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Zur Anhörung des Hauptbelastungszeugen der Geheimdienste im Prozess wegen §129

Anläßlich der Anhörung des Hauptbelastungszeugen der Geheimdienste im Stuttgartert Verfahren gegen 5 angebliche Mitglieder der DHKP-C fand gestern eine Kundgebung vor der JVA Stuttgart - Stammheim statt.

Zum Verfahren veröffentlichte das "Komitee gegen §129" und die "Initiative gegen §129 und Repression" folgende Presseerklärung:

Seit heute findet im politischen Schauprozess in Stuttgart-Stammheim gegen die nach den Anti-Terror-Paragraphen 129, 129a und 129b angeklagten Mustafa Atalay, Ahmet Düzgün Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Hasan Subasi die Anhörung des ehemaligen Doppelagenten Hüseyin Hiram statt.
Die Angeklagten, die sich seit November 2006 bzw. April 2007 in Haft befinden, werden beschuldigt Mitglieder der in der BRD seit 1998 verbotenen und seit 2002 auf den US- und EU-Terrorlisten geführte Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C zu sein.

Haft-und Prozessbedingungen sowie Gesundheitszustand der Gefangenen

Die 5 Angeklagten, die sich seit ihren Verhaftungen im November 2006 bzw. April 2007 in Isolationshaft befinden, sind massivster Willkür und Schikanen seitens des Gerichtes ausgesetzt. So müssen die Angeklagten bei Unterbrechungen der Hauptverhandlungen in den sich unter dem Verhandlungssaal befindlichen Zellen Fußfesseln tragen und sich nach jeder Zusammenkunft mit den AnwältInnen entkleiden und durchsuchen lassen. Desweiteren gab es die Androhung, Glaskästen im Gerichtssaal einzurichten, um die Angeklagten während des Prozesses voneinander zu isolieren und gleichzeitig den für die Verteidigung wichtigen Austausch zwischen Angeklagten und AnwältInnen zu unterbinden. Der Angeklagte Ilhan Demirtas, der in dem Zeitraum vom Mai 2007 bis Juli diesen Jahres von drei unabhängigen Ärzten untersucht und behandelt wurde und die ihm die Anzeichen einer Psychose oder zumindest eine starke psychische Erkrankung attestierten, bekommt seitdem starke Neuroleptika, deren Nebenwirkungen ihn stark belasten. So beklagte er sich über eine starke innere Unruhe, Zittern in den Extremitäten und permanente dauerhafte Deja-Vu Erlebnisse. Auch äusserte er Selbstmordgedanken. Trotz der Atteste wird ihm vom nur scheinbar neutralen Gutachter vorgeworfen, er würde seine Beschwerden simulieren um eine Erleichterung der Haftbedingungen erwirken zu können. Gegen ihn wurde von der Verteidigung ein Befangenheitsantrag gestellt. Der gesundheitliche Zustand des Angeklagten Mustafa Atalay, der am 15. November 2006 nach einer Herz-OP von einer Rehaklinik heraus verhaftet worden war, ist immer noch ernst und er benötigt eine weitere Herzoperation, damit die in der Haftzeit verstopften Herzgefäße geöffnet werden können. Momentan bekommt er 10 verschiedene Medikamente am Tag, die ihm die Verfolgung der Verhandlung zusätzlich erschweren.

