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Blogkino: The Brother from Another Planet (1984)

Heute zeigen wir in unserer Reihe "Blogkino" den Kultfilm "The Brother from Another Planet" (Der Typ vom anderen Stern). "„Der Typ“ flieht von „einem anderen Planeten“ und strandet im Harlem der 80er Jahre. Er sieht wie ein Afroamerikaner aus, hat aber nur drei Zehen, was aber niemand zu bemerken scheint. Er ist stumm hat aber mentale Fähigkeiten. Er bekommt einen Job als Mechaniker für Spielautomaten, die er durch Handauflegen reparieren kann. Zwei weiße „Men In Black“ jagen den Typen. Sie sind jedoch keine Regierungsbeauftragten, sondern außerirdische Sklavenjäger, die den Entflohenen zurückbringen wollen."

Quelle

9.11.1918: Die verratene und vergessene Revolution - gesehen aus der Erinnerung von Alfred Döblin

Alfred Döblin, ca. 1930 Foto: WikiPedia
Es scheint am Platz, vor allen anderen neunten Novembern an den allerersten zu erinnern, denjenigen der verratenen und vergessenen Revolution von 1918. Dem Dichter Döblin blieb es vorbehalten, nicht nur den Rückzug der Armee von Strasbourg her leibhaftig mitzuerleben, sondern als damaliges Mitglied der USPD auch die Kollaboration der Reichsregierung unter Noske und Ebert mit den heimkehrenden Truppen. Dreißig Jahre später arbeitet er in der Erinnerung alles noch einmal durch. Döblin war auf der Flucht vor den Deutschen 1940 zum Katholizismus konvertiert. Aber eines hatte er durch die Jahrzehnte nicht vergessen: Den Hass auf diejenigen, die damals die Revolution abgewürgt hatten und sie ihren Feinden ausgeliefert. In diesem einen Punkt bleibt seine Erinnerung rächend und unversöhnt. Sein Rückblick befremdet vielleicht, aber hält zugleich unverrückbar fest.

Döblin: November 1918

Lebensspuren
"Was für eine sonderbare Existenz ich führe, in meinem Alter, es war bequemer drüben, [im Exil in den USA] aber es ließ sich ja nicht halten, und hier kann ich etwas Nützliches leisten; meine Schublade war schon drüben voll von Manuskripten, die liegen blieben; auch das wird anders werden, viele Verlagsprojekte werden genannt." (Brief vom 25.11.45)

Fast keines der Manuskripte wurde in Deutschland veröffentlicht. Keines unverstümmelt.

"Wann betrete ich das Land wieder? Am 3.3.33 fuhr meine Familie über die Grenze. Welches Datum heute? Die Zufälle, die Zeichen, die Winke. Betroffen lasse ich das Blatt sinken und betrachte die Zahl noch einmal, der neunte November! Revolutionsdatum von 1918, Datum eines Zusammenbruchs, einer verpfuschten Revolution.
Wird alles wieder so kläglich wie damals verlaufen? Soll und muss es nicht hier, auch hier eine Erneuerung geben? Ich fahre in das Land, in dem ich mein Leben zubrachte, und aus dem ich hinausging, aus einer Stickluft, das ich floh, in dem Gefühl: es wird mir zum Heil....... Auf allen liegt, wie eine Wolke, was geschehen ist und was ich mit mir trage: Die düstere Pein der letzten zwölf Jahre. Flucht nach Flucht. Mich schauderts, ich muss wegblicken und bin bitter. Dann sehe ich ihr Elend und sehe, sie haben noch nicht erfahren, was sie erfahren haben."
(aus dem Erinnerungsbuch: Schicksalsreise, S. 309, bezogen auf November 1947)

Als Schriftsteller ungedruckt, als Zeitschriftenherausgeber in der Pleite gelandet, emigriert der Emigrant zum zweiten Mal.

