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Kein Beileid

Das Buchcover zeig Henry Kissinger auf einem Stuhl, der alleine auf einer Bühne steht: Only the Good Die Young: The Verdict Against Henry Kissinger Wenn das amerikanische außenpolitische Establishment eine große Zitadelle ist, dann ist Henry Kissinger der Ghul, der in den Gängen herumspukt. Ein halbes Jahrhundert lang war er eine allgegenwärtige Figur in den Kriegsräumen und bei den Pressebesprechungen, die das amerikanische Imperium pflichtbewusst durch die aufeinanderfolgenden Runden der Wachstumsschmerzen schob. Für mehrere Generationen von Kriegsgegnern verkörperte Kissinger die Verderbtheit der amerikanischen Kriegsmaschine.

Die Welt, die Kissinger geschaffen hat, ist die Welt, in der wir leben, in der ideale Investitionsbedingungen aus dem Gewehrlauf erzeugt werden. Heute werden der globale Kapitalismus und die Hegemonie der Vereinigten Staaten durch das mächtigste Militär, das je erfunden wurde, abgesichert. Jede politische Vision, für die es sich zu kämpfen lohnt, muss ein Ende des Kreislaufs der nicht enden wollenden Kriege versprechen, der die Welt im 21. Und diesen Kreislauf zu durchbrechen bedeutet, die beiden Übel des Kapitalismus und des Imperialismus ins Fadenkreuz zu nehmen.

In diesem Buch folgt Jacobin Kissingers feurigem Weg um die Welt, nicht weil er das personifizierte Böse war, sondern weil er, mehr als jede andere öffentliche Figur, die Verbindungen zwischen Kapitalismus, Imperium und der Rückkopplungsschleife endloser Kriegsführung veranschaulicht, die uns heute plagt.

Rezension
Das Erscheinen der Zeitschrift Jacobin ist ein helles Licht in dunklen Zeiten. Jede Ausgabe bringt eindringliche, lebendige Diskussionen und Analysen zu Themen von echter Bedeutung, aus einer nachdenklichen linken Perspektive, die erfrischend und allzu selten ist. Ein wirklich beeindruckender Beitrag zur Vernunft und zur Hoffnung. -- Noam Chomsky

Jacobin ist sicherlich ein unwahrscheinlicher Erfolg, der von den radikalen Strömungen der Occupy-Bewegung und einem beißend satirischen, aber ernsthaften Stil getragen wird. -- Jennifer Schuessler - New York Times

Die Zeitschrift Jacobin gefällt mir sehr gut - sie ist explizit linksradikal und lehnt den liberalen Akkomodationismus ab. Es gibt vieles darin, dem ich nicht unbedingt zustimme, aber es ist erfrischend rigoros und polemisch auf eine wirklich zum Nachdenken anregende Weise. Es ist eine wirklich gut gemachte Publikation, fast schon übernatürlich gut. -- Chris Hayes

Buchbeschreibung
Nach dem Tod von Henry Kissinger wird sein Vermächtnis bewertet

Über den Autor
Jacobin ist eine führende Stimme der amerikanischen Linken und bietet sozialistische Perspektiven zu Politik, Wirtschaft und Kultur. Das gedruckte Magazin erscheint vierteljährlich und erreicht über 30.000 Abonnenten sowie 1.000.000 Internetnutzer pro Monat.

Only the Good Die Young: The Verdict Against Henry Kissinger
Paperback ‏ : ‎ 192 Seiten
ISBN-10 ‏ : ‎ 1788730305
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-1788730303

Ein Rant auf meine "lieben Nachbarn"

Liebe Nachbarn, jahrelang haben wir Euch und Euer Verhalten ertragen. "Euch und Euer Verhalten" ist für uns und andere hier gleichbedeutend mit Ignoranz, Selbstsucht, Rüchsichtslosigkeit, kurz: Wohlstandsverwahrlosung. Dass wir Euch nicht längst die Türe eingetreten haben, hängt vor allem mit unserer guten Erziehung und - zugegebenermaßen - mit falschen Illusionen über die Solidarität der Menschen untereinander - zusammen. Wie oft haben wir Euch über Jahre hinweg gebeten

  • nicht jedes gottverdammte Heimwerkergerät, das gerade in irgendeinem Baumarkt für Lau rausgehauen wird, ausgiebig und vor allem Samstag nachmittags oder an irgendwelchen anderen Feierabenden "open end" zu erproben. Auch vor Sonntagen oder Feiertagen hattet Ihr und Eure Abkömmlinge irgendeinen Respekt.
     
