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Stuttgart: Für die Umbenennung des "Hindenburgbaus" in "Willi Bleicher Bau"

Download des Flyers (PDF) durch Anklicken
An den Oberbürgermeister Fritz Kuhn
den Stuttgarter Gemeinderat
und die Landesbank Baden-Württemberg

Stuttgart, April 2015



Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,

Mit der Entscheidung des Stuttgarter Gemeinderates im Jahre 2010 auf Initiative hunderter Bürgerinnen und Bürger, Hindenburg aus der Ehrenbürgerliste der Stadt Stuttgart zu streichen und den Schriftzug Hindenburgbau am Gebäude der LBBW entfernen zu lassen, hat die Stadt ein richtiges und wichtiges Zeichen gesetzt.

Viel zu lange wurden Stuttgarts Gäste mit dem Schriftzug „Hindenburgbau“ direkt gegenüber dem Hauptbahnhof begrüßt. Ausgerechnet Hindenburg, der für einen wesentlichen Anteil an den Kriegsverbrechen der deutschen Armee im 1.Weltkrieg verantwortlich ist, dem Propagandisten der sogenannten Dolchstoßlegende und dem Steigbügelhalter Hitlers, der die Macht an die Faschisten übergeben hatte.

In diesem Jahr jährt sich mit dem 8.Mai 1945 der Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg nun zum 70. Male. Doch heute gewinnen fremdenfeindliche Ressentiments und ultrarechtes Gedankengut in Deutschland wieder an Boden, sind auch in Stuttgart und seiner Umgebung offen faschistische Organisationen aktiv. Auch eine zunehmende Militarisierung der Außenpolitik ist Grund zur Beunruhigung. Waffenexporte und Militäreinsätze im Ausland sind fast schon Alltag geworden.

Die Abschottung Europas vor den ausgelösten Fluchtbewegungen führt zu immer neuen menschlichen Katastrophen im Mittelmeer. Flüchtlinge, die „durchkommen“, sehen sich auch im reichen Deutschland oft einer unwürdigen Behandlung, Drangsalierungen und der Gefahr der Abschiebung ausgesetzt. Während die Vermögen in der BRD immer ungleicher verteilt sind, immer mehr Menschen arm trotz Arbeit sind oder nur prekär beschäftigt werden, versuchen rechte Ideologen gegen Ausländer oder Flüchtlinge zu hetzen.

Wir meinen, es wäre deshalb auch in Stuttgart an der Zeit, ein Zeichen gegen Krieg und Faschis mus zu setzen. Wie kein anderer steht der Stuttgarter Gewerkschafter Willi Bleicher für gelebten Antifaschismus und die Vertretung der Interessen der arbeitenden Menschen. Während des Hitler-Faschismus wurde Bleicher für seinen aktiven Widerstand inhaftiert und unter anderem ins KZ Buchenwald geworfen. Nach der Befreiung war er einer der bedeutendsten und offensivsten Gewerkschafter Baden-Württembergs und führte als langjähriger Bezirksleiter der IG Metall zwei große Streikaktionen zum Erfolg. Für seine konsequente Haltung steht auch sein Motto „Du sollst dich nie vor einem lebenden Menschen bücken“. (Siehe auch unten.)

Wir fordern, Willi Bleicher in die Liste der Stuttgarter Ehrenbürger aufzunehmen und den ehemaligen Hindenburgbau jetzt „Willi-Bleicher-Bau“ zu nennen und damit dem Kriegsgegner, Antifaschisten und Gewerkschafter Willi Bleicher ein ehrendes Andenken zu setzen.

Mit freundlichen Grüßen

Tom Adler, Siegfried Deuschle, Cornelia Geeve, Andreas Grüninger, Reiner Hofmann, Christa Hourani, Heidi Hummler, Heinz Hummler, Manfred Jansen, Dieter Lachenmayer, Konni Lopau, Klaus Mausner, Karl Reif, Paul Russmann, Uschi Schorlepp

Weitere Unterzeichner u.a. (Stand 16.4.15): Janka Kluge, Rainer Redies, Hannes Rockenbauch und alle StadträtInnen der Fraktionsgemeinschaft SÖS Linke PluS

Zur Person Willi Bleicher:
Willi Bleicher wurde am 27.10.1907 in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren und verstarb am 23.6.1981 in Stuttgart. Der DDR-Autor Bruno Apitz beschreibt in seinem Roman „Nackt unter Wölfen“ die Rettung eines kleinen polnischen Kindes durch eine Gruppe von Häftlingen im KZ Buchenwald. Für die fiktive Romanfigur des Kapos der Effektenkammer diente ihm Willi Bleicher, der sich unter großen Gefahren für die Rettung des Kindes eingesetzt hatte, als Vorbild.

