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Jens‘ Statement: Getroffen hat es mich, gemeint sind wir alle!

Wir hatten auf verschiedenen Kanälen, zum Beispiel hier (und da und dort Lesbar nur für Mastodon UserInnen) zur Solidarität mit Jens aufgerufen, der als Erzieher in einer Kita arbeitet und im Zentrum einer Hetzkampagne von AfD, CDU und Stuttgarter Nachrichten stand. Die breite Solidarität hat ihn vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bewahrt. An dieser Stelle dokumentieren wir seine Erklärung zur Sache:

"Vor etwa anderthalb Wochen erreichte mich im Urlaub die Kurznachricht einer guten Freundin: „Kennst du schon den Zeitungsartikel in den Stuttgarter Nachrichten?“, schrieb sie und schob nach „die CDU will, dass du deinen Job verlierst“.

Die SMS war der Anfang einer ereignisreichen Woche, in der viel über mich geschrieben und diskutiert wurde. In der Presse, in Teilen der Linken, aber auch in vielen Kita-Teams und Eltern-Chat-Gruppen. Auch wenn das Thema scheinbar geklärt ist (ich werde meinen Job behalten), möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich zu den Angriffen auf meine Person zu äußern.

Die AfD-Kampagne gegen mich verfolgt ein klares Ziel: „Seht her“, will sie sagen, „wer gegen uns aufsteht, den machen wir fertig. Also lasst es besser.“ Anstatt mir, hätte es auch viele andere treffen können. Gerade im Osten der Republik tut es das schon. Mein „Glück“ in den Fokus zu geraten war die Tatsache, hin und wieder mit Namen und Gesicht für das Linke Zentrum öffentlich aufzutreten und bei Kundgebungen gegen Rechts zu moderieren. So wird man zur Zielscheibe.

Die AfD will sich also eines Gegners entledigen, die CDU leistet Schützenhilfe. Das ist der eigentliche Skandal, und nicht die Tatsache, dass Linke in Kitas arbeiten. Doch den Stuttgarter Nachrichten (StN) liegt es fern, das zu beleuchten. Denn auch sie waren und sind Teil dieses Skandals –“ als willige Erfüllungsgehilfin der Rechtspopulisten. Diese Zusammenarbeit scheint ein Sinnbild dafür, wohin sich unsere Gesellschaft aktuell politisch entwickelt: Zurück in vergangen geglaubte Tage.

Die StN greifen in ihren Artikeln direkt die Argumentation der AfD auf –“ und sind sich nicht zu schade, ihreSchützenhilfe für die Rechtspopulisten auch noch als investigativen Journalismus zu verkaufen. Hauptquelle der StN scheint der verschwörungstheoretische, rechtspopulistische KOPP-Verlag zu sein. Die Zeitung mischt noch ein paar Halbinformationen von dem Geheimdienst bei, der jahrelang rechte Strukturen finanziert hat und aktuell bemüht ist, die Überwachung der AfD abzuwenden. Garniert wird das Ganze dann mit einer Prise BILD-Schreibstil. Bei derartiger Quellenlage ist das Endergebnis kaum verwunderlich, zumal nichts von dem, was vermeintliche „Recherchen“ zu meiner Person ergeben haben sollen, ein Geheimnis war.

Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für die mir entgegengebrachte vielfältige Solidarität bedanken. Viele Menschen haben ganz unmittelbar verstanden, dass es nicht um juristische Biografien geht, sondern um den Versuch, den Widerstand gegen Rechts mundtot zu machen.

Diesem Angriff mit Solidarität zu begegnen ist wichtig. Die Solidarität hat nicht nur mich gestärkt, sondern auch sichtbar gemacht, dass breite gesellschaftliche Kreise mit dem Schulterschluss zwischen CDU, StN und AfD nicht einverstanden sind. Solidarität heißt aber auch, selbst aktiv zu werden. Je mehr von uns Widerstand gegen Rechts organisieren, desto eher können wir den gesellschaftlichen Rollback zurückdrängen.

Und ja, manchmal müssen wir dabei unsere selbstgesetzten Grenzen überschreiten und zu Mitteln greifen die wir eigentlich ablehnen. Wenn Unterkünfte für Geflüchtete angezündet werden, Nazis sich bewaffnen oder der rechte Mob Hetzjagd auf MigrantInnen macht, dann reicht es nicht aus sich daneben zu stellen und zu sagen: „Das geht so nicht“. Diese Entwicklungen hält man nicht nur mit guten Worten und/oder gesellschaftlichen Mehrheiten auf. Wegzuschauen hat nie geholfen, nicht in den 30ern, nicht in den 90ern und das tut es auch heute nicht.

Es ist aktenkundig und wurde auch von den StN nochmal aufgewärmt, dass ich vor sechs Jahren mit dem Wurf einer Tränengaskartusche eine NPD-Kundgebung in der Stuttgart Innenstadt unterbrochen und einige Nazis zum Heulen gebracht habe. Dazu kann ich auch heute noch ohne Einschränkungen stehen.

Jene die hier dann von Gewalt sprechen, ignorieren, dass wir in einer Welt leben, die geprägt ist von Gewalt. Der Gewalt jener, die Menschen in Armut leben und sterben lassen, jener die Kriege und Fluchtursachen befeuern und Rettungsschiffe an ihrem Dienst hindern. Und es ist auch die Gewalt derer, die all das fordern, herbei schreiben, rechtfertigen oder verharmlosen. Auch wenn ich in meinem Job den Kindern gewaltfreie Konfliktlösung vermittle –“ es ist diese Welt in die ich sie entlasse.

