Zwangshandlung
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Artikel von Norbert Trenkle vom 16. Juni 2022 aus der Jungle World 2022/24 (via LabourNet)
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Artikel von Norbert Trenkle vom 16. Juni 2022 aus der Jungle World 2022/24 (via LabourNet)
Heute zeigen wir im Blogkino mit Filmen zum Thema Ⓐnarchismus den ersten Teil der dreiteiligen BBC Dokuserie "Atheism – A Rough History of Disbelief", in den Vereinigten Staaten bekannt als Atheism: A Brief History of Disbelief (Eine kurze Geschichte des Unglaubens). Die Serie ist eine 2004 von Jonathan Miller für die BBC geschriebene und moderierte Fernsehdokumentationsserie, die die Geschichte des Atheismus nachzeichnet. Sie wurde zuerst auf BBC Four ausgestrahlt und auf BBC Two wiederholt. In den USA wurde sie erstmals 2007 auf PBS ausgestrahlt.
Die Serie enthält Auszüge aus Interviews mit Arthur Miller, Richard Dawkins, Steven Weinberg, Colin McGinn, Denys Turner, Pascal Boyer und Daniel Dennett. Die Serie enthält auch viele Zitate aus den Werken von Atheisten, Agnostikern und Deisten, die alle von Bernard Hill gelesen werden.
Der größte Teil der Präsentation ist ein historischer Rückblick auf den Atheismus im Westen, wobei der Autor auch auf seine persönlichen Erfahrungen eingeht. Miller stellt fest, wie der Titel bereits andeutet, dass der Atheismus im modernen Westen erst vor kurzem öffentlich anerkannt wurde, wobei bis zu Baron d'Holbach (1723-1789) niemand bereit war, religiöse Überzeugungen rundweg abzulehnen. Er geht der Frage nach, warum d'Holbach nicht besser bekannt ist oder gefeiert wird.
Die erste Folge, "Shadows of Doubt", beginnt mit Miller im Lesesaal des Britischen Museums, wo er den Zweck der Serie beschreibt und einen kurzen Zusammenschnitt der Interviewpartner zeigt. Miller beginnt seine Reise in New York City und erklärt, dass die Anschläge vom 11. September 2001 "ohne Religion nicht denkbar" waren. Miller beschreibt weiter, wie er die Serie durchführt, um die Geschichte des Atheismus zu erforschen, aber er sagt, er sei eher "widerwillig", sich selbst als Atheist zu bezeichnen, weil "es kaum lohnenswert erscheint, einen Namen für etwas zu haben, das mir kaum in den Sinn kommt". Es folgt ein kurzer Zusammenschnitt von Menschen, die ihren Atheismus erklären: Sir Geoffrey Lloyd, Polly Toynbee, Gore Vidal, Steven Weinberg und Colin McGinn. Dann beschreibt Miller seine jüdische Erziehung in den Kirchenbänken der New London Synagogue in St John's Wood.
Um die Philosophie zu erforschen, worüber die Menschen reden, wenn sie über Überzeugungen sprechen, spricht Miller mit Colin McGinn, der feststellt, dass das Wort "Überzeugung" so unterschiedliche Dinge umfasst wie "Ich glaube, dass vor mir ein Tisch steht" bis hin zu "Ich glaube an die Demokratie", und der auch argumentiert, dass Überzeugungen eher dispositionell oder implizit sind als zufällig. McGinn erklärt weiter, dass sich die Frage nach den Überzeugungen nur dann stellt, wenn man mit einer Frage konfrontiert wird, die strittig ist, und nennt Religion und Politik als Beispiele. Miller stellt dann fest, dass es in der Politik anders als in der Religion darum geht, was sein sollte, während es in der Religion in erster Linie darum geht, was der Fall ist.
Miller stellt dann die Frage, ob es möglich ist, den Glauben freiwillig herbeizuführen (ein Thema, das Philosophen als doxastischen Voluntarismus bezeichnen).