Kriminalisierung legaler Tätigkeiten

Den Angeklagten werden hauptsächlich in der BRD vollkommen legale Aktivitäten wie das Sammeln von Geld oder das Organisieren von Veranstaltungen wie Konzerte oder Picknicks vorgeworfen. Ein von der Staatsanwaltschaft vorgelegtes Konstrukt, dass die legale demokratische Arbeit in der BRD in Zusammenhang mit einer verbotenen Organisation stellt, ermöglicht dem Staatsapparat mittels des neuen §129b die Kriminalisierung bisher vollkommen legaler Aktivitäten. Demnach dienten laut Staatsanwaltschaft Aktivitäten wie das Sammeln von Spendengeldern, das Organisieren von Veranstaltungen, die Mitgliedschaft in Vereinen oder der Besitz und die angebliche Verbreitung der legalen Publikation Yürüyüs (wöchentliche Politzeitschrift, die in der Türkei legal erscheint) dem Zweck, den bewaffneten Arm der DHKP-C in der Türkei zu unterstützen.
Der einzigste Anklagepunkt, der in der BRD strafbar wäre, ist ein angeblicher Waffenschmuggel, den nur der ehemalige Doppelagent Hüseyin Hiram bezeugen könne.

Berechtigte Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Zeugen Hiram

Der türkische Staatsbürger Hüseyin Hiram hat seit Frühsommer 2002 für den türkischen MIT (Nationaler Nachrichtendienst) gearbeitet und wurde wegen dieser Geheimdiensttätigkeiten in Koblenz zu einer Bewährungsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Von März bis September 2002 war Hüseyin Hiram dann auch für den Verfassungsschutz in Rheinland-Pfalz tätig.
Nach dem angeblichen Waffenschmuggel, den er für die DHKP-C im Jahr 2002 durchgeführt haben soll, hat Hüseyin Hiram Aussagen gemacht, die die Angeklagten im Stammheimer Prozess belasten.
Laut eines Gutachters soll Hüseyin Hiram allerdings anschließend psychisch erkrankt sein und sei nur beschränkt vernehmungsfähig. Seine Glaubhaftigkeit wird selbst vom Gutachter teilweise bezweifelt. Hüseyin Hiram leidet an Wahnvorstellungen und bekommt starke Medikamente zur Behandlung von akuter oder chronischer Schizophrenie. Er nimmt insgesamt 20 bis 30 Tabletten (vier verschiedene!) am Tag welche konkret auch die Wirkung haben seine Erinnerung zu gängeln, zu zügeln. Dies schlägt sich in all seinen Aussagen nieder. So war er in der heutigen Verhandlung nicht in der Lage eine zusammenhängende Erklärung abzugeben und erinnerte selbstständig weder die angeblichen Tathergänge noch seine diesbezüglich bereits getätigten Aussagen. Insgesamt redete er sehr wirr und wiedersprach sich in der laufenden Befragung durch den Senat mehrfach. Generell redete er nie selbständig und reagierte nur auf die Fragen des Richters die so gestellt waren das sie die Richtung und die Inhalte der Antworten bereits suggerierten. Dabei gibt sich das Gericht immense Mühe dabei, die Fragen so zu formulieren, dass Hiram nur noch ja oder nein zu sagen braucht. Hierbei erweckte Hiram den Eindruck, als würde er auf bestimmte Signalwörter vorgefertigte Antworten geben.
Auch hegt der Zeuge eine offentsichtliche Abneigung gegenüber den Angeklagten. So beleidigte er die Angeklagten in Gegenwart seines Gutachters als Hurensöhne und sagte, dass er dafür sorgen werde, dass die Angeklagten "lebenslang in den Knast gesteckt würden". Schon zu Beginn dieses Verhandlungtages war der Zeuge sehr aufgeregt und pöbelte sowohl in die Richtung der Angeklagten als auch in den Zuschauerraum. Bei der Aufnahme seiner Daten gab er als Beruf an "Krieger" zu sein und antwortete auf die Frage des Vorsitzenden ob er verwandt oder verschwägert mit einem der Angeklagten sei: "Nein, ich stehe in Feindschaft zu ihnen."

