) ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist. Im Buch befasst sich Serhat Karakayali ausführlich mit der Thematik. Er begreift den Rekurs auf Begriffe wie Faschismus ("Islamofaschismus") in Verbindung mit "dem Islam" als Teil eines "reflexiven Eurozentrismus", bei dem es auch darum geht, die "eigene" Läuterung durch vergangene historische Erfahrungen zu verkünden.

    In der "Sarrazindebatte" wurde jedoch auch mit Nützlichkeitskriterien argumentiert. Inwieweit siehst du da ein Novum?


    Zunächst muss gesagt werden, dass nicht erst seit Sarrazin Einwanderung und Ökonomie verknüpft werden. Das sehen wir während des Kolonialismus, im GastarbeiterInnen-Diskurs oder schlicht bei der im Mainstream fest verankerten Unterscheidung von Wirtschaftsflüchtlingen und politischen Flüchtlingen.

    Neben der neokolonialistischen Werbung um Fachkräfte kommt aber in der "Sarrazindebatte" auch ein anderer Aspekt zum Vorschein. Rassismus wird mehr und mehr mit ökonomischen Nützlichkeitskriterien verknüpft. In der "Sarrazindebatte" wurde wesentlich auch der durch Personen wie Peter Sloterdijk geprägte Unterschichtendiskurs bedient. Aber wir sehen deutlich, dass der Unterschichtendiskurs in der "Sarrazindebatte" vor allem den als migrantisch markierten Teil der "Unterschicht" trifft.

    Viele der Argumente von "Leistungsempfängern", die den "Leistungsträgern" angeblich auf der Tasche liegen, wurden wiederholt, aber fast ausschließlich in Verbindung mit "Migranten" gesetzt.

    Der allgemeine, nicht nur auf als migrantisch markierte Menschen bezogene Klassismus von Sarrazin ist offensichtlich vor allem anschlussfähig, wenn er verknüpft wird mit Rassismus.

    Wie sehr das gemeinsam wirkt, zeigt sich auch bei Reportagen und Porträts während der "Sarrazindebatte" in den hegemonialen Medien, die in einem Beitrag von Hannah Schultes und mir analysiert werden.

    In den Porträts scheint eine Art neoliberal gewendeter Rassismus auf.

    Es werden "Musterbeispiele gelungener Integration" dargestellt. Der Erfolg der als "integriert" Begriffenen bildet dabei den Beweis dafür, dass man es eben doch schaffen kann, wenn man sich richtig anstrengt - gleichzeitig werden sie zu Ausnahmen stilisiert, die einer Masse von nicht diesem Ideal entsprechenden Menschen gegenüberstehen und mit diesen kontrastiert werden.

    In eine ähnliche Richtung geht auch der Beitrag von Vassilis Tsianos und Marianne Pieper im Buch. Sie konstatieren eine Veränderung in den rassistischen Formationen. Die Grenzen zwischen "Wir" und "Sie" verlaufen nicht mehr alleinig entlang einer leitkulturellen Norm, sondern sind weitaus flüssiger und werden entlang von vermeintlichen Gleichheitsvorstellungen gezogen, wenn etwa Kopftuchträgerinnen als Unterdrückte gelesen werden.

    Welche Gegenstrategien würdest du vorschlagen, um antimuslimischem Rassismus zu begegnen? Wie in eurem Buch schon richtig festgestellt wird, können die Aussagen von Leuten wie Broder, Schwarzer, Kelek, Sarrazin und Co. ja nur deshalb derartig wirken, weil sie auf einen Nährboden fallen, der offen ist für rassistische Argumente.

    Kann man sich also das Kritisieren von einzelnen bekannten ExponentInnen der islamfeindlichen Szene sparen?


    Sarrazin, Broder, Kelek und Co. sind selbstverständlich nicht die SchöpferInnen von rassistischen Argumenten, sondern bewegen sich auf einem gesellschaftlich verankerten Feld.

    Dennoch sind sie auch zu kritisieren, weil einerseits konkrete Verantwortlichkeiten benannt werden müssen und andererseits eine Kritik an den SprecherInnen von rassistischen Äußerungen auch die Position der Sprechenden aufzeigen kann.

    Gabriel Kuhn und Regina Wamper zeigen das deutlich in ihrem Beitrag, wenn sie darstellen, wie männliche, weiße und sozial Privilegierte sich als Opfer von Meinungsfreiheit gerieren. "Deutschland schafft sich ab" konnte auch deshalb so wirken, weil Sarrazin Zugänge zu großen Verlagen hat, über exzellente Kontakte verfügt und auf verschiedene andere Weisen privilegiert ist.

    Insgesamt müssen Rassismus und Klassismus auf allen Ebenen bekämpft werden: individuell, indem etwa eigene Verstrickungen in ausgrenzende Diskurse reflektiert werden.

    Außerdem können auf einer kulturell-symbolischen Ebene beispielsweise Mediendiskurse untersucht und kritisiert werden. So kann etwa gefordert werden, dass Medien die zu Wort kommen lassen müssen, über die gesprochen wird - und das nicht nur als Anschauungsobjekt in durch weiß-deutsch dominierte Redaktionen produzierten Reportagen. Aber auch die strukturelle Ebene sollte nicht aus dem Blickfeld gerückt werden.

    So kann es etwa beim Angriff des ausgrenzenden Unterschichtendiskurses nicht nur darum gehen, Anerkennung für Betroffene sozialer Ungleichheit einzufordern. Vielmehr müssen die Strukturen und Institutionen bekämpft werden, die "Verlierer" und "Gewinner" produzieren.

    Interview: Sebastian Kalicha

    Sebastian Friedrich (Hg.)


    Rassismus in der Leistungsgesellschaft

    Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der „Sarrazindebatte“

    farb. Broschur, ca. 260 Seiten, 19.80 EUR [D]

    ISBN 978-3-942885-01-0


    Bestellung per Email: info@edition-assemblage.de

    Bestellformular

    Deutschland, Dein "Verfassungsschutz"...

    In einem Wohnwagen in Stregda bei Eisenach endete das Leben von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Seit dem Fund ihrer Leichen am 4. November kommen täglich neue Details aus der Mordkarriere der beiden Männer mit offenbar faschistischem Hintergrund an das Tageslicht. Wie war es möglich, dass sie - und ihre mutmaßlichen Helfer - unerkannt über dreizehn Jahre behördlich unbehelligt rauben und morden konnten?