Abreise 1953: "Alfred Döblin ist aus Deutschland ausgezogen. Auf einer Bahre brachten ihn zwei blaubeschürzte Bedienstete des Zentralhotels auf den Bahnsteig. Dort saß er, während sich seine Gattin um die Beförderung des Gepäcks etc. kümmern musste, zusammengekauert, eine Decke auf die Beine gebreitet, auf einem wackeligen Stuhl- nahe den Geleisen- im nur gespenstisch erhellten Bahnhofdunkel und in kalter rauchiger Zugluft, ein Großer der deutschen Literatur(sofern man noch von einer solchen reden kann), verraten und verkauft, jedenfalls vereinsamt und verbittert, krank und müde, wenngleich sehr wachen Geistes. Mein Ohr zu seinem Mund geneigt( der alte Mann war erkältet, heiser und hustete), hörte ich ihn sagen: "Das ist der Abschied". Sein letzter Brief aus Deutschland ging an die Adresse von Heuss ("ich habe ihm reinen Wein eingeschenkt") Welch ein Kapitel der Zeitgeschichte." (Ulbricht, Sekretär der Akademie Mainz, 5.5.53 an Hanns Henny Jahn)

1957 - Döblin war so verarmt, dass er nur in Deutschland - wohl über Wiedergutmachung - eine Sanatoriumsversorgung erhalten konnte. Nahe Emmendingen. Das deutsche Seminar Basel unter Musch suchte ihn dort auf. Ich damals in Freiburg, auch im dortigen Deutschen Seminar. Warum kam niemand auch nur auf die Idee, Gleiches zu tun? Wir hatten allenfalls von Döblins "Berlin Alexanderplatz" gehört, ihn keineswegs gelesen. Die bald dreißig Jahre nachher blieben mehr als verschüttet: unbekannt. Bis Günther Grass seine erste Rede auf Döblin hielt, vergingen weitere zehn Jahre. Zum fünfzigsten Todestag bekam sein ehemaliges Wohnhaus in Baden-Baden eine Gedenkmedaille. Er selber nichts.

Der Vergessene als Fachmann gegen das Vergessen werden
Warum sich an den Allervergessensten wenden, um gegen Vergessen vorzugehen? Vielleicht weil er inzwischen Fachmann im Vergessen werden geworden ist. Als er im Exil- erst in Frankreich, dann USA- die vier Bände seines "November 1918" in Angriff nahm, da war in Deutschland von Luxemburg und Liebknecht nicht mehr die Rede. Ihr Denkmal auf dem Berliner Friedhof war plattgemacht worden. Döblin fragte nach dem Versäumten. Wie konnten damals die gleichen Niederkämpfer der Revolution siegen, die ihn vierzehn Jahre später aus dem Lande trieben? Was war mit den bekannten Führungsgestalten? Der vierte Band der Tetralogie hat ausdrücklich "Karl und Rosa" zum Titel erhalten.

Döblin greift Luxemburgs Schicksal freilich ganz spät, im Weibergefängnis in Breslau auf. Die Episode mit dem Büffel darf nicht fehlen. Nur eine Pointe fügt Döblin hinzu: der Bursche, der das Tier so unbarmherzig prügelt, heißt Runge. Er ist eben jener heruntergekommene Jäger, der Luxemburg auf ihrem letzten Weg den Gewehrkolben über den Schädel hauen wird.

Der neue Blick auf Rosa Luxemburg im Knast, der auf die notwendige Entstellung durch Isolation und Erinnerungsqual fällt, wirkt erschreckend. Sie hat die Nachricht vom Tod ihres letzten Geliebten in den Schlachten in den ukrainischen Sümpfen erhalten.

Döblin bietet alles auf: die überlieferte Ballade von Lenore, die den toten Bräutigam beschwört, verbindet sich mit klinischen Erwägungen über hysterische Halluzination im Knast (Döblin war von Haus aus Nervenarzt und kannte ähnliche Zustände: er leiht sie Rosa aus eigener Erfahrung). Sie reist imaginär mit dem toten Bräutigam durch die Welt. Damit lässt Döblin einen Riss durch die Luxemburg im Gefängnis gehen: die Trauer um das vergehende Leben steht unverbunden neben dem politischen Kampf. All die von Döblin erfundenen Gespräche und Begegnungen mit dem Toten vollziehen sich während Rosas Niederschrift des Buchs über die Russische Revolution. Genauer gesagt: die Lebensnot hängt sich als Bleigewicht an den revolutionären Willen, zieht ihn nieder.