Eine Marionette der Justiz

Die Anhörung des Zeugen Hiram führte eindeutig vor Augen, dass die Justizfarce nicht abreisst, sondern trotz aller Lächerlichkeiten fortgesetzt wird. Denn nach den Anhörungen der Zeugen vom BKA, die allesamt ebenfalls nichts Konkretes Aussagen konnten, da sie nie selber ermittelt hatten und sich lediglich auf vorgefertigte Berichte stützten, kann auch der einzige eigentliche Zeuge Hiram, der Hauptbelastungszeuge des Verfahrens ist, nichts selbständig zum Prozess beitragen. Es ist bezeichnend, dass die Justiz offentsichtlich wirklich alles tut um diesen Präzedenzfall durchzupauken und sei es sich auf die Aussagen eines mit Tabletten vollgepumpten, psychisch kranken, voreingenommenen und geistig wirren Menschen zu stützen.

Es liegt offen auf der Hand, dass das Gericht diesen Prozess trotz aller Lächerlichkeiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortsetzen und mit Verurteilungen beenden möchte. Das Wort "Recht" hat in diesem politischen Schauprozess keine Geltung mehr und die Geheimdienste können frei walten. Bezeichnend ist auch die Aussage des Gerichtsvorsitzenden zum heutigen Prozesstag: "Wir haben jetzt eine erste Phase geschaffen, damit der Zeuge zu einer vollständigen Aussage geführt werden kann." Allein dieser Satz, bei der die Betonung auf dem Wort "führen" liegt, macht deutlich, dass der Zeuge Hiram durch das Gericht zur Schaffung des Präzedenzfalls instrumentalisiert wird. Damit schafft sich der Staat die rechtlichen Mittel zur Kriminalisierung von Widerstandsbewegungen auf der ganzen Welt, die gegen die bestehenden Ausbeutungs- und Unterdrückungssverhältnisse kämpfen.

Widerstand ist kein Terrorismus!!!

Dieser politische Prozess, der sich ganz klar im Rahmen des sogenannten "Kampfes gegen den internationalen Terrorismus" abspielt, muss von der Öffentlichkeit wahrgenommen und von den fortschrittlichen Kräften dieses Landes hinterfragt werden. Diese Justizfarce, die die angebliche "Rechtsstaatlichkeit in der BRD" offen vor Augen führt, wird im Falle einer Verurteilung weitreichende Konsequenzen für migrantische Organisationen und die internationalistische Arbeit haben. Mit dem international abgestimmten Angriff der kapitalistischen Welt, der sich auf allen erdenklichen Ebenen vollzieht und sich u.a. in Armut, Kriegen, Anti-Terror-Gesetzen und -listen zeigt, soll der Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse präventiv bereits im Keim erstickt werden. Der aktuelle Prozess soll dem deutschen Staatsapparat dazu dienen, mit dem 2002 eingeführten §129b, der die "Mitgliedschaft, Unterstützung und Werbung für eine ausländische terroristische Vereinigung" unter Strafe stellt, einen Präzedenzfall zu schaffen. Denn der aktuelle Prozess in Stuttgart-Stammheim ist der erste große §129b-Prozess gegen eine linke Organisation. Der §129b würde es dem deutschen Staatsapparat ermöglichen, die Unterstützung der Kämpfe in anderen Teilen der Erde zu kriminalisieren, egal ob es sich dabei um Kämpfe gegen Besatzungen oder Faschismus handelt.

Als Komitee gegen §129 erklären wir, dass wir weiterhin die den Prozess begleiten, uns für die Abschaffung der §129, 129a und 129b einsetzen und für die Freiheit der politischen Gefangenen kämpfen werden. Wir rufen ein weiteres Mal die fortschrittlichen Kräfte dazu auf, die anstehenden Prozesstage in Stuttgart-Stammheim zu beobachten und sich gegen die undemokratischen Anti-Terror-Gesetze zu stellen.

Weg mit §129, 129a und 129b!
Freiheit für Mustafa Atalay, Ahmet Düzgün Yüksel, Ilhan Demirtas, Devrim Güler und Hasan Subasi!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Komitee gegen §129
Initiative gegen §129 und Repression
Weitere Informationen: www.no129.info

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