  • Eure verdammte Brut im Zaum zu halten, damit die eben nicht über Wochen auf Eurem Balkon hocken, brabbelnd nicht mehr wissend, was sie machen, ihre Bongs rauchen, herumzukrakeelen und mit ihrer Boombox und Mucke allerunterster Schublade (Ihr wisst schon, hab isch dicke Hose, Bitch isch fick disch Rap) das Quartier zu beschallen. Wenn Menschen sich darüber auf Zuruf beschweren, gibt es Beleidigungen und Drohungen zurück, gerne auch von "Gästen" des Hauses. Auf der anderen Seite entblödet sich Euer Nachwuchs nicht, spielenden und lärmenden Kindern aus der Nachbarschaft mit "Halt endlich die Fresse!" ganz handfest zu drohen. Und Ihr seht bei alldem zu und sagt - nichts.
     
  • Euch nicht hinter der glatten Lebenslüge "in meiner Eigentumswohnung / haus / whatever" darf ich, was ich will und wie laut ich will und vor allem, wann und wie lange ich will machen, zu verstecken. Auf der anderen Seite kommt Ihr mit der platten Entschuldigung um die Ecke, laut der alles vor 22:00 erlaubt ist. Was natürlich durch keinerlei "geltendes Recht" gedeckt ist.
     
  • auf Bedürfnisse anderer, die z.B. ihre Ruhe wollen, oder auch darauf angewiesen sind, wie Schichtarbeiter, Pflegepersonal usw. auch nicht das mindeste an Rücksicht zu nehmen, sondern darauf zu Scheißen. Kein Problem habt Ihr damit, Euch morgens um 03:00 auf Euren Balkon zu stellen und laut herum zu proleten. Mit "laut" meine ich "laut". Denn: seit Jahren können wir nur mit Ohrstöpseln schlafen. Schon allein deswegen gehört jedem von Euch der Weg durch die Schellengasse gezeigt.
     
  • Eure Debatten über Euer armseliges Leben bitte hinter verschlossenen Türen und Fenstern zu führen. Während ich diesn Beitrag blogge, ist es wieder so: Geschrei aus Eurer Bude, mit Inhalten, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Denn: Euer Lebensbild dringt auch nach außen. Da sind Eure nächtelangen Ballersessions auf Eurer ach so coolen Leinwand mit Eurer ach so coolen Playstation nur ein selbstverständlicher Teil des Bildes, das Ihr nach außen abgebt und für das ich nicht auf meinen Mittags- oder Nachtschlaf verzichten möchte. Für kein Geld der Welt.

Tja, Leudde. Irgendwie war das hier mal ganz anders. Und es nervt mich - das sage ich hier gerne auch öffentlich - daß ein Weg, diesen Konflikt zu umgehen, für uns inzwischen der ist, nach fast 30 Jahren dieses Quartier perspektivisch zu verlassen. Allerdings, nicht ohne Euch vorher noch ordentlich eines reinzudrücken. Denn wir wohnen hier im Grundsatz gerne und haben schließlich Unsummen an Kohle und Arbeit in die Bude hier investiert, die wir nun "abschreiben" können. 

Gerade auch in Zusammenhang mit der jahrelang nur heruntergeschluckten Wut über Euer Scheiß Verhalten haben wir allerdings, was positiv ist - neue und gute Verbindungen zu Nachbarn und auch kommunal geknüpft. Cool. Die Nachbarn kotzt Ihr auch an. Auch die haben schon versucht, Euch nahezbringen, daß hier noch andere Leute wohnen. Ihr verhaltet Euch dahingehend trotzdem wie unter Vollnarkose.

Wie auch immer:  Es dürfte jedeM klar sein, der sich mit uns anlegt, daß wir - wenn es reicht - keine Skrupel kennen. Das haben wir bereits in ganz anderen Konflikten unter Beweis gestellt, auch wenn es sich damit bislang stets um Konflikte mit "dem Staat" gehandelt hat, auch wenn wir hier  aus Gründen andere Mittel angewandt haben. Denn - bei allem Haß, der sich bei uns mittlerweile aufgebaut hat - wir rechnen Euch eher zum Lumpenproletariat denn zu staatlichen oder sonstigen Ecke. Das macht es nicht weniger schlimm.

Bei wem ich mich eher nicht bedanke, sind eine Reihe "Genoss:Innen", die uns vor allem nicht konkret sagen konnten, was sie denn in der Situation machen würden: "Unkalkulierbarer, vermeidbarer Lärm von 08:00 bis oft über 23:00 hinaus, bei Bedarf auch Nachts". Die schlimmsten sind die, die uns zum Aushalten aufgefordert haben. Weil es ja so schön sei, in der Provence oder sonst wo am Arsch der Welt wo sie die örtliche Folklore mitgenommen haben als coolen Event, selbst aber in Halbhöhenlage oder anderer recht ruhiger Lage wohnen.