    "Eine rassistische Mordserie und eine erschossene Polizistin gehen offenbar auf das Konto von Neonazis. Der Fall wirft brisante Fragen auf: Was wusste der Verfassungsschutz?", so der "Freitag". Die Frage ist durchaus berechtigt, denn bekanntlich stellen die Dienste nicht wenige in den Reihen der reaktionären und faschistischen Kräfte in der BRD:

    „Wenn ich alle meine verdeckten Ermittler aus den NPD-Gremien abziehen würde, dann würde die NPD in sich zusammenfallen“, so der damalige baden-württembergischen Innenminister Rech (CDU) auf einer Veranstaltung in Gechingen. Mit dieser Aussage räumte er am 5. März 2009 im "Scharzwälder Boten" ein, dass die NPD im Lande durch den „Verfassungsschutz“ künstlich am Leben gehalten wird.

    Nun, nach den Enthüllungen über die offenbar rassistische Mordserie an mehreren Kleingewerbetreibenden und dem Mord an einer Heilbronner Polizeibeamtin zeigen sich ausgerechnet die Verfassungsschützer "überrascht" über die Vorgänge, obwohl schon seit 2011 darüber gemunkelt wurde, dass der Verfassungsschutz selber in die Mordserie verstrickt sein könnte: 

    "... Schließlich hatte der Kopf des militanten "Thüringer Heimatschutzes", zu dem die drei gehörten, als V-Mann für den Verfassungsschutz des Landes Thüringen gespitzelt, wie im Jahr 2001 bekannt wurde ..." (taz)

    Natürlich wurde sogleich zurückgerudert, und mittlerweile "(...) verlautbarte der Thüringer Verfassungsschutz, keine der drei Personen habe zu seinen V-Leuten gehört. Allerdings hatte er dies schon bei Timo B. beteuert, dem ehemaligen Kopf der rechtsextremen Gruppe Thüringer Heimatschutz, der das Trio angehörte und die 1998 im Fokus der damaligen Sprengstoffermittlungen stand. (...)" (Peter Mühlbauer bei telepolis).

    Auch Anders Behring Breivik hat seine politisch motivierten Morde wohl jahrelang und systematisch unter den Augen der Behörden vorbereitet. Wie glaubwürdig ist also die Sorge, die der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Hans-Werner Wargel der "tagesschau" zum Ausdruck bringt? "Wenn sich der Verdacht bestätigt, haben wir es mit dem schlimmsten Fall rechtsextremistischer Gewalt in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu tun". Vom Dilletantismus bei den Ermittlungen - man bedenke nur die mehr als peinliche "Panne" bei den Wattestäbchen für die DNA Analyse im Fall der ermordeten Polizeibeamtin bis hin zur schon beinahe penetranten Weigerung, die Zahl der Opfer faschistischer Gewalt anzuerkennen:

    Der Fall wirft mehr Fragen auf, als bislang in den Kommentarspalten aufgeworfen werden. Der bisherige Umgang mit dem Fall gibt Anlass zur Befürchtung, dass einmal mehr das Lied von der "Einzeltäterthese" gespielt werden soll.

    Das hat Tradition in diesem Land. Zumindest hinsichtlich "rechter" Gewalt.

    Einzeltäterthese 2.0?
    In diesem Jahr jährte sich das Oktoberfestattentat zum 31. Mal. Am 26.09.1980 explodierte eine Bombe am Haupteingang des Oktoberfests und riss 13 Menschen in den Tod. 211 Menschen wurden verletzt, zum Teil sehr schwer. Es war der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch gibt es noch immer kein öffentliches Bewusstsein für die Hintergründe, kaum jemand kennt die Verbindungen des Attentäters zur rechten Szene. Auch dort führte die blutige Spur zu Neonazis. Doch die Ermittler haben diese Spur zu den Akten gelegt und stattdessen die Theorie vom "Einzeltäter" in die Welt gesetzt und festgeschrieben. So ist der größte Terroranschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte bis heute nicht aufgeklärt, die Akten des Wies‘n-Attentats sind seit 1982 geschlossen, neue Erkenntnisse und offene Fragen sind offensichtlich unerwünscht. Der erneute Antrag auf Wiederaufnahme der Ermittlungen im Jahr 2009 brachte ans Tageslicht, dass sämtliche Beweisstücke, die sogenanten Asservate bereits 1997 vernichtet worden sind.

    Sollte nicht ein wenig mehr kritischer Umgang mit rechten Ideologien an den Tag gelegt werden? Diese Hoffnung - zumindest, sofern sie an staatliche Stellen gerichtet ist - erscheint jedoch reichlich hoffnungslos. Vor allem angesichts dessen, dass heute erneut Feindbilder konstruiert werden, Hass auf Muslime, auf MigrantInnen geschürt, Hartz IV Empfänger, Arme und Kranke stigmatisiert und zu inneren Feinden hochstilisiert werden, um von den Ursachen der kapitalistischen Krise, Kriegen und sozialem Kahlschlag abzulenken.

    Diese Diskussion wäre so nicht denkbar ohne diejenigen, die dafür die ideologische Munition liefern. Und diejenigen, die diese in sich aufsaugen und unwidersprochen lassen. Der zu zweifelhaftem Ruhm gekommene Bestseller "Deutschland schafft sich ab" wurde innerhalb zweier Monate nach Erscheinen das meistverkaufte Politiksachbuch des Jahrezehntes eines deutschen Autors. In diesem Fakt kommt eine breite gesellschaftliche Verschiebung nach rechts, die Enttabuisierung rassistischen Denkens und die Verbindung von Rassismus mit Elite- und Nützlichkeitsdenken zum Ausdruck, die so nicht mehr nur sogenannten "Extremisten" zugeordnet werden kann, sondern breit in allen gesellschaftlichen Schichten hoffähig ist.

    Was wäre hier los?
    "Eingedenk der Tatsache, dass ein paar brennende Bonzenautos in der Öffentlichkeit bereits hysterisch als neue R.A.F. gehandelt werden, stelle man sich vor, in den letzten 11 Jahren seien 10 Unternehmer und zwei Polizisten erschossen und mehrere Banken ausgeraubt worden, man fände zwei aus dem linken Spektrum stammende Aktivisten tot in einem Wohnwagen, deren Wohnung würde ohne Rücksicht auf andere Bewohner des Hauses in einem Feuer vernichtet und eine zugehörige Frau, ebenfalls aus dem linken Umfeld, würde verhaftet werden und zu allen Vorfällen schweigen. Man fände dann im Schutt dieser abgebrannten Wohnung Waffen, die die Aktivisten mit all den vorgenannten Verbrechen eindeutig in Verbindung bringen. Was wäre hier los?" (pantoffelpunk, via woschod.de)

    Querfunk-Interview mit Sebastian Friedrich zur “Sarrazindebatte”

    „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen“, so titelte die BILD-Zeitung zur sogenannten Sarrazindebatte. Nach der Veröffentlichung des Buches „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin im letzten Herbst waren Schlagwörter wie HartzIV-Empfänger_innen, Integration, Islam oder Fachkräftemangel häufig in den Medien zu lesen. Inzwischen ist die Berichterstattung der Medien wieder abgeflaut. Welche Auswirkungen die Debatte hatte und warum ein solches Buch überhaupt so große Aufmerksamkeit erreichen konnte, darüber sprach Querfunk mit Sebastian Friedrich. Er ist Herausgeber und Mitautor des Buches „Rassismus in der Leistungsgesellschaft –“ Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der Sarrazindebatte“. Vergangene Woche hielt er dazu einen Vortrag in Karlsruhe.

