
Die Bebilderung legt ihnen die Berliner Staatsanwaltschaft als Verwendung des „Kennzeichens“ eines verbotenen „Vereins“ und den Inhalt der Erklärung als „Unterstützung“ des vermeintlichen Vereins aus. – Dazu erklären die Betroffenen:
Krücke „Vereins“-Verbot
Das vom Bundesinnenministerium ausgesprochene „Vereins“-Verbot stellt eine Krücke dar, um die durch Artikel 5 Grundgesetz geschützte Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit und insbesondere das dort statuierte Zensurverbot zu umgehen. Selbst wenn die herausgeberische Struktur von linksunten.indymedia ein Verein (gewesen) wäre und die Verbotsgründe des Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz vorliegen würden (insbesondere Letzteres ist zu bestreiten), so würde es dennoch an jeder Rechtsgrundlage dafür fehlen, auch allen anderen natürlichen (Menschen) und juristischen (bestimmte Vereine und Gesellschaften) Personen die Verwendung der URL linksunten.indymedia.org und dessen, was das Bundesinnenministerium als das „Kennzeichen“ des vermeintlichen „Vereins“ ansieht, zu verbieten. Das, was das Innenministerium als „Kennzeichen“ des vermeintlichen verbotenen Vereins ansieht, ist in Wirklichkeit das einheitliche (((i)))-Logo des – nicht-verbotenen – transnationalen indymedia-Netzwerkes und die schlichte URL linksunten.indymedia.org in roter Schrift.
Mögen vielleicht auch einige in der Vergangenheit bei linksunten veröffentlichte Texte nach der Rechtsauffassung des Bundesinnenministeriums illegal gewesen sein, so sind aufgrund des vom Innenministerium ausgesprochenen Verbots auch zahlreiche unstrittig völlig legale Texte betroffen, die nun nicht mehr zugänglich sind; und vor allem beansprucht das Ministerium, das zukünftige Erscheinen des Mediums – egal mit welchem Inhalt – verbieten zu dürfen. Dafür fehlt es aber an jeder Rechtsgrundlage!
Zwar sind die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit gemäß Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz von „den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“ beschrankt. Aber es gibt auch dort schlicht und ergreifend keine Norm, die es dem Staat erlauben würde, das künftige Erscheinen von (bestimmten oder gar allen) Medien zu verbieten.
Zwar
- erlauben die Vorschriften zum Schutze der Jugend altersbezogene Vertriebsbeschränkungen;
- konstituieren die Vorschriften zum Schutze der persönlichen Ehre zivilrechtliche Löschungs-/Unterlassungs- und Schadenersatz- sowie staatliche Strafansprüche
und - erlauben die allgemeinen Gesetze die zeitweilige Sperrung von internet-Medien, um die Einhaltung von bestimmten Formvorschriften zu erzwingen (§§ 55, 59 II - VI Rundfunkstaatsvertrag).
Darüber hinaus beansprucht der Staat, auch bestimmte (politische) Äußerungen unter inhaltlichen Aspekten, die nicht die persönliche Ehre und nicht den Jugendschutz betreffen, bestrafen zu dürfen. Aber nichts davon stellt ein Komplett-Verbot eines bestimmten Mediums (oder gar aller Medien) pro futuro dar.
Bei Geltung des Grundgesetzes unüberwindliche Hürde: Das Zensur-Verbot
Solche einfach-gesetzliche Normen, die es erlauben würde, das künftige Erscheinen von Medien zu verbieten, wären im übrigen auch verfassungswidrig. Denn nur die Rechte aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 und 2 Grundgesetz, aber nicht das Zensurverbot aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz („Eine Zensur findet nicht statt.“) stehen unter dem Vorbehalt der Schranken des dortigen Absatz 2. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu – zurecht und eindeutig – entschieden:
„Das Zensurverbot soll die typischen Gefahren einer solchen Präventivkontrolle bannen. Deswegen darf es keine Ausnahme vom Zensurverbot geben, auch nicht durch ‚allgemeine Gesetze’ nach Art. 5 Abs. 2 GG. (BVerfGE 33, 52 - 90 [72 = DFR-Tz. 76])
Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden:
„The practice of banning the future publication of entire periodicals […] went beyond any notion of ‚necessary’ restraint in a democratic society and, instead, amounted to censorship.“
(https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22tabview%22:[%22document%22],%22itemid%22:[%22001-95201%22]}, Tz. 44)
„Die Praxis, die zukünftige Veröffentlichung eines ganzen Periodikums […] zu verbieten, geht über über jeden Begriff (jede Vorstellung) davon, welche Beschränkungen [der Meinungsäußerungsfreiheit] in einer demokratischen Gesellschaft ‚notwendig’ sind, hinaus, und ist Zensur / zählt als Zensur / läuft auf Zensur hinaus.“ (eigene Übersetzung)
Deshalb kann es heute nur eine Forderung geben: Das Verbot von linksunten.indymedia sofort aufheben!
Und ab morgen fordern wir wieder: Das Strafverfahren gegen uns einzustellen, denn wir haben kein „Vereins“-„Kennzeichen“ verwendet, sondern ein – vom Bundesinnenministerium ausgesprochenes – Verbot eines vermeintlichen „Vereins“ bildlich zitiert. Es gibt aber keine Norm, die das bildliche Zitieren von Verbotsverfügungen des Bundesinnenministeriums unter Strafe stellen würde!
Quelle: Erklärung vom 3. Mai 2019
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