Gespräche mit Leuten, die es wissen sollten, haben denn auch so verschobene Vorschläge erbracht wie: Die "Nachbarn einladen, mit ihnen sprechen damit sie selber hören / sehen, wie laut es bei Ihnen ist." Drauf geschissen. Die "lieben Nachbarn" wissen es im Grunde ganz genau und wenn ich mit ihnen rede, sehe ich, daß sie überhaupt nicht verstehen, was ich von ihnen eigentlich will. Das ist jedoch deren Dilemma oder kognitive Dissonaz "Normalität". Ich muss sehen, wie ich damit klarkomme.

Genoss:Innen von mir und sehr liebe Freund:Innen wohnen in änlicher Lage. Deren Altruismus geht so weit, daß sie jeglichen Protest eingestellt haben, obwohl das auch pädagogisch das völlig falsche Signal gegen solche infantilen Eskalationen ist. Ok, da ist eine Student:Innen WG das Problem. Und ok. ich weiß, es gibt Kreise in dieser Gesellschaft, wo eine Party, bei der Keine Bullen aufgekreuzt sind, keine "gescheite Party" war. Den Freund:Innen geht es deswegen nicht besser, im Gegenteil. Denn so etwas nagt an eine:M, zerfrisst das in diesen Zeiten sowieso lädierte Menschenbild und untergräbt - ganz praktisch - die Grundlagen für ein halbwegs erträgliches Zusammenleben im Kiez. Was im übrigen - elementare Grundvoraussetzung ist für einen gemeinsamen Streit gegen die herrschende Gesamtscheiße.

Sei's drum. Ich will hier nicht rumlabern. Wir haben als erstes eine Anzeige bei der Ordnungsbehörde der Stadt Esslingen gestartet. Macht 150€ für die lieben Nachbarn, gesetzt den Fall, sie akzeptieren. Und ändern ihr Verhalten. Wenn nicht: Zivilklage auf Unterlassung. Protokoll der Belästigungen führen wir bereits. Hatten wir auch 2019, aber damals abgeblasen - wegen Altruismus. Sprich: Weil Ihr mal ein paar Wochen ruhig wart. Das hatte aber damals dazu geführt, daß es uns schlechter ging wie je zuvor und Ihr Eurer Ding durchgezogen habet. Gab ja niemanden, der Euch daran gehindert oder sonstwie Einspruch eingelegt hätte.

Bittere Kiste. Ich hätte mir in meinem Leben nie geträumt, mal auf den Staat in so einem "inneren Widerspruch der Arbeiterklasse" zurückgreifen zu müssen. Aber das Leben ist kein Schlotzer und wie Adorno schon sagte: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen".

Gerade deshalb nochmal, auch wenn Ihr das vermutlich nicht lesen werdet: Fuck you! Packt Euren Scheiß zusammen und haut aus unserem Kiez ab! 

Revenge of the Zombies. Ein kurzer Rant zu den #Covidioten in #Stuttgart und anderswo.

The Yards. Schlachthöfe in Chicago, 1941 - Foto von John Vachon
Lizenz: Gemeinfrei
Eines ist offenbar in diesem Land so klar wie Kloßbrühe: Die rechte Scheiße reproduziert sich ohne große Umstände spontan wie von selbst. Die tiefe Sehnsucht nach "einfachen" Lösungen, egal wie irrational, überwiegt zumindest bei den zahlenmäßig sichtbaren Corona LeugnerInnen aller Couleur. Wie sonst ist es zu erklären, daß - obwohl nur wenige hundert Meter vom reaktionären Geschehen auf dem Cannstatter Wasen entfernt ein Bündnis für positive, solidarische Antworten demonstriert - die bundesweit wohl größte "Schwurbeldemo" gegen das Coronavirus stattfindet? Vermutlich ist den dortigen TeilnehmerInnen die Demo für Solidarität. Freiheitsrechte. Klare Kante gegen Rechts. so was von Scheißegal gewesen.

Dazu ein kurzer Rant, der mir heute Nacht durch den Kopf ging, und den ich zu später Stunde auch auf Twitter von mir gegeben habe.

Vor ein paar Tagen hat sich kein Mensch für die Zustände in den Schlachthöfen interessiert. Außer ein paar Veganern vielleicht, aber das sind ja irgendwie sowieso Terroristen. Inzwischen ist das Aufmacher in der Tagesschau. Aber nicht unbedingt aus Mitleid mit den Tieren. Oder den ArbeiterInnen bei Westfleisch usw.