    Querfunk-Interview mit dem Herausgeber und Mitautor Sebastian Friedrich vom 19.10.2011 –“ Anhören: hier.

    Sebastian Friedrich (Hg.)
    Rassismus in der Leistungsgesellschaft
    Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der „Sarrazindebatte“
    farb. Broschur, 264 Seiten, 19.80 EUR [D]
    ISBN 978-3-942885-01-0

    SPD - Troika zum Abschleppen - Karambolageleiter Dohnanyi

    Sie muss wahrscheinlich nach den Berlinwahlen nachgeholfen kriegen - die bewährte Zugmaschine Merkel. Wenn der Drei-Prozent-Hilfs-Dackel abgeschnappt hat. Jedenfalls steht eine Troika aus der SPD zum Abschleppen bereit, die sich Mut macht, anderen aber große Angst. Schließlich hat Schröder die ersten Schienbeinschläge verpasst. Seither hat Rot-Gelb die Lage weiter vermasselt. Beide zusammen: Super-Horror.

    Sie denken bei den SOZIALEN wieder einmal nur an Deutschland, nicht an die Partei. Wie 1914. Man hört schon Steinbrück die Vorderzähne feilen.

    Das Ganze für die Karambolage vorbereitet von Dohnanyi. Die FAS hat ihm letzten Sonntag Riesenraum zugebilligt - zum Antänzeln und Hürdennehmen - trotz klappriger Knochen.

    Erstmal zum wiederaufgepeppten Schnauber. Sarrazin. Freitag abend dürfen wir ihn bei ASPEKTE wieder begrüßen - als Opfer. Die schönste Rolle, die sich ein berufsmäßiger Peitschenschwinger denken kann. Nach eigener Aussage ist er "gemessenen Schritts" - "davongeschlichen wie ein geprügelter Hund". Selbstwahrnehmungsbeschwerden. Ein schwermütiges Grunzen zog wohlig durch den Stall.

    Broder hatte wieder einmal Gelegenheit, heldisch und vereinsamt vorzutreten. Und gab einen unverdienten Preis zurück. ASPEKTE hatte alles so schön abgesprochen - und erntete Undank. Starke Unlust gegenüber Dauerhetze.

    Buschkowsky rückte wieder nach rechts auf und vermisste "Toleranz".

    Eine Seelenverwandte des Dulders erkannte für ihn an allen Türken die Begeisterung fürs "kollektive Beleidigtsein". Was Deutschen, Franzosen, Tugendbolden generell ja total fremd ist. So lässt Sarrazin in Fremdarbeit beleidigen. Er selbst hat wie immer das reine Gewissen des Wissenschaftlers.

    Sein letztes Wort allerdings beim Propheten Jesaias entliehen: Wehe uns, wenn, wie viele hoffen, Kreuzberger Zustände die Werkstatt des künftigen Deutschland sind.

    Vormund Dohnanyi versucht im Beitrag sein Mündel noch zu übertrumpfen. Hatte Sarrazin seine Theorie zum jüdischen Gen zwischendurch zumindest relativiert, überbietet ihn der Hamburger leichthin. Seine Begründung allerdings überholend rassistisch: das Superintelligente komme von der Inzucht unter den Juden.

    Die freilich hielt Sarrazin noch - altrassistisch - für den Grund häufiger Behinderungen - allerdings nur bei Stämmen, zusätzlich geschädigt durch islamischen Glauben. Hoffentlich wird das demnächst mal geklärt.

    Wuchtig Dohnanyis anderer Vorwurf gegen Gabriel und seine Verstockten. Eine Enthüllung: Der Rassismus hatte mit uns Deutschen gar nichts zu tun. Kam von den Engländern! Eine Pointe wurde noch vergessen: Darwin war auch Engländer. Also trifft alle seine Deuter und Fehldeuter in anderen Ländern keinerlei Schuld. Gut, dass wir es wissen. Hoffentlich merkt sich ein Gabriel das auch.
    Das aber nur -zugegeben- stark angeschlagene Geistesfrüchte des Hamburgers. In der Hauptlinie ist er forsch. Unverkennbar auf Frontgewinn aus. Und entschlossen imperialistisch, wie gewohnt. Dazu musste er auch niemals neu nachdenken.

    Seine Theorie: die SPD ist sich immer treu geblieben. (Gemeint Noske - Ebert). Sie kämpfte einmal gegen Ausbeuter und Ausbeutung. Die gibt es heute - nur im Inland? - nicht mehr. Dagegen neue Ausbeuter: im Ausland. Diejenigen, die uns Deutschen die Angebots-Chancen mindern.

    Also: Wirtschaft ist inzwischen alles. "Es ist eine Welt des Kommerzes - finito". An Schröders Schlägen ist nichts zu bedauern. Schon gar nichts zurückzunehmen.

    Damit ergibt sich: Steinbrück erst in die Troika, später zum Spänehobeln. Steinmeier in Ordnung. Aber Schädelknacker Steinbrück empfiehlt sich dem deutschen Masochisten doch am meisten. Und ganz wichtig: restliche Linksfrontler unbarmherzig niederstimmen. (Ausschlüsse mitgedacht, noch nicht ausdrücklich verlangt. Steinbrückler werden auch so verstehen).

    Das also die Aussichten. Wenn es nach Dohnanyi geht. Er wird die Karambolage schon hinbekommen.

    Buchtipp: Rassismus in der Leistungsgesellschaft

    Der während der „Sarrazindebatte“ implizit oder explizit zur Sprache gekommene Rassismus fordert kritische Analysen. Der Band versammelt diese im Sinne angewandter Migrations- und Rassismusforschung sowie anderer Disziplinen der kritischen Wissenschaften. Neben Diskussionen um Eliterassismus, kulturalistischen Ein- und Ausschließungen sowie Hegemoniekonstruktionen finden sich u.a. auch feministische und diskurstheoretische Zugänge zum Thema. Einen Schwerpunkt bilden die Verbindungen des gegenwärtigen Rassismus mit ökonomischen Argumentationsweisen.