Was beim Bericht über Stammheim hämisch ausgespielt wird, die psychische Zerstörung durch das zwangsweise Aufeinander hocken in der ausweglosen Isolation, wird von Döblin klaglos konstatiert. Der Körper reißt sich los vom immer noch vorhandenen, in aller Mattigkeit festgehaltenen Willen zur Revolution. Körperlich breitet sich aus der Wahn, das Nachhängen hinter der verlorenen Liebe.

Faktisch ist von einer hysterischen Erkrankung Luxemburgs nichts bekannt. Es mag empören, wenn Döblin ihr solches zuschreibt. Aber es war nötig, um durch die Übertreibung das Ersticken des vitalen wie des revolutionären Begehrens scharf genug zu kennzeichnen.

Die Volksmassen: Ansammlung von Ermatteten
Die Leiber, ihre Müdigkeit, ihre Angreifbarkeit werden zum Schicksal der Revolution, nicht nur im einzelnen Leben l Luxemburgs, sondern als etwas, das alle ergreift, im Januar 1919 der Kälte, der Steckrüben und des Zehnstundentags.Die seit Döblins Konversion hinzugewonnene religiöse Sprache verhilft zum endgültigen Los-schälen von der Legende. Vom Bild der Roten Bataillone, die allzeit bereit gestanden hätten

"Krieg und Revolution waren Weckrufe einer überirdischen Stimme. Wer hörte sie, wie vernahm man sie? In diesen Revolutionswochen verklang allmählich die Stimme." (Bd IV, Seite 351)

Döblin hatte alles 1919 schon einmal beschrieben als Journalist unter dem Namen "Linke Poot". Die Massen aufgerufen, auf den Straßen wartend, erhalten den Ruf nicht mehr zum Sturm auf die Reichskanzlei- und gehen auseinander aus Erschöpfung, Wut und im bitteren Ressentiment gegen das angebliche oder auch wirkliche Versagen der Führenden.

Döblin macht sich dreißig Jahre später den Blick des Johannesevangeliums zu eigen. Das Licht kam in die Welt- aber keiner hatte die Kraft, es anschauend festzuhaltend. Das Wort zu uns gesprochen, traf auf taube Ohren. Weltlich gesprochen: wir sind wie das Gras auf dem Felde, und unser flüchtiges Dasein ist zur Empörung nur kurze Zeit fähig und bereit. Dann sinken wir zurück.Was nichts gegen die Stimme des Krieges, der Revolution sagt. Wenn auch sofort verklungen: gesprochen hat sie doch.

Unbarmherzig zeigt Döblin den Siegeszug der militärischen Routine und Disziplin innerhalb der von Ebert und Noske betriebenen Konterrevolution. Sie stützen sich auf das Idiotentraining der frisch importierten Feldsoldaten. Sie läuft sozusagen auf Geleisen- überspielt die individuelle Ermattung und Willensbildung. Dagegen die Müdigkeit der Leitenden wie der nicht Angeleiteten: Liebknecht beim letzten Besuch bei seiner Frau Sonja sich losreißend vom Privaten, ohne doch zur Entschlusskraft Lenins zu kommen. Er bleibt geschleift vom blinden Durchhaltewillen, im Marstall von Berlin, von dort vertrieben und schließlich im Zeitungsviertel gelandet, bei den Allerletzten. Versteckt in Vorortszimmern. Bis es heißt, den letzten Weg anzutreten.Überlegungen Rosas gegenüber Liebknecht- über die Notwendigkeit des zeitweiligen Rückzugs, wie ihn die Bolschewiki im September 1917 hatten antreten müssen- verstumpfen angesichts seines zusammengesunkenen müden Leibes. "Wenn sie (Rosa) ihn dann niedergekämpft hatte und er blass, mit eingefallenen Backen, mager, mit viel Grau in den Haaren, still dasaß, dann war es anders. Karl gab alle falschen Berechnungen, das Ungeplante und Gefährliche des Unternehmens zu, aber er gab es achselzuckend zu und zog keine Schlüsse daraus. Sie staunte. Sei wurde aufmerksam und schon argumentierte sie nicht mehr. Sie sah ihn an und erinnerte sich an den 1.Mai 1916, wo Karl voranging, so sicher, ohne Furcht, eine Feuersäule in der Nacht" (ebenda, Seite 455). Feuersäule - schon wieder ein Fetzen religiöser Überlieferung, aufgewandt, um das Unvergessliche mitten im Vergessen festzuhalten.