Die Situation in den Schlachthöfen ist jedoch schon immer so - nicht etwa erst seit Brechts Heiliger Johanna der Schlachthöfe - und hat das schlechte Gewissen noch nie wirklich gestört. Aber - und deswegen reagieren jetzt alle empört, als sei das eine Neuigkeit - das Zauberwort heisst "systemrelevant". Auf deutsch: wichtig im Sinne der kapitalistischen Verwertungslogik. Überspitzt? Eher nicht, wer redet den noch von den rumänischen Spargelerntehelfern?

Sprich: die Frage, wer oder was ist warum in der Coronakrise systemrelevant stellt sich die Tage nicht nur in den Schlachthöfen sondern auch in der Automobilindustrie, den Friseuren, den in der Pflege Beschäftigten usw. und vor allem dem Personal, das dort traditionell ausgiebig ausgebeutet, über das aber gleichzeitig weniger in den Medien berichtet wird. So wird eigentlich immer deutlicher: Die Coronakrise ist im Grunde eine Krise des kapitalistischen Systems, in der die Fähigkeit zur Reproduktion seiner Produktivkräfte immer destruktiver in den Abgrund gerissen und die Lebensgrundlagen zerstört werden.

Nur wird diese Klassenfrage schon immer nicht unbedingt "bewußt" gestellt und auch nicht vom revolutionären Subjekt der Begierde. Wir erleben dieser Tage die diffuse Suche nach einer Perspektive und Antworten, die per se nicht schlecht, sondern normal ist. Leider fällt die revolutionäre Erkenntnis nicht vom Himmel, denn das Sein bestimmt das Bewußtsein und es gibt mindestens dreimal soviele Meinungen, wie es verschiedene Medienberichte, Kommentare usw. gibt, die mehr oder weniger dazu geeignet sind, klare Sicht zu bekommen. Eher weniger, denn beispielsweise die saudumme Forderung, man möchte endlich Lockerungen kam weniger von den Betroffenen selber, sondern es waren Interessen und klare Ansagen aus "der" Industrie. Das fatale Signal wurde dann sogleich von den Dumpfbacken richtig verstanden und so gleich begierig in die Tat umgesetzt und so strömten nach dem Chaos, das die Ministerrunden von sich gaben, die Massen zuhauf in die Parks und die lieben Kleinen mit jeweils 1,5 Meter Abstand in die Schulen.

Über diesen Umstand klagen hieße Eulen nach Athen zu tragen. Es wäre auch zu schön um wahr zu sein, wenn eine Klasse in einem Kernland des Kapitalismus, die seit über 100 Jahren mit Revolution nichts am Hut hat, über Nacht alle Prägung über Bord wirft.

Denn gemessen an der Masse der Menschen ist die Zahl der Corona Leugner und anderer Reaktionärer immer noch eine widerliche, laute und sehr unangenehme Minderheit, die für meinen Geschmack noch deutlicher diskriminiert werden muss. Denn das, was die machen, ist kein Spaß: "Die Situation wird sich so entwickeln, wie es dieses Virus tut: Dem Virus ist völlig egal, wer da demonstriert und was die Leute denken; im Gegenteil. Es wird sich weiter verbreiten und mit Demos wird sich die Pandemie nicht beruhigen." (Miss Freethinking)

Angesichts der Reproduktionsfähigkeit der Dummheit der Covidioten möchte ich behaupten, dass die radikale Linke sich mal aus dem Acker der jahrelang gemütlich gepflegten Subkultur aufmachen und aufhören sollte, die rückständigen Teile der Menschheit als Maßstab für das eigene Selbstbewusstsein zu nehmen. Denn ob aus den schon von Marx postulierten gefesselten Produktivkräften dann tatsächlich "eine Epoche sozialer Revolution" eintritt, ist weder ausgemacht, noch sicher, sondern hängt in entscheidenden Maße von der Bereitschaft eben der radikalen Linken ab, sich darauf wirklich einzulassen: Entweder haben wir eine positive Perspektive gegen dieses gesellschaftliche Jammertal oder es bleibt die revolutionäre Gartenlaube. Gerade in diesen Zeiten der Coronakrise verengt sich alles auf die Kernfrage: Klasse gegen Klasse. Hört sich altbacken an, ist aber so. Meine Hoffnung ist deshalb bei den paar Hundert Menschen, die sich gestern am Kursaal in Bad Cannstatt für Solidarität. Freiheitsrechte. Klare Kante gegen Rechts. gestellt haben.

Denn ansonsten - um den Rant mit Kanzlerin Merkel abzuschließen - "... können wir einpacken." Zumindest, wenn die "Systemrelevanten" sich den Kern des Begriffs nicht zu eigen machen und hm, ich sag es mal so - die Machtfrage stellen. Prophylaktisch natürlich und organisiert.

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