    Mit Beiträgen von Moritz Altenried, Christoph Butterwegge, Sebastian Friedrich, Sabine Hess, Juliane Karakayali, Serhat Karakayali, Elke Kohlmann, Jörg Kronauer, Gabriel Kuhn, Jürgen Link, Charlotte Misselwitz, Marianne Pieper, Nora Räthzel, Hannah Schultes, Yasemin Shooman, Vassilis Tsianos und Regina Wamper.

    Sebastian Friedrich lebt größtenteils in Berlin-Neukölln und ist Redakteur von kritisch-lesen.de, freier Mitarbeiter der Opferberatungsstelle ReachOut Berlin, Mitglied des AK Rechts und der Diskurswerkstatt des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) und aktiv im Netzwerk der edition assemblage in Münster.


    Sebastian Friedrich (Hg.)


    Rassismus in der Leistungsgesellschaft

    Analysen und kritische Perspektiven zu den rassistischen Normalisierungsprozessen der „Sarrazindebatte“

    farb. Broschur, ca. 260 Seiten, 19.80 EUR [D]

    ISBN 978-3-942885-01-0


    Bestellung per Email: info@edition-assemblage.de

    Bestellformular

    Was mir heute wichtig erscheint #239

    Montagsdemo: Die Piratenpartei lädt zur Montagsdemo am 27.12.2010 um 18 Uhr vor dem Hauptbahnhof, alle weiteren Infos gibt's im Wiki der Piratenpartei. Dort sind auch Flyer als PDF zum herunterladen verfügbar. Es wird eine Demo ohne Reden, dafür mit Demozug vorbei am Landtag, über den Schlossplatz zum Rotebühlplatz. Motto: "Volksentscheid zu Stuttgart 21!"

    Spießbürgerlich:
    Die Südtiroler Band »Frei.Wild« tritt in die Fußstapfen der »Böhsen Onkelz« und feiert damit immer größere Erfolge. Die Naziskin-Vergangenheit des Sängers scheint - wie beim großen Vorbild - kein Hindernis zu sein. Ebensowenig sind es die nationalistischen und völkischen Töne der Band, die sich mit den Beteuerungen abwechseln, »unpolitisch« zu sein. Band und Fans scheinen diese Widersprüchlichkeiten problemlos auszuhalten. Das aktuelle Album hat es zwischenzeitlich auf Platz zwei der deutschen Charts gebracht.

    Online:
    Der Kreisverband Esslingen der VVN-BdA ist seit heute im Internet erreichbar. Erster eigenständiger Artikel ist der Bericht über die Angriffe von Nazis auf antifaschistische Infotische in Neuhausen.

    Landei: Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hat jede Verantwortung für den brutalen Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schloßgarten zurückgewiesen. Das sahen die TeilnehmerInnen der Mahnwache vor dem Landtag oder auch der Direktor des Instituts Staatswissenschaft und Rechtsphilosophie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br., Prof. Dr. Ralf Poscher anders. Interessant wird auch die weitere Verwicklung der Landesregierung in die Spätzle-Stasi 2.0 Spitzelaffäre sein: In der Sitzung am 17. Dezember 2010 im Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz am 30. September im Stuttgarter Schlossgarten wurde deutlich, dass die Polizei mehrere Spitzel in die Widerstandsbewegung gegen Stuttgart 21 einschleuste, um die Szene auszuforschen. Das hat Methode, denn vor einigen Tagen wurde offenbar ein Agent im Umfeld der Heidelberger Antifa enttarnt.

    Aufstandsforschung: Um den "kommenden Aufstand" gibt es eine heftig geführte Diskussion um des Kaiser's Bart. Zum Beispiel bei telepolis oder auch in mehreren Beiträgen, die bei rizomorph in einer kommentierten Liste zusammengefasst sind. Bis auf die beiden Beiträge ("L–˜insurrection qui vient" - An der Bahnsteigkante knapp vor "Ankunft der Revolution" und Noch einmal: "L–˜insurrection qui vient") hier von Fritz Güde. Und wie es scheint, hat sich auch das Komitee selber zu Wort gemeldet. Und Peter Grottian wurde dazu von Dradio Kultur befragt, ob denn der Aufstand endlich in Sicht ist.

    Auftakt: Die NPD will Ende März bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg in allen 70 Wahlkreisen antreten. Fast die Hälfte der nötigen rund 10.000 Unterschriften fehlen aber noch. Die Parteispitze macht Druck. Eine Übersicht von "Blick nach Rechts".

    Zustandsbeschreibung: Kann sich Geschichte wiederholen? Die Krise hat Deutschland getroffen und das Bürgertum setzt seine hässlichste Fratze auf: Sozialdarwinismus, Fremdenfeindlichkeit und die Ablehnung der Demokratie. Jens Berger über “Deutsche Zustände–, die von Wissenschaftlern unter Leitung des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer erstellte große interdisziplinäre Langzeitstudie, die in diesem Monat in ihrer neunten Auflage veröffentlicht wurde.

    Wissenslücke: Dinge, die sie über Weihnachten nicht wussten (und auch gar nicht wissen wollten) beantwortet einfach übel.

    Grabrede: Franz Iberl verweist auf Cindy Sheehan's Requiem für die US-Friedensbewegung. Selbiger ist eine eindrucksvolle Kritik an der naiven Obama-Gläubigkeit in der Bewegung.

    Bodycheck: "Dicksein gilt als unästhetisch. Vor allem aber gilt Dicksein als gesundheitsschädlich. Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO sprechen von einer globalen Seuche und sehen den dicken Bauch als das zukünftige Gesundheitsproblem Nummer eins. Die Folgen dieser „Übergewichts-Epidemie“ werden in dramatischen Worten geschildert. Prophezeit werden nicht weniger als ein Rückgang der Lebenserwartung und ein Kollaps des Gesundheitssystems. Hinter der Erzählung von der „Übergewicht-Epidemie“ stehen einerseits finanzielle Interessen der Pharma- und Diätindustrie, andererseits ein Menschenbild, das Menschen nach ihrer vermeintlichen Leistungsfähigkeit beurteilt und in Gruppen einteilt. Die Gruppe der Dicken steht dabei symbolisch für die undisziplinierten LeistungsverweigerInnen.(...)"  Fat-Acceptance in den USA, eine Einführung von Friedrich Schorb in der arranca!

    Überfällig: Darauf hat die Welt schon lange gewartet: Endlich hat die U.S. Regierung die Ergebnisse der Volkszählungen von 1790 bis 1930 freigegeben.