Zu guter Letzt: An meiner Überzeugung ändern die Geschehnisse der vergangenen Woche nichts. Sie hätten auch nichts geändert, wenn sie mich meinen Arbeitsplatz gekostet hätten. Im Gegenteil. Was ich erlebt habe bestärkt mich auch weiterhin mit vielen anderen für eine Gesellschaft der Solidarität zu streiten und entschieden gegen die Gefahr von Rechts zu kämpfen. Entschieden heißt auch, den Konflikt nicht zu scheuen und klare Kante zu zeigen. Es fällt mir schwer, mir dabei Gerichte, die NSU-Mitglieder auf freien Fuß setzen, und eine Polizei, die Pegida hofiert, als die Instanzen vorzustellen, die anderen vorschreiben wollen, wie der Kampf gegen Rechts zu führen ist.

Ja, es gibt sie, die Menschen die sagen, dass es so wie es jetzt ist, nicht bleiben muss. Für die Profitgier und Ausbeutung nicht naturgegeben sind. Es gibt sie, die Menschen die gegen Sozialabbau und Neoliberalismus kämpfen, die sich für Geflüchtete einsetzen und rechte Märsche verhindern, die gegen die Zerstörung unserer Umwelt auf die Straße gehen und der Individualisierung, Solidarität und Kollektivität entgegensetzten. Sie arbeiten in Krankenhäusern, Fabriken, Schulen, studieren oder erziehen Kinder. Ich bin einer von ihnen. Daran ändern weder Rechtspopulisten, ihre journalistischen Helfershelfer noch Geheimdienste etwas."

Veröffentlicht am 27.08.2018

Leserbrief zum Artikel „Rechtsextreme zunehmend umtriebig“ Stuttgarter - Nachrichten Online/19.10.06

Leserbrief zum Artikel „Rechtsextreme zunehmend umtriebig“ Stuttgarter - Nachrichten Online/19.10.06

Kein Wochenende vergeht, an dem nicht irgendwo in Deutschland Neonazis aufmarschieren.

Unter menschenverachtenden Aufrufen wie „Rückflüge kosten 19 Euro - Integration Millionen (23.09. in Göppingen) oder „“Recht statt Rache –“ Revision der Nürnberger Prozesse“ (14.10. in Nürnberg) werden diese Demonstrationen oft von einschlägig bekannten Nazis angemeldet und in aller Regel auch genehmigt.

Das alleine ist schon skandalös und geht nicht widerspruchslos über die Bühne. So kann auch kaum ein Nazi-Aufmarsch ungehindert stattfinden. In den SN wird in diesem Zusammenhang von einem “Schema dieser Rechts-Links-Aufeinandertreffen“ berichtet.

In der realen Welt zeigt sich allerdings ein völlig anderes Bild:

Auf antifaschistischen Demonstrationen trifft man couragierte Bürger aus dem gesamten gesellschaftlichen Spektrum. Ob Gewerkschafter, Autonome, Mitglieder unterschiedlichster sozialer Organisationen, Christen, Angehörige von Migrantenvereinen bis hin zu Pfadfindern, Naturfreunden, Friedensfreunden und Anwohnern der Naziroute und immer auch Überlebende des Holocaust.


Bilderserie: Widerstand gegen den Naziaufmarsch in Göppingen am 23.9.2006

Glücklicherweise überlassen diese Menschen nicht den Nazis die Straße sondern zeigen allen Behinderungen und Repressalien zum Trotz Zivilcourage. Es wäre auch erschreckend, wenn braune Horden unwidersprochen durch die Straßen marschieren und ihre hetzerischen Parolen ungehindert herausbrüllen dürften.

Soweit darf es nicht kommen!

Die wachsende Brutalität, die im Bericht "insbesondere bei den Linken" gesehen wird, sieht man in der realen Welt seit Jahren bei den geistigen Erben des Dritten Reiches: Seit 1990 wurden über 100 Menschen von Rechtsradikalen umgebracht! Eine große Anzahl Menschen wurde zu Krüppeln geschlagen, schwer verletzt, bedroht, beschimpft, weil sie schwarz waren, behindert, auf der Straße lebten, oder einfach „anders“ waren. Die Gefahr durch Rechtsradikale zu Schaden zu kommen, ist für viele Menschen alltägliches Lebensrisiko.

Das gleichzusetzen mit der Wut und Empörung junger Menschen auf Demonstrationen gegen die Rechtsradikalen ignoriert die tatsächliche Gefahr. Denn diese Wut richtet sich gerade gegen die Verfechter des größten Terrors, dem ideologisch wieder der Boden bereitet wird.

Wo nach richterlicher Rechtsprechung „Ruhm und Ehre der Waffen SS“ straffrei verwendet werden darf, aber eindeutig antifaschistische Symbole zu Anzeigen und Verurteilungen führen; wo mit Begründungen wie "demokratische
Meinungsfreiheit/Versammlungsrecht" den größten Demokratiefeinden, den Werbern für ein neues nationalsozialistisches Deutschland von einem Riesenaufgebot oft martialisch auftretender Polizeikräfte der Weg freigeräumt und oft auch regelrecht freigeprügelt wird –“ da ist es wichtiger denn je, dass jeder demokratisch gesinnte Mensch eindeutig Stellung bezieht:

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!

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