Döblin rettet die Erinnerung an den Aufstand, indem er dessen Scheitern, seinen notwendigen Untergang als Voraussetzung akzeptiert. Er zeigt den Rest auf der Schüssel, die Gräte vom Fisch. Es war also doch etwas da gewesen. Dasjenige, das nicht weiter zu zerstören ist von denen, die vielleicht noch an diesem Abend mal wieder daran gehen, die Novemberrevolution in Deutschland 1918 als das Heldenwerk eines Ebert hinzustellen- gegen Schwärmer, Träumer, Spartakisten und andere Verbrecher. Nicht viel anders hat es Peter Weiss gehalten in seiner - inzwischen ebenfalls weg gescharrten - "Ästhetik des Widerstands". Nur von der Galgenhalle in Plötzensee her sind ihre Bestrebungen und Taten krisensicher zu retten.

Rettung des Verlorenen

Gerettet hat Döblin trotz allem, indem er die Vorkämpfer den Schwächen des eignen Körpers und der Unzuverlässigkeit der Massen ausliefert. Er behält den ausgreifenden Blick auf diese Massen. Dieselben, die 1918 siegten, haben zu siegen nicht aufgehört- bis hin zu den vernichtenden Feldzügen des zweiten Weltkriegs. War der Aufstand 1918 auch von vornherein verloren, seine Notwendigkeit bleibt unanfechtbar bestehen. Welche Leiden hätten diese müden Leiber sich erspart, wenn sie -unmöglicherweise- damals auch nur ein paar Tage länger durchgehalten hätten.

Unbestechlich und traurig begegnet Döblin den selben erloschenen Gestalten wieder- 1947 in Baden-Baden. Haben sie etwas gelernt? Sie haben nichts gelernt. Und hätten es doch so nötig gehabt.

Schärfer als die Döblins kann keine der zu erwartenden Kritiken und Löschungen zum neunzigsten Jahrestag ausfallen. Gerade dadurch ist Döblin ihnen für alle Zeiten zuvorgekommen. Uns führt er vor die Unerlässlichkeit der Revolution zugleich mit ihrem Scheitern für dieses eine Mal und immer wieder.

Bibliographische Angaben: Döblin: November 1918. Vier Bände. dtv. Daraus alle Zitate.

Neuausgabe:

November 1918 - Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen. Erster Teil: Bürger und Soldaten 1918
November 1918 - Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen. Zweiter Teil, Erster Band: Verratenes Volk
November 1918 - Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen. Zweiter Teil, Zweiter Band: Heimkehr der Fronttruppen
November 1918 - Eine deutsche Revolution: Erzählwerk in drei Teilen. Dritter Teil: Karl und Rosa

Zuerst abgedruckt in Stattzeitung für Südbaden Ausgabe 70, 2007-11 (Printausgabe)

Revolution an der Tanzbar: Hölderlin - Requiem Für Einen Wicht (1972)

Ähnlichkeiten mit aktuellen Ereignissen sind nicht von der Hand zu weisen...



es war einmal ein Land
in dem das denken verboten
nur ein kleiner wicht
...befolgte die gebote nicht
er wurde bedrängt er wurde bedroht
denn auf das denken da stand der tod

der könig rief drei häscher
die kamen aus südwest
sie fangen den wicht und nahmen ihn fest
sie banden ihn und schlugen ihn
nahmen sein augenlicht
wie sehr sie auch suchten
wie sehr sie auch fluchten
sie fanden das denken nicht.

der könig sprach
wer denkt muss sterben
dies leiden
darf sich nicht vererben
dein tod soll dafür werben
dein tod soll dafür werben

die häscher trugen ihn fort

daran nahm der wicht sein denken
und schenkte es den wälen
die meere nahmen es auf

das denken fand man bis heute nicht
bis heute nicht
bis heute nicht
bis heute nicht
bis heute nicht...

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