    Geschottert: Die Kampagne Castor Schottern zielte neben dem tatsächlichen Eingriff in den Castor- Fahrplan und einer radikalisierenden und ermutigenden Erfahrung für die TeilnehmerInnen auf die breite Legitimierung von Sachbeschädigung als Mittel der politischen Auseinandersetzung. Dies sollte durch eine offensive Ankündigungspraxis und Pressearbeit, sowie möglichst transparenter Beteiligungsmöglichkeiten erreicht werden. Repression war einkalkulierter Teil dieses Versuchs. Wenig verwunderlich ist es daher, dass insbesondere Castor Schottern Ziel von juristischer und polizeilicher Verfolgung wurde und immer noch wird. Dieser Artikel versucht eine erste Zusammenfassung und Bewertung der staatlichen Repressionsbemühungen zu geben.

    Gefoltert: SprecherInnen der baskischen Gefangenenhilfe haben in Erklärungen mitgeteilt, dass die kürzlich verhafteten Jugendlichen (siehe: hier) in der “Incomunicado-Haft– (Isolationshaft) gefoltert worden sein sollen. Laut Angaben der Jugendlichen gab es Schläge und sexuelle Belästigungen. Außerdem wurde die berüchtigte “la bolsa– angewandt, bei der den Gefangenen eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt wird und solange festgehalten wird, bis die Betroffenen keine Luft mehr bekommen. (via info-baskenland.de)

    Stellungnahme: Am Freitag, den 10.12.2010 fand in Freiburg ein deutsch-französischer Gipfel statt. Während Angela Merkel und Nicolas Sarkozy vor dem Freiburger Münster militärische Ehren empfingen, wurde in der Innenstadt die politische Meinungsäußerung durch polizeiliche Repression verhindert. Im Rahmen eines „Carnaval de Résistance“ sollte bunt und laut auf die Schattenseiten der deutschen und französischen Politik aufmerksam gemacht werden. Verschiedene Gruppen wollten im Stadtzentrum ihre politische Meinung äußern. Doch das wurde bereits in der Entstehung durch einen unbegründeten, sofortigen und massiven Polizeieinsatz im Keim erstickt. Ein offener Brief zum Polizeieinsatz beim Deutsch-Französischen Gipfel in Freiburg.

    Rückeroberung: Nicht nur Toni Negri und Michael Hardt haben mit ihrem 2010 erschienenen Buch Common Wealth: Das Ende des Eigentums das Gemeinwohl für sich entdeckt und eine Debatte über die Rückeroberung der Gemeingüter angestoßen. Schon seit einiger Zeit schwirrt dieser Begriff durch die Debatten –“ von Autonomen bis Gewerkschaften, von Böll- bis Luxemburg-Stiftung. Genau genommen stellt er sich bereits mit der Entstehung seines Gegenübers, des bürgerlichen Privateigentums. Doch was aktuell mit »Commons« genau gemeint ist und welche Hoffnungen sich dann jeweils daran knüpfen, ist erst noch zu klären. LabourNet beginnt mit einem Artikel von Thomas Gehrig eine Reihe von Beiträgen zu den »Commons«, die sich zum Zwecke der kommunistischen Rückeroberung bis in die radikalen Anfänge zurück und wieder nach vorne arbeiten werden.

    Beckmann: Ministerin Schröders verzitterter Rassismus der Elite

    Schön und unnahbar trat sie bei Beckmann an, um wieder einmal den Beweis zu führen, dass es einen gefährlichen Anteil von Deutschenhass unter Ausländern gebe. Dieser sei zu bekämpfen.

    In der Sendung brachte die Ministerin ihre Zusatzannahme noch einmal an den Mann: Diese Deutschenfeindlichkeit wachse nach wissenschaftlichen Untersuchungen an, je mehr ein Junge sich den Islam einverleibt hätte.

    In der Diskussion kam aber immer deutlicher heraus, dass die wachsende Ruppigkeit mancher Ausländer mit ihrem Glauben herzlich wenig zu tun hat. Was Frau Schröder als Glaubensinnigkeit missverstand, war einfach Gruppen- und Gangbildung unter Leuten, die sich kannten und eine gemeinsame Herkunft hatten.

    Wie Frau Schröder selbst zugeben musste, fehlt es den verdächtigen aggressiven Klüngeln meist nicht nur an Bildung, sondern gleich am Willen,sich in kulturelle Zusammenhänge zu vertiefen. Und zwar ganz unabhängig davon, aus welcher Tradition die stammten. Islam - oder auch Islamismus - würde aber doch wohl voraussetzen, dass man gerne zum Hodschah geht, in die Koranschule! Plump gesagt: dass man gerne liest, und sich in theologische Zusammenhänge einarbeitet. Davon konnte weder der Mitunterredner Buschkowski noch sonst jemand berichten.

    Es wurden von Beckmann dann verdienstvoller Weise drei Schüler eingeladen, die lebensnah und glaubhaft davon berichteten, wie es in den Schulen wirklich zugeht. Alle berichteten davon, dass an allen Schulen begeistert gemobt wird. Nur: Zwischen allen möglichen Gruppen. Die Starken oder stark sein Wollenden suchen sich jeweils Schwächere, an denen sie ihre Gruppenüberlegenheit beweisen können. Das ist unheimlich genug. Nur - dass es immer die Deutschen trifft, wurde eindeutig widerlegt.

    Kristina Schröder, so unsere Vermutung, will mit ihrer These vom notwendigen Verteidigungswillen der Deutschen einfach in die Offensive kommen. Eine verängstigte Gemeinschaft soll wieder einmal den "Mut zur Erziehung" fassen und rechtzeitig zur Gegenwehr greifen.

    Das zeigte sich an der Diskussion mit dem Berliner Stadtrat Buschkowski über Gegenmaßnahmen. Buschkowski nämlich entwickelte in brutaler Weiterführung preußischer Traditionen den Gedanken, es müsse heute eine Pflichterziehung ab einem Jahr in Kitas geben. Für alle. Egal welcher Herkunft. So wie einst die Schulpflicht integrierte, so heute die Kita-Pflicht.

    Hier schrie Frau Schröder auf. Und zwar bei der Vorstellung, anständige Deutsche, die ihre Kinder gut erziehen könnten und Kindergeld bekämen, würden gezwungen zur Kitapflicht. Umgekehrt - Kinder ausländischer Eltern, die selber Schwierigkeiten mit dem Deutschen hätten, denen täte das schon ganz gut. Der Gedanke an ein dann geteiltes Recht - eins für Deutsche, eins für Migranten - ließ sich aber konsequent nicht durchführen. Frau Schröder griff zu Ausdrücken wie "Geiselhaft", um ihren Abscheu auszudrücken vor dem Kita-Zwang für alle. Deutsche dürften keine "Geiseln" sein, nur damit Migrantenkinder besser integriert werden.

