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Götz Aly: Selbstverdummung erfolgreich zu Ende geführt

In einem kleinen Meinungsartikel der "Frankfurter Rundschau" beweist Götz Aly, wie erfolgreich er den Prozess der Selbstverblödung zu Ende geführt hat. Selbstverblödung - weil Götz Aly seine schriftstellerische Karriere einmal scharfsinnig zusammen mit Karlheinz Roth begonnen hat. Und vor allem, weil er in seinen Untersuchungen zur Geschichte des Nazifaschismus damals gerade die Fähigkeit bewies, propagandistische Hüllwörter zu analysieren und zu zerlegen. So hatte "Endlösung" aus Nazi-Mündern zwar die einheitliche Begriffs-Seite - "Raus mit den Juden" - nicht aber in allen Fällen die Bedeutung: "sofort nach Auschwitz", hinter dem selben Wort konnten sich zahlreiche vorläufige und endgültige Handlungsanweisungen verbergen. Der damalige Götz Aly hat sie alle gewissenhaft und nachvollziehbar entschlüsselt.


Ganz im Gegensatz dazu nimmt er inzwischen eine journalistische Luftgeburt wie Kurbjuweits "Wutbürger" aus dem SPIEGEL für bare Münze. Er stellt sich, als glaube er wirklich, dass die Tabakfeinde in Bayern, die Sarrazinfans im ganzen Bundesgebiet, die Gesamtschulstürmer in Hamburg alle genau das gleiche wollten wie diejenigen, die derzeit unter übelsten Bedingungen gegen einen überflüssigen und schädlichen Bahnhofsbau in Stuttgart vorgehen.


Dass diese Haltung ausgesprochen eine "des gehobenen Mittelstandes" ist, phantasiert Aly sich begründungslos vor - beziehungsweise faselt es Kurbjuweit nach. Was haben die Leute, die sich in Stuttgart an Bäume ketten, wirklich gemein mit den Frischluft-Sniefern in Bayern?


Aly weiß es: Die Wut. Damit überzieht er alle, die gegen irgend etwas vorgehen, mit der weißen Salbe der Vereinheitlichung. Das Gefühl in uns wird von dem Gegenstand, der es auslöst, unbarmherzig wegseziert. Gefühl selbst ist schädlich. Eines ruhigen Wissenschaftlers unwürdig. Der beobachtet nur. Und zieht Schlüsse.


Deshalb auch sein Einleitungssatz: "Vor 70, 80 Jahren ließen bestimmte deutsche Politiker gern der Volkswut freien Lauf. Diese zerstörte die erste deutsche Republik und nicht nur die." Der ehemals analytische Erforscher der Befehlsstränge des Dritten Reichs verwendet inzwischen die Erinnerung daran genau wie die Feinde der Studenten 68, als er noch selber mitrannte.


In dem schmalen Rotbuch aus frühen Tagen schildert er seinen damaligen Rauswurf aus einer Stelle im Öffentlichen Dienst. Zugleich - wie der Titel schon sagt - sieht er sich als treuen Beamten, der für das empfangene Geld auch immerhin seinen Beitrag zur Erziehung / Zurichtung von Jugendlichen erbringt. Wie wir alle. Nur dass aus diesem Büchlein schon zart die Zuneigung zu den Verwaltenden spricht, die - auch wenn sie fehlgreifen - doch "das Gemeinwohl" im Sinn haben.


Angelika Ebbinghaus irrt wahrscheinlich, wenn sie des heutigen Aly Verkrümmungen auf die harte Zucht zurückführt, die diesem in einer K-Gruppe zuteil geworden sei. Ich tippe eher auf eine lang zurückgedrängte Staatsverehrung, die jetzt auf Alys ältere Tage voll zum Durchbruch kommt.