Foto: Mathew Brady
Dann wird das halbe Dutzend noch lauter schreien. Einige angesehene Männer auf der anderen Seite werden vernünftige Argumente gegen einen Krieg vortragen, in Reden und Artikeln. Zu Anfang wird man ihnen zuhören und Beifall klatschen. Aber das wird nicht lange andauern. Jene wenigen anderen werden sie überschreien und prompt wird die Zahl der Antikriegsgegner schrumpfen und sie werden an Zustimmung einbüßen.
Binnen kurzem kann man etwas Sonderbares erleben: Diese Redner werden grob vom Podium gestoßen. Die freie Rede wird stranguliert von Horden wütender Männer, die den "Gesteinigten" eigentlich im Grunde ihres Herzens nach wie vor Recht geben, aber das nicht mehr zu sagen wagen.
Und nun stimmt die ganze Nation in das Kriegsgeheul ein - auch die Kirchen und überhaupt alle. Sie schreien sich heiser und verfolgen jeden Aufrechten, der sich noch traut, den Mund aufzumachen. Und schon werden auch diese zunehmend verstummen.
Als nächstes werden die Politiker billige Lügen erfinden und das Land, das angegriffen wird, anprangern. Und alle werden erleichtert sein. Denn diese Fälschungen beruhigen ihr Gewissen. Und sie werden sich sorgfältig damit beschäftigen und sich weigern, jedwede Gegenargumente auch nur zur Kenntnis zu nehmen.
Und am Ende wird jeder von ihnen sich Stück für Stück selbst einreden, dass der Krieg gerecht ist. Und Gott danken dafür, jetzt wieder ruhig schlafen zu können - nach diesem Prozess grotesken Selbstbetrugs."
Aus: "The Mysterious Stranger" von Mark Twain (1835 - 1910), 1916 veröffentlichte, unvollendete Schrift. Übersetzung: Eva Petermann, Hof, via Lebenshaus Alb
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Linke gezwungen, Position zu beziehen. Welche Haltung ist angesichts eines brutalen völkerrechtswidrigen imperialistischen Überfalls einer Großmacht angebracht, wenn sich dieser Angriff gegen ein Land richtet, in dem Oligarchen die Regierungspolitik bestimmen und Ultranationalisten Linke attackieren? Wie soll die Linke sich positionieren in einem Verteidigungskampf eines kapitalistischen Landes, das nicht von der Landkarte verschwinden möchte? In der Ukraine findet bekanntlich kein Aufstand der unterdrückten Klasse statt, so scheint es vielen Linken schwer zu fallen, für den Verteidigungskampf eines kapitalistischen Landes Partei zu ergreifen.
Ein Teil der Linken hatte seine Antworten auf diese schwierigen Fragen sehr schnell gefunden. Alle müssten ihre Waffen niederlegen, dann seien Krieg und Tod rasch vorbei, empfehlen die Pazifist:innen. Und die geopolitischen Strateg:innen haben sich auf die Rolle der USA respektive der Nato und ihres Anteils an diesem Konflikt fokussiert. Das eine hat mit der Realität jedoch wenig zu tun und vergisst, dass die Niederlegung der Waffen vor den faschistischen Schlächtern eines Ramsan Kadyrows und russischen Ultranationalist:innen Folter und Tod aller Aktivist:innen einer ukrainischen Identität bedeuteten. Das andere lässt außer acht, dass in Russland ein extrem autoritäres und nationalistisches, ideologisch am Zarenreich und der Neuen Rechten orientiertes Regime herrscht, ein imperialer Staat, der für die Unabhängigkeit aller Anrainerstaaten gefährlich ist.
Was diese und andere linke Kommentatoren des Krieges verbindet, ist, dass sie die Verhältnisse in Russland aus ihren Überlegungen weitgehend ausblenden und dass sie in ihre geopolitischen Analysen das begründete Recht der überfallenen Ukraine und ihrer Bevölkerung auf Eigenständigkeit völlig zu ignorieren scheinen.Viele Linke reden über diesen Krieg als globalem Ereignis, als Konkurrenzkampf zwischen Ost und West, so, als gäbe es da nicht noch dieses angegriffene Land und seine Menschen, die angesichts der Bedrohung durch die russische Armee eine nie gekannte Einigkeit zeigen. Linke Kommentatoren empören sich zurecht, dass die Bundesregierung die Gelegenheit beim Schopf packt und ein Milliardenprogramm für die Bundeswehr auflegt und dass nicht nur Rheinmetall Gewinne aus diesem Krieg zieht. Doch sie drücken sich vor der Frage, wie die Ukraine ohne westliche Waffenlieferung erfolgreich ihre Eigenständigkeit verteidigen kann. Sie verurteilen die beabsichtigten Nato-Beitritte Finnlands und Schwedens, ohne deren realistische Angst vor der aggressiven Politik des Putin-Regimes zu begreifen.