    Die Unschlüssigkeit der Ministerin zeigte sich immer neu, wenn sie die innere Wahlfreiheit des Geistes anrief. Wie bei Schiller sollte der Wille frei und unabhängig auftreten. So rührend und nostalgisch das sich anhört, im Zusammenhang wurde diese Freiheit - zur Bildung - nur den braven Deutschen zugesprochen. Und zwar denjenigen, die die vorgeschriebenen bürgerlichen Ideale noch am ehesten bewahrten.

    Den Migranten, die angeblich Deutsche verfolgten, wurde diese Willensfreiheit- eine zum Bösen - ebenfalls zugesprochen, aber nur zu einem Zweck: Um ihnen Schuld nachzuweisen und diese zu strafen.
    Gerade in ihrem rührenden Idealismus - rationiert für Deutsche - erwies sich Schröder als Angstprotektionistin. Sie sah ihre Deutschen, eine angeblich bedrohte Schar, und plante Schutzgitter um die Herde. Von da aus die Gegenoffensive aus der Angst für sich und andere heraus. Freilich unentschlossen, verzittert. Dass unter den gegenwärtigen Umständen der Entzug des Elterngeldes hart einschlagen würde bei vielen Familien, betonte sie mit Recht. Nur versperrte sie sich der Einsicht, dass alle Elterngelder zusammen besser für kollektive als für individuelle Erziehung angelegt würden. So verharrte sie einsichtslos. Ohne Entschlusskraft - und ohne jede Aussicht, einmal Frau Bismarck als Vorkämpferin der verfolgten Deutschen zu werden.

    Gerade in ihrem Nachsingen der verschollenen Ideale einer Vorzeit erwies sie sich als gebrochene Schutzpatronin ausgesprochen bürgerlicher Ängste. Die sie - aus Wahlgründen - artikulieren, aber nicht beseitigen konnte. Mal schauen, wie lange sie sich mit dem ganzen Charme der erbitterten Unwissenheit und Selbstbegrenzung noch halten kann.

    Zum letzten Mal Hartz IV: Wie man beim Zwiebeln wissenschaftlich exakt vorgeht.

    Das Geheimnis der Messung bei der Zuteilung der fünf Euro ist inzwischen rekonstruierbar geworden. Man muss dazu nur etwas weiter zurückgreifen. Schröder / Fischer hatten erfolgreich eine Kampagne gestartet, nach der die Gesamtlohnsumme energisch gesenkt werden sollte. Das ist gelungen.

    Hartz 4 stellte nur die Endphase des Unternehmens dar. Viel breitere Massen sollten auf vierhundert Euro oder einen sonstigen Lohn gedrückt werden, mit dem kaum zu überleben war.

    Auf diese Gesamtmasse griffen konsequent die Erfüllungsgehilfen der letzten Schröpferin- v.d. Leyen- zurück. Es wurden offenbar nur die untersten 15 Prozent der Gesamtarmut zum Vergleich herangezogen. Dass die sehr wenig draufzulegen hatten, war klar und befriedigend.

    Nun begann der zweite Teil der Arbeit: Die Herstellung des Lohnabstands. Vom Rauch-und Alkoholverbot soll gar nicht mehr gesprochen werden. Es muss zwar peinlich sein, sich etwa in einem Café mit einem möglichen Arbeitgeber zu treffen und nicht zu wissen, was man - im empfohlenen Fall des Früherkommens - bestellen soll. Kaffee ist auch nicht billiger als Bier. Aber lassen wir das.

    Auffälliger sind die Ausfälle einiger erbitterter Garten-und Haustierfeinde. Im Schwarzwald haben viele Arbeitslose das Glück, im eigenen ererbten Haus zu wohnen -mit Garten. Dieser diente nicht nur der Beschäftigung - “freie Luft für den Bedrängten“ - sondern vom März bis zum Oktober auch zum Unterhalt der Familie. Selbst Brüning in seinen knauserigsten Zeiten hatte mal die Idee, Einfachsiedlungen mit Gartengelände für Arbeitslose anzulegen. Nun aber unsere Gartenfeinde, die in berechtigter Scham mit und gegen die Muttersprache ringen:

    (Dankenswerterweise aus dem Schatz des Vorrätigen herausgehoben von Tom Strohschneider im FREITAG dieser Woche. Bei erhöhter Gefahr von Blutdrucksteigerung ist Gesamtlektüre auf einen Satz zu gefährlich)

    Garten und Werkzeug
    „Im System der Mindestsicherung ist die Unterhaltung eines Gartens als nicht existenzsichernd zu bewerten. Deswegen werden in der Abteilung 05 die Position 'Nicht motorbetriebene Gartengeräte' nicht als regelbedarfsrelevant angesehen, die Position 'Motorbetriebene Werkzeuge und Ausstattungsgegenstände für Haus und Garten' werden um die Ausgaben für Gartengeräte bereinigt. Die Position 'Fremde Reparaturen an Handwerkzeugen' wird im Unterschied zur Sonderauswertung EVS 2003 nicht mehr als existenzsichernd berücksichtigt. Reparaturen sind nur bei teuren Werkzeugen wirtschaftlich vertretbar. Besitz und Nutzung solcher Werkzeuge sind jedoch in der Durchschnittsbetrachtung bei Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Zwölften Buch nicht zu unterstellen.“


    Mühsam zu erraten, was gemeint ist: Garten ist überflüssig. Die gelehrten Autoren haben wahrscheinlich normale Noten in Deutsch mitgebracht. Sarrazin hat unrecht: Sprachunfähigkeit ist nicht angeboren. Sie stammt aus der berechtigten Scham, offen zuzugeben: ich bin hauptberuflich Schikanierer.

    Die Kosten für Reparatur des Rasenmähers selbst können kaum ins Gewicht fallen. Statistisch gibt es vielleicht mehr Familien ohne Garten; Real bei uns in der Gegend sehr viel. Sollen die ihre Gärten bloß im Dienst der Statistik verwildern lassen! Zu verpachten ist da kaum was. Ähnlich der scharfsinnige Gedanke, dass chemische Reinigung nur bei “hochwertigen Kleidungsstücken– was nützt. Könnte es nicht sein, dass so eine Hartz-Vier-Person aus besseren Zeiten noch was im Schrank hat? Zum Bewerbungsgespräch vorzukramen. Oh - der Fleck da!