Von 1959 bis zu seiner Rente leitete Willi Bleicher den IG-Metall Bezirk Baden-Württemberg. Er stellte das Wohl der Arbeiter über alles Andere und konnte sie massenhaft gewinnen, für ihre Interessen zu kämpfen. So führte er die großen Streiks um Tariflohnerhöhungen 1963 und 1971 trotz Massenaussperrung zum Erfolg. 1970 gelang es sogar, eine Lohnerhöhung (15,3%) über der ursprünglichen Lohnforderung (15%) durchsetzen! Dies wohl auch aufgrund der "Septemberstreiks" 1969.

1977 erhielt er die Carl-von-Ossietzky-Medaille, die für besondere Verdienste um die Verteidigung der Menschenrechte vergeben wird.
Die höchste Auszeichnung der baden-württembergischen Landeshauptstadt, die Bürgermedaille, wurde ihm 1979 verliehen. Der damalige Oberbürgermeister Manfred Rommel würdigte Bleicher mit den Worten: „In Willi Bleicher verbindet sich das Charisma des Arbeiterführers mit der Vernunft des Sachkundigen und der Menschlichkeit dessen, der mehr Unmenschlichkeit ertragen musste, als andere.“

TV Tipp: Nackt unter Wölfen 2015 / 1963

Premiere von «Nackt unter Wölfen», Kino Colosseum, Ost-Berlin, 10. April 1963. Bundesarchiv, Bild 183-B0411-0009-003 / CC-BY-SA. Licensed under CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons
Heute abend läuft um 20:15 in der ARD die Neuverfilmung des Romanes "Nackt unter Wölfen" von Bruno Apitz. Unbedingt ansehen! Wikipedia schreibt dazu:

"Der Roman spielt im Zeitraum Februar bis April 1945 im Konzentrationslager Buchenwald. Ein polnischer Häftling schmuggelt ein etwa dreijähriges Kind ins Lager. Das illegale Internationale Lagerkomitee (ILK), eine aus Kommunisten verschiedener Nationalitäten bestehende Widerstandsgruppe, beschließt, das Kind mit einem Transport in ein anderes Lager gehen zu lassen. Die Häftlinge Höfel und Kropinski, die in der Effektenkammer arbeiten, führen diesen Beschluss jedoch nicht aus und verstecken das Kind. Seine Entdeckung durch die SS hätte unweigerlich die Ermordung des Kindes und auch derer, die sein Leben bewahren wollen, zur Folge. Erst wird es in der Kleiderkammer, dann in einer Seuchenbaracke versteckt. Später wird es in einem Schweinekoben untergebracht. Durch das Kind gerät die gesamte Widerstandsbewegung in Gefahr. Dennoch nehmen mehrere Häftlinge große persönliche Risiken auf sich, um das Kind zu retten. Höfel und Kropinski werden wochenlang schwer gefoltert, ohne das Kind und ihre Kameraden zu verraten. (...)"

Die Rosa Luxemburg Stiftung veranstaltet eine Filmmatinée mit einer Einführung von Hermann G. Abmayr zur Verfilmung von «Nackt unter Wölfen» (DEFA 1963) am Sonntag, 12.04.2015 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr statt im RLS Regionalbüro Stuttgart, Stuttgart Ludwigstr. 73a 70176 Stuttgart. Dazu schreibt die RLS:

"Die ARD zeigte am 1. April zur besten Sendezeit eine Neuverfilmung des Romans «Nackt unter Wölfen» und eine Dokumentation über das KZ Buchenwald, in dem der Roman spielt. Anlass ist der 70. Jahrestag der Befreiung des Lagers vor den Toren von Weimar. Der Regisseur Frank Bayer hat den Stoff über die Rettung des «Buchenwald-Kindes» für die DEFA bereits 1963 verfilmt. Armin Müller-Stahl spielte darin als Kapo der Effektenkammer eine Hauptrolle. Vorbild für die Figur des Kapos war der Stuttgarter Buchenwald Häftling Willi Bleicher, im Nachkriegsdeutschland Gewerkschaftsführer und Gegenspieler von Hanns Martin Schleyer (Daimler).

Der Filmemacher und Bleicher-Biograf Hermann G. Abmayr wird einleitend über die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Romans in Ost- und Westdeutschland referieren.

«Das westdeutsche Publikum muss Nackt unter Wölfen erst mal kennenlernen. Der Roman ist den Lesern bisher weitgehend unbekannt» (DER SPIEGEL 13/2015)."

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