Dafür spricht genau das Gewürge in der FR, das man offenbar in diesen Kreisen als vollgültige Argumentation akzeptiert. Nachdem er tüchtig über die "Wutbürger" hergezogen ist, kriegt er heraus, was denen allen fehlt: Der Sinn fürs "Gemeinwohl". Wo die "Wutbürger" massiert auftreten, denen niemals nachgeben! Dann wird aufgezählt, was plebiszitär niemals durchgesetzt werden könnte.Weder "Rente mit 67" noch "Gehaltserhöhung für Beamte" - noch "irgendeine Straße" - noch"Kindergartenneubau".


Dass es einem so unverhofft das Hirn verhagelt! Und jede Erinnerung oben niedermäht! Die Studenten in Frankreich 68 waren doch gewiss so wütend wie nur irgend jemand. Nur - als der Protest sich ausbreitete, hatten sie zwar immer noch nicht de Gaulle gestürzt. Und nicht mehr Demokratie errungen. Was sie aber immerhin erreicht hatten und haben: Es wurden blitzartig neue Unis errichtet, im Rattenlauftempo. Zwar alle im Betonschnellverfahren - aber doch immerhin. Das gleiche gilt für Kindergärten. Nur Götz Aly kennt keine Demos für Unis oder Schulen. Dass er Rente mit 67 und Gehaltserhöhungen für Beamte an erster Stelle des Durchzusetzenden nennt, zeigt offen, was für ihn wirklich das Gemeinwohl ausmacht.


Nach dem Bisherigen ist klar, in wessen Nüstern Alys Rauchopfer aufsteigt. Er schwenkt das Weihrauchfass und endet seine Ausführungen wörtlich:
"Unsere Politiker nehmen uns Hunderte von Entscheidungen ab, die zu treffen wir ohne sie niemals in der Lage wären. Sie arbeiten Tag für Tag an den Kompromissen, in denen unsere unterschiedlichen Interessen halbwegs aufgehen. Sie verhindern blanke Selbstsucht, sie schaffen den Rahmen für zivilisiertes Leben. Die repräsentative Demokratie mit ihrem vielgliedrigen Staatsaufbau, ihrem Verwaltungsrecht, ihren Gerichten, gewählten Körperschaften und Repräsentanten ist viel besser als ihr Ruf. Angesichts des heimischen Wutbürgers ist es an der Zeit, unseren –“ im Übrigen nicht besonders gut bezahlten –“ Politikern schlicht und einfach zu danken."


Hosiannah, Mappus, der Du Millionen verbraten hast, ohne jemand im Landtag zu fragen! Hallelujah, Schröder, der Du Verarmung und Herabstufung sehr vieler mit diktatorischen Methoden durchgeprügelt hast! Heil, Götz Aly, der Du endlich verkündet hast, was "zivilisiertes Leben" bedeutet. Nichts anderes als Freude am Zwiebeln anderer, wenn man sein Schäfchen selbst im Trockenen hat.

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Kommentare

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A. TARIAN am :

SPATZENSCHISS, tippfehlerkorrigiert

Herr Güde, Sie schießen a) mit Ihrer Wortkanonade gegen ´n Spatzen: Herr Aly ist ebensowenig der alte Götz Aly wie der von Ihnen genannte Herr Roth der alte Karl-Heinz Roth ist; b) hat Herr Aly in seiner Polemik gegen die Apolitizität des "besseren" Mittelstands recht wie Sie in Ihrer Polemik gegen Alys Ausklang mit der Eloge auf "unsre" Berufs/Spitzenpolitiker; c) hat Herr Aly inzwischen akademisch, soll sogar Prof. sein (?), reussiert, ist im "establishment" angekommen, gönnen Sie ihm das doch bitte, d) sind m.E. diese ideologischen - žMittelstandsbubis- œ, wie sie kürzlich ein linker Linksparteikritiker nannte, hier konkret einer mit Prof.titel wie der Herr Brumlick viel bedeutender mit ihrem überwölbenden "linksliberalen" Medienbrei des umstandslosen Wir, wobei´s so ausschaut als ob e) diese Herren Mittelstandsideologen heuer grad dabei sind, sich über die Luxemburgstiftung in der Linkspartei/PDL festzusetzen ...

Aber das hat mit Herrn Aly nicht mehr zu tun ... oder etwa doch?