    (Anmerkung Strohschneider “Der Redaktionsstab Rechtssprache hätte im Sinne der Verständlichkeit formuliert: „Der Langzeiterwerbslose hat auszusehen wie ein Penner.“)

    Spielraum für Saft
    „Nach der Sonderauswertung wurden für Einpersonenhaushalte der Referenzgruppe im Jahr 2008 durchschnittliche Verbrauchsausgaben von 8,11 € für alkoholische Getränke ermittelt. Davon entfielen rechnerisch 11,35 % für Spirituosen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Zweck der Flüssigkeitsaufnahme dienen. Es verbleiben dann von den 8,11 € noch 7,19 € für alkoholische Getränke, die durch alkoholfreie Getränke zu substituieren sind. Für 7,19 € lassen sich etwa 12 Liter preiswertes Bier kaufen. Im Durchschnitt sind Bier oder gar Wein deutlich teurer, so dass sich ein deutlich niedrigeres Volumen an zu substituierender Flüssigkeit ergeben würde. Ausgehend von 12 Litern Flüssigkeitsbedarf ergibt sich das maximal durch alkoholfreie Getränke zu substituierende Flüssigkeitsvolumen. Da die Flüssigkeitsmenge mit einem preisgünstigen Getränk berechnet wurde, ist es angemessen, auch die alkoholfreien Getränke mit dem niedrigpreisigem Mineralwasser anzusetzen. Für die anzusetzenden 12 Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 € eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5 Liter Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für 12 Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 €. Bei den als regelbedarfsrelevant berücksichtigten 2,99 € ist also bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke. Diese 2,99 Euro werden bei Abteilung 01 zusätzlich berücksichtigt.“

    (Hier gibt sich das Autorenkollektiv zwischen den Zeilen autobiografisch zu erkennen. Die allgemeine Lebenserfahrung, dass Schnaps nicht der Flüssigkeitsaufnahme dient, muss man erst einmal gemacht haben. Prost. Lallend fragt man sich, welcher Aufnahme das Fuselsaufen sonst dient: der von Feststoffen, von Brennstoffen gar? Und sind die nicht bald steuerpflichtig?)

    Haustiere
    “Nicht regelbedarfsrelevant –“ da nicht der Existenzsicherung dienend –“ sind wie bisher die Ausgaben für Haustiere sowie Glücksspiele.“


    Also Hauskatze Rosi heimlich abschlachten oder ab mit ihr ins Tierheim. Katzen können bei guter Haltung gut und gern fünfzehn Jahre alt werden. Alle behandeln sie als Familienmitglied. Abschieben? Dann kosten sie beim Asyl das, was man  den Haltern abgeknapst hat.

    Ein Ausgleich
    „Bei den Verbrauchsausgaben in Abteilung 11 handelt es sich grundsätzlich nicht um regelbedarfsrelevante Ausgaben, da die auswärtige Verpflegung - also in Restaurants, Cafés und Imbissständen sowie in Kantinen und Mensen - nicht zum physischen Existenzminimum zählt. Die Verbrauchsausgaben für eine Mahlzeit bei auswärtiger Verpflegung liegen über denen, die hierfür bei eigener Beschaffung entstehen. Allerdings ersetzt die auswärtige Verpflegung die heimische Verpflegung. Wenn also eine auswärtige Verpflegung als nicht existenzsichernd anzusehen ist und die Verbrauchsausgaben hierfür nicht als regelbedarfsrelevant anzusehen sind, muss ein Ausgleich geschaffen werden, da sich der häusliche Verpflegungsbedarf (Nahrungsmittel und Getränke) und damit auch der häusliche Verpflegungsaufwand, wie er sich in den Verbrauchsausgaben der Abteilung 01 widerspiegelt, erhöht. Deshalb ist es erforderlich, den Warenwert der beim Besuch von Restaurants, Gaststätten etc. konsumierten Nahrungsmittel und Getränke als regelbedarfsrelevant zu berücksichtigen.“

    Diese Mitteilung habe ich -trotz langjähriger Tätigkeit als Deutschlehrer- nicht verstanden. Hoffentlich sind alle anderen schlauer. Hat das Gericht sich unter Transparenz genau diese Art von Mitteilung vorgestellt?

    „Bei den sonstigen Dienstleistungen wurden die neu festgelegten Gebühren für den Personalausweis, die künftig auch hilfebedürftige Personen zu entrichten haben, zusätzlich berücksichtigt. Die sich durch Einführung des neuen Personalausweises ergebenden Gebühren sind - da erst im Jahr 2010 beschlossen - in den Verbrauchsausgaben der EVS 2008 nicht erfasst, werden aber ab dem Jahr 2011 anfallen. Zusätzlich wird unter der Position 'Sonstige Dienstleistungen, nicht genannte–˜ ein Betrag von 0,25 Euro berücksichtigt.“

    (Der neue Personalausweis kostet 28,80 Euro, man braucht also nur 115 Monate zu sparen, bis man die Gebühr beisammen hat.)

    Verhungert ist bisher keiner unter Hartz IV. Bloßes Aufjaulen bringt gar nichts. Es kommt einfach darauf an, die Gesamtabsicht zu erkennen. Sie besteht in Abschreckung für alle, die schuften bis zum Geht-Nicht-Mehr, um nicht so tief herabgedrückt zu werden. Gegenwehr dagegen wird es erst geben können, wenn sämtliche Bedrohten merken, dass sie alle gleich angegriffen werden. Dass das möglichst lange nicht passiert, daran arbeitet die verkropfte  Sprachmetzengarde im Dienste Merkels und v.d. Leyens Tag und Nacht.

    Von der Leyen - Gläubige einer selbstgeschaffenen Religion

    Transparenzfee Leyen als neue Britt vor dem Lügendetektor? Tun wir mal so, als glaubten wir von der Leyen alles, was sie voller Glaubenskraft und Wunderglauben seit drei Tagen von sich gibt. Unbeirrbarer als die oft getadelte Muslimin hält sie an jedem Wort fest, das die Wissenden ihr vorgelegt haben. Nur dass es dieses Mal keine heilige Schrift ist, sondern eine sehr weltliche: Die von ihr selbst in Auftrag gegebene Statistik. Keinerlei politischer Willen! Alles  leidenschaftsloser Dienst an der Wahrheit. Alle andern geilen und geifern nach ihren Hirngespinsten. Leyen nicht! Sie dient! Selbstlos.

    Soviel Glaubenseifer wird mit Recht von oben durch Wunder belohnt.

    Das erste: Genau die Beträge für Kinder, die Schröder und Co zugegebenermaßen rein als Prozente vom Erwachsenen-Betrag heruntergehauen hatten, wurden zumindest der Berechnungsmethode nach vom Verfassungsgericht beanstandet. Unsere Arbeitsministerin säumt keinen Augenblick, Rot-Grün wegen zu großer Schnittigkeit damals zu maßregeln.