Am bedrückendsten aber ist, dass das Gros der Linken ihre eigenen Bündnispartner:innen in der Ukraine und in Russland nicht zur Kenntnis nimmt. Oder gar, was einer Ignoranz gleichkommt, sich anmaßt, ihnen Ratschläge zu erteilen, was jene zu tun oder zu lassen haben. Diese Sicht auf den Krieg wollen wir versuchen zu durchbrechen. Wir laden zu einer Veranstaltung ein, auf der den ukrainischen Linken eben keine weiteren Ratschläge erteilt werden sollen. Wir wollen erfahren, um welche Positionen sie selbst ringen, wir wollen ihre Fragen und Probleme zur Kenntnis nehmen, nicht zuletzt, um der Diskussion der Linken in Deutschland den internationalistischen Inhalt zu geben, der bisher weitgehend fehlt. Welche, auch unterschiedlichen, Haltungen nehmen ukrainische Linke zum „Kriegszustand“ ein, welche Funktion sehen sie für sich, welche Möglichkeiten solidarischer Unterstützung formulieren sie an uns? Redakteur*innen und Autor*innen der Zeitungen Analyse & Kritik und Jungle World haben in Lwiw an einem Treffen mit ukrainischen Linken teilgenommen, auf dem solche Fragen erörtert wurden. Uns scheint dies ein notwendiger Perspektivwechsel, der unsere eigene Haltung zu diesem Angriffskrieg auf den Prüfstand stellt.
Podiumsteilnehmer*innen:
Jan-Ole Arps, Redakteur Analyse & Kritik
Bernd Gehrke, Arbeitskreis Geschichte sozialer Bewegungen Ost West
Renate Hürtgen, Arbeitskreis Geschichte sozialer Bewegungen Ost West
Johannes Simon, Autor/Redakteur Jungle World
Natascha Lomonosowa, Socialnij Ruch
Oksana Dutschak, Commons (angefragt)
Am 22.06.2022
Um 20 Uhr
Im Buchladen Schwarze Risse
Gneisenaustr. 2a
2. Hinterhof
Metro-Station Mehringdamm
Eintritt: frei!
„Von allen Dogmen der bigotten Politik unserer Tage hat keine mehr Unheil angerichtet, als die, daß "um Frieden zu haben, man sich zum Kriege rüsten muß". Diese große Wahrheit, die sich hauptsächlich dadurch auszeichnet, daß sie eine große Lüge enthält, ist der Schlachtruf, welcher ganz Europa zu den Waffen gerufen und einen solchen Landsknechtsfanatismus erzeugt hat, daß jeder neue Friedensschluß als neue Kriegserklärung betrachtet und gierig ausgebeutet wird. (…) Sobald diese nebensächliche Erwägung von den diplomatischen Parlementairs <Unterhändlern> mit Hülfe des bewährten: "si vis pacem, para bellum <"willst du Frieden, rüste zum Krieg"> befriedigend erledigt ist, beginnt einer jener Zivilisationskriege, deren frivole Barbarei der besten Zeit des Raubrittertums, deren raffinierte Perfidie jedoch ausschließlich der modernsten Periode des imperialistischen Bürgertums angehört.
Unter solchen Umständen dürfen wir uns nicht wundern, wenn die allgemeine Disposition zur Barbarei eine gewisse Methode annimmt, die Unsittlichkeit zum System wird, die Gesetzlosigkeit ihre Gesetzgeber und das Faustrecht seine Gesetzbücher erhält.“
Karl Marx; Invasion! In: "Das Volk" Nr. 13 vom 30. Juli 1859
Heute vor acht Jahren hat sich Alex das Leben genommen...