Fritz Güde am :

Vielen Dank für die schnelle Reaktion.
zu a: Götz Aly verdient größere Aufmerksamkeit als das immer schon flackernde Synagogenlicht Brumlik, weil er jahrzehntelang aufhellende analytische Arbeit geleistet hat. Wer das einmal konnte und es jetzt selber löscht, erschreckt. Ist es das Alter- ist es später Karrierismus- die ihn treiben? Jedenfalls: der ehemals gute Namen verdient doppelte Schärfe, um Leichtgläubige abzuschrecken ( Vergl. einen Mitjauchner wie Peter Schneider, der sich abwechselnd mit Aly in der FR prostituiert).-Von Brumlik war nie mehr als ein sekundenlang glimmendes Streichholzlicht zu erwarten.
zu b: Roth hat doch immerhin seine Untersuchungs-und Arbeitslinie weitgehend seit bald fünfzig Jahren durchgehalten, wenn er auch Positionen wie die in "andere Arbeiterbewegung" räumen musste. Der stellt ein ganz anderes Kaliber dar.
zu c: ich gönne Aly alles. Kann es dafür entschädigen, als Gespenst seiner selbst zu Lebzeiten herumlaufen zu müssen?
zu d: dass um solche Stiftungen wie die Mücken am Abend alle möglichen Begierigen herumtaumeln, wird unvermeidlich sein.Hier um des Lebensunterhalts willen Unterschlupf zu suchen, ist verzeihlich. Nicht aber Anwanzen bei auskömmlichem Auskommen aus purer Geltungssucht.
Mfg Fritz
PS: Die Hinweise auf "Mittelklassen-Protest" entstammen hier und anderenorts einer zu engbrüstigen Klassenanalyse. Wer in der gegebenen Situation mit den Massen mitdesnostriert, ist ein Bundesgenosse, egal, was er in künftigen Zeiten tun wird. Als Fischer in Frankfurt aktiv gegen die Polizisten antrat, war er nützlich. Hätten wir ihn in Voraussicht seiner künftigen Verbrechen damals aus den Demos vertreiben sollen?

Prof. Dr .A.Löffler/E.J.Tolzien-Berlin am :

Sehr geehrter Herr Fritz Güde,leider kann ich den Historiker Götz Aly nicht erreichen.Gern hätte ich Herrn Aly auf seinen
Artikel in der Berliner Zeitung vom 19.03.2013 Seite 4 Kolumne -Galoppierende Gedenkeritis geantwortet,aber leider finde ich
nirgendwo eine Adresse oder E-Mail von Herrn Götz Aly.
Es kann ja sein,dass Sie mir manchmal dahingehend weiterhelfen
können.Wäre Ihnen dafür sehr dankbar.

Mit besten Grüßen
Ihr Berliner Kreis Eike-Jürgen Tolzien

A. TARIAN am :

@Fritz Güde


Widerspreche Ihnen in vielem nicht, klar: weil Aly jahrzehntelang produktiv selbständig forschte mag´s besonders bitter sein, das jetzt in der FR (die auch nicht mehr die der späten 1960er/frühen 1970er ist - ¦ ist jetzt duMont-konzernig). Und auch zum Forschungs-"Kaliber" Roth kein Widerspruch.

Bei Fischer Ambivalenz: in der letzten SDS-neue kritik stand er wie Schmierer im Impressum (wenn mein Gedächtnis nicht trügt), aber auch: Ich fand´s schon damals nicht besonders mutig, ´nem am Boden liegenden "Bullen" in die Eier zu treten wie weiland - žder Joschka" von der frankfurter PUTZ-Truppe.

Aber auch ´n Nein: Wenn man (wie kürzlich der linke Linksparteikritiker Richard Albrecht) von linkspolitisch einflußreichen ideologischen "Mittelstandsbubis" mit und ohne Professorentitel spricht - dann find´ ich dies in den diversen Rosa-Luxemburg-Blättchen, zuletzt "Luxemburg", bestätigt und insofern auch´n nützlichen Hinweis.

Besten Gruß

A. Tarian

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