    Und nun das Wunder: Gerade diese Beträge haben sich - der heiligen Statistik nach - nicht nur bestätigt, sondern es hat sich herausgestellt, dass Rot-Grün noch zu lottelig waren im Zuteilen. Ist das nicht ein Gotteswunder. Nächstes Jahr oder übernächstes muss da leider was abgeknapst werden.

    Andächtig soll v.d.Leyen zusammengesunken sein beim Anhören dieser Offenbarung. Gesehen habe ich es nicht, aber es wurde glaubhaft versichert. Ich liebe ihre aufgerissenen Bollaugen in solchen Augenblicken.

    Vielleicht fielen ihr in dieser Sekunde der schweigenden Ergriffenheit  die eigenen sechs Kinder ein. –Haben kleine Füße, sind viel Zehen dran–. Wie oft musste da Schuh zugekauft werden, damit die nicht krumm werden. (Ich selbst lief nach 1945 geraume Zeit in geschenkten Frauenschuhen herum mit aufeinandergestapelten Zehen. Man sieht die Folgen nach 65 Jahren noch). Also: Genug Geld für Schuhe müsste her.

    Welches Glück, dass die heilige Schrift der Soziologen solche Zukäufe nicht erlaubte. Im Namen der Zuverdienstgerechtigkeit geradezu verbot. Hat das Gericht da nicht durchgeblickt?

    Nächstes Wunder: Als Ernst bei Anne Will unzufrieden herumpolterte, keifte Leyen zurück: Ob er  denn als einziger hätte vorauswissen wollen, was offenbar erst am Sonntagmorgen von den himmlischen Boten angeliefert worden war. Das statistische Evangelium. Sie hätte eigentlich Schäuble angiften müssen. Lang bevor das Buch der Statistik geöffnet worden war, hatte er im Haushalt schon ziemlich genau die Summe eingesetzt, die dann für Fünf-Euro-Spende pro Berechtigte ausreichte. Schon wieder ein Wunder! Genau das, was die so unparteiische Wissenschaft jetzt verkündete, hatte der Finanzminister schon vorausgewusst.

    Dass es die versprochenen Gesamtschulen, Mittagessen und Chips noch gar nicht gibt, darf eine Vorkämpferin des Glaubens nicht beirren.  Dass die vorgesehenen Gelder für alle versprochenen Herrlichkeiten nicht reichen, auch nicht.

    In unserer Gegend im Schwarzwald müsste ein Kind lange wandern, bis es eine Gesamtschule vorfindet. (Die einzig vorhandene - Lender in Sasbach - bietet sehr gutes Essen für wenig Geld. Nur ist sie privat.) Bis dahin stolpert halt das kleine Annele barfuß in die nicht vorhandene Gesamtschule, hält die Schürze auf und wartet auf die Chips.

    Es wäre für Schwarz-Gelb wahrscheinlich einfacher gewesen, unter Hinweis auf die Rentner, die auch nichts kriegen, den Hartz-Vierlern einen schmalen Kniffmund hinzudrehen und gar nichts rauszurücken. Gewollt war aber nicht das pure Nichts, sondern dieses Nichts als höchstdenkbare Abfindung mit viel Wissenschaft als Brotbelag. Jeder soll sehen: Mehr gibt es nicht, solange wir und unseresgleichen oben sitzen.

    Das Schlimmste an der Tätigkeit unserer Hass- und Fleißpredigerin ist die zugehörige Verdummungsarbeit. Bekanntlich können selbst die heiligsten Verteidiger des Kapitalismus nicht ausschließen, dass - in immer kürzeren Abständen - Krise auf Krise folgen wird. Dann erneut: Abgeschobenwerden vieler genau in den Stand, den Leyen-Gläubige zu verachten jetzt angelernt und gedrillt werden.
    Bleibt man im Fernsehen vor den Ein-Uhr-Nachrichten irgendwo hängen, stößt man auf “Britt–. Von Mittag an klärt sie die tausend Nöte Liebender, die sich in der Regel misstrauen. War er / sie auch wirklich treu? Wurde da mit andern herumgemacht? Mit welchem Klebe-Effekt?

    “Britt– hilft: Der Mann mit dem Lügendetektor rückt an. Die Frage unweigerlich: Liebst Du Emilie von ganzem Herzen? Andere - vielleicht verzittertere - Neigungsformen kommen nicht in Frage.

    Die Antwort wird verkündet. Keinem Zweifel unterworfen. Und jetzt das Aufsehenerregende! Die Wissenschaft soll ja gelten, ob einer sie zur Kenntnis nimmt oder nicht. Ob jetzt Statistik oder Wahrheitsapparat.

    “Britt–
    aber hat immer viele Zuschauer als Publikum. Sie kennen sich offenbar nicht. Sitzen atomisiert nebeneinander. Um sich die Zeit zu vertreiben. Kaum aber wird das Blatt mit “Wahrheit– oder “Lüge– erhoben, erschallt durchdringender Jubel oder erbittertes Buhuh bei Lüge. Offenbar wird die Vorgabe des Apparats erst durch diesen Applaus wahr. Die Betroffenen selbst und die Menge der Zuschauenden unterwerfen sich blind dem Spruch. Im Gebrüll - für den Augenblick des Gebrülls - werden sie Gemeinschaft. Gemeinschaft der Unterwerfung.

    So kriegt v.d.Leyen selbst solche herum, die unweigerlich die nächsten sein werden. Gegenüber der “Wissenschaft– scheint Auflehnung kindisch. Und unverschämt. Welche Aussichten der Gegenwehr gibt es gegenüber der Lähmung durch solche  Verkleisterung?

    Auf den Bundesrat setzen? Mit einer Generalopportunistin wie Kraft? Sie wird triumphal einen Zuschlag von weiteren fünf Euro aushandeln, das als Erfolg verkaufen und besonders darauf hinweisen, dass sie mit ihrer endgültigen Zustimmung zum “Vernünftigen– der LINKEN im Land einen neuen verdienten Tritt verpasst hat. Solche Kreaturen verraten unterm schlimmsten Kopfnussgewitter noch, was sie zu vertreten behaupten.

    Das Gericht wird weitere fünf Jahre brauchen, bis es sich erinnert, was es mit seinem Rätselspruch eigentlich gemeint hat.

    Bleibt nichts, als die Hoffnung auf die langsame Auflösung der jetzigen Front der Leyengemeinde. Gott sei Dank darf man nur eine Stunde vor “Britt– verweilen und auch nur ein paar Fernsehtage lang vor Leyen. Sind von ihren Fans vielleicht doch noch ein paar zur Wirklichkeit des eigenen Lebens zu bringen, wenn man sie zum Beispiel bei ALDI erwischt und sie stehen mit leerem Kärtchen an der Kasse?
    cronjob